| Titel: | Ueber die Fabrication von Blutlaugensalz; von Dr. Reinhold Hoffmann. | 
| Fundstelle: | Band 151, Jahrgang 1859, Nr. XIV., S. 63 | 
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                        XIV.
                        Ueber die Fabrication von Blutlaugensalz; von Dr.
                           Reinhold
                              Hoffmann.
                        Aus dem chemischen Centralblatt, 1858, Nr.
                              59.
                        Hoffmann, über die Fabrication von Blutlaugensalz.
                        
                     
                        
                           Die in den Annalen der Chemie und Pharmacie veröffentlichte (vorstehende) Abhandlung
                              von Noellner veranlaßt mich, an dieselbe anknüpfend, die
                              hauptsächlichsten Resultate einer ausführlichen Untersuchung über denselben
                              Gegenstand hier mitzutheilen, indem ich mir vorbehalte, die nähere Begründung
                              derselben in einer demnächst erscheinenden eingehenden Abhandlung darzulegen. Meine
                              Beobachtungen, Erfahrungen und Versuche beziehen sich auf eine Fabrik, in welcher
                              nur unverkohlte Thierstoffe in sogenannten Birnen-, später nur in Schalenöfen
                              verarbeitet wurden. Zur Heizung der letzteren dienten Generatorgase aus
                              Weißtannenholz, und die Feuerungseinrichtung gestattete, nach Belieben mit
                              oxydirender oder reducirender Flamme zu arbeiten.
                           
                           Ohne auf die Einzelnheiten der Fabrication hier näher einzugehen, stelle ich die
                              Ergebnisse, zu welchen ich gelangte, in einfacher Reihenfolge zusammen.
                           1) Beim Schmelzen des sogenannten Blaukalis (Mutterlaugensalzes) im Schmelzofen oder
                              im bedeckten Tiegel werden die darin enthaltenen Cyanverbindungen vollständig
                              zersetzt, wie es Noellner meines Wissens als der Erste
                              angibt. Der Schwefel des Schwefelkaliums, sowie des Schwefelcyankaliums wird durch
                              das vorhandene Eisen so vollständig gebunden, daß die geschmolzene Masse beim
                              Wiederauflösen und Abdampfen zur Trockne ein Salz gibt, welches nur noch 1–2
                              Proc. Schwefelkalium enthält.
                           2) Aehnliches gilt für die Potasche. Auch sie wird durch bloßes Einschmelzen in der
                              Schale entschwefelt; doch bleibt ein kleiner Theil des schwefelsauren Kalis
                              unverändert, welcher erst durch die Kohle der Thierstoffe reducirt und weiter
                              zersetzt wird.
                           3) Als nutzbare Cyanverbindung ist nur Cyankalium in den Schmelzen enthalten. Diese
                              auch von Noellner ausgesprochene Ansicht kann ich
                              bestätigen und als weiteren Beweis, dessen es freilich nicht bedarf, um eine Frage,
                              welche an sich jedem Unbefangenen von Anfang an als unzweifelhaft erscheinen mußte,
                              zu erledigen, hinzufügen, daß frische Schmelze, noch warm gepulvert, mit absolutem
                              Alkohol und mit Essigsäurehydrat übergossen, unter Entwickelung von Blausäure
                              langsam, aber vollständig zersetzt wird. Aus dem mit Alkohol gewaschenen Rückstande
                              zieht Wasser kein Blutlaugensalz aus, Kalilauge bildet Spuren davon; genau so
                              verhält sich reines Cyankalium; wenn gleichzeitig Eisen zugegen ist, welches sich
                              mit auflöst, so bleiben nur wenige Flocken einer Cyaneisenverbindung zurück;
                              Blutlaugensalz bleibt, bei gleicher Behandlung, ganz unverändert.
                           4) Alle schwefelhaltigen Kaliumverbindungen, auch schwefelsaures Kali bilden beim
                              Zusammenschmelzen mit überschüssigem Cyankalium Schwefelcyankalium und
                              Schwefelkalium; die Zersetzung erfolgt nicht so, daß sie sich in einer einfachen
                              Formel ausdrücken ließe.
                           5) Das im Schmelzprocesse gebildete Schwefelcyankalium verdankt seinen Ursprung fast
                              ganz allein dem Schwefelgehalte der Thierstoffe; ich fand dasselbe, auch in den mit
                              einem Zusatze von 10 Proc. Kreide dargestellten Schmelzen, immer von Schwefelkalium
                              begleitet.
                           6) Die Cyanbildung erfolgt bei reiner Potasche vom Anfang bis zum Ende der Schmelze
                              in gleichem procentischen Verhältnisse der Thierstoffe; bei armem Materiale (lange
                              Zeit hindurch gebrauchtem Mutterlaugensalze) nimmt sie gegen Ende beträchtlich
                              ab.
                           
                           7) Das Verhältniß zwischen Cyankalium und Schwefelcyankalium wurde für Thierstoffe
                              verschiedener Art und reine Potasche wie 5 : 1, für gewöhnliches schwefelreiches
                              Mutterlaugensalz wie 4 : 1 gefunden. Zur quantitativen Bestimmung beider
                              Cyanverbindungen diente eine Titrirmethode, deren Mittheilung später folgen
                              wird.
                           8) Es ist eine ganz unbegründete Behauptung, welche Rud. Wagner in seinem Jahresberichte gelegentlich der Arbeiten von Brunnquell und Karmrodt als
                              unzweifelhaft hinstellt, daß alles Cyankalium zuerst als Schwefelcyankalium gebildet
                              und dann erst durch Eisen reducirt werde, sowie daß das schwefelsaure Kali der
                              Potasche für die Cyanbildung günstig oder gar nöthig sey.
                           9) Obgleich Schwefelcyankalium für sich allein und ebenso in fertiger Schmelze bei
                              Versuchen im Laboratorium durch überschüssiges Eisen in der Glühhitze sehr leicht
                              und schnell in Cyankalium übergeführt werden kann, so gelingt diese Reduction im
                              Schmelzprocesse bei Anwendung des gewöhnlich empfohlenen Materials (Eisendrahtspäne)
                              gar nicht; durch fein vertheiltes metallisches Eisen (aus Oxyd dargestelltem
                              Eisenschwamm) nur in beschränktem Maaße.
                           10) Eine Wiederzersetzung von schon gebildetem Cyankalium im Schmelzofen findet
                              statt: in bedeutendem Maaße durch die Flammengase, insbesondere den Wasserdampf
                              derselben; beim Zusammentreffen mit schwefelsaurem Kali oder mit Eisenoxyden.
                           11) Beim Auflösen der Schmelzen für sich geht der größte Theil des Cyankaliums sehr
                              rasch in Blutlaugensalz über; ein kleiner, für die Fabrication immerhin
                              beträchtlicher Theil bleibt (in concentrirten Laugen) tagelang unzersetzt und kann
                              selbst bis in die letzten Mutterlaugen gelangen, wenn die Laugen nicht mit einem
                              großen Ueberschusse von Eisenoxyden oder Sulphüren zusammen gebracht werden. Hierbei
                              wird immer wieder eine bedeutende Menge von Schwefelkalium gebildet, welches sich in
                              dem Mutterlaugensalze wieder findet und beim nächsten Schmelzen, wie in 1) gezeigt
                              wurde, beseitigt wird.
                           12) Durch das Aufarbeiten der Schmelzlaugen findet bei gut geleiteter Fabrication
                              kein wesentlicher Verlust an Blutlaugensalz statt; die Menge des in das
                              Blutlaugensalz gehenden beträgt nicht mehr als 1 bis 2 Proc. des
                              Gesammterzeugnisses.
                           13) Den Angaben Noellner's über die
                              Schwefeleisenkaliumverbindung der Schmelzen kann ich folgendes von mir Beobachtete
                              hinzufügen. Die Verbindung, deren Eigenschaften, wegen ihrer großen
                              Veränderlichkeit, schwer zu erfassen sind, bildet sich, wenn gewöhnliches
                              Mutterlaugensalz oder
                              Potasche mit Eisen zusammengeschmolzen und dann mit vielem warmen Wasser behandelt
                              wird; ebenso beim Erhitzen von gefälltem Schwefeleisen mit einer verdünnten Lösung
                              von kohlensaurem Kali. Sie ist allen ihren Eigenschaften nach identisch mit der von
                              H. Rose aus eisensaurem Kali und Schwefelwasserstoff
                              erhaltenen. Annähernd rein, namentlich frei von anderen Kaliumsalzen kann dieselbe
                              erhalten werden, wenn in der Schale geschmolzenes Mutterlaugensalz mit kaltem Wasser
                              behandelt und durch Decantiren gewaschen wird, bis die Flüssigkeit nicht mehr
                              alkalisch reagirt und beim Abdampfen keinen Rückstand mehr läßt. Das Ungelöste
                              scheint dabei unter Abscheidung von etwas Schwefel theilweise zersetzt zu werden;
                              mit heißem Wasser erhält man jedoch eine dunkelgrüne alkalische Lösung, welche alle
                              von Rose angeführten Eigenschaften besitzt und Cyankalium
                              augenblicklich in Blutlaugensalz verwandelt. Durch eine concentrirte Lösung von
                              kohlensaurem Kali wird sie in schwarzen Flocken gefällt, welche sich beim Verdünnen
                              wieder auflösen. Dadurch erklärt es sich, daß sich Cyankalium in concentrirten
                              Schmelzlaugen lange Zeit erhalten kann, während verdünntere, grüne Laugen immer frei
                              davon sind. Der oben erwähnte, mit kaltem Wasser gewaschene Rückstand aus
                              Mutterlaugensalz über Schwefelsäure getrocknet, hält Wasser chemisch gebunden
                              zurück; beim Erhitzen im Kölbchen entweicht zuerst dieses, dann ziemlich viel
                              Schwefel; an der Luft erhitzt, entzündet sich derselbe leicht und brennt fort; die
                              geglühte Masse gibt an Wasser reichlich schwefelsaures Kali ab.
                           14) Der gesammte Verbrauch der Potasche ist immer weit größer, als er der Rechnung
                              nach seyn sollte; zu den von Karmrodt, Brunnquell und
                              Anderen angeführten Gründen für diese Erscheinung ist ein weiterer in dem Gehalte
                              des Auslaugerückstandes an einem Schwefeleisenkalium hinzuzufügen, welches ich in
                              den in der Fabrik ausgewaschenen Rückständen immer fand, obgleich dieselben keine
                              Spur von Blutlaugensalz oder anderen auflöslichen
                              Kaliumsalzen, sehr geringe Mengen von kieselsaurem Kali ausgenommen, enthielten.
                           15) Der Gehalt des Auslaugerückstandes an Kalium steigt bis zu einem kaum glaublichen
                              Betrage, wenn das Mutterlaugensalz ohne zeitweilige Reinigung (Befreiung von
                              Kieselsäure) immer von Neuem zum Schmelzprocesse verwendet wird.
                           16) Gewinnung von schwefelsaurem Kali aus den Rückständen wird unter allen Umständen
                              vortheilhaft seyn, obgleich es mir nicht gelungen ist, mehr als 2/3 des ganzen
                              Gehaltes durch Einäschern und Auslaugen, oder durch Auskochen mit Kalkmilch zu
                              gewinnen. Vollständiges Auflösen durch Säuren wird wohl nie ausführbar seyn, da zu viel
                              Eisen und Erden mit aufgelöst und wieder abgeschieden werden müßten.
                           17) Der Darstellung von Natriumblutlaugensalz, anstatt des gewöhnlichen, steht die
                              viel geringere Ausbeute beim Schmelzproceß, im geringeren Maaße auch die
                              Schwierigkeit der Trennung von der Soda entgegen.
                           Ohne für alles im Vorstehenden enthaltene Neuheit oder Originalität beanspruchen zu
                              wollen, glaube ich doch mit dieser Veröffentlichung einen Dienst zu thun, da es in
                              dieser Fabrication mehr als in anderen gilt, die Willkürherrschaft unberechtigter
                              Hypothesen und sich widersprechender Angaben zu brechen und die geordneten Zustände
                              der Thatsachen an deren Stelle zu setzen.
                           Freudenstadt, den 23. November 1858.