| Titel: | Ueber sogenannte Antiphosphorfeuerzeuge; von Professor Dr. J. R. Wagner in Würzburg. | 
| Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. XCI., S. 387 | 
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                        XCI.
                        Ueber sogenannte Antiphosphorfeuerzeuge; von
                           Professor Dr. J. R. Wagner
                           in Würzburg.
                        Aus dessen Jahresbericht der chemischen Technologie für
                                 1856, S. 465.
                        Wagner, über sogenannte Antiphosphorfeuerzeuge.
                        
                     
                        
                           Das Prognostikon, welches ich im vorigen Jahre den sogenannten Antiphosphorfeuerzeugen,Die Antiphosphorfeuerzeuge wurden von einer Zündholzfabrik in Jonköping in
                                    Schweden und dann erst von Nürnberg und Wien in den Handel gebracht. die einen Rückschritt in der Geschichte der Industrie bezeichnen,
                              stellte, hat sich als vollkommen richtig erwiesen. Die Fabrication der
                              Antiphosphorfeuerzeuge, überhaupt niemals schwunghaft betrieben, ist gegenwärtig
                              schon so gut wie verschwunden. Trotzdem erheben sich noch hier und da Stimmen zu
                              Gunsten dieser Feuerzeuge.
                           Der Grund, warum es den Antiphosphorfeuerzeugen nicht gelingen konnte die üblichen
                              Streichhölzchen zu verdrängen, liegt ziemlich nahe. Einmal ist bei der ersteren Art
                              Feuerzeug das Hölzchen an und für sich nicht im Stande Feuer zu geben; es gehört
                              dazu die präparirte Streichfläche, die, wie sich gezeigt hat, nach kurzem Gebrauche
                              durch die Phosphorsäure, welche sich während des Reibens und zwar immer in etwas
                              größerer Menge, als zum Entzünden der Streichhölzchen erforderlich gewesen wäre,
                              bildet, feucht und dadurch gänzlich unbrauchbar wird. Bei der Benutzung von 100
                              Hölzchen wird man im günstigsten Falle zwei, meistens aber mehr als zwei Reibflächen
                              brauchen, abgesehen von dem Umstande, daß eine nicht geringe Anzahl der Hölzchen
                              sich nicht entzündet. Auf der anderen Seite zeigt die Anwendung des amorphen
                              Phosphors, dessen Preis außerdem mehr als das Doppelte von dem gewöhnlichen Phosphor
                              beträgt, ein gänzliches Mißverstehen der Bedingungen der Fabrication der
                              Zündrequisiten. Ohne nun im Entferntesten die Wichtigkeit der glänzenden Entdeckung
                              des amorphen Phosphors zu verkennen, kann ich doch nicht umhin auszusprechen, daß
                              diese Modification des Phosphors in der Zündholzfabrication niemals Anwendung finden
                              wird und finden kann.Schon 1851 erschienen Zündhölzchen mit rothem
                                       Phosphor auf der Londoner Industrieausstellung, später von Alburyth und Camaille
                                    (letzterer Hauptfabrikant von Zündrequisiten in Frankreich), gleichwohl sind
                                    sie aber jetzt nirgends in Handel und Gebrauch zu finden. Die großen Massen
                                    von rothem Phosphor, welche die Phosphorfabrikanten vor 5–6 Jahren in
                                    der Erwartung ausgedehnter Anwendung der neuen Phosphormodification
                                    darstellten, liegen unbenutzt und unverkauft da und harren der Zurückführung
                                    in gewöhnlichen Phosphor.Camaille stellte seine Zündhölzchen mit rothem
                                    Phosphor nach folgenden Vorschriften dar:1)Leim100 GrammeChlorsaures Kali  50        „Rother Phosphor  25        „2)Flüssiger Leim    7
                                          1/2  „Rother Phosphor    4        „Chlorsaures Kali    4        „3)Arabisches Gummi in Lösung  60        „Chlorsaures Kali  40        „Rother Phosphor  40        „Glaspulver  25        „4)Traganthgummi in Lösung  20        „Chlorsaures Kali    1
                                          1/2  „Rother Phosphor    6        „Gepulvertes Glas  10        „Die vierte Vorschrift verdient den Vorzug. Die Leichtentzündlichkeit des gewöhnlichen Phosphors, weit entfernt ein Uebelstand zu
                              seyn, ist seine werthvollste Eigenschaft. Der gewöhnliche Phosphor entzündet sich
                              bei 75° C., die rothe Modification dagegen nicht oder vielmehr erst, nachdem
                              sie wieder in die gewöhnliche übergegangen ist, was nur bei einer Temperatur von
                              beiläufig 300° C. der Fall ist. Gewöhnlichen Phosphor in rothen überzuführen
                              und ihn in letzterer Gestalt in der Zündholzfabrication anwenden zu wollen, heißt
                              den Phosphor seiner vorzüglichsten Eigenschaft berauben. Man hebt hervor, der rothe
                              Phosphor sey minder feuergefährlich, als der gewöhnliche. Wenn es wahr seyn sollte
                              daß ein Feuerzeug, bei welchem durch Reibung Feuer erzeugt wird, um so besser ist,
                              je weniger feuergefährlich es sich beim Gebrauche zeigt, so möchte ein Stück hartes
                              und ein ähnliches Stück weiches Holz, nach Art der Wilden an einander gerieben,
                              selbst den Antiphosphorfeuerzeugen vorzuziehen seyn.
                           Unsere intelligenten Fabrikanten von Zündrequisiten sind jedoch anderer Ansicht,
                              indem sie vielmehr darnach streben, die Entzündlichkeit des Phosphors nicht zu
                              verringern, sondern durch feinste Zertheilung dergestalt zu erhöhen, daß, wenn die
                              Phosphoratome nicht durch die übrigen Bestandtheile der Zündmasse von einander
                              getrennt wären, ähnlich wie bei dem Phosphor, der aus einer
                              Schwefelkohlenstofflösung nach deren Verdunstung zurückbleibt, eine Selbstentzündung
                              eintreten würde.
                           Wenn das Bedürfniß vorhanden wäre, Reibzündhölzchen ohne Phosphor (d.h. auch ohne
                              phosphorhaltige Reibfläche) darzustellen,Der Gesundheitsrath in Paris wurde 1856 vom
                                    Handelsminister mit einem Gutachten über die Frage beauftragt, ob im
                                    Hinblick auf die Gesundheit der Arbeiter und auf die öffentliche Sicherheit
                                    das Verbot der gewöhnlichen Phosphorzündhölzchen gerechtfertigt sey, und ob
                                    es möglich und vortheilhaft wäre, den gewöhnlichen Phosphor bei der
                                    Zündholzfabrication durch den rothen Phosphor oder sonst einen dem Zweck
                                    entsprechenden Körper zu ersetzen. Der Bericht verbreitet sich über die
                                    Gefahren und Uebelstände bei der Fabrication und dem Gebrauche der
                                    gewöhnlichen Zündhölzer. Bei dem Aufkommen des neuen Industriezweiges
                                    bestanden zum großen Nachtheile für die Gesundheit neben großen Fabriken
                                    auch kleine, nur von einzigen Familien betriebene Werkstätten. Unter dem
                                    Einflusse der Concurrenz besserten sich die Verhältnisse. Die Theilung der
                                    Arbeit und die Trennung der Gelasse für die einzelnen Operationen,
                                    namentlich solche für die unschädlichen Arbeiten des Zuschneidens der
                                    Hölzchen und Verfertigens der Schachteln und Etuis und des Einsetzens, von
                                    den Localen für die gefährliche Zubereitung der Zündmasse, für das
                                    Eintauchen, das Trocknen und das Verpacken, hat die Ungesundheit der
                                    Fabriken wesentlich vermindert. Auch die Phosphor-Nekrose kommt
                                    gegenwärtig, seitdem nur Arbeiter und Arbeiterinnen mit gesunden Zähnen zu
                                    denjenigen Arbeiten verwendet werden, bei denen das Einathmen von
                                    Phosphordämpfen unvermeidlich ist, nur noch vereinzelt vor. Eine weitere
                                    Gefahr besteht in der leichten Entzündbarkeit der gewöhnlichen Zündhölzchen.
                                    Weise Verordnungen, wie sie im Königreich Bayern und dem österreichischen
                                    Kaiserstaate bestehen, daß Zündrequisiten nur in zugelötheten Blechkästen
                                    versendet, auch in den Haushaltungen nur in mit Wasserglas (durch Tränken
                                    mit einer Auflösung desselben von 17° Baumé) überzogenen
                                    Pappetuis aufbewahrt werden dürfen, haben diese Gefahr bei weitem verringert, da im
                                    Falle einer Entzündung die Zündmasse in dem verschlossenen Raume als
                                    Feuerlöschmittel wirkt. Das schwerste Gebrechen der Zündhölzchen sind
                                    endlich ihre giftigen Eigenschaften. Der Vorschlag von Cadet de Cassicourt und Chevallier, man
                                    solle, um Vergiftungen zu verhüten, der Zündmasse einen Stoff von recht
                                    widerlichem Geschmacke, z.B. Aloë oder Coloquinten zusetzen, ist zwar
                                    unzureichend, verdient jedoch alle Beachtung. Im Uebrigen verweisen wir auf
                                    die Abhandlung (aus den Annales d'hygiène
                                       publique 1856 im Medic.-Chirurg. Monatshefte von Friedrich und Vogel,
                                    1857 S. 256). W. so würde die
                              Chemie zahlreiche Vorschriften von Zündmassen ausfindig machen können, die ihren
                              Zweck durch Reibung Feuer zu erzeugen, genügend erfüllen würden. Es gibt eine große
                              Anzahl von Körpern, welche beim Reiben chemisch auf einander wirken und dabei
                              Feuererscheinung zeigen; ich erinnere beispielsweise an das Bleisuperoxyd, welches
                              mit Zucker, Weinsäure, Gerbsäure und andern organischen Körpern zusammengerieben,
                              ein Erglühen zeigt, welches hinreichend seyn wird, eine wie gewöhnlich, nur ohne
                              Phosphor, dargestellte Zündmasse zu entzünden.Prof. Böttger in Frankfurt bemerkt über die
                                    Anti-Phosphorreibzünder (polytechn. Notizblatt, 1857 Nr. 1)
                                    Folgendes: „Wir können nicht umhin, vor der Feuergefährlichkeit
                                       dieser Hölzer das Publicum dringend zu warnen, denn es ist eine bekannte
                                       Erfahrung, daß ein Gemisch von chlorsaurem Kali und Schwefelantimon
                                       durch einen mäßig geführten Schlag oder Stoß von Eisen auf Eisen, ja
                                       selbst schon durch eine ganz schwache Friction zwischen Sand-
                                       oder Schmirgelpapier sich entzündet, was wir auch bei jenen Hölzern
                                       bestätigt gefunden. Dagegen wollen wir hier nicht unterlassen, auf die
                                       von uns bereits schon im Jahr 1848 erfundenen phosphorfreien Zündhölzer, welche völlig gefahrlos sind und
                                       sich lediglich nur auf einer besonders präparirten Oberfläche, dagegen
                                       auf, keiner anderen rauhen Fläche, welcher Art
                                          diese auch seyn mag, entzünden lassen, aufmerksam zu machen.
                                       Dem Hrn. Bernhard Fürth in Schüttenhofen, der
                                       diese Hölzer auch auf die Pariser Industrie-Ausstellung gesandt
                                       hatte, ist schon vor einigen Jahren ein Patent darauf in Oesterreich
                                       ertheilt worden, deßgleichen die Anfertigung derselben für sämmtliche
                                       Zollvereinsstaaten und die Schweiz dem Hrn. Mechanicus Sebold in Durlach gemeinschaftlich mit Hrn.
                                       Rapp, Besitzer des Hubbads bei
                                       Baden-Baden, überlassen. Die Zündmasse an unseren völlig
                                       gefahrlosen, phosphorfreien Hölzern unterscheidet sich schon dem
                                       Aeußeren nach durch ihre Farbe von jener in England patentirten, die
                                       unserige sieht roth, letztere schwarz aus.“