| Titel: | Eine neue Entfuselungsmethode des Weingeistes; von Prof. V. Kletzinsky, k. k. Landes-Gerichtschemiker in Wien. | 
| Fundstelle: | Band 148, Jahrgang 1858, Nr. XXXIV., S. 151 | 
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                        XXXIV.
                        Eine neue Entfuselungsmethode des Weingeistes;
                           von Prof. V. Kletzinsky, k.
                           k. Landes-Gerichtschemiker in Wien.
                        Aus Stamm's neuesten Erfindungen, 1858, Nr.
                              15.
                        Kletzinski's neue Entfuselungsmethode des Weingeistes.
                        
                     
                        
                           Anläßlich einer Darstellung von Transparentseife in größerem Maaßstabe, behufs einer
                              über Krystallisation und amorphen Zustand fettsaurer Salze durchgeführten
                              Untersuchung, verhalf mir der Zufall zu einer Entdeckung, die wissenschaftliches und
                              vielleicht auch technisches Interesse genug bietet, um ihre Veröffentlichung zu
                              rechtfertigen.
                           Ich verwandte nämlich zur Lösung der Seife, die in den transparent-amorphen
                              Zustand übergeführt werden sollte, 20 Maaß fuselhaltigen ordinären Branntweins, und zog,
                              der Ersparniß wegen, den Alkohol-Ueberschuß auf einer Destillirblase ab. Das
                              Destillat war hochgrädiger als das unter sonst gleichen Umständen auf diesem
                              Apparate erhaltene, und völlig fuselfrei. Die als
                              Brennblasenrückstand erhaltene Transparentseife roch prägnant nach Fuselöl. Durch
                              Destillation der Seife mit etwas Wasser wurde das Fuselöl gewonnen, und die Seife,
                              die zwar ihre transparente Amorphie hiedurch eingebüßt hatte, blieb als geruchloser
                              Seifenleim in der Retorte zurück.
                           Diese zufällige Entdeckung habe ich nun zum Gegenstande einer Untersuchungsreihe
                              gemacht, deren Resultate sich kurz in Folgendem formuliren:
                           1) Durch Abziehen über Seife (Destillation mit Seife) läßt sich jeder Alkohol,
                              Weingeist oder Branntwein, jeder Lutter absolut fuselfrei
                              gewinnen, gleichviel ob das Fuselöl der Butyl- oder Amyl- oder einer
                              noch kohlenstoffreicheren Aethyltype angehöre, gleichviel also, ob es Korn-
                              oder Kartoffelfuselöl sey; nur Alkohol (C⁴ H⁵ gruppe) und Holzgeist (C² H³ gruppe) werden bei
                              100° C. von der Seife nicht zurückgehalten.
                           2) Das in der Seife (der Kesselschlämpe) molecular gebundene Fuselöl läßt sich durch
                              Dampfdestillation bei höherer Temperatur vollständig aus der unveränderten Seife
                              wieder abdestilliren und rein gewinnen, während die solchergestalt entfuselte Seife
                              abermals zu neuen Entfuselungs-Operationen anderer Alkohol-Mengen
                              benützt werden kann.
                           3) Auch die Concentration, Gradhältigkeit, der Gehalt an absolutem Alkohol steigert
                              sich bei diesem Entfuselungsverfahren unter übrigens gleichen Umständen gegen die
                              gewöhnliche Ausbeute ohne Anwendung von Seife, da diese das Wasser zurückhält und
                              nur wasserärmeren Weingeistdampf übertreten läßt.
                           4) Die völlig hinreichende Menge per Eimer des
                              fuselhaltigsten Lutters beträgt 4 Pfund Seife; directe Versuche haben gezeigt, daß
                              die Seife im günstigsten Falle 20 Proc. Fuselöl zu binden und zurückzuhalten
                              vermöge.
                           5) Die Seife, die angewandt werden soll, darf keine Kali- oder
                              Schmier-, sondern muß eine Natron- oder Hartseife seyn; ferner muß sie
                              völlig frei von flüchtigen Fettsäuren seyn, die sonst ranzig das Destillat
                              verunreinigen würden; die gewöhnliche Elainsodaseife der
                              Stearin-Kerzenfabriken hat in der Praxis allen Anforderungen entsprochen.
                              Müßte man mit jenen Seifen operiren, so müßte ein kleiner Ueberschuß von Soda der
                              ersten Blase zugesetzt werden.
                           Die von flüchtigen Fettsäuren möglichst freie harte Natronseife entfuselt vollständig
                              und bei gleichen Gewichtsverhältnissen besser, als alle bisher empfohlenen
                              chemischen (größtentheils nur verdeckenden, maskirenden) Mittel, und besser und rascher
                              als die frisch ausgeglühte Holzkohle. Der amorph-gelatinöse Zustand, den
                              alkoholische Seifenlösungen annehmen, scheint sich wesentlich an dieser
                              Absorptionswirkung zu betheiligen, die eben so wie die der Kohle zu den
                              physikalisch-moleculären Processen der Contact-, Flächen- oder
                              Poren-Wirkungen zählt.