| Titel: | Ueber Verbesserungen des neuen Verfahrens der Brodbereitung; von Hrn. Mège-Mouriès. | 
| Fundstelle: | Band 148, Jahrgang 1858, Nr. LII., S. 221 | 
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                        LII.
                        Ueber Verbesserungen des neuen Verfahrens der
                           Brodbereitung; von Hrn. Mège-Mouriès.
                        Aus den Comptes rendus, Jauar 1858, Nr.
                              3.
                        Mége, über Verbesserungen des neuen Verfahrens der
                           Brodbereitung.
                        
                     
                        
                           Bei der Einführung meines neuen Verfahrens der BrodbereitungBeschrieben im polytechn. Journal 1857, Bd. CXLIV S. 209 und 273. in die Praxis zeigten sich vielerlei Schwierigkeiten; die einen entsprangen
                              aus der Nothwendigkeit einer einfachen, sicheren, regelmäßigen und dem gewöhnlichen
                              Betriebe sich anschließenden Fabrication; die anderen, erheblicheren, hatten in den
                              Gewohnheiten des Publicums ihren Grund, indem das Brod in verschiedenen Gegenden
                              nach Form, Geschmack und Textur der Krume verschieden gemacht wird und sich daher
                              nicht überall genau dasselbe Verfahren anwenden läßt.
                           Die Verschiedenheit des Brodes in verschiedenen Gegenden beruht aus der
                              Verschiedenheit der Gährmittel, und eine allgemeine Aenderung des Backverfahrens ist nur möglich,
                              wenn man jedem Lande die Bereitung seiner Gährmittel läßt. Man kann zwei Hauptarten
                              von Gährmitteln unterscheiden, deren Gemenge alle bekannten Gährmittel gibt. Die
                              Gährmittel der einen Art bestehen aus Hefe allein oder mit Mehl vermischt; sie sind
                              im Norden in Gebrauch, wo Hefe leicht zu erlangen ist, und geben ein Brod, dessen
                              Krume gelb und wohlriechend ist und regelmäßige, kleine, zerreibliche Blasen zeigt.
                              Die Gährmittel der zweiten Art werden aus Weizenmehl selbst gemacht und bilden den
                              in Paris und in allen Gegenden, wo die Hefe selten ist, angewendeten Sauerteig; sie
                              geben ein Brod, dessen Krume eine unregelmäßige blasige Beschaffenheit und einen
                              merklich sauren Geschmack besitzt. Um diese Gährmittel herzustellen, läßt man 6
                              Kilogr. Teig sechs Stunden lang gähren; man erhält dadurch den sogenannten frischen Sauerteig (levain
                                 chef), eine schaumige saure Masse, in welcher der Kleber und die
                              eiweißartigen Stoffe in weingeisterzeugendes Ferment und säureerzeugende Fermente
                              (d.h. Fermente für Milchsäure-, Essigsäure- und
                              Buttersäure-Gährung, denen noch die Bildung von Ameisensäure hinzugefügt
                              werden muß) übergegangen sind.
                           Diese beiden entgegengesetzten Gährungen, die geistige und die Säure-Gährung,
                              pflanzen sich neben einander in dem einmal angefrischten,
                                 zweimal angefrischten und fertigen Sauerteig (levains de deuxième, de troisième et de tout point) fort,
                              welche aus dem frischen Sauerteig durch allmähliches Hinzufügen von Mehl und Wasser
                              erhalten werden. Die geistige Gährung veranlaßt die Entwickelung von Kohlensäure und
                              das Gehen des Teiges, während die Säure-Gährung den Kleber aufbläht, seine
                              theilweise Lösung bewirkt, ihm gestattet in Weingeistferment überzugehen, und ihn
                              erweicht, so daß rissiges Brod (pain fendu) entsteht.
                              Wenn aber diese Säuregährung, wie bei dem ersten Gebäck, vorherrscht, so wird der
                              Zweck überschritten, der Kleber wird zu weich, und es entsteht ein graues,
                              schlechtes und nicht rissiges Brod. Derselbe Erfolg tritt ein, wenn man durch
                              Erhöhung der Temperatur die Wirkung des Milchsäureferments vorherrschen läßt, und
                              auch, aber die Verhältnisse des Schwarzbrods erreichend, wenn das Mehl
                              Kleietheilchen, also Cerealin, enthält, welches immer nach einigen Stunden bei
                              35° C. das kräftigste Milchsäure-Ferment und bei 50° C. das
                              kräftigste Buttersäure-Ferment wird.
                           Man ersteht hieraus, warum man bei dem gewöhnlichen Verfahren einen Theil der
                              Mehlsubstanz opfern muß, um Mehl zu haben, welches von allen Theilen der Fruchthülle
                              frei ist, und warum man aus demselben Mehl so verschiedenes Brod erhält, je nachdem
                              es das erste, zweite, dritte etc. Gebäck ist, und je nach der Temperatur des
                              Wassers, der Lufttemperatur und der Reinheit des Mehls, was alles Umstände sind, durch welche
                              die Wirksamkeit des Milchsäure-Ferments oder der Säurefermente erhöht oder
                              vermindert wird.
                           Um bei Anwendung meines neuen Backverfahrens jeder Gegend die Anwendung ihrer
                              bisherigen Gährmittel zu lassen und die Geschicklichkeit der Arbeiter zu benutzen,
                              statt ihren Widerwillen hervorzurufen, mußte ich mein bisheriges Verfahren
                              modificiren; bei demselben wird das Cerealin bekanntlich durch eine geistige Gährung
                              unwirksam gemacht; bei dem jetzt abgeänderten Verfahren aber verhindere ich das
                              Cerealin ein Milchsäure- und Stärkezucker-Ferment zu werden, indem ich
                              es durch Kochsalz niederschlage und ihm nicht die nöthige Zeit lasse, sich zu
                              Ferment zu gestalten. Das Cerealin hat nämlich einerseits die Eigenschaft, die
                              Stärke in Zucker und Dextrin umzuwandeln; andererseits hat es die in ihren Folgen
                              wichtigere Eigenschaft, die Umwandlung des Stärkezuckers in Milchsäure, Buttersäure
                              u.s.w., und die complicirten Zersetzungen, welche die Beschaffenheit des
                              Schwarzbrods bedingen, zu veranlassen. Da aber das Cerealin, um diese Wirkungen
                              hervorbringen zu können, erst Ferment werden muß, und da alle stickstoffhaltigen
                              Substanzen, um sich in Fermente zu verwandeln, mehr oder weniger lange der Wärme und
                              Feuchtigkeit ausgesetzt seyn müssen, so wird man, indem man einerseits das Cerealin
                              durch Kochsalz niederschlägt, die auf die Bildung von Stärkezucker gerichtete
                              Wirkung aufheben, und indem man andererseits den Sauerteig aus dem feinsten Mehl,
                              welches keine Kleie, also kein Cerealin enthält, macht und den Gries erst kurz vor
                              dem Backen zufügt, dem Ferment die zu seiner Bildung nöthige Zeit abschneiden und
                              ein weißes Brod erhalten. Auf diesen Principien beruht nachstehendes Verfahren.
                           Beschreibung des abgeänderten Verfahrens. – 100
                              Thle. gereinigter Weizen werden gemahlen und in folgende Producte getheilt:
                           
                              
                                 feinstes Mehl für den Sauerteig
                                 40
                                 
                              
                                 weißer Gries, mit Mehl und einigen
                                    Kleietheilchen       vermischt
                                 38
                                 
                              
                                 Gries, mit einer größern Menge Kleie
                                    vermischt
                                   8
                                 
                              
                                 nicht benutzte Kleien
                                 13,5
                                 
                              
                                 Verlust
                                   0,5
                                 
                              
                           Diese Zahlen variiren jedoch nach der Beschaffenheit des Weizens, der Jahreszeit, der
                              Einrichtung der Mühle und dem Abstande zwischen den Mühlsteinen.
                           Um diese Producte in Brod zu verwandeln, macht man den Sauerteig aus den 40 Kilogr.
                              feinem Mehl und 20 Kilogr. Wasser, indem man sich nach dem in jeder Gegend üblichen
                              Verfahren richtet. Wenn der Sauerteig, wie er auch bereitet seyn mag, fertig ist, rührt man die 8 Kilogr.
                              kleiehaltigen Gries in 45 Kilogr. Wasser, worin 600 Grm. Kochsalz gelöst sind, und
                              läßt die Mischung durch ein Sieb fließen, welches die Kleiehäutchen zurückhält,
                              während Wasser und Mehl hindurch gehen. Die so erhaltene Flüssigkeit ist weiß,
                              flockig und mit Cerealin beladen; sie besitzt nicht mehr die Fähigkeit den
                              Stärkekleister flüssig zu machen, und wiegt 38 Kilogr. (das übrige Wasser bleibt in
                              der aufgequollenen Kleie auf dem Siebe zurück). Mit dieser Flüssigkeit, welche mit
                              Mehl erster Qualität beladen ist, rührt man den Sauerteig an und macht den Teig mit
                              Zusatz der 38 Kilogr. weißem Gries. Der Teig wird zertheilt und nach einer Stunde in
                              den Ofen gebracht. Diese Zeit ist bei der Temperatur von 25° C. nicht
                              ausreichend um das Cerealinferment zu entwickeln und man erhält weißes Brod. Wenn
                              aber die Temperatur höher wäre oder man die Masse länger stehen ließe, so würde man
                              kein weißes Brod erhalten und das Brod würde um so dunkler ausfallen, je länger der
                              Teig gestanden hätte. Nach diesem Verfahren erhält man aus 100 Kilogr. Getreide 136
                              Kilogr. Teig, und 115 Kilogr. Brod. Hierbei ist vorausgesetzt, daß das Mahlen mit
                              dicht stehenden Steinen geschieht; bei dem gewöhnlichen Mahlverfahren sinkt das
                              Mittel auf 112 Kilogr. herab.
                           In den Gegenden wo man auf die Weiße des Brodes keinen besonders großen Werth legt,
                              kann man die in den 8 Kilogr. Gries enthaltenen Kleietheilchen (statt sie durch ein
                              Sieb abzusondern) im Brode lassen; in diesem Fall sind die Operationen und
                              Erscheinungen nicht wesentlich abweichend; man schüttet nämlich den Gries in den mit
                              dem salzigen Wasser angerührten Sauerteig, das Cerealin wird in den Zellen des
                              zerrissenen Eiweißkörpers selbst coagulirt, und die erwähnte Begränzung der Zeit
                              gestattet ihm nicht, seine Umwandlung in Ferment zu beendigen. Durch dieses
                              Verfahren erhält man eine größere Ausbeute und eben so gutes Brod, welches sich von
                              dem gewöhnlichen Brod nur durch eine mehr hervortretende Färbung unterscheidet, die
                              bloß von den beigementen Kleiehäutchen herrührt. Man sieht, daß man bei diesem
                              Verfahren ein Interesse daran hat, sich Weizen zu verschaffen, dessen Fruchthülle
                              möglichst wenig gefärbt ist.
                           Indem ich während eines Zeitraums von sechs Monaten jeden Tag mit 500 Kilogr. Weizen
                              nach dem vorbeschriebenen Verfahren operirte, fand ich, daß 100 Kilogr. Weizen im
                              Mittel 112 Kilogr. Brod geben, daß das Mehl auf 83 Proc. gebeutelt wird und daß die
                              Ersparniß per Kilogr. Brod 5 Centimes beträgt. Diese
                              Zahlen sind jedoch keine absoluten, dieselben variiren vielmehr je nach der
                              Beschaffenheit des Weizens dem Mahlverfahren etc.
                           
                           Unbestreitbar liefert aber mein neues Verfahren unter allen Umständen, statt, wie das
                              bisherige, durch eine complicirte Procedur Weißbrod, Schwarzbrot) und nicht zur
                              Brodbereitung benutzte, viel Mehltheile enthaltende Abgänge zu geben, nur Weißbrod
                              in verhältnißmäßig größerer Quantität. Mit demselben sind folgende Hauptvortheile
                              verbunden: 1) die geringeren Mehlsorten und das Schwarzbrod kommen in Wegfall; 2)
                              Verringerung des Verlustes beim Mahlen; 3) Vergrößerung der Ausbeute an Mehl und
                              Brod; 4) Erhöhung der Nährkraft des Brodes durch die Gegenwart einer größeren Menge
                              von stickstoff- und phosphorhaltigen Stoffen.
                           Ich beabsichtige meine Untersuchungen auch noch auf andere Getreidearten auszudehnen,
                              und kann schon jetzt einige Bemerkungen über den Roggen mittheilen. Derselbe ist dem
                              Weizen in vieler Hinsicht ähnlich, unterscheidet sich aber davon hauptsächlich durch
                              die Natur seines Klebers, welcher, ohne Cohäsion und sich wie ein emulsiver Körper
                              zertheilend, einer rascheren Zersetzung unterworfen ist als derjenige des Weizens;
                              übrigens sind der Stärkezucker, die Säure und die abführenden Wirkungen, welche man
                              an dem Roggenbrod bemerkt, lediglich Folgen der Milchsäure-Gährung, und indem
                              man diese Gährung verhindert, erhält man aus Roggen ein Brod, welches nach Geschmack
                              und Farbe dem Weizenbrod ganz gleich ist.