| Titel: | Die Photoglyphie. – Neues Verfahren zum Graviren (Aetzen) von Lichtbildern auf Stahl-, Kupfer- und Zinkplatten, von Henry Fox Talbot. | 
| Fundstelle: | Band 150, Jahrgang 1858, Nr. LXXIV., S. 276 | 
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                        LXXIV.
                        Die Photoglyphie. – Neues Verfahren zum
                           Graviren (Aetzen) von Lichtbildern auf Stahl-, Kupfer- und Zinkplatten,
                           von Henry Fox
                              Talbot.
                        Patentirt in England am 21. April 1858. – Aus dem Repertory of Patent-Inventions,
                              November 1858, S. 363.
                        Talbot's Verfahren zum Aetzen von Lichtbildern auf Stahl-,
                           Kupfer- und Zinkplatten.
                        
                     
                        
                           Die bei diesem Verfahren anzuwendenden Stahl-, Kupfer- oder Zinkplatten
                              müssen vorher auf ihrer Oberfläche gut gereinigt werden, worauf man sie noch mit
                              einem Linnentuch reibt, welches in ein Gemisch von caustischer Soda und Kreide
                              getaucht wurde, um alle zurückgebliebenen Spuren von Fett zu beseitigen. Die Platte
                              wird hernach trocken mit einem andern Linnentuch gerieben, und diese Operation
                              wiederholt, worauf die Platte meistens hinreichend rein ist.
                           Um eine solche Platte zu graviren, überziehe ich sie zuerst mit einer für das Licht
                              empfindlichen Substanz. Diese wird folgendermaßen bereitet: beiläufig eine
                              Viertelsunze bester Leim wird mit Hülfe der Wärme in acht bis zehn Unzen Wasser
                              aufgelöst; dieser Auflösung setzt man beiläufig ein Unzen-Maaß einer
                              gesättigten Auflösung von zweifach-chromsaurem Kali in Wasser zu, und seiht
                              dann die Flüssigkeit durch ein Linnentuch. Eine solche Mischung von Leim und
                              zweifach-chromsaurem Kali bleibt während der Sommermonate flüssig und
                              brauchbar; aber bei kalter Witterung wird sie gallertartig und muß dann vor der
                              Anwendung erwärmt werden; man bewahrt sie in einem Schrank oder an einem dunklen
                              Platze auf.
                           
                           Das Gravirverfahren wird in einem nur schwach erleuchteten Zimmer folgendermaßen
                              ausgeführt. Man gießt ein wenig von dem Leimpräparat auf die Platte, hält diese dann
                              senkrecht und läßt die überschüssige Flüssigkeit an einem ihrer Ecken abtropfen; die
                              Platte wird hierauf in horizontaler Lage über eine Weingeistlampe gehalten, welche
                              den Leim bald trocknet, der dann die Metallfläche als eine dünne Haut von blaßgelber
                              Farbe bedeckt, die meistens an den Rändern einige schmale Streifen von prismatischen
                              Farben zeigt. Nach diesen Farben läßt sich die Dicke der Haut beurtheilen; wenn die
                              Haut nämlich sehr dünn ist, so sieht man die prismatischen Farben auf der ganzen
                              Oberfläche der Platte; solche Platten liefern oft vortreffliche Stiche, es ist
                              jedoch sicherer, eine etwas dickere Haut anzuwenden. Der zu gravirende Gegenstand
                              (Spitzen, Pflanzenblätter, Kupferstiche, Hand- oder Druckschriften,
                              Photographien etc.) wird dann auf die Metallplatte gelegt und in einem Copirrahmen
                              auf dieselbe niedergeschraubt, worauf man exponirt, im Sonnenschein eine bis mehrere
                              Minuten, im gewöhnlichen Tageslicht eine längere Zeit. Nimmt man hernach den
                              Gegenstand von der Platte, so sieht man auf derselben ein schwaches Bild, weil die
                              gelbe Farbe des Leims überall, wo das Licht einwirkte, braun geworden ist.
                           So weit ist das Verfahren im Wesentlichen ganz dasselbe, welches ich im Jahr 1853
                              veröffentlicht habe.Polytechn. Journal Bd. CXXVIII S.
                                       296. Aber beim Graviren (Aetzen) des in angegebener Weise auf der Metallplatte
                              erzeugten Lichtbildes verfahre ich jetzt anders. Früher glaubte ich nämlich, daß es
                              nothwendig sey, die mit dem Lichtbild versehene Platte in Wasser (oder in einer
                              Mischung von Wasser und Alkohol) zu waschen, welches nur diejenigen Theile des Leims
                              auflöst, auf die das Licht nicht gewirkt hat. Diese Operation mag aber noch so
                              sorgfältig ausgeführt werden, so findet man meistens, wenn die Platte wieder trocken
                              ist, daß das Bild ein wenig benachtheiligt wurde, was natürlich die Schönheit des
                              Resultats beeinträchtigt. Ich habe mich jetzt überzeugt, daß es durchaus nicht
                              nothwendig ist das Lichtbild zu waschen; im Gegentheil erhält man viel schönere
                              Stiche auf Platten welche nicht gewaschen worden sind, weil auf diesen die zarteren
                              Linien und Details des Bildes gar nicht verändert wurden. Die Methode, welche ich
                              nun anwende, ist folgende:
                           Nachdem die mit dem Lichtbild versehene Platte aus dem Copirrahmen genommen wurde,
                              verbreite ich auf ihrer Oberfläche sorgfältig und sehr eben ein wenig
                              feingepulverten Copal (oder gewöhnliches Harz). Es ist viel leichter, dieses
                              harzige Pulver auf der Leimfläche als auf der nackten Metallfläche eben zu
                              verbreiten. Man muß sich aber hüten, zu viel von dem Pulver aufzutragen; mit einer
                              sehr dünnen Schicht desselben erhält, man die besten Resultate, vorausgesetzt daß
                              sie gleichförmig verbreitet ist; eine zu dicke Schicht des Pulvers verhindert
                              nämlich die Wirkung der Aetzflüssigkeit. Man hält nun die Platte über eine
                              Weingeistlampe, um den Copal zu schmelzen, wozu eine beträchtliche Wärme
                              erforderlich ist. Man sollte glauben, daß bei diesem Erhitzen der Platte das auf
                              derselben befindliche zarte Lichtbild benachtheiligt wird; dieß ist aber keineswegs
                              der Fall. Das Schmelzen des Copals erkennt man an seiner Farbenveränderung. Man
                              zieht dann die Platte von der Lampe weg und läßt sie erkalten.
                           Nachdem so die Leimhaut mit einer Copalschicht überzogen worden ist, gießt man die
                              Aetzflüssigkeit darauf. Diese besteht aus Eisenchlorid und wird folgendermaßen
                              bereitet: Man löst in Salzsäure so viel rothes Eisenoxyd auf, als sie mit Hülfe der
                              Wärme aufnehmen kann, filtrirt die Flüssigkeit, dampft sie dann ab, bis ihr Volum
                              beträchtlich vermindert ist, und gießt sie hernach in Glasflächen, worin sie beim
                              Erkalten zu einer braunen kristallinischen Masse erstarrt; die Flaschen werden dann
                              gut verkorkt und zum Gebrauch aufbewahrt. Dieses Präparat zieht die Feuchtigkeit aus
                              der Luft stark an; wenn man ein wenig davon in Form eines trocknen Pulvers aus einer
                              Flasche nimmt und auf eine Platte legt, so zerfließt es schnell. Seine Auflösung in
                              Wasser zeigt in dünner Schicht eine gelbe Farbe, in dickerer Schicht aber eine
                              kastanienbraune. Um ihre Wirkungsweise im gegebenen Falle verständlicher zu machen,
                              bemerke ich, daß sie auch beim gewöhnlichen Aetzen mit Vortheil angewendet werden
                              kann; wenn man nämlich eine Kupfer-, Stahl- oder Zinkplatte mit
                              Aetzgrund überzieht, und dann mit einer spitzen Nadel Linien darauf radirt, welche
                              einen artistischen Gegenstand bilden, und hernach die Eisenchloridlösung auf die
                              Platte gießt, so bewirkt sie schnell ein Aetzen, ohne daß sich Gasblasen entwickeln
                              oder ein Geruch veranlaßt wird, wie bei Anwendung von Scheidewasser.
                           Zum Aetzen der Lichtbilder auf Metallplatten wendet man das Eisenchlorid am besten
                              auf folgende Weise an: eine Flasche Nr. 1 wird mit gesättigter Lösung von
                              Eisenchlorid in Wasser gefüllt; eine Flasche Nr. 2 mit einer Mischung, welche aus 5
                              bis 6 Theilen der gesättigten Lösung und 1 Theil Wasser besteht; eine Flasche Nr. 3
                              mit einer schwächeren Flüssigkeit, aus gleichen Theilen Wasser und gesättigter
                              Lösung bestehend.
                           Bevor man eine Gravirung (Aetzung) von Wichtigkeit beginnt, muß man durch die nun zu
                              beschreibenden Proben ermitteln ob diese Flüssigkeiten von der geeigneten Stärke sind.
                              Ich habe schon erklärt, wie das Lichtbild auf der Leimfläche erzeugt, diese dann mit
                              einer dünnen Schicht von Copalpulver bedeckt und letzteres über einer Lampe
                              geschmolzen wird; nachdem die Platte dann vollkommen erkaltet ist, führt man das
                              Aetzen in folgender Weise aus: Man gießt eine kleine Quantität der Lösung Nr. 2 auf
                              die Platte, und verbreitet sie mit einem Kameelhaarpinsel eben auf ihrer ganzen
                              Fläche. Es ist nicht nöthig die Platte mit einem wächsernen Rande zu versehen, weil
                              die angewandte Flüssigkeitsmenge so gering ist, daß sie nicht das Bestreben hat von
                              der Platte abzulaufen. Die Flüssigkeit durchdringt den Leim überall wo das Licht
                              nicht auf ihn gewirkt hat, dagegen dringt sie nicht in diejenigen Theile desselben,
                              welche vom Licht hinreichend afficirt wurden. Auf diese merkwürdige Thatsache ist
                              die photoglyphische Gravirkunst hauptsächlich begründet. In beiläufig einer Minute
                              beginnt die Aetzung, was man daran erkennt, daß die geätzten Theile dunkelbraun oder
                              schwarz werden; dann verbreitet sie sich über die ganze Platte, so daß die Details
                              des Bildes mit großer Schnelligkeit überall erscheinen. Es ist aber nicht
                              wünschenswerth, daß die Aetzung zu schnell erfolgt, weil es in diesem Falle
                              nothwendig ist dem Proceß Einhalt zu thun, bevor die Aetzung die hinreichende Tiefe
                              erlangte (welche eine mehrere Minuten dauernde Wirkung erheischt). Wenn man daher
                              bei der Probe findet, daß das Aetzen zu rasch vorschreitet, so muß man die Stärke
                              der Flüssigkeit Nr. 2 ändern (indem man ihr ein wenig von der gesättigten Lösung
                              zusetzt). Erfolgt hingegen das Aetzen nach Verlauf einiger Minuten nicht, oder
                              schreitet es zu langsam vor, so ist dieß ein Zeichen daß die Flüssigkeit Nr. 2 zu
                              stark ist; man muß ihr daher ein wenig Wasser zusetzen, aber mit großer Vorsicht,
                              denn die Flüssigkeit wird dadurch leicht zu schnell ätzend. Durch drei bis vier
                              Proben kann man die gehörige Stärke der Flüssigkeit Nr. 2 justiren und dieselbe dann
                              mit Sicherheit anwenden.
                           Nachdem man so die richtige Stärke der Aetzflüssigkeit ermittelt hat, beginnt man das
                              Aetzen, wie oben erwähnt, und läßt es andauern bis alle Details des Bildes sichtbar
                              geworden sind und ein genügendes Ansehen darbieten, was meistens in zwei bis drei
                              Minuten der Fall ist; während der Aetzung rührt man die Flüssigkeit beständig mit
                              einem Kameelhaarpinsel um, so daß die Oberfläche des Leims schwach gerieben wird,
                              was von guter Wirkung ist. Wenn man annehmen kann, daß die Aetzung sich nicht weiter
                              verbessert, muß man ihr Einhalt thun. Dieß geschieht, indem man die Flüssigkeit mit
                              Baumwolle wegwischt, und dann, um den ganzen Rest derselben wegzuspülen, rasch einen
                              Strom kalten Wassers über die Platte gießt. Letztere wird hernach mit einem reinen
                              Linnentuch
                              abgewischt, und hierauf mit feingeschlämmter weicher Kreide und Wasser gerieben, um
                              den Leim zu entfernen. Hiemit ist das Aetzen beendigt.
                           Ich will noch ein anderes Aetzverfahren beschreiben, welches von dem vorhergehenden
                              nur wenig abweicht, und das ich oft anwende. Nachdem die Platte zum Aetzen bereit
                              ist, gießt man auf dieselbe ein wenig von der Flüssigkeit Nr. 1 (die gesättigte
                              Lösung), welche man eine oder zwei Minuten lang darauf verweilen läßt. Sie zeigt
                              keine auffallende Wirkung, veranlaßt aber das Hartwerden des Leims. Dann läßt man
                              sie von der Platte ablaufen und gießt auf dieselbe eine hinreichende Menge der
                              Lösung Nr. 2. Diese bewirkt das Aetzen in vorher beschriebener Weise, und wenn
                              dasselbe ganz genügend erscheint, hat man weiter nichts zu thun. Manchmal trifft es
                              sich aber, daß schwache Partien, wie entfernte Berge oder Gebäude in einer
                              Landschaft, nicht zum Vorschein kommen; um in diesem Falle einen vollkommenen Stich
                              zu erzielen, empfehle ich etwas von der schwachen Flüssigkeit Nr. 3 in ein Schälchen
                              zu nehmen, und ohne die Flüssigkeit Nr. 2, welche das Bild ätzt, abzugießen, mit
                              einem in die Flüssigkeit Nr. 3 getauchten Kameelhaarpinsel diejenigen Stellen des
                              Bildes zu berühren, wo man einen größern Effect wünscht. Auf diese einfache Weise
                              kann man oft die gewünschten Details zum Vorschein bringen, und zwar manchmal mit
                              großer Schnelligkeit, daher die schwache Lösung Nr. 3 mit Vorsicht aufgetragen
                              werden muß, besonders damit die Aetzflüssigkeit nicht bis an diejenigen Theile
                              dringt, welche weiß bleiben sollten. In geschickten Händen ist ihre Anwendung aber
                              vortheilhaft; denn sie bringt weiche und schwache Schattirungen zum Vorschein,
                              welche den Stich verbessern und sonst wahrscheinlich verloren giengen.
                           Lacock Abbey, in der Grafschaft Wilts.