| Titel: | Neues Stereotypverfahren, von Dr. Keßler und Dr. Friedländer in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. LXXXIII., S. 341 | 
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                        LXXXIII.
                        Neues Stereotypverfahren, von Dr. Keßler und Dr. Friedländer in Berlin.
                        Aus dem bayer. Kunst- und Gewerbeblatt, 1857, S.
                              205.
                        Keßler's neues Stereotypverfahren.
                        
                     
                        
                           Nach diesem den Genannten für das Königreich Bayern patentirten Verfahren wird zum
                              Abformen des Letternsatzes eine Masse benutzt, die aus 3 Theilen
                              Fayence-Masse, 2 Theilen reinem Kaolin, 1 1/2 Theilen gebranntem Gyps
                              besteht. Die Fayence-Masse und der Kaolin werden angewendet wie sie sich in
                              jeder Fayence-Fabrik fertig finden, aufs Innigste mit dem Gyps gemengt und
                              mit einer Lösung von 50 Theilen Wasser und 1 Theile Traganth zu einem Teige von der
                              Consistenz des Brodteiges geknetet. Diese Mischung ist im höchsten Grade plastisch,
                              bleibt lange genug weich, um alle Operationen ohne Uebereilung auszuführen, wozu
                              jedoch schon 2 Minuten hinreichend sind, trocknet in einer Temperatur von circa 40° R. binnen einer halben Stunde, wird
                              hart, so daß sie kaum mehr Eindrücke vom Nagel annimmt, reißt nicht und dehnt sich
                              beim Hartwerden weder aus, noch zieht sie sich zusammen.
                           
                           Das Abformen erfolgt mittelst einer Maschine, von welcher unsere Quelle, in der das
                              Verfahren überhaupt ausführlicher beschrieben ist, die nähere Beschreibung nebst
                              Abbildungen enthält, die indeß nicht vollkommen deutlich sind. Im Wesentlichen
                              geschieht das Abformen auf die Weise, daß die vorerwähnte Matrizenmasse in einer
                              gleichmäßigen dünnen Schicht auf einer Eisenplatte aufgestrichen und der so auf
                              derselben gebildete dünne plastische Kuchen sodann allmählich gegen den eingeölten
                              Letternsatz angedrückt wird, so daß dieser sich in dem Kuchen abdrückt. Die
                              Letternfläche steht dabei in genau horizontaler Lage unter dem ebenfalls horizontal
                              eingestellten plastischen Kuchen, und letzterer wird nebst der Eisenplatte mittelst
                              einer Führung in verticaler Richtung abwärts bewegt und nachher ebenfalls vertical
                              wieder von dem Letternsatz abgehoben.
                           Die so erhaltene Matrize wird nach dem Trocknen zum Zweck des Ausgießens mit einem
                              Ausgußrahmen umgeben. In denselben wird nun eine dickflüssige Masse aus Schellack,
                              Sand und Theer eingegossen und unter einem Balancier alles Ueberflüssige
                              herausgepreßt, bis die Balancierplatte überall auf dem Rahmen aufsitzt. Hierdurch
                              wird die Rückfläche der Platte der Druckfläche parallel und die Platte überall
                              gleich dick, und wenn man mit demselben oder gleich hohen Rahmen arbeitet, alle
                              Platten unter sich gleich dick, also das zeitraubende Abdrehen erspart. Um die
                              Schellackmasse nicht eher, als bis alles Ueberflüssige herausgepreßt ist, erkalten
                              zu lassen, ist es nöthig, die eiserne Platte mit dem Rahmen und der Thonform bis auf
                              circa 100° R. zu erhitzen, ehe die
                              Schellackmasse hineingegossen wird. Die Luft in der Form wird hierdurch verdünnt und
                              entweicht in Blasen durch die noch dickflüssige Masse; diese Blasen müssen mit der
                              Ahle aufgestochen werden, ehe die Form unter den Balancier kommt. Die bei allem
                              Gießen so schädliche Luft ist nun beseitigt und durch den starken Druck des
                              Balanciers wird die Masse in die allerfeinsten Partien der Form eingedrückt, so daß
                              selbst die Clichés der allerfeinsten Holzstöcke niemals irgend einer
                              Nachgravirung bedürfen und sogar die ganze Holzstructur des Originals auf dem
                              Cliché wieder zu finden ist. Nach dem Erkalten der eingepreßten Masse, was,
                              um die Arbeit nicht aufzuhalten, nicht unter dem Balancier, sondern unter einer,
                              mittelst zweier Schraubenzwingen aufgeschraubten kalten Eisenplatte geschieht, wird
                              die Platte sammt der Matrize aus dem Rahmen genommen und in Wasser gelegt, worin die
                              Matrize binnen wenigen Minuten zu Brei zerfällt und mit einer ganz weichen Bürste
                              rein weggewaschen werden kann.
                           Was die Zusammensetzung und Bereitung der Schellackmasse anbetrifft, so richtet
                              erstere sich darnach, ob die Platten viel oder wenig Abzüge auszuhalten haben, und
                              man hat es ganz in seiner Gewalt, die Platten hart oder weich zu machen. Für sehr
                              harte Platten, welche nach einem Versuch mit einem sehr feinen Cliché 140,000
                              Abdrücke aushalten, ohne unbrauchbar zu werden, nehmen die Patentträger 64,6 Theile
                              Sand, 30,8 Theile Schellack und 4,6 Theile Theer. Zu weicheren Platten setzen sie,
                              da es sich mit einer etwas dünneren Mischung schneller arbeitet, bis zu 6 Procent
                              Theer zu; Sand und Schellack bleiben stets in demselben Verhältniß. Der Sand ist um
                              so besser, je scharfkantiger er ist, derselbe muß durch das feinste
                              Seidensieb(Müllergaze) gesiebt werden, wird mit dem Schellack und Theer tüchtig
                              durcheinander gemengt und in einem eisernen Kessel in Partien von circa 20 Pfund unter sehr sorgfältigem Durcharbeiten
                              zusammengeschmolzen. Der Kessel muß eine leicht zu regulirende Feuerung haben und
                              die Masse stets tüchtig gerührt werden, damit sie bei ihrer schlechten
                              Wärmeleitungsfähigkeit nicht anbrennt. Ist die Masse ganz gleichförmig, so wird sie
                              auf ein großes Zink- oder Eisenblech ausgegossen, und, so lange sie noch warm
                              ist, in Stücke von 1/2 Zoll Dicke und 1 Quadratfuß Oberfläche geschnitten. Diese
                              Stücke werden zum weiteren Gebrauch aufbewahrt und beim Ausgießen auf einer heißen
                              Eisenplatte bis zur dicken Syrupsconsistenz erwärmt und mit einer Kelle in die Form
                              gebracht. Der weitere Verlauf ist schon im Vorigen mitgetheilt. Der Centner fertiger
                              Schellackmasse stellt sich auf circa 8 Thlr., der
                              Centner guten Schriftzeugs auf circa 10 Thlr. Nun ist
                              aber das specifische Gewicht der Schellackmasse 1,8, das des Schriftzeugs circa 11,0, also der Preis der Schellackmasse nur 1/8
                              von dem des Schriftzeuges, was aber auf circa 1/6 erhöht
                              wird, da die Platten etwas dicker gemacht werden als die von Metall. Die Haltbarkeit
                              dieser Platten steht der des Schriftzeugs in keiner Weise nach.
                           Das Waschen mit kalter Lauge schadet den Platten nicht im mindesten; sie waschen sich
                              nach dem Urtheile der Drucker viel leichter und nehmen auch leichter Farbe an. Durch
                              ihre große Genauigkeit machen sie beim Einheben weit geringere Schwierigkeiten als
                              die anderen; um das festzustellen, wurde in der Druckerei des Hrn. Brixenstein in Berlin eine Form von 8 Platten der
                              Patentträger eingehoben und gedruckt und erforderte nur etwas mehr als die halbe
                              Zeit des Zurichtens gegen andere Stereotypen. Die Wärme schadet diesen Platten, wie
                              die Druckversuche im Sommer zeigen, nicht, und einer Temperatur über 40° R.,
                              die sie aller Wahrscheinlichkeit nach noch aushalten würden, darf man eine
                              Druckpresse überdieß nicht aussetzen, weil die Leimsyrupwalzen dabei unbrauchbar
                              würden. Daß die Platten bei einer Temperatur von circa
                              60° R. etwas weich werden, hat im Gegentheil den eigenthümlichen Vortheil,
                              daß es dadurch gelingt, von ganz verzogenen Holzstöcken gerade Clichés zu
                              machen. Das ursprünglich
                              eben so krumme Cliché darf nämlich nur auf einer erwärmten Platte etwas
                              angewärmt werden und zieht sich dann, wenn man es auf dieser Platte erkalten läßt,
                              gerade.
                           Als Vortheile dieses Verfahrens führen die Patentträger zuletzt Folgendes an: 1) Zum
                              Abformen ist kein hoher Ausschluß nöthig und kein Ausschmieren des Satzes mit Gyps.
                              2) Die Matrize wird weit schärfer als beim Uebergießen mit Gyps und es finden sich
                              keine Luftblasen in ihr. 3) Die Form ist in einer halben Stunde trocken. Die
                              Gypsform muß dagegen 2 bis 3 Stunden trocknen, ehe sie alles Wasser verloren hat. 4)
                              Das Formen geschieht durch eine Geradeführung, erfordert gar keine Geschicklichkeit
                              und weit weniger Zeit als das Abformen mit Gyps. 5) Die Matrize wird mit aller
                              Schärfe und fast absoluter Genauigkeit ausgegossen, da die Luft durch die
                              dickflüssige Masse entweichen kann und diese mit großer Gewalt eingepreßt wird. 6)
                              Die Platten brauchen nicht ausgestochen zu werden. 7) Sie brauchen nicht durch
                              Abdrehen auf gleiche Höhe gebracht zu werden. 8) Die Platten halten eben so viel aus
                              als Schriftzeug. 9) Dieselben kosten nur 1/6 der seither üblichen. 10) Sie nehmen
                              leicht Farbe an und oxydiren sich nicht. 11) Es lassen sich von verzogenen
                              Holzstöcken gerade Clichés machen. 12) Die Platten lassen sich in beliebige
                              Theile zerlegen. 13) Die Unterlagen können weit billiger aus derselben Masse gemacht
                              werden wie die bisherigen aus Metall. 14) Das Einheben erfordert weit weniger Zeit
                              als bisher. 15) Die Lettern oder der Holzstock, welche als Original dienen, werden
                              nicht im mindesten angegriffen und werden auch nicht, wie bisher geschah,
                              verunreinigt. 16) Die Platten erhalten mathematisch genau die gleiche Größe des
                              Originals und eignen sich daher zum Zusammensetzen.