| Titel: | Das Zahnexcentricum, ein neuer Bewegungsmechanismus; von Prof. F. Reuleaux in Zürich. | 
| Fundstelle: | Band 148, Jahrgang 1858, Nr. V., S. 16 | 
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                        V.
                        Das Zahnexcentricum, ein neuer
                           Bewegungsmechanismus; von Prof. F.
                              Reuleaux in Zürich.
                        Aus dem Civilingenieur, 1858 Heft 1, durch das
                           polytechnische Centralblatt, 1858 S. 151.
                        Mit Abbildungen aus Tab.
                              I.
                        Reuleaux' Zahnexcentricum.
                        
                     
                        
                           Mit dem Namen „Zahnexcentricum“ hat
                              der Verfasser einen wesentlich neu scheinenden Mechanismus belegt, welchen er durch
                              eine gewisse Zusammensetzung von Zahnrädern erhielt, und welcher so vieler
                              praktischen Verwendungen fähig ist, daß seine Veröffentlichung nützlich seyn möchte.
                              Es folgt deßhalb hier die Darlegung der Grundidee, der
                              Theorie und einiger der wichtigsten praktischen Anwendungen des neuen Mechanismus.
                           1. Der allgemeine Fall. Gibt man zwei runden,
                              cylindrischen, sich außen berührenden Scheiben von beliebiger Größe excentrische
                              Achsen, wovon man die eine nur drehbar, die andere aber außerdem noch in einer
                              geraden oder gekrümmten Bahn verschiebbar anbringt, so wird sich bei der Drehung der ersten Scheibe die Achse der zweiten verschieben, vorausgesetzt, daß die Umfänge der Scheiben
                              nicht auf einander gleiten, und zwar wird die Bewegung der Achse eine hin- und hergehende
                              seyn, wenn dafür gesorgt wird, daß die Scheibenumfänge nicht außer Berührung kommen.
                              Das Gesetz dieser Hin- und Herbewegung wird sich nach der Größe der Scheiben
                              und Excentricitäten und nach einigen anderen Verhältnissen richten, läßt sich aber eben
                              dadurch, wie man auf den ersten Blick sieht, auf sehr mannichfache Weise gestalten.
                              Die praktische Verwirklichung dieses Mechanismus ist das Zahnexcentricum.
                           A, Fig. 20, ist die
                              unverschiebbar gelagerte Achse der Scheibe C, welche auf
                              A excentrisch befestigt ist, B die Achse der zweiten Scheibe D, hier in
                              einer geraden, durch den Mittelpunkt von A gehenden Bahn
                              verschiebbar. Damit die Umfänge der Scheiben nicht aufeinander gleiten können, sind
                              die letzteren als Stirnräder hergestellt; jedoch unterscheiden sie sich von den
                              gewöhnlichen Zahnrädern dadurch, daß sie seitlich mit abgedrehten Rändern vom
                              Durchmesser ihrer Theilkreise versehen sind, s. Fig. 21. Diese Ränder
                              rollen beim Eingreifen der Räder aufeinander, so daß die letzteren im Stande sind,
                              auch radial gerichtete Pressungen aufeinander auszuüben. Es ist nun noch
                              erforderlich, eine Vorrichtung anzubringen, vermöge deren die Scheibenränder immer
                              in gegenseitiger Berührung erhalten werden. Hierzu könnte man ein die Achse B gegen A treibendes
                              Gegengewicht oder auch eine Feder anwenden, wie man es nicht selten bei
                              Kniehebelpressen oder Kurbelpressen (z.B. bei der Vorsig'schen Stanzmaschine) findet. Allein die Sache läßt sich hier in der
                              Regel weit einfacher machen. Da nämlich die Punkte E und
                              F als Mittelpunkte der Räder stets dieselbe
                              Entfernung einhalten müssen, so braucht man den Rädern nur außer den excentrischen
                              Zapfen auch noch centrische zu geben und diese durch eine Zugstange zu verbinden, wie es in Fig. 20 angedeutet
                              ist.
                           Das Ganze läßt sich, wie man noch weiter unten sehen wird, sehr leicht constructiv
                              ausführen, und die Vorrichtung wird dann beim Drehen des Rades C das folgende Spiel haben. Treibt man das Rad C, welches zur Unterscheidung von dem verschiebbaren oder Schubrade
                              D das feste Rad heißen möge,
                              in der Richtung des beigezeichneten Pfeiles um, so wird D in der entgegengesetzten Richtung in Drehung versetzt, und dadurch B nach unten geschoben. Wird dabei dem Punkte B ein (überwindbarer) Widerstand entgegengesetzt, so
                              ruft derselbe einestheils einen Druck der Scheibenränder aufeinander hervor, und
                              zugleich, wenn die hierbei auf den Rändern entstehende Reibung nicht zum Mitnehmen
                              genügt, auch noch einen Druck zwischen den Radzähnen. Durch diese Pressungen
                              gemeinschaftlich wird die treibende Kraft nach B
                              verpflanzt. Ist B am Ende seines Schubes angelangt, so
                              wird es durch den Zug der Stange E, F und die
                              umtreibende Kraft der Radzähne wieder in die Höhe bewegt, um nach Durchlaufung eines
                              gewissen Weges wieder nach unten getrieben zu werden.
                           
                           Um zu einer allgemeinen Anschauung über das Gesetz der Bewegung des Punktes B zu gelangen, werde vorerst das Rad D lose auf seiner centrischen Achse F, und zugleich diese nur in einer zu AB parallelen Richtung verschiebbar gedacht,
                              alsdann wird D beim Drehen des Rades C die Stelle einer Reibungsrolle vertreten, und BF in ganz ähnlicher
                              Weise auf- und niedergeschoben werden, als ob die Bewegung durch eine Kurbel
                              vom Halbmesser AF erzeugt würde. D ist aber in der That fest auf F, und mit diesem nur drehbar um B; in Folge
                              dessen wird der Punkt B bei jeder ganzen Umdrehung des
                              Rades D auch noch eine ganze Hin- und Herbewegung
                              machen, welche einer solchen sehr ähnlich seyn muß, die ihm eine Kurbel vom
                              Halbmesser BF ertheilen würde. Es wird also die
                              Bewegung von B aus zwei schwingenden Bewegungen
                              zusammengesetzt seyn, von denen die eine, durch AF
                              erzeugte, ihren Schwingungsmittelpunkt fortwährend nach dem Gesetz einer zweiten,
                              durch BF erzeugten Schwingung ändert. Eine solche
                              Bewegung läßt sich etwa durch das Diagramm in Fig. 22
                              versinnlichen.
                           Einen Bewegungsmechanismus von ähnlicher Wirkung besitzt man aber bereits, und zwar
                              in dem, welchen Redtenbacher in seinem Werke über die
                              Bewegungsmechanismen den „Interferenzmechanismus“ nennt und den man wohl nach seinem
                              Erfinder mit dem Namen „Römer'sche Räder“ bezeichnet. Hier verschieben zwei
                              durch Zahnräder gekuppelte Kurbeln mittelst Schubstangen und eines Gelenkes einen
                              Punkt, und ertheilen diesem, ganz ähnlich wie oben besprochen wurde, gleichzeitig
                              zwei schwingende Bewegungen. Diese Uebereinstimmung oder Aehnlichkeit der
                              Wirkungsweise zwischen den beiden Mechanismen ist sehr interessant und verdient
                              namentlich darum bemerkt zu werden, weil das Zahnexcentricum weit mehr zur
                              Construction geeignet ist, als die Römer'schen Räder, und
                              man daher mittelst desselben die Interferenzbewegung weit häufiger wird anwenden
                              können als bisher.
                           Nachdem hierauf der Verf. den mathematischen Ausdruck für das Bewegungsgesetz der
                              losen Achse des Zahnexcentricums ermittelt hat, geht er auf besondere Fälle über, in
                              welchen das Zahnexcentricum mehr als in dieser allgemeinen Form anwendbar ist.
                           2. Das feste Rad sey centrisch aus seiner Achse befestigt.
                              Man erhält dann dieselbe Wirkung wie durch einen gewöhnlichen Kurbelmechanismus, und
                              hieraus ergibt sich sogleich eine ganze Reihe von Anwendungen des Zahnexcentricums,
                              und zwar werden diese in constructiver Beziehung darum sehr brauchbar seyn, weil bei
                              ihnen die Kurbelbewegung und die Uebersetzung aus dem Langsamen ins Schnelle oder
                              umgekehrt von einem und demselben Mechanismus hervorgebracht
                                 werden.
                           Macht man das feste Rad größer als das Schubrad, welch letzteres in der Regel das
                              getriebene seyn wird, so entstehen bei einer Umdrehung
                              des treibenden Rades mehrere (R/R₁ Mal so viel) Hin- und Herbewegungen
                              der losen Achse. Doch möchten in dieser Form Zahnexcentricum und Kurbelmechanismus
                              weniger vorkommen als in der Anordnung, daß das treibende Rad kleiner ist als das
                              getriebene. Der Kurbelmechanismus findet in dieser Weise für Pressen mancherlei Art,
                              als für Lochmaschinen, Nuthstoßmaschinen, kleine Hobelmaschinen, Eisenscheren
                              u.s.w., vielfache Anwendung. Bei allen diesen Maschinen wird er aber durch das
                              Zahnexcentricum meist mit großem Vortheil ersetzt werden können, und zwar aus
                              folgenden Gründen:
                           
                              1) fällt beim Zahnexcentricum die immer sehr kostspielige Kurbel
                                 oder Wellenkröpfung weg, indem die Achse ein ganz einfaches Stück wird;
                              2) ist auch die Schubstange beseitigt, indem beim Zahnexcentricum
                                 nur eine ganz leichte Zugstange anzubringen ist;
                              3) können in Folge der an den Radumfängen entstehenden Reibung
                                 die Radzähne weit schwächer gemacht werden als beim Kurbelmechanismus, und
                                 werden deßhalb die Räder kleiner als dort, wie der
                                 Verf. durch eine besondere Untersuchung nachweist;
                              4) ist die Anlage und constructive Ausführung des
                                 Maschinengestelles beim Zahnexcentricum weit leichter zu machen als bei der
                                 anderen Anordnung.
                              
                           Die constructive Ausführung des Zahnexcentricums von der vorliegenden Gestalt läßt
                              sich auf sehr mannichfaltige Weise bewerkstelligen, wovon hier einige Beispiele
                              folgen.
                           Die Fig. 23
                              und 24 zeigen
                              eine Durchstoßmaschine, bei welcher der neue Mechanismus
                              angewandt ist. A ist das feste, B das verschiebbare Rad, C die Zugstange,
                              welche die Achsen der beiden Räder verbindet. Der Schlitten D wird durch die Drehung des festen Rades A
                              auf- und niedergeschoben, und trägt unten den Lochstempel E, welchem eine im Gestell angebrachte Matrize F entspricht. Die Abmessungen sind so gewählt, daß der
                              Stempel einen Druck von 50,000 Kilogr. ausüben kann. Die Achse des festen Rades
                              erfährt hier einen eben so großen Druck als die des Schubrades. Um sie nicht deßhalb
                              sehr dick machen zu müssen, sind Zapfen und Rad gleich dick gemacht, und der so
                              entstehende Cylinder von einer seine ganze Länge fassenden Oberschale bedeckt,
                              welche durch einen starken (schmiedeisernen) Lagerdeckel mit vier kräftigen
                              Deckelschrauben niedergehalten wird. Um die äußere cylindrische Form anwenden zu können, und
                              überhaupt die Anfertigung der Räder einfach zu halten, sind dieselben nach der Geradflankenverzahnung verzahnt. Die Zähne des Rades A werden hier dadurch gebildet, daß in die glatte
                              cylindrische Achse Vertiefungen mit radialen Flanken eingearbeitet werden, was ganz
                              leicht geschehen kann, überhaupt auch für kleine schmiedeiserne Getriebe zu
                              empfehlen ist. Man muß beim Verzeichnen der Verzahnung nur darauf achten, daß die
                              Eingriffdauer der Räder nicht kleiner als eine Theilung ausfällt, dieß ist durch gute Wahl der
                              Zahnabmessungen leicht zu erreichen, wenn die Zähnezahl nicht gar zu klein (nicht
                              unter 6) ist. Der excentrische Zapfen G des Schubrades
                              ist hier als aus einem Stück mit der Achse bestehend angenommen. Man sieht, daß das
                              Gestell der Maschine sich sehr günstig anordnet, und das Ganze für die Ausführung
                              keine Schwierigkeiten bietet, indem keinerlei schwierige Guß- oder
                              Schmiedestücke vorkommen.
                           Manchmal wird es für die Construction bequem seyn, die Ebene des Schubrades nicht
                              parallel, sondern senkrecht zu den Schlittenführungen
                              anzuordnen. Man erhält dann einen schmälern Schlitten, und kann das Gestell dann
                              auch gut so einrichten, daß der Tisch zugänglicher wird als hier, was z.B. für
                              Nuthstoßmaschinen nöthig ist. Auch bei liegendem Schlitten, den man nach Art eines
                              Drehbanksupports führt (z.B. bei Nietpressen), würde eine solche Anordnung
                              zweckmäßig seyn.
                           Hier und da möchte es auch von Vortheil seyn, das Schubrad B
                              zweischildig zu machen; der Schlitten brauchte dann nicht
                              gabelförmig gemacht zu werden, und man könnte die Schilde und die Achse als Ein
                              Gußstück herstellen; es müßte dabei übrigens sehr sorgfältig beim Abdrehen der
                              cylindrischen Theile des Schubrades verfahren werden, um die beiden Cylinderachsen
                              parallel zu erhalten.
                           Zu einer nützlichen Anwendung des Mechanismus leitet auch dessen Eigenthümlichkeit,
                              daß bei passend gemachten Verhältnissen die Zahnkraft unter allen Umständen gleich
                              Null (oder negativ) ausfällt, wo also die Reibung der Radränder zur Kraftübertragung
                              genügt, und man demnach die Zähne ganz weglassen kann. Die beiden Räder erhalten
                              dann glatte cylindrische Umfänge. Bringt man an einer so construirten Maschine eine
                              Vorrichtung an, mittelst deren man die Zugstange leicht ein wenig verlängern oder
                              verkürzen kann, so erhält man darin eine sehr einfache Abstellvorrichtung der Maschine. Es wären, beiläufig bemerkt, hierbei
                              statt einer einzigen zwei symmetrisch wirkende Zugstangen anzubringen, damit kein
                              einseitiger Druck stattfinden könnte: man kann dann z.B. daran die die feste Achse
                              fassenden Augen etwas länglich machen und einen Hebel oder eine Schraube anbringen, mittelst deren
                              man die Zugstangen nach der festen Achse hin ziehen könnte. Es würde dann ein ganz
                              leises Gegeneinanderpressen der Räder genügen, die Bewegung augenblicklich
                              einzuleiten, während man ebenfalls durch eine ganz geringe Verschiebung, von 1 bis 2
                              Millimeter etwa, die Radränder wieder außer Berührung bringen, also die
                              Bewegungsübertragung wieder aufheben könnte. Bedarf die Behauptung, daß die
                              Randreibung die Bewegung trotz dem heftigsten Widerstand zu übertragen vermag, noch
                              eines Beleges, so braucht man sich nur der Presse mit
                                 Evolventensegmenten zu erinnern; bei dieser zeigt sich, daß die Reibung an
                              den Segmentumfängen bei gut gewählten Abmessungen niemals ein Gleiten entstehen
                              läßt.Eine andere interessante Folgerung des Obigen möge noch an dieser Stelle
                                    Platz finden, und zwar eine Bemerkung über die
                                       Anwendung der Reibungsräder überhaupt. Man kann diese nämlich, wie
                                    das oben Gesagte bewies, sehr häufig so bauen, daß sie ganz so sicher wirken
                                    wie Zahnräder, d.h. daß gar kein Gleiten der Umfänge
                                       eintreten kann, selbst wenn diese eingeölt seyn sollten. Man
                                    braucht zu diesem Ende das große Reibungsrad auf jeder Welle nur stets 10
                                    bis 12mal (bei trocknen Umfängen nur 5 bis 6mal) so groß zu machen, als das
                                    auf derselben Achse sitzende kleinere Rad (Reibungsrad, Zahnrad), durch
                                    welches die Kraft in die Welle eingeleitet wird, muß aber zugleich das
                                    nächstangreifende Reibungsrad so anordnen, daß es von
                                       dem aus der Umfangskraft des vorhergehenden Räderpaares entstehenden
                                       Achsendruck stets getroffen wird. Dann entsteht nämlich in jedem
                                    Falle eine genügende Reibung, und zwar regulirt die Maschine den dazu
                                    nöthigen Umfangsdruck selbstthätig, und genau nach Bedürfniß. Auf diese
                                    Weise könnte man z.B. sogar die gewöhnliche
                                    Wagenwinde ganz mit Reibungsrädern ausführen (das Zahnstangengetriebe
                                    ausgenommen), und kann überhaupt bei Windwerken mancherlei Art die Zahnräder
                                    durch Reibungsräder ersetzen; auch bei manchen Umtriebsmaschinen würde dieß
                                    angehen. Bei vorhergehendem Riemenbetrieb würde sich das
                                    Halbmesserverhältniß noch weit günstiger, etwa 3 bis 3 1/2mal kleiner als
                                    oben herausstellen, indem dort der Achsendruck von selbst schon so viel
                                    größer ausfällt; dieß wäre z.B. bei Uebersetzungen ins Schnelle anzuwenden.
                                    Auch bei den sogenannten Keilrädern würde ein
                                    weit kleineres Halbmesserverhältniß ausreichen. Auf solche Weise zur
                                    Anwendung gebracht, können die bisher so wenig nutzbar gemachten
                                    Reibungsräder (von den Locomotiv-Triebrädern abzusehen) oft
                                    treffliche Dienste leisten.
                              
                           Es ist klar, daß sich das Zahnexcentricum nicht nur statt des Kurbelmechanismus,
                              sondern auch an der Stelle anderer Kraftmechanismen gebrauchen läßt, z.B. statt des
                              Hebels mit Hebedaumen bei manchen Eisenscheren und Quetschwerken, statt des
                              Kniehebels u.s.w. So würden sich unter andern die Münzprägewerke, bei denen man sich
                              des Kniehebels bedient, und die dadurch nicht wenig unbehülflich und schwerfällig
                              werden, bei Anwendung des Zahnexcentricums sehr einfach und constructiv gestalten.
                              Hierbei ist noch zu bemerken, daß die Zugstange, welche beim Zahnexcentricum die
                              Mittelpunkte verbindet und dabei so gute Dienste leistet, sich auch beim
                              Kniehebel und ähnlichen Mechanismen nützlich verwenden läßt.
                           3. Die Räder seyen ungleich groß, aber gleich excentrisch.
                              Das Bewegungsgesetz der losen Achse nimmt dabei insofern eine interessante Gestalt
                              an, als die zu Anfang erwähnten Verschiebungen des Schwingungsmittelpunktes nun eben so groß ausfallen, als die Schwingungen, welche das
                              feste Rad erzeugt. Es entstehen dadurch periodische
                                 Veränderungen in der Größe des wirklichen Hubes der losen Achse, und zwar
                              so, daß deren Schwingungen einen sehr wenig veränderlichen Mittelpunkt haben. Das
                              Bewegungsgesetz stimmt hierbei mit dem physikalischen Gesetz der Interferenzen
                              überein. Das die Bewegung versinnlichende Diagramm fällt je nach dem Verhältniß R/R₁ verschieden aus und kann z.B. eine Gestalt
                              wie Fig. 25
                              annehmen, wo große Hübe mit kleinen in eigenthümlicher Weise abwechseln. Das Gesagte
                              gilt fast wörtlich auch von den Römer'schen Rädern, wenn
                              man denselben gleiche Kurbeln bei ungleichen Zahnrädern gibt, und es werden solche
                              Mechanismen nicht selten praktisch angewandt. So z.B. findet man sie bei einzelnen
                              Spinnereimaschinen als Fadenführer, indem die
                              fortwährende Hubänderung benutzt wird, den aufzuwindenden Faden zweckentsprechend an
                              der Spule hin- und herzuführen; auch findet man solche Römer'sche Räder bei einzelnen Tuchdruckmaschinen dazu benutzt, die Farbewalzen und Kissen in bestimmter
                              Weise zu bewegen. Macht man die Räder sehr wenig verschieden, so gehen die
                              Hubänderungen der losen Achse sehr gleichförmig vor sich, und es entsteht eine
                              Bewegung, deren Gesetz sich etwa durch das Diagramm in Fig. 26 darstellen läßt.
                              In dieser Anordnung hat Spiller die Römer'schen Räder zur Bewegung der Pumpen solcher hydraulischen Pressen benutzt, deren Widerstand nach und nach steigt. Spiller läßt die Pumpen beim Beginn der Pressung mit
                              großem Hub arbeiten; der Mechanismus vermindert aber dann nach und nach den
                              Pumpenhub, und somit auch die zugeführte Wassermenge, bis beinahe auf Null. Zu den
                              angeführten und ähnlichen Zwecken kann man das Zahnexcentricum sehr gut benutzen;
                              doch braucht wohl nicht auf nähere Erläuterungen eingegangen zu werden.
                           Der einzige Punkt ist die Dauer der Perioden, innerhalb deren sämmtliche
                              Hubänderungen durchlaufen werden. Eine Hubperiode wird durchlaufen seyn, sobald die
                              beiden Räder gleichzeitig wieder ihre anfängliche Stellung eingenommen haben; die
                              Frage führt sich daher auf eine bei den Zahnrädern vorkommende zurück, und man
                              erhält für die gesuchte Periodendauer das folgende Gesetz: Die
                                 einer Hubperiode entsprechende Umdrehungszahl des treibenden Rades ist die dem
                                 getriebenen Rade zukommende von den beiden relativen Primzahlen, welche das
                                 Zähnezahlverhältniß der Räder ausdrücken. (Dieser Satz gilt für die Römer'schen Räder eben so wohl als für das
                              Zahnexcentricum.) Verhält sich z.B. das treibende Rad zum getriebenen wie 5 : 6, so
                              ist die Hubperiode 6 Umdrehungen des kleineren Rades lang; hat das eine Rad 50, das
                              andere Rad 51 Zähne, so gehen auf die Hubperiode 51 Umdrehungen des kleineren Rades;
                              hat das eine Rad 18, das andere 20 Zähne, so ist die Hubperiode 9 Umdrehungen des
                              20zähnigen, oder 10 Drehungen des 18zähnigen Rades lang.
                           Die constructive Ausführung des Zahnexcentricums der vorliegenden Form läßt sich ganz
                              ähnlich derjenigen der folgenden Abänderung ausführen, weßhalb dieselbe hier
                              unbesprochen bleiben kann.
                           4. Die Räder seyen gleich groß und gleich excentrisch. Die
                              Vorrichtung in dieser letzten Form, welche der Verf. im Gegensatz zu den bisher
                              besprochenen, wo die Räder stets unsymmetrisch waren, als symmetrisches Zahnexcentricum bezeichnet, hat mehrere Eigenthümlichkeiten,
                              welche sie zu mannichfaltigen Anwendungen fähig macht, von denen im Folgenden einige
                              angegeben werden sollen.
                           Anwendung auf die Dampfschieber. Die Bewegung nach dem
                              Sinusverhältniß ist für die Dampfschieber so zu sagen die angemessenste, und sucht
                              man dieselbe durch das Excentricum mit langer Schubstange zu verwirklichen. Der von
                              der Schubstange herrührende Fehler ist auch in der Regel klein genug, um ganz
                              unberücksichtigt bleiben zu können. Doch kommt es nicht selten vor, daß für eine
                              genügend lange Schubstange nicht Raum ist, und hier könnte man sich dann sehr gut
                              des symmetrischen Zahnexcentricums bedienen, indem dasselbe ja eine sehr geringe
                              Längenausdehnung hat. Die constructive Ausführung kann dabei so gemacht werden wie
                              es Fig. 27
                              zeigt. Hier ist die Zugstange als ein die beiden Räder umfassender Zaum construirt,
                              bei welchem die Abnutzung durch Nachstellen der beiden Schrauben leicht ausgeglichen
                              werden kann. Dieser Zaum hat beim Zurückgehen den ganzen Zug auszuüben, während beim
                              Vorwärtsgehen die Radränder aufeinander drücken und die Verschiebung
                              bewerkstelligen. Die Excentricität der beiden Räder wäre, da der ganze Hub der losen
                              Achse = 4r ist, gleich dem vierten
                                 Theil des Schieberhubes, also halb so groß als bei dem gewöhnlichen
                              Excentricum zu machen, sie fallen also auch kleiner als dieses aus. Der
                              Voreilwinkel, mit dem man sonst das Excentricum auf der Kurbelwelle befestigt, würde
                              auch hier beim Anbringen des festen Rades auf der Kurbelwelle
                              anzuwenden seyn, während hingegen das Zahnexcentricum selbst ohne Voreilen
                              einzurichten wäre. Auch kann man mit dem Zahnexcentricum unmittelbar eine
                              Schieberstange bewegen, deren Schubrichtung nicht durch die
                                 Kurbelwelle geht, wo man also beim gewöhnlichen Excentricum Zwischenhebel
                              anbringen müßte.
                           Es entsteht hier gewiß sogleich die Frage, ob man nicht das Zahnexcentricum zur
                              Construction der Coulissen- oder Taschensteuerungen anwenden, und damit die für den
                              Locomotivenbau oft so wichtige Aufgabe lösen könne, eine gute Coulissensteuerung mit
                              sehr kurzen Excentricumstangen herzustellen. Diese Frage ist mit Ja zu beantworten.
                              Es lassen sich mit dem Zahnexcentricum mehrere Arten von Coulissensteuerungen
                              bilden, und zwar läßt sich z.B. die Sache so einrichten, daß
                                 bei Anwendung nur eines Zahnexcentricums sich eine Coulissensteuerung ohne jeden
                                 Fehler in der Schieberbewegung ergibt, für welche also das bekannte Zeuner'sche Diagramm, und zwar ein solches für constantes
                              Voreilen, in aller Strenge richtig ist. Bei anderen
                              Anordnungen entstehen trotz der kurzen Stangen keine größeren Fehler als bisher bei
                              Anwendung von langen Excentricumstangen.
                           Anwendung für Zwecke der Spinnerei Maschinen. In den
                              Maschinen, welche die Spinnerei anwendet, kommt manchmal die Forderung vor, einer
                              Welle eine hin- und hergehende und zugleich eine drehende Bewegung zu
                              ertheilen; man bedient sich hierzu des sogenannten Kniees. Für dieselben Zwecke
                              eignet sich das Zahnexcentricum sehr gut. Es wäre etwa wie in Fig. 28 anzuordnen. Hier
                              sind die Zapfen für die Zugstange so dick gemacht, daß sie excentrische Achsen der
                              Räder einschließen. Da die Kräfte zum Verschieben nicht groß sind, so können in dem
                              vorliegenden Falle die Radränder ganz wegbleiben, so daß also die Räder A und B gewöhnliche
                              Stirnräder werden. Bei einer gleichförmigen Drehung der Welle von A erhält auch B eine
                              gleichförmige Drehung (von dem durch die Schwingstütze hineingebrachten kleinen
                              Fehler abzusehen), während ihr zugleich durch die excentrischen Räder die verlangte
                              Hin- und Herbewegung ertheilt wird. Die Verstellbarkeit des Hubes von B durch Aenderung des Zahneingriffes könnte hier
                              manchmal nützlich seyn.
                           5. Andere Verwirklichungen der Grundidee des Zahnexcentricums.
                                 Mehrfaches Zahnexcentricum. Man kann, wie schon oben bei dem
                              Spinnereimechanismus angedeutet wurde, das Zahnexcentricum auch so verwirklichen,
                              daß man die Radränder wegläßt und dafür das bisher als Zugstange bezeichnete Stück so stark ausführt, daß es den ganzen
                              Achsendruck übertragen kann. Es würde dann genau die Stelle der Schubstange des Kurbelmechanismus
                              vertreten. Allein mit dieser Aenderung würde nichts gewonnen, sondern nur verloren
                              werden, indem nun die Zähne wieder den ganzen, nicht durch die Randreibung
                              verminderten Umfangsdruck erführen, die Räder also wieder so groß gemacht werden
                              müßten wie früher. Zugleich würde dann auch die Schubstange in der Regel doppelt
                              angebracht werden müssen, um keine einseitigen Pressungen auftreten zu lassen.
                              Hierdurch würde aber der Mechanismus seiner constructiven Einfachheit, die ihn so
                              auszeichnet, beraubt.
                           Eine andere Verwirklichung des Zahnexcentricums, welche in die allgemeine Reihe
                              seiner Abänderungen gehört, ist die, bei welcher das eine Rad ein Hohlrad (innen verzahntes Rad) ist. Hiebei ergeben sich
                              ähnliche Wirkungen, wie bei den oben betrachteten Arten. Dem symmetrischen
                              Zahnexcentricum unter 4 entspricht in den Bewegungserscheinungen dasjenige, bei welchem das Hohlrad doppelt so groß ist als das
                                 andere. Es wiederholen sich hier, unter der Beschränkung, daß r₁ = R₁
                              gemacht werden muß, die eigenthümlichen, oben gefundenen Bewegungen, wie dieß auch
                              aus der Theorie der Cycloiden bekannt ist. Die Anwendbarkeit des Hohlexcentricums
                              ist übrigens jedenfalls weit geringer als die des oben besprochenen; die
                              theoretische Vollständigkeit erforderte aber hier seine Erwähnung.
                           Endlich ist noch anzuführen, daß man durch Vereinigung von drei oder mehr Rädern in
                              einem Zahnexcentricum noch weitere Mechanismen bilden, auch durch Verbindung zweier
                              oder mehrerer vollständiger Zahnexcentrics noch zahlreiche Abänderungen des einem
                              Mechanismus schaffen kann, wie man es z.B. auch bei den Römer'schen Rädern gethan hat.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
