| Titel: | Voigtländer's neues fünfzölliges Objectiv zur Lichtbilder-Erzeugung; von J. B. Schneider, Professor der Maschinenlehre an der k. polytechnischen Schule zu Dresden. | 
| Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. LXI., S. 266 | 
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                        LXI.
                        Voigtländer's neues
                           fünfzölliges Objectiv zur Lichtbilder-Erzeugung; von J. B. Schneider, Professor der Maschinenlehre an der
                           k. polytechnischen Schule zu Dresden.
                        Aus der Beilage zu Nr. 224 der Allg.
                                 Zeitung.
                        Voigtländer's neues fünfzölliges Objectiv.
                        
                     
                        
                           Seit kurzem sind hier in Dresden Photographien, theils einzelne Porträt- und
                              Gruppenbilder, theils Landschaftsbilder, in ungewöhnlicher Größe und Schärfe, durch
                              einen unserer besten Photographen, Hermann Krone,
                              angefertigt und in seinem Atelier zur Ansicht ausgestellt; dabei ist bemerkt daß
                              diese schönen Bilder mit Voigtländer's neuestem
                              fünfzölligen Objectiv aufgenommen sind.
                           Uebereinstimmend mit den hier gewonnenen Resultaten haben sich in Paris und London
                              die competentesten Stimmen bereits in mehreren Journalen über die vorzüglichsten
                              Leistungen des neuen fünfzölligen Objectivs ausgelassen; siehe: Cosmos, Revue encyclopédique etc., redigée par
                              Moigno Maiheft 1857; ferner La Lumière Nr. 23, Juniheft 1857 etc.
                           Wenn die ersten Photographen von Paris und London sich für Voigtländers Apparat ohne weiteres so überaus günstig entschieden, und
                              solche Apparate in mehrern Exemplaren bestellt haben, so ist dieß nicht bloß
                              Redensart, sondern sehr handgreifliche Wahrheit. Das Voigtländer'sche Objectiv kostet in Braunschweig 450 Thlr. preuß. Cour., und kommt in Paris mit Spesen und
                              Eingangszoll auf 2250 Fr. zu stehen. Französische Apparate von gleicher Größe sind
                              bereits seit einiger Zeit vorhanden, und kosten nur 500 Fr.; man zieht es aber vor,
                              den Voigtländer zu nehmen, obwohl es in Frankreich und
                              England noch nicht Gebrauch ist auf Kosten des Geldbeutels deutsche Producte in Mode
                              zu bringen.
                           Schon aus dieser Thatsache geht hervor, daß die Leistungen des neuen Objectivs alle
                              andern aus dem Felde schlagen, und es nicht bloß davon abhängt daß ein Objectiv so
                              und so groß gemacht werde, sondern daß es nach richtigen theoretisch begründeten
                              Principien und in höchster Vollendung hergestellt werde.
                           Die Voigtländer'schen Objective, sowohl das neue
                              fünfzöllige als auch alle früher kleineren, sind nach den Resultaten der Rechnung
                              ausgeführt, welche Professor Petzval in Wien über das
                              Daguerreotypinstrument angestellt hat, und worüber die Broschüre: „Bericht
                                 über die Ergebnisse einiger dioptrischen Untersuchungen von Professor Joseph Petzval, Pesth, 1843, Verlag von Conrad Adolph Hartleben,“
                              Auskunft gibt.
                           Wie groß die Anforderungen sind um das Daguerreotypobjectiv mit einem hohen Grade der
                              Vollkommenheit auszurüsten, hat Professor Petzval
                              ausführlich auseinandergesetzt, und nachgewiesen daß dieses optische Gebilde die
                              Lösung einer der schwierigsten theoretischen und praktischen Aufgaben enthält. Den
                              vereinten Bemühungen von Petzval und Voigtländer haben wir das Zustandekommen des bekannten
                              Voigtländer'schen Objectivs zu verdanken.
                           Das in Rede stehende neue Objectiv besteht aus zwei achromatischen Objectiven, resp.
                              von 60 und 63 Linien (Wiener Maaß) Oeffnung, und hat eine Brennweite von 21 Zoll und
                              9 Linien. Die Bildgröße beträgt 15 1/2 Zoll, wobei den strengsten Anforderungen
                              genügt wird; bei retouchirten Bildern kann man in der Größe weiter gehen. Das
                              vordere der beiden achromatischen Objective ist für sich allein als
                              Landschaftsobjectiv zu gebrauchen, und wird demselben zu diesem Zweck eine besondere
                              Fassung beigegeben. Dieses Objectiv hat 33 Zoll und 9 Linien Brennweite, und
                              gestattet eine Bildgröße von 22 1/2 Zoll.
                           Das Doppelobjectiv ist, wie alle früheren Voigtländer'schen Objective, ohne Blendung zu gebrauchen. Will man jedoch
                              größere Bilder erzeugen, und namentlich eine gleichmäßige Schärfe zwischen der Mitte
                              und dem Rand erzielen, so kann man sich verschiedener beigegebener Blendungen, von 3
                              1/4 Zoll bis 2 Zoll Oeffnung herab, bedienen, welche sich an einer in der Mitte des
                              Rohrs befindlichen Vorrichtung leicht anbringen lassen. Die Anwendung einer Blendung
                              von nur zwei Zoll Oeffnung möchte im ersten Augenblick einen großen Lichtmangel
                              befürchten lassen; allein dem ist nicht so. Der bekannte Photograph Claudet in London hat mit diesem neuen Objectiv und bei
                              Anwendung der Blendung von 2 Zoll Oeffnung, Gruppen von überraschender Schärfe in 25
                              bis 30 Secunden aufgenommen – ein Beweis daß die Lichtstärke des Instruments
                              sehr bedeutend ist. Unter geeigneten Umständen können Porträts im Glaspavillon in 15
                              bis 18 Secunden aufgenommen werden.
                           Voigtländer hat es vorgezogen seinem neuen Instrumente
                              eine kürzere Brennweite zu geben, als dieß andere Optiker zu thun im Stande sind.
                              Dadurch sind dem Photographen die Mittel geboten, einzelne kleinere Porträts mit
                              ganzer Oeffnung, also in sehr kurzer Zeit aufzunehmen; während durch Anwendung von
                              Blendungen die Aufnahme von Gruppen, also großen Bildern, mit gleicher Schärfe
                              ermöglicht wird. Der Photograph hat demnach, so zu sagen, zwei verschiedene
                              Instrumente in einem einzigen vereinigt, um obige Zwecke zu erreichen. Deßhalb war
                              es nothwendig, dem
                              Objectiv eine so bedeutende Oeffnung und so kurze Brennweite zu geben. Hierin lag
                              aber die bei dem neuen Objectiv von Voigtländer so
                              erfolgreich überwundene Schwierigkeit.
                           Der Unterschied zwischen dem optischen und dem sogenannten chemischen Brennpunkt
                              beträgt bei Anwendung der Blendung von 3 1/4 Zoll nur sehr wenig, und bei der
                              angegebenen Bildgröße zwei Theilstriche des Instruments; bei Anwendung der
                              zweizölligen Blendung fällt der optische und chemische Brennpunkt zusammen. Die hier
                              angegebenen, auf das neue Objectiv sich beziehenden Zahlen werden jeden
                              Sachverständigen in den Stand setzen die Vorzüge desselben von selbst
                              herauszufinden. Die große Oeffnung und Brennweite des Objectivs gestattet eine
                              größere Entfernung des Instrumentes vom abzunehmenden Gegenstand bei gleicher
                              Bildgröße, wodurch richtigere perspectivische Darstellung, richtige
                              Größenverhältnisse in allen Theilen des Bildes bis auf den Rand hinaus (keine zu
                              großen Hände, Füße und Nasen etc.) und vorzüglich Schärfe erreicht wird, da bei der
                              größern Entfernung des Instrumentes die relativen Entfernungen der Theile des
                              Gegenstandes sich nicht merklich machen können. Proben von Porträts, von Gruppen und
                              von Landschaftsobjecten liegen mir vor, theils von dem hiesigen Künstler Krone, theils von dem Pariser Hause Gebrüder Meyer und Pierson, und von Claudet in London. Was Schärfe, Richtigkeit der Zeichnung
                              und künstlerische Auffassung anbetrifft, so sind diese Bilder unübertroffen.