| Titel: | Neue Thatsachen, betreffend den Werth des Sorghum saccharatum als Zuckerpflanze; von G. E. Habich in Roxbury, Massachussets. | 
| Fundstelle: | Band 148, Jahrgang 1858, Nr. LXVII., S. 302 | 
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                        LXVII.
                        Neue Thatsachen, betreffend den Werth des Sorghum saccharatum als Zuckerpflanze; von G. E. Habich in Roxbury, Massachussets.
                        Habich, über den Werth des Sorghum
                              saccharatum als Zuckerpflanze.
                        
                     
                        
                           Man wird sich erinnern, daß vor etwa fünf Jahren zuerst in Frankreich, dann in
                              einigen Gegenden Deutschlands, der Anbau einer neuen Zuckerpflanze, die der
                              Zuckerrübe Concurrenz machen sollte, versucht wurde. Das Gewächs stammte aus China
                              und war eine Grasart, Sorghum saccharatum (Holcus saccharatus). Die Berichte über den Zuckergehalt
                              der hie und da stattgefundenen Versuchspflanzungen gingen aber sehr auseinander, und
                              binnen Kurzem waren alle Hoffnungen, die man an diese Zuckerpflanze geknüpft hatte, soweit zusammengeschrumpft, daß nur noch der
                              allenfallsige Trost eines neuen Branntweinmaterials übrig
                              blieb.
                           Die ersten Nachrichten kamen aus Frankreich und waren viel verheißend. Vilmorin hatte auf der Hektare 30,000 Kilogr. Saft von
                              10,8 Proc. Zuckergehalt bekommen, was auf den preußischen Morgen etwa 16 Zollcentner
                              Zucker ergibt. Vilmorin hatte übrigens hauptsächlich die
                              Alkoholgewinnung im Auge. Die Pflanzen hatten reifen Samen
                                 gebracht.
                           
                           A. Reihlen in Stuttgart versuchte die Anwendung zur Zuckerproduction, indessen ohne allen Erfolg; es war kein festes Zuckerkorn zu gewinnen. Dr. Fehling wies mit dem
                              Polarisationsapparat nach, daß der Saft der von Reihlen
                              cultivirten Pflanzen nur 4 Proc. Rohrzucker, dagegen aber 10 Proc. Schleimzucker
                              enthielt. Für die Branntweinbrennerei macht dieser Umstand natürlich kein Hinderniß,
                              und da kommt's bloß auf die Zuckermenge, die auf dem Morgen wächst, an. Reihlen's Versuche gaben in dieser Hinsicht ausgezeichnete Resultate, – es lassen sich nämlich
                              aus seinen Angaben 3360 Pfd. Zucker per Morgen
                              herausrechnen. Die Pflanzen hatten durch Frost gelitten und waren nicht alle vollkommen reif geworden.
                           Dr. Lüdersdorff fand den
                              Zuckergehalt des Saftes (nur 7,5 Proc.) aus gleichen Theilen Rohrzucker und
                              Fruchtzucker bestehend. Seine Pflanzen waren nicht reif
                                 geworden.
                           Prof. Bergemann untersuchte ebenwohl unreife Pflanzen und fand im Safte gar keinen
                                 Rohrzucker, sondern bloß Fruchtzucker und zwar 11,3 Proc.
                           Diese auffallenden Differenzen hatten Dr. Gall zu der Vermuthung gebracht, daß die mehr oder
                              weniger südliche Lage der Gegenden, wo die Anbauversuche stattfanden, einen großen
                              Einfluß auf die Ausbildung des Zuckers in der Pflanze gehabt haben möchte (s. dessen
                              praktische Mittheilungen Bd. I S. 56).
                           Wir werden indessen weiter unten den Schlüssel zu diesen Erscheinungen einfach in dem
                              mehr oder minder vorgeschrittenen Reifezustand der
                              Pflanze finden.
                           Die Frage, ob das „chinesische Zuckerrohr“ krystallisirbaren
                              Zucker enthalte, war nun für die Vereinigten Staaten Nordamerika's von ganz
                              besonderem Interesse, – sie wurde hier zu Lande einigermaßen eine politische Frage. Alle Welt kennt den schroffen Gegensatz
                              zwischen dem republikanischen Norden und dem demokratischen Süden, – ein
                              Gegensatz, der in der Sklavenzüchterei des letztern seinen Grund findet. Der
                              steigende Zucker-Consum im Lande hat die Zuckerplantagen im Staate Louisiana
                              hervorgerufen und der Sklavenarbeit neue Aufgaben gestellt. Die Zuckerproduction ist
                              im fortwährenden Steigen, mit ihr hält natürlich auch die Zunahme der Sklavenarbeit gleichen Schritt, – weil das gewöhnliche
                              Zuckerrohr nur bis zur Spitze des Missisippi-Delta's gedeiht. Das Klima des Nordens hatte bislang nur die unbedeutende Ahornzucker-Gewinnung erlaubt. Man kann sich die
                              Hast denken, mit welcher die Gegner der Sklavenarbeit nach einer Zuckerpflanze
                              griffen, welche sich auch im nordischen Klima rasch entwickeln und ihnen also das
                              peinigende Gefühl
                              ersparen sollte, durch die Steigerung ihres Zuckerconsums Förderer der Sklaverei zu werden.
                           Nach vielen mißlungenen Versuchen, die sich nicht über die Syrup-Production
                              hinaus erhoben, scheint man der Sache jetzt Herr geworden zu seyn. Man hat Resultate
                              erhalten, die den gehegten Erwartungen entsprachen. Ich bin in der Lage, darüber
                              ziemlich detaillirte Mittheilungen machen zu können. Insbesondere muß ich es dem Dr. Jackson in Boston
                              (Staatschemiker und Geologe von Massachussets) Dank wissen, daß er mir den Bericht
                              über seine Untersuchungen, die er im Auftrage des Departements des Ackerbaues bei
                              der Patent-Office in Washington vorgenommen hatte, aufs freundlichste zur
                              Benützung mittheilte. Ich gebe denselben hier im Auszuge.
                           Das erwähnte Departement der Patent-Office hatte dem Dr. Jackson Pflanzen des Sorghum, die in
                              Washington (38° 53' nördl. Br.) gebaut waren, zugesandt. Zugleich wurden
                              dergleichen von Branniton und Newton Center in Massachussets (42° 20' n. Br.
                              untersucht. Der Einfluß klimatischer Unterschiede mußte da also an den Tag
                              kommen.
                           Die zu den einzelnen Analysen verwendeten Pflanzen befanden sich in verschiedenen Stadien der Entwickelung, – vom
                              jungen Stengel im Milchsaft bis zur Samenreife. Wir werden alsbald sehen, welche
                              bedeutende Differenzen dabei vorkommen.
                           Der technisch-analytische Weg, welchen Dr. Jackson einschlug, ist kurz folgender.
                           Die Pflanzenstengel wurden mit einer Schraubenpresse ausgepreßt und das abfließende
                              Saftquantum bestimmt. Dann wurde das specifische Gewicht des filtrirten Saftes
                              ermittelt und darnach zunächst der entsprechende ZuckergehaltDa nach Balling Malzextract-Lösungen bei
                                    gleichem Gehalte dieselben specifischen Gewichte haben wie Zuckerlösungen,
                                    und da im vorliegenden Falle der Saft stets noch Dextrin enthält, so wollen
                                    wir diese Bestimmung auf „Extract“ beziehen. (nach Balling's Tabelle) notirt. Der
                              Controleversuch bestand nun darin, daß der mit Kalk versetzte und filtrirte Saft
                              eingedickt und mit Alkohol extrahirt wurde, wobei Stärke und Dextrin zurückblieben.
                              Die alkoholische Lösung wurde verdampft und die Krystalle gewogen, – es liegt
                              auf der Hand, daß die auf diesem Wege ausgeschiedenen
                              Zuckermengen hinter den aus dem specifischen Gewicht des Saftes berechneten zurückbleiben müssen. Uebrigens geschahen
                              diese letzteren Bestimmungen nur in einzelnen Fällen.
                           Die Resultate dieser Versuche sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt. Und
                              es ergibt sich aus derselben die wichtige Thatsache, daß in
                                 den ersten Lebensstadien der Pflanze aller Zucker als Traubenzucker vorhanden
                                 ist, neben Stärkmehl, – während mit Vollendung der Reife der Rohrzucker
                                 das Feld behauptet und alles Stärkmehl verschwunden ist.
                           
                           Uebersicht der Untersuchungen des Sorghum- und Imphee-Zuckerrohrs
                              durch Dr. Ch. T. Jackson in
                              Boston.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 148, S. 305
                              Name der Pflanze; Wo angebaut?; Wie
                                 viel zur Untersuchung verwendet; Spec. Gew. des Saftes; Extractmenge; Berechnet;
                                 Gefunden; Zuckermenge; Art des Zuckers; Zustand der Pflanze; Bemerkungen;
                                 Chinesische Varietät des Sorghum; Imphee; Chinesisches Sorghum; Braniton in
                                 Massachussets; Newton Centre in Massachus.; Washington.; Traubenzucker (kein
                                 Rohrz.); Rohrzucker; Traubenzucker; Nach d. Blüthe noch nicht aufgebrochen; In
                                 der Blüthe begriffen; Beinahe reif.; Frühes Milchstadium; Fast reif.; Sehr reif;
                                 Der Saft ließ viel Stärkmehl fallen; Ebenfalls viel
                                 Stärkmehl; Etwas Stärkmehl; Hielt Stärkmehl; Enthielt gar kein Stärkmehl; Der
                                 Vers. 1 gab 31,25 Proc., – der Vers. 6 aber 53,1 Proc. Saft; Die
                                 Extractmenge ist nicht immer vollständig genug ausgetrocknet gewesen, wie die
                                 Versuche 6 und 7 am besten ausweisen; Imphee ist eine frühere, in kürzerer Zeit
                                 reifende und deßhalb für nördlichere Gegenden passendere Varietät des Sorghum.
                                 Etwas Samen davon habe ich dem Verein zur Beförderung des Gartenbaues in Cassel
                                 übersendet, von welchem s. Z. Proben zu beziehen seyn werden
                              
                           
                           Der Saft junger und unreifer Pflanzen ist stets sauer, der
                              der reifen Pflanzen nicht. Die Gegenwart der Säure läßt
                              also die Constituirung von Rohrzucker nicht aufkommen. Mit dem Verschwinden der Säure steht
                              derselben kein Hinderniß mehr im Wege. (Bei der Runkelrübe scheint der Rohrzucker
                              neben der Säure existiren zu können – wie hängt das zusammen?)
                           Das Stärkmehl zeigte sich unter dem Mikroskop ganz gleich dem aus unreifen
                              Maisstengeln geschiedenen.
                           Ueber die analytische Methode der Zuckerbestimmung für technische Zwecke stehen hier
                              wohl einige Worte am Platze, zumal nach den oben mitgetheilten Thatsachen wohl
                              anzunehmen ist, daß neue Anbau-Versuche und Saft-Analysen des Sorghum
                              auch in Deutschland gemacht worden.
                           Ein Polarisationsapparat bietet freilich das einfachste Mittel, um den Zuckergehalt
                              einer Flüssigkeit in kürzester Zeit zu ermitteln. Aber solch ein Instrument ist
                              nicht in den Händen des Publicums, welches sich
                              allenfalls am meisten für fernere Prüfungen des Sorghum interessiren wird, –
                              und die Anschaffungskosten sind nicht gering. Halten wir uns also lieber an ein
                              Instrument, welches wohl in jedem Atelier für
                              landwirthschaftliche Gewerbe heimisch seyn wird, – das Saccharometer. Ich will die vorzunehmende Manipulation hier etwas genauer
                              mittheilen und muß wegen der diesem Verfahren zu Grund liegenden Principien auf Balling's Gährungschemie verweisen.
                           Der abgepreßte Saft wird durch trockenes Papier filtrirt und das specifische Gewicht
                              desselben, in Saccharometerprocenten ausgedrückt,
                              bestimmt. Dann werden 100 Loth des Saftes abgewogen und mit 8 Loth dickbreiiger Hefe
                              gemischt. Die hierdurch erfolgte Veränderung des specifischen Gewichts wird ebenwohl
                              an einer filtrirten Probe mittelst des Saccharometers festgestellt.Diese Veränderungen beruhen hauptsächlich auf der Verdünnung durch das der
                                    Hefe anhängende Wasser. Ob auch die fast augenblicklich erfolgende Umwandlung des Rohrzuckers in
                                    Traubenzucker (die man mit der Böttger'schen
                                    Probe vortrefflich controliren kann) von Einfluß auf das specifische Gewicht
                                    ist (wie Graham, Hofmann und Redwood behaupten), will ich dahin gestellt seyn
                                    lassen. Jedenfalls ist sie oben unschädlich
                                    gemacht. Die Gährung läßt man nun im verdeckten Gefäße vorschreiten, wobei man die
                              Hefe zuweilen unterrührt. Zeigt das Saccharometer keine Veränderung binnen 24
                              Stunden mehr an, so nimmt man eine Probe, schüttelt sie bis alle Kohlensäure
                              entwichen ist, filtrirt sie und überliefert sie dem Saccharometer. Die Grade werden
                              notirt und mit diesen Zahlen wird folgendermaßen gerechnet.
                           Die Saccharometergrade nach der Gährung werden von den
                              Saccharometergraden vor der Gährung subtrahirt. Der
                              Unterschied wird mit der
                              Zahl (dem „Zuckerfactor“), welche in der nachfolgenden Tabelle
                              neben den Saccharometergraden der Gährung steht, multiplicirt. Das Product sind die
                              Zuckerprocente in der saccharometrisch untersuchten
                              Flüssigkeit. Aber unser Saft war ja durch das Hefenwasser verdünnt und wir haben unser Resultat deßhalb noch mit jener Zahl zu
                              multipliciren, welche sich aus der Division der Saccharometerprocente vor dem Hefenzusatz durch die Saccharometerprocente nach dem Hefenzusatz erzielt. Ein Beispiel wird's
                              deutlich machen, nachdem ich die Tabelle mitgetheilt habe.
                           
                              
                                 Saccharometergrade        
                                    vor    der
                                    Gährung.
                                 Zuckerfactor.
                                 
                              
                                             8
                                    0,8027
                                 
                              
                                             9
                                    0,8064
                                 
                              
                                           10
                                    0,8101
                                 
                              
                                           11
                                    0,8138
                                 
                              
                                           12
                                    0,8176
                                 
                              
                                           13
                                    0,8214
                                 
                              
                                           14
                                    0,8253
                                 
                              
                                           15
                                    0,8293
                                 
                              
                                           16
                                    0,8333
                                 
                              
                                           17
                                    0,8374
                                 
                              
                                           18
                                    0,8415
                                 
                              
                           Gesetzt, der filtrirte Saft zeige 15 Saccharometergrade. 100 Loth desselben werden
                              mit 8 Loth wohl ausgewaschener, dickbreiiger Hefe versetzt, sofort wieder eine Probe
                              filtrirt und deren Gehalt auf 14 Saccharometergrade festgestellt. Nach Beendigung
                              der Gährung finde man 2 Saccharometergrade, so beträgt die Differenz (14 – 2
                              =) 12 Grade. Den dazu gehörigen Zuckerfactor finden wir (bei 14) mit 0,8253. Mit
                              diesem multipliciren wir die Differenz, – ergibt 12 × 0,8253 = 9,9036
                              Proc. in der untersuchten Flüssigkeit, welche durchs
                              Hefenwasser verdünnt war. Dieses Resultat haben wir nur noch mit 15/14 zu
                              multipliciren, um den wahren Procentgehalt des ausgepreßten Saftes = 10,61 Proc. an
                              den Tag zu bringen.
                           Kehren wir nach dieser nützlichen Abschweifung zum Faden des Berichts zurück.
                           Hr. Joseph Lovering hat eine detaillirte Darstellung
                              seiner Versuche zur Verarbeitung des Sorghum auf Rohrzucker veröffentlicht, aus der
                              das Wesentlichste hervorgehoben werden soll.
                           
                           Die Versuche wurden nahe bei Philadelphia (unter 39° 56' n. Br.) mit den
                              dortselbst gezogenen Pflanzen gemacht.
                           Die Pflanzen waren auf einem guten, hochgelegenen Boden angebaut und standen in
                              Reihen, welche 4 Fuß auseinander entfernt waren, – jede Pflanze stand von der
                              andern 7 Zoll ab. Als die Pflanzen etwa 18 Zoll hoch waren, wurden die
                              Seitenschossen entfernt, – später wurden sie behäufelt. Sie wuchsen schlank
                              empor und erreichten eine Höhe von 12 bis 14 Fuß.
                           Auf diese Weise wurden dem Acre etwa 18,200 Pflanzen abgewonnen, was auf den
                              preußischen Morgen etwa 11,500 Stengel ergeben würde. Dieser Ertrag erscheint im
                              Vergleich mit den von A. Reihlen veröffentlichten
                              Ernteresultaten viel zu gering; – Reihlen hatte
                              jeder Pflanze einen Quadratfuß Terrain bewilligt, und würde also auf dem preußischen
                              Morgen etwa 26,000 Pflanzen producirt haben. Ferner hatte
                              aber Reihlen seinen Pflanzen auch die Seitentriebe
                              gelassen, wodurch der Ertrag an Stengeln noch bedeutend
                              vermehrt wird, – der pr. Morgen würde nämlich 102,000 Stengel von 5–8
                              Fuß Höhe und noch 18,000 Stengel von 2–5 Fuß Höhe, im Gesammtgewicht von
                              39,000 Pfund abgeworfen haben. Unser Experimentator in
                              Philadelphia hat nirgends Angaben gemacht, welche einen Vergleich des
                              Ernte-Ertrags dem Gewichte nach möglich machen;
                              – er beantwortet die Frage: „wie viel Zucker wächst auf dem Acker?“ – Und dabei benutzt er
                              in der Regel nicht den ganzen Stengel, sondern nur die untern zuckerreichern Glieder
                              desselben.
                           Voraus gieng eine Untersuchung des Saftes der noch grünen
                                 Stengel mit dem Polarisationsapparat.
                           Von zwei Stengeln wurde je das unterste Glied (8 bis 9''
                              lang) genommen.
                           
                              
                                 Beide wogen
                                 212,596 Gramme,  –
                                 dreimal
                                 
                              
                                 gewalzt und ausgepreßtblieb ein
                                    Rückstand von
                                   93,742      „
                                 also
                                 
                              
                                 wog der abgeflossene Saft
                                 148,216      „
                                 was
                                 
                              
                           69,7 Proc. ausmacht. Das specifische Gewicht war 1,063.
                           Aus diesem Safte nun wurden, unter Beobachtung aller
                              nothwendigen Cautelen, 5,008 Proc. trockner Zucker herauspolaroskopirt, – was
                              3,49 Proc. Zucker im Rohr ergibt.
                           Es wurden ferner auch die zweiten Glieder der Stengel (zunächst über den vorher
                              versuchten) der polaroskopischen Untersuchung unterworfen. Das Ergebniß war 5,57
                              Proc. Zucker im Saft, so daß also der Saft aus den zweiten Gliedern etwas reicher an
                              Zucker zu seyn scheint, als der aus den untersten.
                           
                           Etwa vier Wochen später, nachdem inzwischen mehrere Rauhfröste eingetreten und die
                              Stengel gereift waren, wurde eine neue polaroskopische
                              Probe gemacht, welche 7,29 Proc. Zucker im Saft ergab.
                           Hr. Lovering erwähnt ferner, daß der Saft aus dem unreifen Rohr entschieden sauer war, während der aus gereiften Stengeln
                              Lackmuspapier kaum röthete. Halten wir uns diese Thatsache mit den Erfahrungen des
                              Dr. Jackson zusammen, so
                              erscheint es in hohem Grabe unwahrscheinlich, daß jene mit dem Polaroskop gefundenen
                              5 Proc. Zucker als Rohrzucker in Rechnung kommen dürfen.
                              Diese Annahme wird auch durch die weiteren Versuche des Hrn. Lovering bestätigt, indem es ihm nicht gelang, aus dem sauren Saft krystallisirbaren Zucker darzustellen. Ich
                              gebe diese Versuche im Auszuge.
                           Erster Versuch. Am 30. Sept. 1857 wurden von 30 noch
                              grünen, im Milchsaft stehenden Stengeln die untern 6 bis 8 Glieder zerquetscht und
                              gepreßt, wobei 3 1/2 Gallons (= 15,9 Liter) Saft von 9° Baumé (= 1,063
                              spec. Gew.) erhalten wurden. Dieser Saft wurde nun mit Kalkmilch neutralisirt, mit
                              Eiweiß geklärt und bis zu einem Siedepunkt von 240° F. (92 1/2° R.)
                              eingesotten. Das Product war eine sehr dunkle, klebrige Masse, welche 6 Tage ohne
                              die geringste Krystallisation stand. Ließ man sie noch 4 Tage auf dem warmen Ofen
                              stehen, so schieden sich weiche Krystalle, ähnlich dem
                                 „Melada“
                                  von Cuba
                              Ohne Zweifel nichts anderes als Traubenzucker! aus. Die Syrup-Ausbeute ist nicht angegeben.
                           Zweiter Versuch. Zwei Wochen später wurden dazwischen gereifte Stengel verarbeitet. Der abfließende Saft zeigte
                              10° B. und es wurden von 340 Stengeln (aus den 6 bis 7 untern Gliedern) 31
                              7/8 Gallons erhalten. Die Ausbeute ist also geringer dem Volum nach, aber der Saft
                              ist concentrirter. Dieser Saft war schwach sauer und wurde zunächst wie oben
                              behandelt, dann aber noch mit Beinschwarz versetzt, bis auf 22° Baumé
                              eingesotten, nochmals mit Eiweiß geklärt, mit Kalkwasser gesotten, „um
                                 Pflanzeneiweiß zu coaguliren,“ – verdünnt und nochmals durch
                              Knochenkohle (5 Fuß hoch) passirt, wobei ein farbloses Filtrat erhalten wurde.
                           Das Product wurde nun in drei Theile gebracht. Der erste
                              zu 230° F. (88° R.) eingesotten, wobei er die Fingerprobe zeigte,
                              stand eine Stunde ohne Krystalle auszuscheiden. Die zweite Portion zu 246° F. (95° R.) eingesotten und zum
                              ersten gegeben, veranlaßte in wenigen Minuten die Ausscheidung von Krystallen. Die
                              dritte Portion wurde auf 238° F. (91 1/2°
                              R.) Siedepunkt gebracht und zu den vorigen beiden gegeben. Am nächsten Morgen wurden
                              die damit gefüllten Zuckerformen auf Ablauftöpfe gesetzt. Der abfließende Syrup zur
                              Consistenz eingekocht, wog 27 1/4 Pfd., der Zucker in den Formen 11 1/2 Pfd. Auf den
                              Acre (von 8200 Pflanzen) berechnet, gibt das einen Ertrag von 615,6 Pfd. Zucker und
                              1458,6 Pfd. Melasse.
                           Der erhaltene Zucker war gelblich braun, etwa wie die zweite Qualität Cubazucker,
                              welcher in den Raffinerien verwendet wird.
                           Dritter Versuch. Abermals wurden an fünf aufeinander
                              folgenden Tagen zerquetscht 782 Stengel, und daraus zusammen 86 15/16 Gallons Saft
                              von 10° Baumé erhalten, – 18 Proc. mehr als beim zweiten
                              Versuch. Der Saft, wie oben behandelt, wurde bis auf 15 bez. 18° B.
                              eingesotten und blieb 4 bis 9 Tage stehen. Da zeigte sich denn, daß alle fünf
                              Portionen gewaltig verändert waren. Die Massen waren dick und geronnen und sehr
                              sauer, – (Milchsäure?) nur die letzte Portion, welche nur 4 Tage gestanden
                              hatte, gab noch gute Zuckerkrystalle.
                           Das Resultat dieser Versuche concentrirte sich also dahin, daß man den einmal
                              ausgepreßten Saft auch sofort seinem Bestimmungsort, den Zuckerformen,
                              entgegenführen soll, wenn man ihn vor Zersetzung bewahren will.
                           Gewitzigt durch diese Erfahrung wurde beim vierten Versuch
                              rascher vorgeschritten. Der ausgepreßte Saft wurde nach der obigen Behandlung mit
                              Kalkmilch, Eiweiß und Beinschwarz auf 234° F. (89 4/5° R.)
                              eingesotten. Es ergaben 389 Stengel 39 5/16 Gallons Saft von 10° B. Außerdem
                              wurden auch noch die Wipfel dieser 389 Stengel ausgepreßt und daraus 4 11/16 Gallons
                              Saft von 12° B. erhalten, der aber etwas mehr Säure enthielt als der Saft der
                              untern Glieder.
                           Hiervon wurden beim ersten Sud 19 3/4 Pfd. Zucker und 25 1/4 Pfd. Melasse erhalten.
                              Die Melassen hätten noch viel mehr krystallisirten Zucker gegeben; – der
                              Ausscheidungsversuch verunglückte aber durch einen Zufall, so daß nur ein Theil
                              gerettet werden konnte. Diese Ausbeute als Basis zu einer Berechnung benutzt, würden
                              die obigen 25 1/4 Pfd. Melassen noch 6 8/10 Pfd. Zuckerkrystalle gegeben haben. Auf
                              dem Acre würden also gewachsen seyn 1242 Pfd. Rohzucker und etwa 860 Pfd. Melasse,
                              d.h. wenn die Wipfel auch mit verarbeitet werden. – Die von den Wipfeln
                              erhaltene Ausbeute, für sich gewogen, ergab 3 Pfd. Zucker und 2 Pfd. Melasse.
                           Wir wollen nun die Resultate des zweiten und vierten Versuchs übersichtlich
                              zusammenstellen und mit den polaroskopischen Ermittelungen vergleichen. Dabei haben wir das
                              Gewicht eines Gallons Saft festzustellen. Hr. Lovering
                              hat dasselbe zu 9 Pfund angegeben, was aber offenbar unrichtig ist, – da ein
                              Gallon reines Wasser 10 Pfd. wiegt, so muß ein Gallon des
                              10grädigen Saftes 10,75 Pfd. wiegen.
                           
                              
                                 Nummer   
                                 
                                 Müssen wiegen   
                                 
                                            
                                       Lieferten
                                    
                                 
                              
                                     des
                                 Gallons Saft.   
                                       
                                    Pfund.
                                     Zucker.
                                    Melasse.
                                 
                              
                                 Versuchs.
                                 
                                 
                                 Pfund.
                                 Procent.   
                                 Pfund.
                                 Procent.
                                 
                              
                                       2
                                     31 7/8
                                        342,7
                                 11 1/2
                                   3,356
                                 27 1/4
                                   7,951
                                 
                              
                                       4
                                     39 5/16
                                        422,6
                                 23 1/2
                                   5,56
                                 16 1/2
                                   3,90
                                 
                              
                           Rechnen wir Zucker und Melassen zusammen, so hat der zweite Versuch 11,3 Proc., der
                              vierte 9,46 Proc. Zuckermasse ergeben. Die polaroskopische Untersuchung hatte 7,29
                              Proc. herausgestellt. Erwägt man nun, daß die Melassen Gummi und Salze enthalten, so
                              erscheint ein Ueberschuß an erhaltenem Zucker über die
                              berechnete Menge hinaus nicht überraschend. Wäre nur
                              überhaupt mehr Uebereinstimmung in den Resultaten dieser Versuche, von denen der
                              vierte eine um 16 Proc. geringere Ausbeute lieferte als der zweite.
                           Von den übrigen Versuchen des Hrn. Lovering bietet uns nur
                              noch der letzte Interesse. Es war am 17. November als er durchgeführt wurde. Das
                              Wetter war inzwischen sehr veränderlich gewesen, – nach warmer
                              Sommertemperatur bei häufigem Regen waren Fröste
                              eingetreten und das Thermometer variirte zwischen 16 und 60° F. (= –
                              7° bis + 12 1/2° R.) Und die Wirkung dieses Witterungswechsels fest zu
                              stellen, war der Zweck des Versuchs, zu welchem die Stengel frisch geschnitten
                              wurden. Aus einem Quantum, welches hätte 19 bis 20 Gallons Saft ausgeben müssen,
                              wurden aber nur 11 15/16 Gallons von 10° B. erhalten, – also etwa 37
                              Proc. weniger. Der Saft war saurer, stark riechend und dunkler gefärbt als der
                              frühere, – auch zeigte er sich ärmer an Zucker. Man wird also die Stengel
                              sofort nach vollendeter Reife zu schneiden und unter Dach zu bringen haben, um
                              solchen Eingriffen des Wetters einen Riegel vorzuschieben. Den sehr nothwendigen
                              Versuch, ob ein in der Reife geschnittenes und trocken
                              gelagertes Rohr seinen Zuckergehalt ungeschmälert behält,
                              hat Hr. 
                              Lovering nicht gemacht. Diese Lücke habe ich durch den
                              nachfolgenden Versuch beseitigt.
                           Von der Farm des Hrn. Hyde bei Newton Centre, wo diese
                              Zuckerpflanze in größerer Menge angebaut und trotz dem kurzen Sommer des
                              verflossenen Jahres völlig reif geworden war, verschaffte ich mir im April d. J.
                              noch einige Stengel und entzog denselben durch Maceration den Zuckergehalt. Eine
                              Probe der Flüssigkeit wurde (nach Böttger's Angabe) mit
                              etwas Sodaauflösung und dann mit einer Messerspitze voll basisch salpetersaurem
                              Wismuthoxyd (dem Magisterium Bismuthi der Apotheker)
                              versetzt, zum Sieden erhitzt. Der weiße Bodensatz behauptete seine Farbe unverändert und documentirte
                                 dadurch die Abwesenheit jeder Spur von Traubenzucker. Eine andere Probe der
                              süßen Flüssigkeit konnte durch Hefe alsbald in Gährung gebracht werden.
                           Uebersehen wir die ganze Reihe dieser Erfahrungen, so darf man dem Sorghum als
                              Zuckerpflanze wohl mit Fug und Recht eine Zukunft verheißen. Und es hat allen
                              Anschein, daß durch dasselbe der Runkelrübe eine Concurrentin erwachsen wird.
                           Zunächst ist das leichte Trocknen der Stengel und die unveränderte Haltbarkeit des
                              Zuckergehaltes derselben eine nicht genug zu schätzende Thatsache, welche die
                              Zuckerfabrication von der Erntezeit emancipirt, und alle Vorzüge ohne die Nachtheile des Schützenbach'schen Verfahrens
                              bietet.
                           Ein zweiter Umstand ist nicht minder wichtig, – der
                              Saft des Sorghum enthält im Verhältniß zu seinem
                                 Zuckergehalt viel weniger Salze, als die Runkelrübe. Von welcher
                              Wichtigkeit das für die Zuckerfabrication ist, weiß Jedermann. Ich lasse die Zahlen
                              den Beweis dieser Angabe führen.
                           Nach den Untersuchungen des Dr. Jackson enthält das Sorghum 1,66 lösliche Salze auf 100 Zucker. Die
                              Analysen, welche Hervy mit dem gewöhnlichen Zuckerrohr
                              von Guadeloupe (das als zu derselben Pflanzenfamilie
                                 gehörig wohl mit dem Sorghum verglichen werden darf) gemacht hat, wiesen
                              einen Salzgehalt von 0,5 (bei trocknem Boden) und 1,8 (von tiefgelegenem Boden) auf
                              100 Zucker nach. Diese Angaben stimmen hinreichend zusammen, wir wollen uns aber an
                              Dr. Jackson's Bestimmung
                              halten, weil die von ihm untersuchte Pflanze ein in Massachussets (also in nördlichern Zonen) gewachsenes Sorghum war.
                           Der Runkelrübensaft enthält nach Hochstätter's
                              Untersuchungen 7,4 Salze auf 100 Zucker! (Es versteht sich wohl von selbst, daß nur
                              die löslichen Salze in Rechnung gezogen sind.)
                           
                           Dieser bedeutende Unterschied im Salzgehalte bietet nun, neben seiner Wichtigkeit für
                              den Zuckerfabrikanten, auch noch ein ganz besonderes Interesse für den
                              zuckerpflanzenden Landwirth. Und das ist die
                              volkswirthschaftliche Seite des Sorghum.
                           Wenn der Rübenbau dem Landwirth einen angemessenen Nettoertrag gewähren soll, so
                              rechnet man (so viel mir bekannt ist) auf eine Ernte von 160 Centr. per preußischen Morgen. Der Saft dieser Rüben enthält
                              (zu 10 Proc. gerechnet) 1600 Pfd. Zucker. Ein gleiches Zuckerquantum per Morgen wird das Sorghum auch liefern. – A.
                              Reihlen erhielt das Doppelte.
                           Vergleichen wir nun den mit diesen Zucker mengen
                              verbundenen Salzgehalt, so haben wir
                           
                              
                                 bei der Runkelrübe
                                 (1600 × 7,4)/100   = 118
                                 Pfd. Salze und
                                 
                              
                                 beim Sorghum
                                 (1600 × 1,66)/100 =   27
                                   „      „
                                 
                              
                           Also verbraucht die Runkelrübe, um gleiche Zuckermengen zu
                              produciren, mehr als viermal so viel Salze denn das
                              Sorghum. Und diese Salzmengen gehen dem Boden verloren, wandern in die Melassen der
                              Fabriken. Der Landwirth muß sie seinem Boden durch
                              Düngen ersetzen, wenn er sich vor Bodenverarmung
                              schützen will. Dieser Ueberschuß der Salze in der Rübe hätte noch drei reichliche Sorghum-Ernten geliefert (neben
                              einem reichlichem Viehfutter in den Wipfeln etc.), ohne den
                                 Boden in größerem Maaße zu erschöpfen.