| Titel: | Zur Theorie der Bierbrauerei; von G. E. Habich in Roxbury, Massachussets. | 
| Autor: | G. E. Habich | 
| Fundstelle: | Band 148, Jahrgang 1858, Nr. XC., S. 379 | 
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                        XC.
                        Zur Theorie der Bierbrauerei; von G. E. Habich in Roxbury, Massachussets.
                        Habich, zur Theorie der Bierbrauerei.
                        
                     
                        
                           Von meinen Erfahrungen, die ich für die Theorie der Bierbrauerei flott gemacht habe,
                              lasse ich hier wieder ein Stück folgen. Freilich wohl hätte ich das ganze Material
                              vorläufig magaziniren können, um es später einmal anständig in Reihe und Glied
                              gestellt, aufmarschiren zu lassen. Doch halte ich's für besser, mit einzelnen
                              Portionen vorzutreten, weil ich 1) den praktischen
                              Bierbrauern einen Geschmack an der „Theorie“ ihres Gewerbes
                              infiltriren möchte, und 2) weil ich weiß, daß man diesen meinen Collegen nur mit
                              kleinern Abschnitten kommen darf, wenn man überhaupt daran denkt – –
                              gelesen zu werden.
                           Zunächst Einiges als Ergänzung früherer Artikel.
                           Meine Befürchtung, daß das Hopfenöl in den Würzedämpfen
                              einen nachtheiligen Einfluß bei der Benutzung derselben zum Einmaischen ausüben
                              könnte, hat sich als ungegründet erwiesen. Wiederholte
                              vergleichende Versuche stellten heraus, daß die Verzuckerung der mit 155° F.
                              auf (54 6/10° R.) die Ruhe gebrachten Maische in gleicher Zeit erfolgte, mochten die verwendeten Dämpfe nun Hopfenöl
                              enthalten haben oder nicht. Und diese Dämpfe waren im entsprechenden Falle so reich
                              an Hopfenöl, daß das damit direct erhitzte Nachgußwasser starken Duft
                              verbreitete.
                           Gelegentlich dieser Versuche wurde auch das Nachgußwasser einer Prüfung auf einen
                              etwaigen Zuckergehalt, der in Gesellschaft der
                              Würzedämpfe zugereist seyn konnte, unterworfen. Die Böttger'sche Probe wies denselben jedesmal
                                 nach. Auf diesen Verlust hat schon Dr. Stark in der Encyclopaedia
                                 britannica aufmerksam gemacht; aber er ließ es unentschieden, ob der
                              Zuckerstoff lediglich mechanisch deportirt wird, oder ob das
                                 Sieden eine Portion Zucker in Alkohol verwandele und solcher Gestalt
                              verflüchtige (Colossal!). Wie groß dieser Verlust ist, habe ich nicht ermittelt,
                              – das mögen die Brauer, welche die Würzedämpfe nicht wieder benutzen, nachholen; – ich erwische den Flüchtling in
                              irgend einem Theile meines Apparats jedesmal wieder, um ihn in seine Landesgränzen
                              zurückzuführen. Doch das im Vorbeigehen.
                           Heute mögen mich meine Leser hauptsächlich in den
                           
                              Gährkeller
                              
                           begleiten. Wir werden einiges Interessante zu sehen
                              bekommen.
                           
                           Voraus senden muß ich, daß ich seit einigen Wochen mit meinem Freunde Dr. Weinland in Cambridge an mikroskopischen Untersuchungen über das Leben der
                                 Hefenzelle arbeite, die demnächst als selbstständiges Werk mit vielen
                              Abbildungen nach Photographien erscheinen werden. Zum
                              Verständniß des Nachfolgenden hebe ich aus diesen Untersuchungen hervor, daß eine
                              gährende Bierwürze, aufs sorgfältigste filtrirt, reich an
                              Hefensporen ist, deren Entwickelung zu größeren
                              Hefenzellen sich unter dem Mikroskop rasch verfolgen läßt. Ohne Zweifel wird auch
                              die den Gährbütten entsteigende feuchte Kohlensäure eine größere oder geringere
                              Menge solcher Hefensporen in die Luft des Gährkellers
                                 entführen. Und damit glaube ich den Schlüssel zu jener räthselhaften Selbstgährung der Belgier gefunden zu haben. Ich machte
                              folgenden Versuch.
                           Zwei geräumige Glasflaschen wurden mit einer klaren Würze gefüllt, – die
                              Mündung der einen verstopfte ich mit einem Baumwollenpfropf, die der andern blieb
                              offen. Beide Flaschen wurden nun nahe bei Gährbütten gestellt, welche im Betrieb
                              waren.
                           Während der ersten 14 Tage war an beiden Flaschen auch nicht die geringste Spur von
                              Gährung zu bemerken. Später bildete sich etwas sogenannter Kahn (ein Pilz mit gestreckten Zellen) auf der Oberfläche. Am 24. Tage
                              besah ich mir das Resultat genauer. Die Flüssigkeit war stark milchsauer; –
                              die Attenuation war von 9,3 Sacchar-Proc. auf 8,5 gegangen, was ohne
                              Bedeutung ist (den Einfluß der Milchsäure ungerechnet). Am Boden der Flasche lag
                              eine braune Substanz mit zahllosen Hefenzellen und Sporen.
                           Wurde diese Hefe mit frischer Würze zusammengebracht, so
                              stellte sich alsbald eine ganz normale Untergährung ein. Die dabei gebildete
                              Unterhefe zeigte sich unter dem Mikroskop bedeutend verschieden von den andern
                              beiden Hefenarten, – sie gebiert die jungen Zellen auf andere Weise.
                           Daß der Baumwollenpfropf den Hefensporen den Zutritt nicht
                              versperrt hat, leuchtet ein, – bisher hat man das nicht angenommen.
                           Andere Flaschen mit Würze, welche an einem, den Gährgefäßen fernen (aber auch
                              wärmeren) Ort der „Selbstgährung“ überlassen blieben, wurden
                              noch früher sauer und lieferten gar keine Hefenzellen.
                           Sonach glaube ich zu der Annahme berechtigt zu seyn, daß der Brauer eine Thorheit
                              begeht, wenn er auf den Zufall der Entstehung einer ersten
                                 Hefenzelle speculirt, – er würde sich in der Regel geprellt
                              finden.
                           
                           Sehen wir uns aber die mangelhaften Berichte über das belgische Gährverfahren an, so
                              wird uns nicht entgehen, daß – wenn auch „nur selten etwas Oberhefe
                                 dazu gegeben wird“ (vergleiche Heiß' Bierbrauerei, S. 151) – stets Hefensporen
                              genug von den obern feuchten Holz schichten der
                              Gährbottiche zurückgehalten werden, um „nach 8–10 Tagen“
                              eine langsame Gährung beginnen zu mache;; – daß ferner
                           die Gährung in zugespundeten Fässern (mit kleiner Oeffnung im Spund) wohl nie eine so
                              sorgfältige Reinigung des Gährgeschirrs im Gefolge hat,
                              um nicht selbst noch große Massen von ausgebildeten Hefenzellen ungestört sitzen zu
                              lassen; – daß also
                           die sog. Selbstgährung sich lediglich auf eine durch äußerst
                                 wenig und zum Theil gering entwickelte (Sporen) Stellhefe herbeigeführte,
                              verzögerte Gährung reduciren wird.
                           Ein ziemlich lückenhaftes Capitel der Gährungschemie ist bekanntlich das
                           über die Temperatur-Erhöhung gährender
                                 Flüssigkeiten, – die Vervollständigung desselben war Zweck bei
                              Anstellung der unten folgenden Versuche.
                           Es wird zum allgemeinern Verständniß der Sache beitragen, wenn ich dem Leser einiges
                              Bekannte ins Gedächtniß zurückrufe und die Ergebnisse bereits früher von Andern
                              angestellter Versuche übersichtlich zusammenfasse.
                           Im Allgemeinen ist man darüber einig, daß Wärmeentwickelung ein
                                 steter Begleiter der Zersetzung des Zuckers durch geistige Gährung ist
                              (vergleiche Balling's Gährungschemie, Bd. I S. 125;
                              – Knapp's chemische Technologie, Bd. II S. 280
                              u.a.). Man hat nun consequenter Weise die Menge der
                              ausgeschiedenen Wärme zu der Menge des zersetzten Zuckers
                              in ein Verhältniß gesetzt. Zur Beweisführung sind einige Versuche im größern
                              Maaßstabe herangezogen, die diese Voraussetzung bestätigen sollen. Betrachten wir
                              uns zunächst diese Experimente der Reihe nach und halten wir uns nur an die am
                              vollständigsten durchgeführten.
                           Ueber die Temperatursteigerung bei gährenden Bierwürzen
                              theilt Balling (Bierbrauerei, 2ter Theil, S. 223) eine
                              Zusammenstellung der in England erhaltenen Resultate mit. Diese Tabelle gibt uns die
                              Temperatur der Würze beim Stellen mit Hefe und im höchsten
                                 Gährungsstadium, – ferner den Extractgehalt der Würze und die
                              Saccharometer-Anzeige des Jungbiers (woraus sich dann der stattgefundene
                              Vergährungsgrad ergibt). Durch den Vergleich der Temperatur-Unterschiede mit
                              dem erfolgten Vergährungsgrad resultirt nun, daß die erstere
                               da am höchsten war, wo
                              auch die Vergährung am vollständigsten erfolgte.
                           Die weitere Consequenz dieses Satzes würde natürlich seyn, daß auch in jedem einzelnen Stadium der Biergährung die
                              Temperatursteigerung der zersetzten Zuckermenge proportional wäre. Den
                              experimentellen Beweis dafür finden wir bei Balling nicht und wollen deßhalb versuchen, ihn anderweit
                              herbeizuschaffen.
                           Ph. Heiß referirt in seiner
                              „Bierbrauerei“ Seite 188 über eine bayerische
                              Schenkbiergährung, – er erwähnt aber nur beim
                                 Stellen der Temperatur und des Gehalts der Würze, – bei der
                              Kräusengährung fehlt die Saccharometer-Anzeige. Wie leicht würde es ihm in
                              seiner Stellung als Braumeister geworden seyn, diese nur im Großen durchführbaren
                              Versuche mit aller Schärfe vorzunehmen.
                           Ein vollständigeres Referat gibt uns Heiß über den Verlauf
                              der Gährungen, denen er in England beiwohnte. Von den S.
                              217 bis 225 mitgetheilten 4 Beobachtungen können wir indessen nur drei gebrauchen,
                              und bei der schottischen Ale-Untergährung fehlt leider die Angabe der ursprünglichen Würzeconcentration. Bei der
                              Zusammenstellung auf der am Schlusse folgenden Tabelle A
                              sind seine Saccharometerangaben nach Long in das in
                              Deutschland gebräuchliche Procent-Saccharometer (und zwar nach Balling bei 14° R.) übersetzt, und schließlich die
                              Temperaturdifferenzen (es ist ja gleichgültig ob Fahrenheit oder R. oder C.) und die
                              Differenzen der Saccharometeranzeigen (welche den jedesmal zersetzten Zuckermengen
                              proportional sind) nebeneinander gestellt.
                           Die in so kurzen Zeitraum zusammengedrängte Obergährung
                              der Porter- und Englisch-Ale-Würzen und die so frühzeitige Unterbrechung der Beobachtungen (bei der
                              Abkühlung der gährenden Würzen vor dem Fassen), sowie der geringe Vergährungsgrad
                              des Bieres am Ende des Experiments berechtigen nicht zu
                              irgend einem Schlusse über den proportionalen Zusammenhang der Temperatursteigerung
                              mit der stattgefundenen Vergährung. Bei der Ale-Gährung (Untergährung)
                              dagegen muß uns der Umstand, daß nach dem Zurückgehen der Krausen die Temperatur beständig abnimmt,
                              während doch die Attenuation des Biers noch fortdauert
                              (wenn auch im abnehmenden Verhältniß) – höchst auffällig erscheinen. Denn
                              wenn der Gährungsproceß wirklich eine Wärmequelle ist, so
                              muß man doch erwarten, daß bei weniger energischer Attenuation die Temperatur längere Zeit stationär bleibt – zumal da, bei der
                              geringfügigen Differenz zwischen den Temperaturen der gährenden Flüssigkeit und dem
                              Gährlocal, von einer Abkühlung durch das letztere kaum
                              die Rede seyn kann.
                           
                           Eine andere Versuchsreihe hat uns Th. Fischern (Mitth. des
                              böhmischen Gewerbevereins, Jahrg. 1847, S. 705–715) durch Weingährung gegeben, aus denen ich die beiden im größern Maaßstabe durchgeführten Experimente
                              hervorhebe.
                           I. Die Kellertemperatur wechselte von 6 bis 9° R. Das Gährfaß enthielt 10
                              Hektoliter.
                           
                              
                                     Tag
                                    derBeobachtung.
                                 Saccharometer-    Procente.
                                 Differenz.
                                 Temperatur.
                                     Tag
                                    derBeobachtung.
                                 Saccharometer-    Procente.
                                 Differenz.
                                 Temperatur.
                                 
                              
                                         1
                                      21,777
                                 
                                     11° R.
                                       
                                    11
                                       7,333
                                 
                                       18
                                 
                              
                                 
                                 
                                   1,131
                                 
                                 
                                 
                                   3,047
                                 
                                 
                              
                                         3
                                      20,646
                                 
                                     12
                                       
                                    12
                                       4,286
                                 
                                       17
                                 
                              
                                 
                                 
                                   1,120
                                 
                                 
                                 
                                   2,101
                                 
                                 
                              
                                         4
                                      19,526
                                 
                                     12,5
                                       
                                    13
                                       2,185
                                 
                                       15
                                 
                              
                                 
                                 
                                   1,426
                                 
                                 
                                 
                                   0,985
                                 
                                 
                              
                                         5
                                      18,100
                                 
                                     13
                                       
                                    14
                                       1,200
                                 
                                       14
                                 
                              
                                 
                                 
                                   1,070
                                 
                                 
                                 
                                   0,825
                                 
                                 
                              
                                         6
                                      17,030
                                 
                                     14
                                       
                                    15
                                       0,376
                                 
                                       13,5
                                 
                              
                                 
                                 
                                   1,915
                                 
                                 
                                 
                                   0,799
                                 
                                 
                              
                                         7
                                      15,125
                                 
                                     16,5
                                       
                                    18
                                   –  0,423
                                 
                                       12
                                 
                              
                                 
                                 
                                   1,839
                                 
                                 
                                 
                                   0,698
                                 
                                 
                              
                                         8
                                      13,286
                                 
                                     16,8
                                       
                                    19
                                   –  1,121
                                 
                                       11
                                 
                              
                                 
                                 
                                   2,141
                                 
                                 
                                 
                                   0,000
                                 
                                 
                              
                                         9
                                      11,145
                                 
                                     17
                                       
                                    20
                                   –  1,121
                                 
                                       11
                                 
                              
                                 
                                 
                                   1,700
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                       10
                                       
                                    9,445
                                 
                                     17,5
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                   2,112
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           Der Umstand, daß die größte Attenuation vom 11. zum 12.
                              Tage stattgefunden hatte und dabei auch die Temperatur am
                              höchsten gestiegen war, veranlaßt Fischern zu dem
                              Ausspruch: „es scheint somit die Temperaturzunahme in einem geraden
                                 Verhältnisse mit der Attenuation zu steigen.“
                              
                           Sehen wir uns auch seine 4te Beobachtung, bei der die äußeren Einflüsse günstiger
                              waren, noch an.
                           IV. Kellertemperatur fast constant 6° R. Das Gährgefäß enthielt 20,8
                              Hektoliter.
                           
                           
                              
                                     Tag
                                    derBeobachtung.
                                 Saccharometer-    Procente.
                                 Differenz.
                                 Temperatur.
                                     Tag
                                    derBeobachtung.
                                 Saccharometer-    Procente.
                                 Differenz.
                                 Temperatur.
                                 
                              
                                         1
                                      19,159
                                 
                                      9° R.
                                         9
                                       7,429
                                 
                                      11,5
                                 
                              
                                 
                                 
                                   1,198
                                 
                                 
                                 
                                   2,426
                                 
                                 
                              
                                         3
                                      17,961
                                 
                                      9
                                       10
                                       5,003
                                 
                                      12,5
                                 
                              
                                 
                                 
                                   1,324
                                 
                                 
                                 
                                   2,812
                                 
                                 
                              
                                         4
                                      16,637
                                 
                                      9,5
                                       11
                                       2,191
                                 
                                      12,5
                                 
                              
                                 
                                 
                                   1,572
                                 
                                 
                                 
                                   1,756
                                 
                                 
                              
                                         5
                                      15,065
                                 
                                      9,5
                                       12
                                       0,435
                                 
                                      11,5
                                 
                              
                                 
                                 
                                   1,801
                                 
                                 
                                 
                                   0,636
                                 
                                 
                              
                                         6
                                      13,264
                                 
                                      10
                                       13
                                   –  0,201
                                 
                                      11
                                 
                              
                                 
                                 
                                   1,785
                                 
                                 
                                 
                                   0,588
                                 
                                 
                              
                                         7
                                      11,479
                                 
                                      10
                                       14
                                   –  0,789
                                 
                                      10
                                 
                              
                                 
                                 
                                   1,840
                                 
                                 
                                 
                                   0,777
                                 
                                 
                              
                                         8
                                      9,639
                                 
                                      11
                                       69
                                   –  1,586
                                 
                                      10
                                 
                              
                                 
                                 
                                   2,210
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           Hierzu bemerkt Fischern wieder: „Auch aus den
                                 vorstehenden Beobachtungen geht hervor, daß die Temperaturzunahme mit der
                                 zersetzten Zuckermenge im Verhältnisse steigt.“
                              
                           Daß diese Annahme für den ersten Theil des Gährungsverlaufs ihre Richtigkeit hat,
                              wird Niemand bestreiten. Aber das rasche Sinken der
                              Temperatur, trotz der fortdauernden Attenuation, blieb
                              mir doch immer ein Räthsel, und ich entschloß mich, einige vergleichende Versuche in
                              größerm Maaßstabe anzustellen, die mich über diese Fragen aufklären sollten.
                           Zunächst wollte ich eine sehr fühlbare Lücke beseitigen. Alle über die Lösung dieser
                              Frage vorhandenen Beobachtungen waren bei der Gährung von Hefe
                                 bildenden Flüssigkeiten (Würze, Most) angestellt. Auch die
                              Runkelrübenzucker-Melasse, bei deren Gährung Balling (Branntweinbrennerei, S. 203) eine bedeutende Zunahme der
                              Temperatur beobachtete, enthält reichliche Mengen stickstoffhaltiger Substanzen, welche die Hefenbildung herbeiführen. Es
                              war also nothwendig eine reine Zuckerlösung mit Hefe in
                              Gährung zu bringen (wobei die Hefe bekanntlich consumirt
                              wird) und die dabei auftretenden Temperatur-Unterschiede zu bemerken.
                           Ist der Satz, daß die fortschreitende Zersetzung des Zuckers
                                 eine gleichzeitig fortschreitende Temperaturerhöhung bedingt, richtig: so
                              mußte eine beschleunigte Zersetzung des Zuckers auch eine
                              Beschleunigung der Temperatur-Zunahme zur
                              Folge haben und ich konnte – bei der höchst gleichmäßigen Temperatur meines
                              Gährkellers – den Versuch im kleinern Maaßstabe
                              mit der Aussicht auf ein
                              entscheidendes Resultat anstellen. Diesen raschern Gährungsverlauf bewerkstelligte
                              ich natürlich durch einen größern Hefenzusatz.
                           Solche Versuche habe ich nun wiederholt mit demselben Erfolge angestellt, –
                              einer derselben mag für viele sprechen.
                           Eine Auflösung von Rohrzucker wurde mit einer reichlichen Portion Unterhefe (auf 30
                              Pfd. einer 12,7procentigen Zuckerlösung 1/2 Pfd. dickbreiiger Hefe) versetzt und in
                              einem verdeckten Holzgefäß der Gährung überlassen. Hier ist das Resultat.
                           
                              
                                    Tag der Beobachtung.
                                  Temperat. des Kellers.
                                    Temperat.der
                                    gährenden  Flüssigkeit.
                                 Saccharometer-    Procente.
                                     Differenz der
                                    Sacchar.-Procente.
                                         
                                    Bemerkungen.
                                 
                              
                                   April 12
                                    52° F.
                                      52° F.
                                         12,7
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                           0,8
                                 
                                 
                              
                                           13
                                    52 1/2
                                      51 1/2
                                         11,9
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                           2,1
                                 
                                 
                              
                                           14
                                    53
                                      51 1/2
                                         9,8
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                           2,0
                                 
                                 
                              
                                           15
                                    52 1/2
                                      51 1/2
                                         7,8
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                           1,7
                                 
                                 
                              
                                           16
                                    52 1/2
                                      51 3/4
                                         6,1
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                           1,5
                                 
                                 
                              
                                           17
                                    53 3/4
                                      53
                                         4,6
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                           1,3
                                 
                                 
                              
                                           18
                                    54
                                      53
                                         3,3
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                           1,3
                                 Die höhere Kellertemperat. am
                                 
                              
                                           19
                                    54
                                      52 1/2
                                         2,0
                                 
                                    18. hat die Gährung wieder
                                       beschleunigt,
                                    bei   gleichzeitigem Sinken der   Temperatur der
                                    Flüssigkeit.
                                 
                              
                           Es geht daraus hervor, daß bei der Gährung reinen Zuckers,
                                 wobei die Hefe consumirt wird,
                              Diese Consumtion von Hefe ist nicht etwa mit einem
                                    Zerbersten der Zellen verbunden; – diese
                                       bleiben nach wie vor Zellen, die aber (unter dem Mikroskop)
                                    bedeutend an Durchsichtigkeit gewonnen, weil sie
                                    an Inhalt verloren haben, – die
                                    platten Zellen sind noch platter geworden. Später
                                    darüber mehr.
                              nicht nur keine Temperaturerhöhung eintritt, sondern daß sogar
                                 die Temperatur der Flüssigkeit constant unter die Temperatur des Gährraums
                                 herabgeht, solange die Zuckerzersetzung dauert. Durch dieses Factum bringen
                              wir zunächst die massenhafte Gasentwickelung, wobei eine
                              große Menge Wärmestoff verbraucht (latent) wird, mit den
                              übrigen wissenschaftlichen Principien wieder in Einklang, – die
                              „Anomalie“ verschwindet. Daß dieser Wärmeverbrauch oder die
                              demselben entsprechende Temperatur-Erniedrigung
                              gleichen Schritt halten muß mit der Gasentwickelung oder dem derselben zu Grunde
                              liegenden chemischen Proceß, ist an und für sich klar.
                              Aber auch die obigen Messungen zeigen, daß bei der höchst gleichmäßig
                              fortschreitenden Attenuation auch eine ebenso gleichförmige Wärmeabsorption
                              (Temperaturerniedrigung) Platz greift.
                           Da nun die bei der Gährung der Bierwürzen und des Mostes auftretenden Wärmemengen
                              ihren Stammbaum nicht auf die Zersetzung des Zuckers zurückführen können, so erübrigt für deren legitime Herkunft nichts anderes als die
                                 Zellenbildung bei der Ausscheidung der Hefe. Jene Proteinstoffe, welche in
                              den der Gährung unterworfenen Flüssigkeiten gelöst waren,
                              gestalten sich unter Verdichtung, und damit verbundener
                              Wärme-Entwickelung, zu jenem noch ziemlich
                              unbekannten Zelleninhalt. Offenbar muß auch wiederum
                              Wärme latent werden, wenn dieser Zelleninhalt theilweise
                              wieder gelöst wird, wie bei der Gährung reiner
                              Zuckerlösungen. Folgerichtig auch muß ferner die Summe der
                                 ausgeschiedenen Wärmemengen in geradem Verhältniß stehen zu der Summe des
                                 neugebildeten Zelleninhalts, – sie bildet den Maaßstab für die
                                 stattgefundene Zellenbildung.Heut zu Tage muß man sich sein geistiges Eigenthum nach allen vier
                                    Weltgegenden hin verschanzen. Dessentwegen beanspruche ich auch andurch die
                                    Priorität meiner Entdeckung einer neuen Wärmequelle in
                                       der Zellenbildung. Und zwar will ich auf die Wichtigkeit derselben
                                    für Pflanzen- und Thier-Physiologie ausdrücklich hinweisen.
                                    Die Möglichkeit der Fortdauer einer Vegetation trotz der strengsten
                                    Winterkälte bedarf eines neuen Factors zur Aushülfe eben so sehr, als sich
                                    der Athmungsproceß als einzige Wärmequelle für den Thierkörper längst als
                                    unzureichend herausgestellt hat. Auch für die Pathologie muß diese Thatsache
                                    von hohem Interesse seyn.
                              
                           Zwei Gährungsversuche, von etwas rascherm Verlauf als die gewöhnlichen
                              Untergährungen, wurden in der Art eingeleitet, daß die beiden neben einander
                              stehenden Bottiche gleiche Mengen (85 Kubikfuß engl.) derselben Würze bekamen,
                              – dagegen aber erhielt der eine Bottich nur 10 Pfd. Stellhefe, während der
                              andere 30 Pfd. bekam. Es liegt auf der Hand, daß im letztern Falle die Zellenbildung der Menge nach bedeutend größer seyn mußte
                                 in einer gewissen Zeit, oder – was dasselbe ist – daß in
                              gleichen Zeiträumen größere Wärmemengen ausgeschieden werden mußten. Ich weiß wohl,
                              daß ich den praktischen Bierbrauern damit nichts Neues sage; sie wissen längst, daß
                              der Gährungsverlauf um
                              so „hitziger“ ist, je mehr Hefe beim Stellen verwendet
                              wurde.
                           Der Leser mag sich nun die unter B am Schluß mitgetheilte
                              tabellarische Zusammenstellung der beiden Versuche genauer betrachten.
                           Das Maximum der Temperatur trat bei dem Versuche I am 12.
                              April Abends ein. Ist diese Temperaturerhöhung Folge der
                              Zellenbildung, so mußten also auch kurz vorher die
                              größten Hefenmengen producirt seyn. Nun sehen wir aus der Spalte
                              „Differenz der Saccharometer-Anzeigen,“
                              daß kurz vorher die größten Zuckermengen zersetzt waren. Und das ist es, was bisher irregeleitet hat.
                              Man hat außer Acht gelassen, daß die Zuckerzersetzung und die
                                 Hefenbildung nur in diesem Falle Hand in Hand
                              gehen. Es ist ein Verdienst Balling's, längst auf dem
                              Wege des Versuchs nachgewiesen zu haben, daß die neugebildete
                                 Hefe stets in demselben unwandelbaren Verhältniß zu der zersetzten Zuckermenge
                                 steht. Dieser Satz ist mehrfach bestritten worden, – wir werden
                              deßhalb darauf zurückkommen müssen, nachdem wir uns das Resultat der beiden Versuche
                              nach allen Richtungen betrachtet haben.
                           Beim Versuch II haben wir erst am 13. April Abends die höchste Temperatur und
                              wiederum kurz vorher die größten Differenzen der
                              Saccharometer-Anzeigen. Ich muß ausdrücklich bemerken, daß in dieser
                              Beziehung meine Resultate von denen Fischern's abweichen.
                              Fischern beobachtet die höchste Temperatur vor der höchsten Saccharometer-Differenz, –
                              ich nachher. Wiederholte Versuche werden darüber
                              entscheiden müssen, wo der Irrthum liegt.
                           Die Temperatur sehen wir ferner einige Zeit auf dem Gipfelpunkt stationär werden und
                              dann sinken trotz der fortdauernden Attenuation. Ohne
                              Zweifel ist es hauptsächlich die entweichende Kohlensäure, welche hier als abkühlendes Element in Rechnung gezogen werden muß. Die
                              Attenuation nimmt stufenweise ab, die durch die gleichzeitige Zellenbildung
                              producirten Wärmemengen werden immer dürftiger, – das Gas aber entweicht mit
                              den Wärmemengen, welche das Product der vorausgegangenen
                                 intensivern Zellenbildung waren.
                           Wir wollen nun den Versuch machen, die Wärmemengen, welche bei beiden Experimenten
                              sich frei gemacht haben, annähernd zu vergleichen. Da die
                              Flüssigkeitsmengen gleich waren und ihre Temperaturen in
                              gleichen Zeitintervallen notirt wurden, – da
                              ferner die Wärme-Verluste durch die Kohlensäure annähernd dieselben sind,
                              sobald man die beiderseitigen Notirungen bis zu gleicher
                                 Saccharometer-Anzeige
                               heranzieht: so muß uns
                              die Summe der Thermometer-Grade für diese beiden Zeitabschnitte belehren, ob
                              der Proceß in beiden Fällen dieselben Wärmemengen
                              geliefert hat.
                           Halten wir den Punkt fest, wo die Saccharometer-Anzeige bis auf 4,2 Proc.
                              herabgegangen war. Bei I fand das am 15. April Abends statt, – die Summe der
                              bis dahin beobachteten Thermometergrade ergibt
                              716°. Bei II haben wir diese Attenuation (= 4,2 Proc.) erst am Schlusse des
                              Versuchs und addiren deßhalb sämmtliche
                              Thermometer-Anzeigen – 752°. Berücksichtigt man, daß das
                              Kohlensäuregas aus dem Bottich I mit höherer Temperatur
                              entwich als das aus dem Bottich II, – daß also die restirenden Wärmemengen
                              geringer ausfallen mußten: so ist das Resultat
                              hinreichend übereinstimmend, um zunächst den Schluß zu rechtfertigen, daß hier für
                              gleiche Differenzen der Saccharometer-Anzeigen
                              (d.h. für gleiche Mengen zersetzten Zuckers) auch gleiche
                                 Wärmemengen frei werden.
                           Da wir nun aber aus der Gährung reinen Zuckers ersehen
                              haben, daß diese Zuckerzersetzung keine Wärmequelle ist,
                              dieselbe vielmehr im vorliegenden Falle in der Zellenbildung zu suchen ist, – da ferner die Zellenbildung
                              proportional ist dem dazu verbrauchten Stoff: so
                              formuliren wir unsern Satz dahin:
                           Die Neubildung gleicher Hefenmengen, als Grund der
                                 Ausscheidung gleicher Wärmemengen, ist proportional der zersetzten Zuckermenge.
                           Um möglichst verständlich zu werden, wiederhole ich die Sache in anderer Form.
                           Die Wärme-Entwickelung war proportional der stattgefundenen Zuckerzersetzung, –
                           weil aber nicht die Zuckerzersetzung, sondern die Zellenbildung die alleinige Wärme quelle ist, so ist auch
                           die Wärme-Entwickelung proportional der
                              stattgefundenen Zellenbildung, –
                           folglich auch ist
                           die Zuckerzersetzung proportional der Zellenbildung.
                           Da sind wir also auf diesem dialektischen Wege zu ganz demselben Resultate gekommen,
                              wie Balling auf dem Wege der directen Bestimmung: daß nämlich die zersetzten
                                 Zuckermengen (oder die durch Gährung entstandenen Alkoholmengen) stets
                              proportional sind den neugebildeten Hefenquantitäten.
                           Otto hat in seinem bekannten „Lehrbuche der r.
                                 Pr. d. landw. Gewerbe“ wiederholt seine Zweifel an der Richtigkeit
                              dieser Angabe Balling's
                               ausgesprochen, –
                              aber seine Einwürfe sind nichts weniger als stichhaltig. So z.B. kann sich Otto nicht erklären, daß dieselbe Hefenmenge gebildet
                              werden sollte, wenn zur Darstellung einer Bierwürze die Hälfte des Malzes durch
                              Stärkmehl ersetzt ist, als wenn keine solche Vertretung stattgefunden hat (vergl. a.
                              a. O. Seite 127). Das Factum erklärt sich aber höchst einfach dadurch, daß eine
                              Malzwürze viel mehr Hefe bildende Substanzen enthält, als
                              während der Vergährung ihres Zuckergehalts in die proportionale Hefenmenge
                              umgewandelt werden können. Ein einfaches Experiment erweist die Sache zur
                              Evidenz.
                           In einem gut vergohrenen, völlig klaren Biere löse man etwas Zucker auf und filtrire. Die Flüssigkeit kommt bald wieder in Gährung
                              und sondert neue Hefenmengen aus, weil die in der klaren
                              Flüssigkeit vorhandenen Hefensporen sich auf Kosten der noch
                                 vorhandenen Hefenbildungsstoffe zu völlig ausgebildeten Zellen entwickeln
                              können. Nach Beendigung der Gährung kann der Versuch wiederholt werden mit der
                              wiederum filtrirten Flüssigkeit, – der Erfolg bleibt derselbe bis zur
                              völligen Erschöpfung der Flüssigkeit an
                              Hefenbildungsstoffen.
                           Wenn Otto (Seite 781) die Vermehrung der Ausbeute bei der
                              Hefenfabrication als Gegenbeweis anführt, so beruht das wohl bloß auf Angaben der
                              Hefenfabrikanten. Mir ist eine Hefenfabrik bekannt, die sich einer enormen Ausbeute
                              an Hefe bei der Vergährung der Branntweinmaischen rühmt, d.h. Hefe als Handelswaare, die – – mit einer reichlichen
                              Portion Kartoffelstärke versetzt ist. Die Menge der producirten reinen Hefe ist stets dem stattgefundenen
                              Vergährungsgrade proportional.
                           Eben daselbst behauptet auch Otto, daß „an
                                 Proteinsubstanz sehr arme Bierwürzen ebenso vollständig als Bierwürzen welche
                                 reich an Porteinstoffen sind, vergähren.“ Dagegen habe ich
                              einzuwenden, daß es überhaupt keine Bierwürzen gibt,
                              welche arm an Proteinstoffen zu nennen sind. Setzt man
                              solchen Würzen große Zuckermengen zu und läßt sie
                              vergähren, so ist ein Verhältniß der beiden Bestandtheile der Würze denkbar, wobei
                              die Proteinstoffe nicht mehr ausreichen zur Erzeugung der Hefenmenge, welche bei der Weingährung stets im Spiel seyn
                                 muß. Dann – geht's an die Consumtion der
                              vorher gebildeten Hefe, welche wiederum proportional der
                                 stattgefundenen Vergährung stattfindet, weil sich der
                                 Zelleninhalt an der Bildung des „Weins“ betheiligt.
                              Die dann ausgeschiedene Hefe hat weniger entwickelte
                              Zellen, – es ist weniger Zellen inhalt da und deßhalb ist auch die Endosmose, mit der
                              jede Weingährung beginnt, 
                              weniger lebendig. In einer Bierbrauerei am Rhein pflegt
                              man Traubenzucker in großen Portionen zur Würze zu setzen und erzeugt damit ein
                              feines Bier. Aber man klagt, daß dadurch die Hefe geschwächt wird. Natürlich,
                              – weil man's falsch anfängt, wenn man den
                              Traubenzucker vor der Gährung zusetzt. Die Zuckermengen
                              werden so reichlich verwendet, daß bei der Gährung Hefen consumtion stattfindet. Setzt man die Traubenzuckerlösung dem Jungbier zu, so ist jenem Uebelstande abgeholfen. Und in
                              dieser Weise durchgeführt, ist das
                              „Gallisiren“ des Biers eine ebenso verständige Operation,
                              wie das des Weins, – der Geschmack der Consumenten hat beides ins Leben
                              gerufen. Wie man beim Wein dadurch das Verhältniß der Säure zum Alkohol- und Wassergehalt beliebig
                              ändern kann, so wird man auch beim Bier ganz nach dem
                              Willen der Stammgäste hier mehr vollmundige, dort mehr
                              trockene (weinartige) Biere fabriciren, indem man das
                              Verhältniß des Leims zum Alkohol- und Wassergehalt
                              regulirt.
                           Ueber die sehr verschiedene Vergährungsfähigkeit der auf
                              verschiedene Weise dargestellten Bierwürzen habe ich noch Einiges beizufügen.
                           Es sind bekannte Thatsachen, daß Würzen aus blassem Malze
                              bei der Hauptgährung vollständiger vergähren, als Würzen aus stärker gedarrtem Malz, – und daß Würzen aus Malz und Stärkmehl noch besser vergähren. Worin hat das seinen
                              Grund?
                           Zur Ermittelung des Vergährungsgrades bedienen wir uns des
                              Saccharometers, indem wir die vorhandene Saccharometer-Anzeige vor und nach der Hauptgährung
                              ermitteln. Die Saccharometer-Anzeige vor der
                              Gährung gibt uns direct die Procente an Extract. Durch
                              die Gährung verschwinden aus der Würze der Zucker und
                              jene Substanzen, welche zu neuer Hefe geworden sind, – die Flüssigkeit wird
                              dadurch leichter und das Saccharometer muß also weniger Grade zeigen. Statt des Zuckers aber tritt
                              Alkohol (oder vielmehr jene Verbindung des Alkohols mit Porteinstoffen, welche wir
                              „Wein“ genannt haben) auf, – diese Flüssigkeit ist
                              leichter als Wasser und verdünnt also das Bier, was
                              sich abermals durch den Verlust einiger
                              Saccharometerprocente herausstellen muß. Der Unterschied der
                              Saccharometer-Anzeigen vor und nach der Gährung wird dadurch also noch augenfälliger.
                              Der Unterschied beider Anzeigen muß in directem Verhältniß zu
                                 der Menge des zersetzten Zuckers stehen und gibt uns einen Anhaltspunkt zur
                              Beurtheilung der fortschreitenden Gährung. Dividiren wir diese Differenz durch die
                              Saccharometer-Anzeige vor der Gährung, so erhalten
                              wir einen Bruch, der um so größer wird, je vollständiger
                              die Vergährung war. Diesen Bruch nennt Balling
                              Jeder Bierbrauer sollte sich mit der in Balling's
                                    Gährungschemie umständlich entwickelten Attenuationslehre bekannt machen,
                                    wenn er daran denkt, sich eine zuverlässige Meinung über den Zustand seiner
                                    Viere im Lagerkeller zu verschaffen. den „scheinbaren Vergährungsgrad,“ und er reicht in der
                              That aus, um ein Urtheil über die stattgefundene Vergährung zu haben, wenn wir Biere vergleichen, die nach gleicher Methode gebraut
                                 sind. Warum nicht überall? wird aus dem
                              Nachfolgenden klar werden.
                           Betrachten wir jenes Stoffgemenge, welches man Extract
                              nennt, genauer, so finden wir, daß seine Zusammensetzung je
                                 nach der Braumethode und dem verwendeten Material sehrvariabel ist. Nehmen
                              wir den Extract eines blassen Gerstenmalzes als Norm an, so haben wir als
                              Hauptbestandtheile: Zucker, Dextringummi und Pflanzenleim. Vergleichen wir damit den
                              Extract von stärker
                                 gedarrtem Malz, so finden wir, daß sich die Einwirkung des Darrens
                              hauptsächlich auf den Pflanzenleim geworfen hat, – der Leim ist dadurch löslicher in kaltem Wasser geworden und der Extract
                              enthält deßhalb mehr Leim- und weniger Zucker-Procente.
                           Durch Zusatz von Stärkmehl beim Maischen wird dagegen die
                              Zuckermenge im Extract vergrößert und der Leimgehalt relativ verringert. Es versteht sich von selbst, daß die schon erwähnten
                              Differenzen, welche durch das mehr oder mindere Darren des Malzes hervorgerufen
                              werden, auch hierbei noch außerdem sich geltend machen.
                           Da nun der Leimgehalt durch die Gährung nicht zersetzt wird, so muß er in der
                              vergohrenen Würze verbleiben und sich am Saccharometer als restirender
                              „Extract“ documentiren. Dieser Rest von nicht gährungsfähigem Extract (Pflanzenleim) ist also am
                              größten bei stark gedarrtem Malz, geringer bei blassem Malz und am kleinsten bei Stärkmehl-Malzwürzen. Je größer dieser Leimrest,
                              desto geringer muß natürlich auch der „scheinbare
                                 Vergährungsgrad“ der Würzen erscheinen, und umgekehrt. Das liefert
                              den Schlüssel zu der verschiedenen Vergährungsfähigkeit verschiedener Würzen.
                           
                           A. Wärme-Entwickelungen bei der Gährung von
                              Porter- und Ale-Würzen (nach Heiß).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 148, S. 392
                              Dauer der Gährung, Stunden; Stadium
                                 der Gährung; Temperatur nach Fahrenheit; Saccharometer-Anzeige; nach Long; nach Balling;
                                 Differenz d. Saccharometer-Proncente; Grade; Pfunde; Procente; I. Porter (Obergährung); angestellt mit Hefe; niedere
                                 Kräusen; leichte; Hefentrieb; wurde gekühlt und
                                 zeigte beim Fassen; II. Englisch Ale (Obergährung); angestellt; niedere Kräusen;
                                 hohe; Hefentrieb; III. Schottisch Ale (Untergährung); angestellt; niedere
                                 Kräusen; hohe; Kräusen gehen zurück; Oberfläche nur noch bedeckt
                              
                           
                           B. Wärmeentwickelungen bei der Untergährung zweier
                              Winterbier-Würzen mit verschiedenen Hefenmengen; von G. E. Habich.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 148, S. 393
                              Zeit der Beobachtung; Tag; Stunde;
                                 Temperatur des Gährkellers. Fahrenh.; I. 85 Kubikf. Würze von 9,3 Proc.
                                 Extractgehalt gestellt mit 30 Pfd. dickbreiiger Hefe; II. 85 Kubikfuß Würze von
                                 9,3 Proc. Extractgehalt gestellt mit 10 Pfd. dickbreiiger Hefe; Temperat. der
                                 Würze. Fahrh.; Saccharometer-Procente; Differenz der
                                 Saccharometer-Procente; Stadium der Gährung; Mittags; Abends; Morgens;
                                 mit Hefe gestellt; rahmt stark; Beginn der Kräusen; niedere Kräusen; hohe
                                 Kräusen; Beginn des Hefentriebs; Hefentrieb; starker Hefentrieb; dabei wurde
                                 viel Hefe an der Decke ausgeschieden; alle ausgeschiedene Hefe ging zu Boden;
                                 Diese an der Oberfläche ausgeschiedene Hefe war aber nicht etwa
                                 „Oberhefe“ , – das Mikroskop entschied alsbald,
                                 daß es richtige „Unterhefe“ war. Unterhefe hat nie Knospen, es sind stets vereinzelt schwimmende Zellen,
                                 – Oberhefe macht Knospen und schwimmt höchst selten allein, wie schon Mitscherlich sehr richtig
                                 beobachtet hat