| Titel: | Ueber das Flavin, ein neues Färbematerial; von Ch. R. König, Assistent am I. Universitäts-Laboratorium und Lehrer an der Realschule zu Leipzig. | 
| Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. LXX., S. 304 | 
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                        LXX.
                        Ueber das Flavin, ein neues Färbematerial; von
                           Ch. R. König, Assistent
                           am I. Universitäts-Laboratorium und Lehrer an der Realschule zu
                           Leipzig.
                        Aus dem Journal für praktische Chemie, 1857, Bd. LXXI S.
                              98.
                        König, über das Flavin.
                        
                     
                        
                           Seit einigen Jahren kommt von Amerika über England ein Material für die Färberei in
                              den Handel, das den Namen Flavin führt, und das
                              namentlich in England in beträchtlichen Quantitäten als Ersatzmittel für die
                              Quercitronrinde gebraucht wird. Es hat sich bei uns bis jetzt wenig Eingang
                              verschafft, wohl hauptsächlich deßwegen, weil beim Färben damit einige
                              Vorsichtsmaßregeln beachtet werden müssen, die unsern Färbern, wie es scheint, noch
                              nicht genau genug bekannt sind. Das Pfund Flavin kostet in Leipzig 20 Ngr. und wird
                              auch als Surrogat für die Gelbbeeren (Bacc. spinae)
                              verkauft. Ich hatte Gelegenheit, eine Probe von Flavin, als es 1853 nach Leipzig
                              kam, zur Untersuchung zu erhalten, und erlaube mir in Folgendem die Resultate
                              derselben mitzutheilen.
                           Bis jetzt ist über das Flavin nur eine Notiz von Napier
                              erschienen, der dasselbe hauptsächlich auf seine technische Verwendbarkeit in der
                              Färberei untersuchte, während ich das Flavin einer ausführlicheren chemischen
                              Untersuchung unterwarf.
                           
                           J. Napier beschreibt in seinem Man.
                                 of the art of dyeing, Glasgow 1853Polytechn. Journal Bd. CXL. S.
                                       297. das Flavin als ein leichtes Pulver von dunkelbrauner Farbe, das sehr reich
                              an Farbstoff und in manchen Fällen dem Quercitron vorzuziehen sey, doch müssen die
                              mit Flavin erzeugten Farben geschönt werden. Nach Napier's Angaben hinterläßt das Flavin 44 Proc. Asche und seine wässerige
                              Auflösung gibt mit Eisensalzen einen schwärzlichgrünen Niederschlag mit Zinnsalzen
                              und Thonerdesalzen schön gelbe Niederschläge. In dem Verhalten der
                              Farbstoffauflösungen oder der damit gefärbten Zeuge gegen verdünnte Schwefelsäure
                              fand Napier einen Unterschied zwischen Flavin und
                              Quercitronrinde.Leeshing nahm auf ein Verfahren, das
                                    Färbevermögen des Quercitron und des Wau zu erhöhen, ein Patent (polytechn.
                                    Journal Bd. LXXXIX S. 131). Sein
                                    Verfahren besteht darin, das Farbematerial durch Kochen mit verdünnter
                                    Schwefelsäure in einen Farbstoff von schöner gelber Farbe und von größerem
                                    Färbevermögen umzuwandeln. Es gründet sich diese Methode also auf die
                                    Spaltung des Quercitrins in Quercetin und in Zucker, und auf das erhöhte
                                    Färbevermögen des Quercetins. Beiläufig erwähnt Leeshing, daß sein Verfahren auch bei Flavin angewendet werden
                                    könne.
                              
                           Das mir zu Gebote stehende Flavin zeigte folgende Eigenschaften:
                           Es ist ein feines leichtes Pulver von gelblich-brauner Farbe, das in frischem
                              Zustande sehr schwachen ammoniakalischen Geruch hat. Unter dem Mikroskope zeigt es
                              sich als ein Gemenge aus fast farblosen sehr kleinen Nadeln oder eckigen Körnern und
                              aus gänzlich strukturlosen, krümlichen Massen von brauner Farbe. Beim Erhitzen backt
                              es zusammen, erleidet eine angehende Schmelzung, gibt neben Wasserdämpfen gelbe
                              saure Destillationsproducte, welche beim Erkalten erstarren und im Anfange des
                              Erhitzens Caramel-Geruch verbreiten. Stärker erhitzt, entweichen erstickend
                              riechende Dämpfe, und es bleibt eine blasige, glänzende Kohle zurück, die nach
                              vollständigem Verbrennen eine röthlich-gelbe Asche hinterläßt. Mit Natronkalk
                              erhitzt, gibt das Flavin so wenig Ammoniak, daß es nur Spuren von Stickstoff
                              enthalten kann. Auf dem Platinbleche erhitzt, verbrennt es mit Flamme.
                           Das Flavin wird von kaltem Wasser schwer benetzt, ein großer Theil davon schwimmt auf
                              dem Wasser; es löst sich in kochendem Wasser unter Zurücklassung eines braunen
                              Rückstandes größtentheils auf, indem es damit eine intensiv braungelb gefärbte,
                              schwach sauer reagirende Lösung gibt, aus der sich beim Erkalten sogleich ein
                              reichlicher Niederschlag von bräunlicher Farbe absetzt. Dieser Niederschlag besteht,
                              wie das Mikroskop zeigte, aus kleinen verfilzten, fast farblosen oder nur schwach
                              gelblich gefärbten Nadeln und rhombischen Blättchen, ganz von demselben Ansehen, wie
                              sie sich schon im rohen
                              Flavin zeigten. Die abfiltrirte Flüssigkeit bleibt auch nach längerem Stehen und
                              öfterem Filtriren trübe. Kalter, namentlich aber warmer Alkohol löst bedeutend mehr
                              vom Flavin auf. Die Lösung ist gleichfalls braungelb und reagirt sauer; beim
                              Erkalten scheidet sich daraus nichts ab. Erst beim Verdunsten des Alkohols bilden
                              sich an den Gefäßwänden gelbe krystallinische Rinden, die unter dem Mikroskope
                              gleiches Ansehen, wie der aus Wasser abgesetzte Niederschlag zeigten.
                           In Aether ist das Flavin nur in äußerst geringer Menge löslich.
                           Das in Wasser und Alkohol Unlösliche enthält noch viel organische Substanz.
                           Netzende Alkalien lösen das Flavin größtentheils auf; die anfangs gelbe Lösung bräunt
                              sich an der Luft mehr und mehr und gibt mit verdünnten Säuren versetzt einen
                              bräunlichen Niederschlag, der durch Umkrystallisiren aus Wasser von schön gelber
                              Farbe erhalten werden kann.
                           Concentrirte Mineralsäuren zerstören das Flavin beim längeren Erwärmen; verdünnte
                              Säuren dagegen, besonders verdünnte Schwefelsäure, Salzsäure und Essigsäure, geben
                              beim Erwärmen damit intensiv gelb gefärbte Lösungen, aus welchen sich nach dem
                              Filtriren, besonders wenn man die beiden erstgenannten Säuren angewendet hat, ein
                              reichlicher Niederschlag von viel schönerer gelber Farbe, als der aus der wässerigen
                              Lösung entstandene ausscheidet. Auch dieser Niederschlag ist krystallinisch.
                           Der wässerige Auszug des Flavins zeigt gegen Reagentien folgendes Verhalten: er gibt
                              mit Bleilösungen einen chromgelben, mit basisch-essigsaurem Bleioxyd
                              orangerothen Niederschlag, mit Thonerdesalzen und Ammoniak eine röthliche Fällung
                              und mit Eisenchlorid schmutzig-grüne Färbung. Mit salpetersaurem Silberoxyd
                              geringe Fällung von Chlorsilber, beim Erwärmen mit dem Silbersalze eine Reduction
                              desselben. Mit Zinnchlorür einen starken gelben und mit Zinnchlorid geringen
                              Niederschlag, mit Kupfervitriol geringe grüne Fällung. Chlorcalcium gibt mit der
                              Farbstofflösung einen gelben Niederschlag, die weingeistige Lösung desselben wird
                              durch eine Lösung von eisenfreiem Chlorcalcium in Alkohol nicht gefällt.
                           Die qualitative Analyse der Asche zeigte, daß dieselbe viel Kalk und Eisen enthält,
                              außerdem Phosphorsäure, Spuren von Kali, Chlor und Schwefelsäure und etwas Sand. In
                              der 1853 untersuchten Probe von Flavin fand ich außerdem noch Spuren von Zinn, die
                              in dem neuerdings geprüften Flavin einer andern Sendung nicht gefunden wurden.
                           Diesen Prüfungen und mikroskopischen Untersuchungen zufolge, läßt sich vermuthen, daß
                              das Flavin ein Educt, wahrscheinlich der eingedampfte wässerige Auszug einer
                              Pflanzensubstanz ist. Nach dieser Ansicht erklärt sich der geringe Gehalt an Zinn
                              in der ersten Probe, wenn man annimmt, daß das Eindampfen in verzinnten Kesseln
                              vorgenommen worden ist.
                           Bei näherer chemischer Untersuchung, wobei ich vorzüglich die Natur des
                              krystallinischen Bestandtheils zu ermitteln suchte, fanden sich in dem untersuchten
                              Flavin 10,1 Procent Wasser und 5,2–6,1 Proc. Asche.
                           Es gab an 80procentigen Alkohol 81 Proc. lösliche Bestandtheile ab. Die Lösung
                              enthält aber noch viele Nebenbestandtheile des Flavins und gibt erst bei sehr
                              starkem Eindampfen einen Niederschlag, der sich selbst nach 2–3maligem
                              Umkrystallisiren noch nicht rein zeigte.
                           In kochendem Wasser lösten sich 57,8 Procent vom Flavin auf. Beim Erkalten der Lösung
                              schied sich daraus ein reichlicher Niederschlag ab, der nach dreimaligem
                              Umkrystallisiren aus Wasser vollständig aschenfrei erhalten wurde und, wie die
                              quantitative Analyse zeigte, nur in seinem Gehalte an Wasser von dem aus sehr
                              verdünnter Essigsäure abgeschiedenen reinen Farbstoff abwich.
                           Wasser, welches mit Essigsäure schwach angesäuert war, erwies sich als das
                              vortheilhafteste Lösungsmittel. Zur Reindarstellung des Farbstoffs wurde deßhalb
                              Flavin wiederholt mit sehr verdünnter Essigsäure ausgekocht und die filtrirte
                              Flüssigkeit im Wasserbade concentrirt. Sie schied beim Erkalten reichlich gelbe
                              Flocken des Farbstoffes ab. Der Niederschlag wurde mit kaltem Wasser gewaschen,
                              zwischen Papier gepreßt und darauf noch 1–2mal umkrystallisirt.
                           Der auf diese Weise erhaltene Farbstoff hatte das Ansehen einer glänzenden
                              blätterigen Masse von sehr heller Schwefelfarbe mit einem Stich ins Grüne. Unter dem
                              Mikroskope zeigte er sich bestehend aus dünnen, ziemlich langen und fast farblosen
                              Nadeln, ohne alle Beimischung der in nur einmal umkrystallisirter Substanz stets
                              enthaltenen krümlichen Massen von bräunlicher oder gelblicher Farbe.
                           Der Farbstoff des Flavins zeigte also alle Eigenschaften der von Weiß, Bornträger, Rochleder und Hlasiwetz so wie von Stein untersuchten
                              Rutinsäure, welche, wie Hlasiwetz
                              Journal für praktische Chemie Bd. LXVII S. 97 und 126. gezeigt hat, identisch ist mit dem als Quercitrin
                              bezeichneten Farbstoff der Quercitronrinde. Die Gleichheit des Farbstoffs des
                              Flavins mit der Rutinsäure oder dem Quercitrin wurde endlich durch die quantitative
                              Analyse des reinen Farbstoffes bestätigt, welche folgende Resultate gab:
                           
                           0,501 Grm. aus Wasser krystallisirter Farbstoff gaben nach dem Trocknen bei
                              100° C. durch Verbrennen mit Kupferoxyd:
                           0,982 Kohlensäure und 0,223 Wasser.
                           Hieraus berechnen sich folgende Werthe:
                           
                              
                                 
                                 
                                 In 100 Theilen.
                                 
                              
                                 
                                 Aeq.  
                                 Berechnet. 
                                 Gefunden.
                                 
                              
                                 Kohlenstoff      
                                 216
                                     53,59
                                    53,46
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                   19
                                       4,71
                                       4,96
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 168
                                     41,70
                                     41,58
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 403
                                   100,00
                                   100,00
                                 
                              
                           Das Bleisalz, dargestellt durch Fällen einer weingeistigen Lösung des Farbstoffs mit
                              einer weingeistigen Lösung von essigsaurem Bleioxyd, wobei die erste Lösung im
                              Ueberschuß vorhanden war, gab 44,0 Proc. Bleioxyd.
                           Nimmt man mit Rigaud und Hlasiwetz die Zusammensetzung des Bleisalzes nach der Formel
                              C₃₆H₂₀O₂₂ + 3PbO an, so berechnet sich
                              hieraus ein Gehalt von 44,8 Bleioxyd.
                           Zur weiteren Bestätigung der Identität des Flavinfarbstoffes mit Rutinsäure oder
                              Quercitrin untersuchte ich die Zersetzungsproducte desselben.
                           Es war nämlich das Verhalten des Farbstoffes gegen verdünnte Schwefelsäure oder
                              Salzsäure, was schon in der Voruntersuchung meine Aufmerksamkeit erregte. Ich fand
                              die Beobachtungen von Stein
                              Journal für praktische Chemie Bd. LVIII S. 399. und von Rigaud
                              Deßgleichen Bd. LXIII S. 94. über die Spaltung der Rutinsäure oder des Quercitrins durch diese Säure in
                              Zucker und einen Farbstoff von viel tieferer Farbe, das
                                 Quercetin, vollkommen bestätigt.
                           Das aus dem Flavin-Farbstoff abgeschiedene Quercetin zeigt alle Eigenschaften,
                              wie sie Rigaud u.a. an demselben beobachtet haben.
                           Versuche, welche ich in kleinem Maaßstabe machte, mit verschiedenen Salzen gebeizte
                              Zeuge durch den wässerigen Auszug des Flavins oder die Lösung des reinen Farbstoffs
                              zu färben, gaben mir ganz dieselben Resultate, wie sie durch Versuche Anderer
                              erhalten wurden. Diese Versuche bestätigen die Angabe Leeshing's, daß sein Verfahren, nach welchem aus dem Quercitrin sich
                              Quercetin bilden muß, mit Vortheil auch bei dem Flavin angewandt werden kann.
                           Die Resultate meiner Untersuchung scheinen hiernach die u.a. von Muspratt (polytechn. Journal Bd. CXLII S. 317) ausgesprochene Ansicht, daß
                              das Flavin der Farbstoff der Quercitronrinde sey, zu bestätigen; ein vollständiger
                              Beweis dafür sind sie jedoch nicht, da die Rutinsäure in so verschiedenen Pflanzen
                              vorkommt.
                           
                        
                           
                           Nachtrag.
                           Aus der von Hrn. Prof. Bolley veröffentlichten Abhandlung
                              über das FlavinSchweizerische polytechnische Zeitschrift, 1857, Bd. II S. 51; in diesem Bande des polytechn. Journals S. 134. geht hervor, daß der Farbstoff desselben Quercetin ist. Da ich aber in dem 1853 untersuchten Flavin nur Quercitrin
                              nachweisen konnte, so glaube ich, daß wir zu unsern Arbeiten verschieden bereitetes
                              Material benutzt haben.
                           Das von mir untersuchte Flavin ist jedenfalls ein durch Ausziehen mit Wasser
                              erhaltenes Educt, wie ich dieß schon S. 306 ausgesprochen habe, und enthält deßhalb
                              nur Quercitrin; weßhalb auch der Vorschlag Leeshing's
                              gerechtfertigt erscheint, sein Verfahren zur Erhöhung des Färbevermögens auch bei
                              Flavin anzuwenden, weil durch dasselbe alles Quercitrin in Quercetin umgewandelt
                              wird. Dagegen kann das von Hrn. Prof. Bolley untersuchte
                              Flavin nur Quercetin enthalten, da es, wie er selbst angibt, durch Ausziehen mit
                              Säuren erhalten worden ist. Die Darstellung des Flavins hat sich also jedenfalls mit
                              der Zeit geändert, so daß das jetzt im Handel vorkommende ein größeres Färbevermögen
                              besitzt, da der darin enthaltene Farbstoff Quercetin ist.
                           Ch. R. König.