| Titel: | Zur Theorie der Bierbrauerei, in Bezug auf Mulder's Chemie des Bieres; von G. E. Habich. | 
| Autor: | G. E. Habich | 
| Fundstelle: | Band 150, Jahrgang 1858, Nr. LXXXI., S. 300 | 
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                        LXXXI.
                        Zur Theorie der Bierbrauerei, in Bezug auf
                           Mulder's Chemie des
                           Bieres; von G. E.
                              Habich.
                        Habich, zur Theorie der Bierbrauerei.
                        
                     
                        
                           II.Fortsetzung von S. 230 dieses
                                    Bandes.
                           
                              
                                 Das Malzen
                                 
                              ist ohne Zweifel der Theil der Bierbraupraxis, bei welchem
                                 die Theorie bisher noch so gewaltig „grau“ war, daß die
                                 Praxis allein das Feld behauptet hat. Und wie verschiedenartig ist diese Praxis?
                                 Daß ein Fortschritt in der Malzbereitung möglich und mit großem Erfolge
                                 durchzuführen ist, davon habe ich mich in den letzten Jahren überzeugt; aber ich
                                 bin auch zu der Einsicht gelangt, daß man sofort den ganzen Chorus der
                                 praktischen Mälzer (die auf ihre Kunst nicht wenig stolz sind) gegen sich haben
                                 und vorläufig Aerger genug ernten würde. Da will ich also dermalen mich damit
                                 begnügen, bei der Besprechung dieses Capitels der Theorie so viel als möglich
                                 praktische Seiten abzugewinnen.
                              Mulder vergleicht (S. 108 Anm.) das Malzen des
                                 Getreides mit dem Keimen der Samenkörner im Boden und findet dabei zwei
                                 wesentliche Unterschiede:
                              1) Im Boden muß das Samenkorn die Feuchtigkeit in der
                                 Regel langsam an sich ziehen und wird nie so durch
                                 und durch feucht wie beim Malzen. Mulder knüpft daran
                                 die Frage: ob man – da doch das Keimen im Boden vollständig sey –
                                 wirklich wohl daran thut, das Getreide so vollständig zu erweichen, bevor man es
                                 keimen läßt? Die Antwort hierauf findet sich S. 116, wo er die rationellere
                                 Methode des Besprengens vermittelst einer Gießkanne beschreibt.
                              2) Beim Malzen entsteht durch das Haufenführen eine Temperaturerhöhung, was bei dem Saatgut im Boden gar nicht eintreten
                                 kann; daß diese Temperatursteigerung aber lediglich eine durch die
                                 Beschleunigung für den Verbrauch gebotene Praxis ist, die sehr unliebsame Folgen
                                 mit sich führt, – das hat Mulder nicht gehörig
                                 hervorgehoben. Es hätte namentlich die Praxis der Schotten, welche mit Recht in
                                 dem Rufe der sorgfältigsten Mälzer stehen, voran gestellt werden müssen, wornach
                                 die Temperatur der Malzhaufen auf höchstens 55° F. (10° 1/4 R.)
                                 gehalten wird, um den Keimproceß möglichst zu verlangsamen und bis nahe an 20 Tage
                                 hinzuschleppen. Dabei wäre denn auch noch zu erwähnen gewesen, daß man in
                                 Schottland lediglich auf die richtige Entwickelung des Blattkeims – und nicht des
                                 Würzelchens – Werth legt; der Blattkeim soll 4/5 der Länge des Korns
                                 überschritten haben, ehe der Keimproceß unterbrochen wird. Das so bereitete Malz
                                 besitzt die bedeutendste diastatische Wirkung. Sehr
                                 richtig ist in dieser Beziehung die Bemerkung Mulder's (S. 122): „Man hält die
                                    Länge des Würzelchens für ein sicheres Merkmal der in dem Getreidekorne
                                    stattgehabten Veränderung, während sie doch nur ein sicheres Kennzeichen für
                                    die in demselben erfolgte Cellulosebildung ist,
                                    womit jedoch die Bildung der sogenannten Diastase nicht nothwendig
                                    vollkommen gleichen Schritt zu halten braucht.“ Die Erfahrung
                                 bestätigt das auch vollkommen, – bei rasch gewachsenem Gerstenmalze ist
                                 der Wurzelkeim 1 1/2mal so lang wie das Korn, und der Blattkeim oft kaum bis zur
                                 Hälfte vorgedrungen, bei langsam gewachsenem Malz dagegen ist, bei derselben Entwickelung des Würzelchens, der
                                 Blattkeim dem Durchbruch nahe. Und in gleichem Verhältniß ist die diastatische
                                 Wirkung umfassender.
                              Der Verlust, welcher beim Einweichen durch das
                                 Auslaugen entsteht, ist durch Aschenanalysen von Veltman und Mösman festgestellt, –
                                 er ist sehr unbedeutend, so z.B. ist der Kaligehalt um 6 Proc. vermindert, die
                                 Phosphorsäure unversehrt geblieben und der Kalkgehalt gestiegen.
                              Den Gesammtverlust, welcher durch das Malzen erwächst, hat Mulder nach den Versuchen des Dr. Thomas
                                 Thomson zu 8 Proc. angegeben, – doch fehlt
                                 dabei die weitere Notiz Thomson's, daß die Art der Gerste auf die Größe des Verlustes
                                 sehr influire und daß die dickhülsige sechszeilige Gerste (Big der Engländer) beim Malzen einen Verlust von
                                 durchschnittlich 15 Proc. erleidet. Diese Differenz, welche durch die Art der
                                 Gerste hervorgerufen ist, documentirt sich auch in den
                                 Volum-Verhältnissen des Malzes, – während 100 Maaß gewöhnlicher
                                 Gerste 109 Maaß Malz gaben, wurden von 100 Maaß Big
                                 nur 100 1/2 Maaß Malz erhalten.
                              Der Verlust, welcher den Nutzeffect des Getreides für die Bildung des
                                 Würzeextractes durchs Malzen betrifft, wird von Mulder nach Scheven's Analyse der Malzkeime (S. 124) bemessen. Er geht dabei
                                 offenbar von der Voraussetzung aus, daß alle Eiweißkörper, die durch den Keimproceß in das Würzelchen gelangt sind, auch durch den Maischproceß in die Würze gelangt seyn
                                 würden. Und diese Voraussetzung scheint mir unrichtig zu seyn. Ich verweise auf
                                 meine deßfallsigen Untersuchungen in diesem Journal Bd. CXLVII S. 220, welche zu dem Schlusse
                                 berechtigen, daß der Keimproceß wesentlich mit einer Zersetzung des Pflanzenfibrins (Mulder's Elastin) verbunden ist. Da nun
                                 dieses Fibrin nach Mulder nur durch anhaltendes
                                 Kochen lösliche Bestandtheile an die Würze abgibt (wozu nur bei der
                                 Dickmaischbrauerei Gelegenheit ist), so ist der Verlust an Eiweißkörpern (durchs
                                 Keimen) für die Würzebereitung kaum in Rechnung zu bringen.
                              Ueber die flüchtige Säure, welche sich neben der
                                 Phosphorsäure im gekeimten Getreide entwickelt, erhalten wir durch Mulder keine entscheidenden Angaben, – er
                                 stellt es in Frage, ob die Säure Essigsäure ist (nach Becquerel und Matteuci) oder nicht. Wären
                                 die Untersuchungen Boussingault's, welche Mulder (S.
                                 138) zwar citirt, aber nicht hoch in Anschlag bringt, – wären die
                                 Resultate dieser Untersuchungen richtig, so könnte die auftretende Säure wohl
                                 Ameisensäure seyn.
                              Die stofflichen Veränderungen, welche während des
                                 Keimprocesses im Samenkorn vor sich gehen, bleiben nach wie vor ziemlich
                                 unenthüllt. Mulder verweist uns (S. 144) auf die
                                 demnächst erscheinende Zusamenstellung der Resultate der Versuche, welche Oudemans und Rauwenhoff
                                 kürzlich über das Keimen der Samen angestellt haben. Wir werden deßhalb die
                                 Besprechung dieses Themas in der Hauptsache bis nach der Veröffentlichung dieser
                                 Arbeiten verschieben müssen und nur Einiges, was ganz feststeht, berühren.
                              Mulder theilt (S. 17 und 150) Analysen von roher
                                 Gerste und Malz (sammt Keimen) mit, welche Oudemans
                                 angestellt hat und die – wenn sie auch über die
                                 „Eiweißkörper“ zu summarisch
                                 hinweggehen – bezüglich der stickstofffreien
                                 Bestandtheile einiges Interessante bieten. Es geht aus denselben hervor:
                              1) daß nur Spuren von Zucker im Malz enthalten sind, – die rohe Gerste
                                 enthält gar keinen;
                              2) daß die Menge des schon in der Gerste enthaltenen Dextrins beim Keimen fast um
                                 die Hälfte vermehrt wird;
                              3) daß die Menge des Stärkmehls fast um 1/7 vermindert wird, was mehr ist als der
                                 Zunahme an Dextrin entspricht;
                              4) daß die übrigen abhanden gekommenen Stärkmehl-Mengen sich in
                                 Zellenstoffe umgesetzt haben, welche sich bei der Constituirung der Malzkeime
                                 betheiligten und deßhalb für die Bierbereitung
                                    verloren sind;
                              5) daß sich die Eiweißstoffe im Malze vermehrt haben,
                                 weil die stickstofffreien Substanzen sich verminderten. Diese „Vermehrung“
                                 ist aber nicht wörtlich zu nehmen, – denn die
                                 Versuche Scheven's weisen
                                 ja auch einen Eiweißgehalt in dem Würzelchen nach (woher auch eine Pflanzenzelle ohne Eiweißkörper als Inhalt?) und um diesen war die
                                 Gerste beim Keimen ärmer geworden.
                              Welche Bewandtniß es mit der sogenannten Diastase hat,
                                 deren Erschaffung doch der Zweck des Malzens ist,
                                 darauf kommt Mulder erst später zu sprechen. Voran
                                 stellt er jetzt eine Verständigung mit dem Leser über die Umwandlungsproducte
                                 des Stärkmehls.
                              Durch Einwirkung einer Temperatur von 196 bis 200° C. bildet sich aus dem
                                 Stärkmehl das sogenannte Röstgummi. Balling hat
                                 behauptet, daß die Auflösung dieses Röstgummis durch einen Malzauszug nicht verzuckert werden kann. Mulder findet(S. 172), „daß diese Umsetzung des Röstgummis
                                    nur langsam und niemals vollständig von Statten geht.“ Das
                                 geschieht nun freilich mit gewöhnlichem Stärkmehl auch
                                    nicht vollständig. Um so auffallender ist der (S. 173) erwähnte Versuch und die daraus gezogenen Folgerungen.
                              Der Versuch war dieser: „Digerirt man Malzauszug bei 70 bis 75°
                                    C. mit einer gleichen Menge desjenigen Malzauszuges, worin Röstgummi
                                    aufgelöst ist, so wird man in Letzterem nach der Digestion noch etwas durch
                                    Alkohol fällbares Gummi finden. Bestimmt man die Menge durch Kupferlösung,
                                    so findet man stets so viel ZuckerAuch Röstgummi wird schließlich reducirt
                                          (s. S. 177). weniger, als die angewandte Menge Röstgummi mehr hätte geben müssen,
                                    als der bloße Malzauszug.“
                                 
                              Aus diesem Versuche erhellt:
                              1) daß – da auch der bloße Malzextract immer noch etwas durch Alkohol
                                 ausfällbares Gummi hat – die Umwandlung des Röstgummis in Dextrin
                                 keinenfalls von erklecklichem Belange war; – daß aber
                              2) die Zunahme des Zuckergehalts in dem Malzauszuge mit Röstgummi der Menge eben dieses Zusatzes entsprechend war, und daß also die Verzuckerung des Röstgummis keine
                                    Schwierigkeiten hatte!
                              Mulder dagegen zieht folgenden Schluß:
                                 „zeigt das Röstgummi noch die Jodreaction, so wird dasselbe
                                    natürlich auch durch sogenannte Diastase in Zucker verwandelt; reagirt es indessen nicht mehr auf Stärkmehl, so kann
                                       dasselbe auch durch sogenannte Diastase nicht mehr in Zucker übergeführt
                                       werden.“ Da möchte man doch Hrn. Mulder um etwas Aufklärung bitten, –
                                 ich gestehe, daß ich diese Folgerung nicht fassen kann.
                              
                              Uebrigens ist das Röstgummi für die Theorie und Praxis der Bierbrauerei sicher
                                 eine sehr uninteressante Substanz. Um es zu bilden,
                                 ist eine Temperatur von 196 bis 200° C. erforderlich, – und die
                                 Tabelle (S. 245) belehrt uns, daß das Malz in der Darre bereits bei 80°
                                 C. schwarz wird. In der That wacht man z.B. in Bayern
                                 mit Sorgfalt darüber, daß die Hitze der Darre nicht über 70° C. hinaus
                                 geht, weil das Bier sonst eine zu dunkle Farbe und einen brenzlichen Geschmack
                                 erhalten würde (vergl. auch Zierl, im bayerischen
                                 Gewerbeblatt 1833, S. 789 etc.). Wo also soll sich nun eine Gelegenheit bieten
                                 zur Bildung dieses Röstgummis? – Im Farbmalz mag's enthalten seyn, – im bloß gedarrten ist's sicher nicht. Daher bieten denn auch alle übrigen Folgerungen Mulder's über die Rolle, welche
                                 das Röstgummi im Biere spielen soll, nicht das mindeste Interesse. – Die
                                 Aenderung, welche beim Darren die dunkle Farbe
                                    hervorruft, betrifft das Glutin. Wir kommen darauf beim Darren
                                 zurück.
                              Aus den (S. 175 bis 177) zusammengestellten chemischen Reactionen erhellt, daß
                                 das Röstgummi, das Dextrin durch Malzauszug hergestellt und das Dextrin
                                 vermittelst Schwefelsäure gemacht – drei verschiedene Dinge sind, von
                                 denen uns hier freilich bloß eins interessirt.
                              Für das von Balling sogenannte Dextrin, welches durch
                                 Jod blau gefärbt wird, schlägt Mulder den Namen Amylo-Dextrin vor, behält jedoch in dem
                                 vorliegenden Werke den Namen „Stärkmehl“ für diesen Uebergangskörper bei. Ich bitte den Leser, hiermit
                                 meine Erfahrungen (in diesem Journal Bd.
                                    CXLVIII S. 215 und 216) zu
                                 vergleichen. – Interessant ist die (S. 180) in Erinnerung gebrachte
                                 Beobachtung Proust's,
                                 wonach das Stärkmehl aus gemalztem Getreide einen dünnflüssigen Kleister gibt, während das Stärkmehl
                                 desselben, aber ungemalzten Getreides einen dicken Kleister bildet. Vielleicht wird aus dem
                                 Stärkmehl während des Keimens jenes Dextrin Balling's? –
                              Interessant ist ferner die Angabe Mulder's (S. 181), daß Stärkekleister schon durch alleiniges fortgesetztes Kochen und ohne
                                 Dazwischenkunft eines andern Stoffes zuerst in Dextrin und darauf in Fruchtzucker verwandelt wird!
                              Ueber die Menge von Fruchtzucker, welche dem Stärkmehl
                                 durch die Umwandlung vermittelst Schwefelsäure entspringt, hat Mulder durch Oudemans
                                 Versuche anstellen lassen. Bekanntlich müßten 100 trocknes Stärkmehl 111,11
                                 trocknen Fruchtzucker geben. Saussure fand 110,15,
                                 Brunner 107,01, – Balling aber behauptet aus
                                 100 Stärkmehl nur 91,5 Theile Zucker erhalten zu haben. Oudemans erhielt aus 100 Kartoffel-Stärkmehl im einen Versuche 108,3, im
                                 andern 109 Fruchtzucker! (s. S. 184).
                              Den Schluß dieses Capitels bildet eine Zusammenstellung von Thatsachen, welche
                                 über das Wesen des Stärkmehl-Umbilders, der sogenannten Diastase, mehr Licht verbreiten soll, als die
                                 bisherige Doctrin auszugeben vermochte. Mulder
                                 bekämpft mit Glück die Annahme, daß eine eigenthümliche Substanz, welche durch den Keimproceß sich gebildet habe, den in Rede stehenden Stoffwechsel veranlasse und zu
                                 Ende führe. Allein es ist ihm nicht gelungen, auf dem Wege der Analogie ein
                                 besseres Verständniß einzuleiten. Seine Aufgabe formulirt er sich (S. 214) in
                                 dem Satze: „Gelingt es uns, die Bedeutung von Diastase zu
                                    verallgemeinern, wie dieß bei der Gährung der Fall ist, so hat die
                                    Wissenschaft zwar die Diastase als eine eigenthümliche Substanz verloren,
                                    allein auf der andern Seite dadurch gewonnen, daß an die Stelle von etwas
                                    Speciellem nun etwas ganz Allgemeines getreten ist.“
                                 Mulder zeigt uns nun an einer Reihe von Beispielen,
                                 daß die Umbildung von Stärkmehl in Dextrin und Zucker stattfindet ohne Mitwirkung jenes Körpers, den man Diastase
                                 nannte. Die wichtigeren mögen hier kurz erwähnt seyn.
                              „Läßt man Gerste unter Wasser weichen, so ist nach einiger Zeit
                                    Dextrin darin entstanden, ohne daß noch die geringste Spur einer Keimung zu
                                    bemerken ist.“ (S. 187.) Mulder
                                 unterstellt hiernach, daß die „Bildung der sogenannten
                                    Diastase“ von dem Augenblicke der anfangenden Befeuchtung des
                                 Samens an beginnt (S. 188), – ja daß der ganze Keimproceß durch die
                                 beginnende Umwandlung des Stärkmehls veranlaßt werde (S. 187).
                              Bringt man sogenannten Kleber aus Weizenmehl (das
                                 Gemenge aus Glutin und Mulder's Elastin) mit Kartoffelmehlkleister und Wasser bei 65
                                 bis 75° C. zusammen, so wirkt die Flüssigkeit auf die Kupferprobelösung
                                 bedeutend reducirend, – während weder Stärkekleister noch der
                                 Kleberextract eine Veränderung derselben herbeiführen (S. 205).
                              Weizenmehl wurde mit Wasser und trockener Hefe
                                 angerührt und zwei Stunden an einen warmen Ort gestellt. Während sich die Masse
                                 in voller Gährung befand, wurde sie mit Alkohol übergossen und filtrirt. Aus der
                                 alkoholischen Lösung kann der Fruchtzucker in Substanz dargestellt werden. Wurde
                                 aber ein solches Gemenge aus Mehl und Hefe sofort mit
                                 Alkohol extrahirt, so wirkte diese Lösung kaum reducirend auf die
                                 Kupferprobelösung (S. 212).
                              Magendie mengte einem Kleister frisches Blutwasser bei, und beobachtete, daß bei einer
                                 Temperatur von 40° C. das Stärkmehl nach wenigen Augenblicken
                                 verschwunden war und nach einer Viertelstunde Zucker und Dextrin nachgewiesen
                                 werden konnten. Ebenso verhielt sich frisch aus einer Ader gelassenes Blut (S.
                                 215).
                              „Setzt man Speichel zu einem steifen
                                    Kleister, so sieht man letztem unter den Augen flüssig werden. Die
                                    Untersuchung lehrt, daß zuerst Dextrin und darauf Zucker gebildet
                                    wurde.“ – „Das Malz, welches nur 1/2 Proc.
                                    Zucker enthält, ist durch seinen süßen Geschmack bekannt; die gemischte
                                    Mundflüssigkeit ist es, welche das Dextrin augenblicklich in Zucker
                                    verwandelt.“ (S. 227.)Auf dieser Wirksamkeit des Speichels beruht die eigenthümliche
                                       Bierbrau-Methode der Bewohner der Westküste von Südamerika. Die
                                       beste Sorte Maisbier (Chica) wird bereitet, indem ganze Gesellschaften
                                       sich damit beschäftigen, gequellte und etwas gekeimte Maiskörner zu Brei
                                       zu zerkauen; – diese Masse mit warmem Wasser angerührt, zur
                                       Gährung gebracht und auf Krüge gezapft, soll nach einiger Zeit einen
                                       sehr edlen Saft geben – für Liebhaber! u.s.w.
                              Da nun in allen den Substanzen, welche hier als Stärkmehl-Umbilder wirken,
                                 jenes von Payen und Persoz
                                 „Diastase“ genannte Ding nicht
                                 enthalten ist, so streicht Mulder mit Recht besagte
                                 Diastase aus der Wissenschaft der Chemie. Statt dessen versucht er folgenden
                                 Ausweg.
                              „Im Allgemeinen ergibt sich demnach, daß eiweißartige Stoffe in bestimmtem Zustande der Zersetzung die
                                    Eigenschaft besitzen, Stärkmehl in Zucker zu verwandeln. Die Wissenschaft
                                    hat nun die Aufgabe, das genau zu bestimmen, was hier unter bestimmtem Zustande begriffen ist. Vollständig
                                    bekannt wird uns keine Thätigkeit, also auch diese nicht.“ (S.
                                 220.)
                              Ferner in Bezug auf das Experiment mit dem Speichel: „Hier ist eine
                                    erregende Substanz zur Entstehung des Umbilders erforderlich, d.h. chemisch
                                    ausgedrückt, Bestandtheile des Mundschleims und Speichels erzeugen in ihrer
                                    Aufeinanderwirkung einen in molecularer Bewegung sich befindenden
                                    Atomcomplex, welcher das Stärkmehl in seine Bewegung mit sich fortreißen
                                    kann.“ (S. 228.)
                              Das stimmt so ungefähr mit dem Gedanken, welcher sich in meinem Hirne
                                 auskrystallisirt hatte, als ich (in diesem Journal Bd. CXLVIII S. 217) hinter der Diastase
                                 einen „revolutionären Stoffclub“ witterte. Freilich war's
                                 auch nur das „Wort,“ was
                                 „zur rechten Zeit sich einstellt!“ – Aber
                                 registriren wir vorläufig nur Thatsachen, wie sie uns
                                 Mulder in Menge gibt und suchen wir analoge neue aufzufinden, – so werden wir auch
                                 schon die Brücke schlagen lernen, welche uns demnächst zu einer greifbareren Erklärung hinüber leitet.
                              Ueber die Veränderungen, welche die Eiweißstoffe des
                                 Getreides beim Keimen erleiden, geben uns die
                                 Analysen von Vlaanderen und Oudemans einigen Aufschluß. Es sind enthalten
                              
                              
                                 
                                    in 100 Theilen:
                                    Gerste 
                                    Gerstenmalz
                                    
                                 
                                    Glutin
                                    0,28
                                    0,34
                                    
                                 
                                    coagulirbare Eiweißstoffe
                                    0,28
                                    0,45
                                    
                                 
                                    lösliche, nicht coagulirbare Eiweißstoffe 
                                    1,25
                                    2,08
                                    
                                 
                                    unlösliche Eiweißstoffe
                                    7,59
                                    6,23
                                    
                                 
                                    
                                    ––––––––––––––––
                                    
                                 
                                    
                                    9,70
                                    9,10
                                    
                                 
                              Durch das Malzen hat also die Menge des Glutins und der
                                    löslichen Eiweißstoffe beträchtlich zugenommen auf Kosten der unlöslichen
                                    Eiweißstoffe. Dieses Resultat bestätigt meine auf anderem (aber wie es
                                 jetzt scheint nicht richtigem) Wege erschlossene
                                 Ansicht (s. polyt. J. Bd. CXLVII S. 220), daß das Pflanzenfibrin das Material für die sogenannte Diastase geliefert
                                 habe, wodurch denn auch das Auftreten der freien Phosphorsäure erklärlich ist.
                                 Meine Voraussetzung, daß, wenn beide Glutenbestandtheile noch vorhanden seyen, sie auch in der Würze (eben wegen
                                 des Phosphorsäuregehalts) wieder gefunden werden müßten, ist durch die obigen
                                 Analysen widerlegt worden; – es sind noch eine Menge unlöslicher
                                 Eiweißkörper „vorhanden,“ welche denn auch den Mastwerth
                                 der Treber bedingen. Aber über die löslichen nicht
                                    coagulirbaren Eiweißstoffe, deren Menge sich um 1/3 vergrößert hat, mag
                                 noch Einiges zur Verständigung folgen. Ich lasse dabei meine Erfahrungen reden.
                              Das Glutin wird auf zweierlei Weise in die Reihe der
                                    löslichen Eiweißkörper übergeführt, – durch längeres Erhitzen
                                 bei Gegenwart von Feuchtigkeit und durch Verbindung mit Zucker. Der erste Weg
                                 wird beim Darren des Malzes und beim Kochen des wässerigen Auszuges betreten,
                                 den andern Weg bahnt die im Malz enthaltene geringe Zuckermenge an. Vielleicht
                                 bildet auch das Dextrin mit dem Glutin eine lösliche Verbindung?
                              Hieran reiht sich das fünfte Capitel über
                              
                           
                              Trocknen und Darren des Malzes.
                              Da finden wir gleich Anfangs erwähnt: „Feuchtes Malz bräunt sich schon
                                    bei 60° C., vorzüglich dadurch, daß der Fruchtzucker, unter der
                                    Einwirkung der in Zersetzung begriffenen Stoffe, eine weiter gehende
                                    Veränderung erleidet und zum Theil in einen humusartigen Körper verwandelt
                                    wird.“ Daß diese Veränderung hauptsächlich das Glutin betrifft, liegt auf der Hand, – und es
                                 könnte (nach Mulder)
                                 allenfalls auch das Elastin zu Anfang des Darrens, wo
                                 noch längere Zeit hindurch hinreichende Feuchtigkeit vorhanden ist, zu dem
                                 löslichen Eiweißstoff einen geringen Beitrag liefern.
                              
                              Den Beweis für diese Umwandlung des Glutins wollen wir aus dem von Mulder selbst gelieferten Material herbeiholen. Wir
                                 finden auf S. 26 eine Zusammenstellung der Analysen von lufttrocknem, gedarrtem
                                 und stark gedarrtem Malz, – Oudemans hat sie
                                 gemacht. Ich entnehme denselben folgende Daten.
                              
                                 
                                    In 100 Theilen Malzsind enthalten:
                                    lufttrocken.  
                                    gedarrt.  
                                    stark gedarrt.
                                    
                                 
                                    Stärkmehl
                                    47,3  
                                    51,2  
                                    43,9  
                                    
                                 
                                    Dextrin
                                    6,5
                                    5,8
                                    9,4
                                    
                                 
                                    Zucker
                                    0,4
                                    0,6
                                    0,8
                                    
                                 
                                    ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                    
                                 
                                    Wässeriger Auszug 
                                    11,0  
                                    17,0  
                                    21,0  
                                    
                                 
                              Es ist daraus ersichtlich daß zu Anfang des Darrens kein Dextrin gebildet wird,
                                 – erst beim starken Darren steigert sich der
                                 Gehalt. Da nun aber gleich Anfangs der wässerige Auszug
                                    von 11 auf 17 (also um 55 Procent) steigt und
                                    andere lösliche Dinge nicht da sind, so müssen die unlöslichen Eiweißstoffe
                                    eine Veränderung erfahren haben, kraft deren sie im Wasser löslich
                                    werden!
                                 
                              Oudemans hat noch einen andern Versuch gemacht (Mulder führt ihn S. 254 an), aus welchem hervorgeht,
                                 daß aus stark gedarrtem Malz 22 Proc. Extract erhalten wurden, wovon aber nur 14
                                 Proc. durch Schwefelsäure verzuckert werden konnten, – 8 Proc. waren also
                                 (da ja andere Substanzen ausgeschlossen sind) den Eiweißstoffen entnommen. Und
                                 wenn Mulder (S. 255) sagt: „es wäre noch zu
                                    untersuchen, welche Producte außer Röstgummi, einer Spur Caramel (denn viel
                                    Zucker ist überhaupt nicht im Malze) und wahrscheinlich auch Apoglucinsäure,
                                    gebildet werden“ – so möchte ich vor allen Anderen dieß
                                 veränderte und löslich gewordene Glutin hier eingereiht wissen. Da diese
                                 Umwandlung des Glutins stets erfolgt, wenn es längere Zeit mit Wasser zusammen
                                 erhitzt wird, – da sie ferner auch schon bei einer Temperatur von
                                 60° C. im feuchten Malz eintritt: so wird man das Product derselben
                                 fortan nicht mehr (wie Mulder es noch thut) unter den
                                 „Röstproducten“
                                 aufführen können.
                              Der auch von Mulder erwähnte Umstand, daß ein größerer
                                 Feuchtigkeitsgehalt des Malzes während der Darrtemperatur die Bräunung des Malzes befördert,
                                 beruht aber auf der Veränderung des Glutins. Die Sache hat einen praktischen
                                 Werth, der in den deutschen Malzereien meines Wissens noch nicht gekannt ist,
                                 – in Schottland berücksichtigt man's genau und hat folgende Erfahrungen
                                 gemacht.
                              Will man ein blasses Malz haben, so darf das feuchte
                                 Malz Anfangs nur einer Temperatur von 32 bis höchstens 38° C. exponirt
                                 werden, bis alle Feuchtigkeit verdunstet ist, dann
                                 erst beginnt das eigentliche Darren, wobei ohne Nachtheil die Temperatur bis auf
                                 77° C. steigen kann. Würde man das noch feuchte Malz einer rasch
                                 gesteigerten Temperatur aussetzen, so tritt schon bei 57 bis 60° C. die
                                 Bräunung ein.
                              Auf dieser Grundlage will auch Black das Wenden des Malzes
                                    auf der Darre nicht dulden, wenn ein recht blasses Malz erzielt werden
                                 soll. Natürlich kommt bei der gewöhnlichen Praxis des WendensDiese Vorsichtsmaßregel bezieht sich hauptsächlich auf einfache Darren, – bei Doppeldarren
                                       ist der Unterschied weniger bemerkbar. – Ich will bei Gelegenheit
                                       auf die vortreffliche Anwendung gußeiserner
                                       Malzdarrplatten, wie ich solche in Nordamerika kennen lernte, verweisen.
                                       Hr. Schlossermeister Fr.
                                          Schmidt hierselbst (Cassel) läßt solche auf meine
                                       Veranlassung anfertigen. das bereits abgetrocknete Malz über dem feuchten zu liegen und wird bei
                                 der höhern Temperatur, welche es von den Darrplatten mitbringt, aufs Neue den
                                 Wasserdämpfen des feuchten Malzes exponirt, was denn – neben anderen
                                 Mißständen – die stärkere Bräunung unvermeidlich herbeiführt.
                              Will man aber ein braunes Malz machen, so wird es,
                                 bevor es vollständig trocken ist, mit etwas Wasser
                                    besprengt und das Darren bei gesteigerter Temperatur rasch beendigt
                                 (wobei beständig gewendet wird).
                              Mulder erwähnt noch einiger Substanzen, deren
                                 Vorkommen im gewöhnlichen Malze (das „Farbmalz“ gehört
                                 nicht hierher) sehr problematisch ist. Die Apoglucinsäure, eine braune lösliche Substanz, soll
                                 die braune Färbung des Malzes bedingen. Assamar, eine
                                 bittere Substanz, welche bei höherer Temperatur
                                 gebildet wird – soll den aus stark gedarrtem
                                 Malze dargestellten Würzen einen bittern Geschmack ertheilen; allein die dazu
                                 erforderliche Temperatur kommt beim Darren nicht in
                                 Anwendung und man darf diese Substanz allenfalls im Farbmalz suchen. Endlich der Caramel,
                                 welcher sich erst bei 220° C. bildet. Zur Zeit bieten alle diese Körper
                                 noch wenig Interesse für die Theorie der Bierbrauerei.
                              Wichtiger ist das Verhalten der coagulirbaren
                                 Eiweißstoffe bei höhere Temperaturen. Mit Recht weist Mulder (S. 236) darauf hin, daß Eiweiß, welches bei 63° C. gerinnen
                                 würde, sich bei niederer Temperatur trocknen und dann bis auf 100° C. erhitzen läßt, ohne seine Löslichkeit in Wasser zu verlieren. Daher
                                 denn auch die obige Praxis der schottischen Mälzer, um ein kräftiges Malz mit
                                 ungeschwächter „Diastase“ zu erlangen.