| Titel: | Zur Theorie der Bierbrauerei; von G. E. Habich in Roxbury, Massachussetts. | 
| Autor: | G. E. Habich | 
| Fundstelle: | Band 148, Jahrgang 1858, Nr. LI., S. 211 | 
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                        LI.
                        Zur Theorie der Bierbrauerei; von G. E. Habich in Roxbury, Massachussetts.
                        Habich, zur Theorie der Bierbrauerei.
                        
                     
                        
                           In einem frühern Artikel über dasselbe Thema (dieses Journal Bd. CXLVII S. 307) habe ich gesagt, daß ich
                              in meinen Würzen vergebens nach einem Gehalte an Dextringummi gesucht habe. Heute
                              weiß ich, daß ich mich auf einem falschen Wege befand, der in der bisherigen
                              mangelhaften Kenntniß des chemischen Verhaltens der die Bierwürze constituirenden
                              Stoffe seinen Ausgangspunkt hatte. Nachdem ich den bedeutenden Pflanzenleimgehalt
                              der Würze festgestellt hatte, suchte ich denselben bei meinen Nachforschungen nach
                              Dextringummi vorher zu beseitigen, indem ich einen Ueberschuß von Gerbsäure
                              zusetzte, durch welche das Dextringummi nicht gefällt
                              wird (vergl. Balling's Gährungschemie, Bd. 1 S. 257).
                              Dann wurde filtrirt und die klare Flüssigkeit mit Alkohol versetzt, wodurch kaum eine Trübung entstand. Das war der Weg auf
                              dem ich die Gegenwart des Dextringummi übersehen mußte, weil
                                 bei jeder Ausscheidung des Pflanzenleims aus einer Dextringummmi enthaltenden
                                 Flüssigkeit auch das Dextringummi mit niederfällt. Im vorliegenden Falle muß
                                 also eine unlösliche Verbindung von Pflanzenleim, Dextringummi und Gerbsäure
                                 entstanden seyn.
                           Ein ähnliches Verhalten findet statt, wenn Würze oder Bier mit viel Alkohol versetzt
                              und dadurch das Dextringummi ausgeschieden wird. Der an den Gefäßwandungen stark
                              anhaftende Niederschlag, mit Alkohol gut ausgewaschen, löst sich in einer
                              Gerbsäurelösung nur theilweise oder gar nicht auf, indem wiederum die obenerwähnte
                              Verbindung zurückbleibt. Es muß also auch eine in Alkohol
                                 unlösliche Verbindung von Dextringummi und Pflanzenleim existiren.
                           Auf Grundlage dieser neuen Thatsachen bekenne ich mich
                              gern zu dem Irrthum in meiner frühern Mittheilung.
                           Wer diese Versuche wiederholen will, dem empfehle ich zugleich die Prüfung folgender
                              weiteren Erfahrungen.
                           Eine durch Gerbsäure gefällte Würze oder Bier wird gleichzeitig auch fast entfärbt, – es kann also die
                                 Farbe nicht durch Caramelisiren des Zuckergehalts (welcher von diesen
                              Vorgängen nicht alterirt wird) hervorgerufen seyn. Den
                              Grund müssen wir vielmehr in einer Veränderung des Pflanzenleims finden, welcher
                              durch längere Zeit fortgesetztes Kochen gebräunt und in
                              kaltem Wasser löslicher
                              wird, – ähnlich dem Verhalten des thierischen Leims. Ein in der Kälte
                              bereiteter wässeriger Auszug von Farbmalz verliert seine
                              dunkelbraune Farbe durch Gerbsäure nicht, weil sie in
                              Farbstoff caramelisirter Zucker ist. Wir haben dadurch ein
                                 einfaches Mittel, um zu entscheiden, ob ein Bier seine braune Farbe dem Farbmalz
                                 verdankt oder ob dieselbe bloß Folge des längern Siedens bei gleichzeitig
                                 größerem Leimgehalt (als Resultat einer beträchtlichern
                                 „Schüttung“
                                  ) ist.
                           Versetzt man ein substantiöses, sogenanntes „vollmundiges“ Bier
                              mit einem Ueberschuß von Gerbsäurepulver und filtrirt nach der erfolgten
                              Ausscheidung der oben erwähnten Verbindung, so. enthält das Filtrat bekanntlich nur noch geringe
                              Mengen von Dextringummi. Mit dieser Ausscheidung ist aber auch die Vollmundigkeit
                              des Bieres verschwunden, – mit dem Bier konnte man vor dieser Operation Streifen dünnen Papiers zusammenleimen; nach der
                              Operation hatte es keine bindende Kraft mehr. Es entsteht nun die Frage, ob besagte
                              Vollmundikeit (die in manchen Gegenden eine Liebhaberei der Consumenten ist) ihren
                              Grund im Gehalt an Pflanzenleim? oder (wie man allgemein annimmt) an Dextringummi
                              verdankt?
                           Um hierauf eine Antwort zu geben, habe ich eine Würze in jenem Stadium, wo die
                              Jodreaction noch bedeutend war, erkalten lassen, filtrirt, mit Gerbsäure versetzt
                              und abermals filtrirt. Die durchgelaufene Flüssigkeit ließ jetzt mit Alkohol
                              reichliche Mengen Dextringummi erkennen, aber – sie klebte nicht. Auf Grund dieses Experiments wird man wohl hauptsächlich den Pflanzenleim als den Anstifter jener
                                 Vollmundigkeit betrachten müssen, wodurch begreiflich dem Dextringummi
                              nicht alle Mitwirkung abgesprochen werden soll.
                           Nachdem ich durch alles Das erkannt hatte, daß man bisher den Pflanzenleim gar zu
                              stiefmütterlich behandelt hatte bei der chemischen Interpretation der Bierbrauerei,
                              verfolgte ich denselben genauer durch die verschiedenen Operationen bis zum
                              Verzapfen des Biers und kann von diesem Streifzuge bis jetzt folgende Resultate
                              mittheilen.
                           Durch den Einmaischproceß geht der Pflanzenleim des Maischmaterials ziemlich
                              vollständig in die Würze über. Gut ausgewaschene Treber
                              geben an kochendes Wasser, auch wenn das Sieden längere Zeit fortgesetzt wird, nur
                              Spuren von Pflanzenleim ab, – Gerbsäure erzeugt in dem Filtrate kaum eine
                              Trübung. Daß diese Trübung nicht von „Dextrin“ (ich halte mich vorläufig an die Nomenclatur Balling's und komme weiter unten darauf zurück)
                              herrührte, ergab sich aus der völlig mangelnden Jodreaction.
                           Beim Sieden der Würze wird die
                              Farbe derselben bekanntlich dunkler, und der Leim ist in der erkalteten klaren Flüssigkeit in größerer Menge
                              enthalten. Der Leim ist löslicher geworden; –
                              während die abgeläuterte Würze beim Erkalten durch ausgeschiedenen Pflanzenleim
                              stark getrübt war und sich kaum klar filtriren ließ, ist sie jetzt leicht durch
                              Absetzen zu klären. Der Bodensatz – das Kühlgeläger – enthält neben dem geronnenen Pflanzeneiweiß und dem
                              gerbsauren Pflanzenleim auch noch freien Pflanzenleim. Das gut ausgewaschene
                              Kühlgeläger gibt beim Sieden mit Wasser eine Auflösung, die, noch heiß klar
                              filtrirt, sich beim Erkalten trübt und mit Gerbsäure eine starke Ausscheidung
                              macht.
                           
                           Das Verhalten des Pflanzenleims zur Kohlensäure scheint
                              ebenfalls Beachtung zu verdienen, – meine Beobachtungen haben mir aber noch
                              zu wenig übereinstimmende Anhaltspunkte gegeben, um ein festes Urtheil darauf
                              basiren zu können. So z.B. gibt es Biere, welche moussirend und glanzhell sind, aber
                              nach längerem Schütteln (unter Verlust der Kohlensäure)
                              sich trüben. Beim Erwärmen verschwindet die Trübung,
                              erscheint beim Erkalten wieder, ohne sich abzusetzen, und zeigt alle
                              Eigenthümlichkeiten des Wanzenleims. Bringt man ein solch entkohlensäuertes Bier auf
                              Flaschen und läßt es verkorkt liegen, so läßt es sich nach einiger Zeit klar
                              abgießen, am Boden liegt etwas neu gebildete Hefe und das klare, wiederum moussirend
                              gewordene Bier verhält sich wieder ebenso wie oben. Ich weiß noch nicht, wie weit
                              man den Versuch fortführen kann, – keinenfalls bis zur Vollendung der
                              Attenuation.
                           Hiernach sollte man nun annehmen, daß die entstandene Kohlensäure ein Lösungsmittel für den Pflanzenleim abgebe- Ich
                              habe deßhalb eine ungekochte Würze mit ihrem Gehalt an Leim längere Zeit hindurch
                              einem Strome von Kohlensäure exponirt und fand, daß nur sehr wenig gelöst wurde;
                              – die trübe Würze wurde nicht klar. Den Schlüssel zu diesem Verhalten habe
                              ich noch nicht ausfindig machen können, – er steckt aber entweder hinter der
                              polymorphen Natur des Pflanzenleims oder die Verbindung mit dem Dextringummi ist mit
                              in dieses Verhalten verwickelt.
                           Dieses zur Zeit noch problematische Verhalten des Pflanzenleims zur Kohlensäure muß
                              uns später auch über die physikalischen Erscheinungen des Gährungsverlaufs besseren
                              Aufschluß geben. Da ist z.B. jenes Gährungsstadium der Kräusenbildung. Untersucht man die Flüssigkeit, welche sich durch
                              Zerfließen der Kräusen bildet, so wird man sie reicher an
                              Pflanzenleim finden, als die darunter befindliche gährende Würze. Man könnte nun
                              sagen, daß die suspendirt gewesenen Pflanzenleimpartikelchen lediglich durch die
                              Gasbläschen an die Oberfläche getrieben seyen. Dagegen spricht aber der Umstand, daß
                              diese Steigerung des Leimgehalts während der folgenden Gährungsphase – des
                              Hefentrieds – nicht (oder doch wenigstens nicht in dem Umfange wie vorher)
                              stattfindet. Da wird's also noch etwelcher Experimente bedürfen.
                           Ob der kohlensaure Pflanzenleim bei der Hefenbildung eine active oder passive Rolle
                              spielt, darüber enthalte ich mich heute jeden Urtheils, und zwar umsomehr, als ich
                              einen anderen Factor, den Eiweißstoff den man bisher allgemein für einen
                              Hefenbildner gehalten hat (vergl. Balling's Gährchem. I.
                              266., Karmarsch und Heeren's
                              Wörterbuch II. Bd. S. 3, 4 u. 228 u.a.) und auf dessen sorgfältige Conservirung der
                              Londoner Professor der
                              Braukunde Tizard seine ganze Braumethode basirt hat,
                              – ganz unversehrt und unverkürzt im vergohrenen Biere
                                 wieder gefunden habe. Ich komme darauf zurück.
                           Uebrigens will ich bei der Gelegenheit bemerken, daß ein gut ausgewaschenes Faßgeläger beim Erhitzen mit Wasser (bis auf etwa
                              60° R.) ein Filtrat liefert, welches sich beim Erkalten trübt und mit
                              Gerbsäure einen reichlichen Niederschlag bildet. Es scheint also, als wenn selbst
                              zuletzt noch kein rechtes Leben in den Pflanzenleim gekommen sey, – er
                              schleppt sich nur überall mit durch und lagert sich endlich am Boden ab, wenn die
                              Flüssigkeit so weit attenuirt hat, daß sie ihn nicht mehr
                              schwebend halten kann.
                           Nachdem wir so den Pflanzenleim zu Grabe geleitet haben (bis ins Faßgeläger), wollen
                              wir uns einige andere Stoffe näher betrachten, als bisher geschehen. Es sind die Dextrinstoffe.
                           Bekanntlich hat man früher unter dem Namen Dextrin drei
                              Substanzen, die zwischen Stärkemehl und Stärkezucker in der Mitte liegen,
                              zusammengefaßt. Balling hat zuerst auf Unterschiede
                              aufmerksam gemacht, die zwischen den Stoffen dieser Stufe bestehen. Er nannte:
                           1) Dextrin jene Substanz, welche auftritt, indem ein
                              Stärkekleister durch Diastas oder Schwefelsäure seine Consistenz verliert und
                              dünnflüssig wird. Es ist in kaltem Wasser unlöslich und bildet damit eine Gallerte,
                              – in kochendem Wasser aber ist's löslich und es können sich die
                              Stärkmehl-Tegumente dann durch Ruhe ablagern. Beim Erkalten der Lösung
                              scheidet es sich größtentheils (!) aus. Von Jodtinctur wird es violett oder blau
                              gefärbt, von Gerbsäure wird es gefällt, ebenso wird es von Alkohol
                              niedergeschlagen.
                           2) Das Dextringummi ist das Product der ferneren
                              Einwirkung der Schwefelsäure. Es ist in kaltem und heißem Wasser leicht löslich,
                              – wird weder von Jod gefärbt, noch von Gerbsäure gefällt. Alkohol aber, in
                              hinreichendem Ueberschuß, scheidet es aus seiner Lösung.
                           3) Das Röstgummi (Leiogomme)
                              entsteht durch Erhitzen des Stärkmehls oder auch des Dextrins bei 200° R. Es
                              ist in kaltem Wasser löslich und wird durch Diastas nicht in Zucker verwandelt.
                           Mehrere Erfahrungen die ich gemacht habe, berechtigen mich, dieses Material zu
                              vervollständigen. Ich muß es andern überlassen, meine Versuche zu wiederholen, um
                              die abweichenden Resultate ins Klare zu bringen.
                           Verdünnt man einen reinen Stärkekleister mit Wasser und färbt ihn dann mit Jod blau,
                              so erhält man eine Flüssigkeit, welche nach längerm Stehen einen blauen Bodensatz
                              fallen läßt, dabei aber ihre intensiv blaue Farbe behält.
                              Diese blaue Flüssigkeit läßt sich filtriren, ohne ihre Farbe einzubüßen und gibt mit
                              Gerbsäure einen kornblauen Niederschlag, über dem die farblose Flüssigkeit
                              steht.
                           Erhitzt man einen Stärkekleister mit ein wenig Schwefelsäure, bis er dünnflüssig ist,
                              und erhält ihn kurze Zeit in höherer Temperatur, so verhält sich diese saure
                              Flüssigkeit gegen Jod und Gerbsäure genau so wie obiger
                                 verdünnter Kleister. Beseitigt man aber zuvor die Schwefelsäure durch
                              Kreide und filtrirt, so erhält man eine Flüssigkeit, welche mit Jodwasser ebenwohl
                              tiefblau gefärbt wird (ohne Fällung), aber diese blaue Auflösung zeigt ein sehr
                              merkwürdiges Verhalten zu Gerbsäure, von welcher sie entfärbt wird. Die Fällung des
                              Dextrins beginnt erst, nachdem die Entfärbung vollendet ist, während die
                              Dextrinlösung ohne Jod durch Gerbsäure sogleich gefällt wird.
                           Bringt man die mit überschüssiger Gerbsäure versetzte und filtrirte Dextrinlösung
                              (wie erwähnt bereitet) mit Alkohol zusammen, so erfolgt eine reichliche Trübung (Balling's Dextringummi).
                           Unterwirft man eine schwefelsaure Kleisterlösung, welche nur wenige Minuten nach dem
                              Dünnflüssigwerden erhitzt war, der Böttger'schen
                              Zuckerprobe (vergl. dieses Journal Bd. CXLIV S.
                                 368), so tritt geringe Graufärbung ein.
                           Hiernach muß man annehmen, daß schon etwas Traubenzucker entsteht, bevor noch alles
                              Dextrin in Dextringummi umgewandelt ist.
                           Einen Unterschied zwischen Dextrin und Kleister dem Stoffe
                                 nach zu machen, halte ich nicht für gerechtfertigt. Die physikalische Erscheinung der Kleisterbildung begründet
                              keinen chemischen Unterschied. Daß das Dextrin ein
                              chemischer Charakter ist, steht fest, – aber als solcher ist es bereits im
                              Kleister enthalten und von den sogenannten Tegumenten
                              auf ähnliche Weise gefesselt, wie das Thonerdehydrat von der Baumwollenfaser in den
                              Kattundruckereien, – nenne man's nun durch Cohäsion oder Adhäsion gebunden,
                              jedenfalls ist's eine Stoff-Association, die nur
                              mehr oder weniger stabil ist.
                           Was endlich das Röstgummi anbetrifft, so habe ich
                              gefunden, daß eine Auflösung desselben (welche mit Jod eine tief weinrothe Färbung
                              machte) durch etwas Malz leicht so weit verändert wurde, daß
                                 die Jodreaction nicht mehr erfolgte. Reines Diastas stand mir im Augenblick nicht zu Gebote, um Balling's Vorschrift genau zu befolgen. Man sollte aber wohl annehmen, daß
                              – wenn es überhaupt möglich ist das Röstgummi
                              wieder mobil zu machen – auch der Verzuckerung nichts mehr im Wege stehen wird.
                           
                           Ich schalte hier eine andere Beobachtung ein, die sich einigermaßen an das
                              Vorhergehende anreiht. Man hat gesagt (Guerin Varry hat's
                              zuerst behauptet), daß das sogenannte Diastas auch bei niedrigeren Temperaturen die Zuckerbildung ins Werk setze und daß es dann
                              nur längerer Zeit bedürfe. Man hat dadurch die Wirkung
                              des Malzmehls, als gährungskräftigender Zusatz zu schlecht verzuckerter Würzen zu
                              erklären gemeint. Dem widerspricht nun theilweise folgende Erfahrung. Ich habe eine
                              Würze, welche noch eine entschiedene Dextrinreaction (sie wurde mit Jodwasser
                              weinroth) zeigte, unter Zusatz von Malzmehl in reichlicher Dosis vergähren lassen
                              und habe in dem Biere selbst nach mehreren Wochen noch dieselbe Reaction erhalten.
                              Für schlagend halte ich natürlich den Versuch nicht, – er hat am Ende mehr
                              eine praktische Bedeutung. Aber es möchte doch wohl eine
                              Wiederholung dieser sämmtlichen Versuche Guerin Varry's
                              wünschenswerth seyn. Vielleicht käme man bei der Gelegenheit auch der Natur des
                              Dinges, welches man „Diastas“ genannt hat, mehr auf die Spur,
                              – es scheint mir viel weniger ein chemisches Individuum als ein
                              revolutionärer Stoffclub zu seyn.
                           Hieran mögen sich meine Erfahrungen über die der Verzuckerung
                                 günstigste Temperatur reihen. Unsere Autoritäten sind darüber sehr
                              divergirender Ansicht. Balling glaubt, daß die
                              Zuckerbildung bei höherer Temperatur (nahe 60° R.) rascher erfolge, – Otto bezweifelt das
                              und erklärt sich für die Praxis der Bierbrauer, welche die Temperatur der Maische
                              bis auf 52–55° R. zu steigern pflegen. Ich habe eine Reihe von
                              Versuchen angestellt, um mir eine Richtschnur zu bilden. Und da mein Apparat eine
                              ganz allmähliche Steigerung der Temperatur gestattet, so glaube ich denselben
                              einigen Werth beilegen zu dürfen. Meine Schüttung besteht aus 80 Proc. Gerstenmalz
                              und 20 Proc. Maismehl. Die abfließende erste Würze hatte bei den betreffenden
                              Versuchen einen Extractgehalt von circa 18 Proc. Als
                              Beendigung der Verzuckerung wurde die mangelnde Jodreaction angesehen. Und diese
                              trat ein
                           
                              
                                 bei  60°
                                 R. der Maische nach
                                 50 Minuten Ruhe,
                                 
                              
                                   „  
                                    57
                                 
                                    „    „      „          „
                                 30      
                                    „        
                                    „
                                 
                              
                                   „  
                                    55
                                 
                                    „    „      „          „
                                 20      
                                    „        
                                    „
                                 
                              
                                   „  
                                    52
                                 
                                    „    „      „          „
                                 35      
                                    „        
                                    „
                                 
                              
                           In Folge dieser Erfahrungen steigere ich die Maischtemperatur
                              stets auf nur 55° R. (eigentlich 155° F.) und habe die Verzuckerung
                              stets nach 16–20 Minuten beendigt gefunden!Ich bemerke hierzu, daß bei meinem Apparat die Maische schon während des
                                    Einmaischens sehr süß wird, in Folge der sehr
                                    allmählichen Temperatur-Steigerung.
                              
                           
                           Ich bemerke übrigens ausdrücklich, daß der Vergährungsgrad der aus obigen Maischen
                              erhaltenen Würzen innerhalb der gewöhnlichen Gränzen schwankte, und daß also von
                              einer Differenz in dem Verhältnisse des Zuckers zum Dextringummi –
                              hervorgerufen durch die verschiedenen Temperaturgrade, wie Otto meint (s. sein Lehrb. d. rat. Prax. S. 69), nicht die Rede seyn
                              kann.
                           Ueber die Wirkung des Hopfens, insofern man auf den
                              Gerbsäuregehalt desselben einen Werth legt, habe ich noch eine kleine Berichtigung
                              nachzutragen. Otto meint (S. 24 s. Lehrb.), daß die
                              Gerbsäure des Hopfens den etwaigen Dextringehalt der
                              Würzen zu entfernen, also unschädlich zu machen vermöchte. Das ist aber ein Irrthum.
                              Man nehme eine dextrinhaltige Würze und setze ihr etwas
                              Gerbsäure zu, – das Filtrat reagirt nach wie vor dieser Operation mit
                              gleicher Intensität auf Jodwasser. Es wird also zunächst der Pflanzenleim (mit Dextringummi) abgeschieden, – das Dextrin dagegen bleibt zurück, weil es mit dem
                              Pflanzenleim keine Verbindung bildet.
                           Die Gährung und ihre Factoren anlangend, so habe ich bei
                              Prüfung einiger theils vereinzelt stehender, theils allgemein verbreiteter Angaben
                              abweichende Resultate erhalten, die ich diesem Arktikel noch anhängen will.
                           Die Einwirkung der Siedhitze auf Hefe soll deren
                              gährungserregende Eigenschaft nicht zerstören; – Otto sagt S. 31 s. Lehrbuchs: „Kurze Zeit gekochte Hefe erlangt
                                 erst nach einiger Zeit ihre Wirksamkeit wieder.“ Dieser mysteriöse
                              Satz kann doch offenbar nur auf eine Schwächung der
                              gährungserregenden Kraft bezogen werden. Denn wenn die Hefenzellen durch die
                              Siedhitze zerstört werden und der Zufall neue Hefensporen auf den Gräbern der
                              abgesottenen Hefe landen und bei sonst günstigen Bedingungen fermentiren läßt, so
                              sind das doch nicht die wiedererstandenen Hefenzellen. Das Experiment sollte darüber
                              Aufschluß geben.
                           Eine sehr lebenskräftige, gereinigte Hefe (man wäscht sie mit etwas ammoniakalischem
                              Wasser, um anhängenden Leim zu entfernen) wurde einige Secunden mit Wasser auf dem
                              Siedepunkte erhalten und dann mit etwas Zuckerwasser in einer mit einem
                              Baumwollenpfropf verschlossenen Flasche bei gewöhnlicher Zimmertemperatur
                              hingestellt. Aber – – sie war und blieb todt. Es versteht sich von
                              selbst, daß man ein solches Experiment nicht etwa mit Würzen, die zu der Selbstgährung fähig sind,
                              machen darf, und daß man dem Einmarsch unberufener Hefensporen einen Damm entgegen
                              setzen muß. Lebte die Hefenzelle noch, so mußte sie sich von der Zuckerlösung unter
                              den bekannten Gährungserscheinungen 
                              consumiren lassen. Und das geschah nicht, selbst nachdem ich ihr etwa zwei Wochen Zeit zur Erholung gelassen
                              hatte.
                           Die Flüssigkeit, in welcher jene Hefe zu Tode gekommen war, konnte natürlich etwa
                              vorhandenes Eiweiß nicht mehr enthalten, – solches mußte sich mit der
                              Cellulose der Heft abgeschieden haben. Diese klar filtrirte Flüssigkeit trübte sich
                              mit Gerbsäure. Durch Alkohol wurde eine weiße, in Salzsäure unlösliche Substanz
                              ausgeschieden. Blutlaugensalz machte keine Trübung. Der Rückstand der gekochten Hefe
                              blieb von Salzsäure unverändert. Es scheint hiernach, als wenn
                                 wir es bei den Hefenzellen gar nicht mit einer Proteinsubstanz (einem Albuminat) zu thun
                                 hätten. Die Entscheidung dieser Frage muß ich andern überlassen.
                           Ich komme nun zu einigen wichtigern Gährversuchen. Es
                              handelte sich darum, die Einwirkung des Eiweißstoffs (den man à la. Tizard in den Würzen belassen oder
                              nach gewöhnlicher Praxis, ausscheiden konnte) und des Hopfenharzes auf den Verlauf
                              der Gährung festzustellen. Zu dem Ende wurde ein Quantum einer Würze, wie sie vom
                              Seihbottich abläuft, auf die Kühle gebracht A. Ferner
                              wurde eine Portion derselben Würze, nachdem sie den
                              gedämpften Hopfen durchströmt hatte, gekühlt B. Und
                              endlich wurde eine Quantität derselben gehopften Würze,
                              welche unter 1/5 Atm. Ueberdruck klar gekocht war, zum vergleichenden Versuch
                              verwendet C. Alle drei wurden auf gleiche
                              Saccharometergrade gebracht, mit gleichen Mengen Unterhefe versetzt und unter
                              gleichen äußeren Einflüssen bei 9° R. der Gährung überlassen. Dabei zeigten
                              sich folgende Unterschiede.
                           Die ungekochte und ungehopfte Würze A bildete beim
                              Aufziehen der Hefen einen weißen und rasch vergehenden Schaum, während B und C einen mehr stabilen
                              Schaum von gelblicher Färbung zeigten.
                           Der Gährungsverlauf war bei A am schnellsten, Kräusen
                              bildeten sich gar nicht. Die scheinbare Vergährung (d.h.
                              die Differenz der Saccharometergrade vor und nach der Hauptgährung, dividirt durch die Grade vor der
                              Gährung) stellte sich am 8ten Tage auf (11, 8 – 1,8)/11,8 = 0,85.
                           Bei B verlief die Gährung ruhiger. Die Decke zeigte zwar
                              auch keine reinen Kräusen, doch war die Tendenz zur Kräusenbildung unverkennbar, und
                              es waren die vorhandenen Kräusen nur durch Schaumblasen unterbrochen. Die scheinbare
                              Vergährung war am 8ten Tage = 0,79.
                           Die Gährung bei C war ganz normal, und am 8ten Tage bis
                              auf 0,72 vorgeschritten.
                           
                           Hiernach darf man schließen, daß 1) die Gegenwart des
                                 Hopfenharzes die Gährung verzögert und die physikalische Erscheinung der
                                 Kräusenbildung veranlaßt, und daß 2) der Eiweißstoff
                                 dieser Wirkung des Hopfenharzes entgegenarbeitet.
                           Die klar filtrirten Biere von A und B bis auf etwa 70° R. erhitzt, schieden das
                              Eiweiß aus, und zwar dem Augenschein nach (man wolle die
                              unwissenschaftliche Experimentirmethode entschuldigen) in derselben Menge wie die
                              Würzen vor der Gährung. Das Bier C blieb natürlich klar und trübte sich erst nach längerm Kochen.
                           Ueber die Haltbarkeit der Eiweißstoff enthaltenden Biere werde ich erst später
                              berichten. Sieht man sich die Erfahrungen in der Ciderfabrication an, nach welchen
                              die eiweißreichen Obstsäfte unhaltbare Weine geben, denen nur zu helfen ist, wenn
                              man sie mit Gerbsäure haltigen Säften (von Holzbirnen, Holzäpfeln, Wolfsbirnen etc.)
                              versetzt und dadurch den Eiweißstoff ausscheidet, so darf man sich auf ein frühes
                              Verderben solcher Tizard'schen Biere gefaßt machen.
                              Immerhin kommt es dem Biere zu Gute, daß es während der Nachzählung schon getrunken
                              oder auf Flaschen gezogen wird.