| Titel: | Victor Thumb's und Comp., Mechaniker in Bludenz (Vorarlberg), mechanischer Spannstab mit selbstthätiger Streckung; beschrieben von Fr. Kohl. | 
| Fundstelle: | Band 151, Jahrgang 1859, Nr. XXIV., S. 100 | 
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                        XXIV.
                        Victor Thumb's und Comp.,
                           Mechaniker in Bludenz (Vorarlberg), mechanischer Spannstab mit selbstthätiger Streckung;
                           beschrieben von Fr.
                              Kohl.
                        Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins,
                              1858 S. 265.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              II.
                        Thumb's mechanischer Spannstab mit selbstthätiger
                           Streckung.
                        
                     
                        
                           Die Hauptoperationen am Kraftstuhle sind in mannichfacher Weise erzielt und
                              selbstthätige Mechanismen auch zum Breithalten der Waare anwendbar gemacht worden.
                              Von den verschiedenen mechanischen Spannstäben welche in Gebrauch gekommen sind,
                              scheint der Rädchen- und der Walzentempel den praktischen Anforderungen am
                              besten zu entsprechen, der letztere aber, weil er an den neueren Stühlen weit
                              häufiger vorkommt, dem allerdings auch nicht selten benutzten Rädchentempel noch
                              vorgezogen zu werden.
                           Der Rädchentempel besteht aus kleinen, am äußeren Umfange mit scharfen Zähnen oder
                              Spitzen versehenen Scheiben. An beiden Seiten der Waare horizontalliegend
                              angebracht, sind die Sahlleisten über ein Bogenstück dieser Zahn- oder
                              Spitzenscheibchen gelegt und es wird die neuentstandene Sahlleiste in Folge der
                              Zeugfortrückung auch fortgehend von den Zähnen der dadurch umgedrehten Scheiben erfaßt und somit eine
                              Ausstreckung des Gewebes und dessen gewünschte Breithaltung bewirkt.
                           Bei dem Walzentempel treten an die Stelle der Zahnrädchen raspelartig gerauhte oder
                              ebenfalls mit Spitzen versehene, oder mit durchlöchertem oder erhaben gepreßtem
                              Bleche oder auch mit Kautschuk überzogene Walzen, welche jedoch auch die Enden einer
                              schmiedeisernen Welle bilden oder auf jeder Seite auch paarweise angewendet werden
                              können. In der Breite von mehreren Zollen von jeder Sahlleiste aus läuft die Waare
                              über die sie in gleicher Breite erhaltenden Walzen und wird häufig durch die Ränder
                              einer rinnenförmigen Ueberdachung oder eines die untere Walzenfläche umgebenden
                              Troges straffer auf die Walzen angedrückt.
                           Nach dieser kurzen Andeutung über die Beschaffenheit des Rädchen- und des
                              Walzentempels ist deren Unterschieb leicht darin zu erkennen, daß bei dem ersteren
                              die Sahlleiste immer nur durch einzelne Zähne ergriffen und von einer geringen
                              Anzahl derselben festgehalten, die Waare dabei aber, weil die sie ergriffenen Zähne
                              in horizontaler Ebene nach Auswärts laufen, fortgehend ausgezogen wird; bei den
                              Walzentempeln dagegen wird die Breithaltung der Waare durch eine größere Oberfläche
                              oder Zahl von Zähnen bewirkt, welche jedoch, da sie immer in verticaler Ebene
                              umlaufen, durch diese Bewegung das Gewebe nicht weiter spannen oder strecken,
                              sondern es nur auf der ihm durch anfängliche oder zeitweise wiederholte Streckung
                              gegebenen Breite erhalten können.
                           Aus der verglichenen Wirkung dieser beiden Spannstäbe läßt sich schon folgern, daß
                              der Rädchentempel die Sahlleisten allerdings stärker angreifen muß – ein
                              Grund, weßhalb man auch öfter den Walzentempel vorzieht. Dieser Vorzug würde sich
                              jedoch noch erhöhen, wenn dem Walzentempel ebenfalls die Eigenschaft einer
                              gleichmäßig fortgehenden Streckung der Zeugbreite nachgegeben würde, wie solche der
                              Rädchentempel besitzt.
                           Diese Aufgabe löst nun die Thumb'sche Construction.
                           Fig. 15 zeigt
                              die linker Hand anzubringende Hälfte eines vollständigen Walzentempels im
                              Grundrisse.
                           Fig. 16 die
                              Seitenansicht desselben Theiles von der inneren Seite gesehen. Die Spitzenwalze oder
                              Spannrolle a wird durch eine bereits oben erwähnte und
                              mit Spalt versehene messingene Rinne d überdeckt, welche
                              durch die Schraube e an der gußeisernen, verstellbaren,
                              und zugleich als Lager für den Zapfen der Walze a
                              dienenden Seitenwand f drehbar befestigt ist und je nach
                              Drehung der Flügelschraube h fest niederwärts gehalten
                              oder aufgedeckt werden kann. Der Backen f' von der Wand f läßt sich in einem Spalte der Schiene g verschieben, durch welche der Spannstab am Brustbaume
                              befestigt wird.
                           Fig. 17. Die
                              aus sechs an einander verschiebbaren gleichen Theilen bestehende hohle Walze a aus Messing mit dergleichen feinen Spitzen und
                              Hülsenfassungen b an beiden Enden und durchgehendem,
                              eisernem Zapfen c im Grundrisse.
                           Fig. 18. Ein
                              Bruchstück desselben Theiles in natürlicher Größe im Aufrisse.
                           Fig. 19.
                              Seitenansicht einer der in Fig. 17 und 18
                              dargestellten, die Spitzenwalze einschließenden Hülsen b, welche auf dem Zapfen durch Preßschrauben gehalten und im Innern durch eine
                              schiefe Ebene begränzt werden.
                           Fig. 20. Ein
                              Sechstel der mit Spitzen versehenen hohlen Messingwalze im Grundrisse. Die in den
                              inneren Hülsen laufenden Zapfen i aller Stäbe sind von
                              Eisen.
                           Fig. 21.
                              Seitenansicht der hohlen Messingwalze in ihrer Zusammensetzung aus 6 Stücken, wie
                              ein solches Fig.
                                 20 zeigt.
                           Fig. 22.
                              Darstellung des Weges zweier Spitzen (wie auch aller übrigen), den sie bei ihrer
                              Umdrehung auf dem Walzenmantel beschreiben.
                           Nach der Beschreibung dieses Spannstabes in seinen einzelnen Theilen wird nunmehr
                              dessen Wirkungsweise leicht zu übersehen seyn. Indem das Gewebe auf der einen wie
                              auf der andern Sahlleistenseite mit einem etwa 3 Zoll breiten Rande durch die Rinne
                              d auf die Spitzenwalze aufgedrückt und diese durch
                              das fortrückende Gewebe gedreht wird, folgen die einzelnen Theile oder Stäbe der
                              Walze gleichzeitig einer zur Walzenachse parallelen Seitenverschiebung, welche einer
                              in den Hülsen b eingeschlossenen, ringförmigen, schiefen
                              Ebene als der erzeugenden Bahn entspricht. In Fig. 18 ist
                              beispielsweise dargestellt, wie vier Stäbe, indem sie mit ihren Enden an der durch
                              Punktirung verzeichneten schiefen Bahn I., II., III., IV. anliegen, bei ihrer
                              Drehung nach Aufwärts auch dieser Bahn – vermöge der anderseitig schiebend
                              wirkenden zweiten Bahn – folgen müssen und somit nach Rückwärts geschoben
                              werden. Die von Oben auf der Rückseite wieder herabgehenden Stäbe werden aber von
                              der gleichen dießseitigen Bahnhälfte wieder nach Einwärts geschoben.
                           Bei dem im Stuhle angeordneten Spannstabe muß nun der Weg aller das Gewebe
                              erfassenden Spitzen ein nach Auswärts gerichteter, der Weg aller sich wieder
                              lösenden und unterhalb fortlaufenden Spitzen aber ein nach Einwärts gerichteter
                              seyn. Fig. 22
                              zeigt annähernd die Spuren zweier auswärtslaufenden und somit das Gewebe spannenden
                              Spitzen.
                           
                           Dieser Spannstab ist in Oesterreich patentirt, der Mechaniker Thumb nennt ihn mechanischen Spannstab mit excentrischer Bewegung, und
                              gibt davon selbst folgende Vortheile an:
                           1) Eine gleichmäßige continuirliche Spannung, wodurch ein genau rechtwinkeliges
                              Gewebe erzielt wird, und beide Enden der Tücher gerade Linien bilden, ohne daß der
                              Schußfaden an den Enden eine Einschnürung macht, wie bei Handspannstäben.
                           2) Sind weder Nadellöcher noch andere Verletzungen zu gewahren, weil die
                              Cylindernadeln in schiefer Richtung stehen, wodurch alles Rutschen verhindert ist;
                              auch wird das Tuch nie verstreckt.
                           3) Durch die gleichmäßige continuirliche Spannung wird an den Zettelblättern viel
                              erspart, indem die Zähne nicht vom Zettelfaden durchschnitten werden.
                           4) Bei mechanischen Webestühlen angewendet, ist ein Weber im Stande 3–4 Stühle
                              zu versehen, besonders wo Selbstabsteller angebracht sind.
                           5) Bei Anwendung auf Handwebestühlen wird die Zeit des Versetzens erspart, der
                              Arbeiter ist somit im Stande, mehr Gewebe zu liefern.
                           6) Jede Qualität wie Breite von Tüchern kann naß wie trocken gewoben werden, da die
                              Cylinder wie Nadeln keinen Rost erzeugen.
                           7) In Beziehung gegen andere mechanische Spannstäbe streckt er das Tuch von selbst
                              an; es braucht daher die Spannung nicht mit der Hand gegeben zu werden, wie bei
                              allen andern Constructionen.
                           8) Hält der Spannstab die Dauer eines Webestuhles aus und unterliegt keiner
                              Reparatur.
                           Durch Anwendung dieser Spannstäbe gewinnt man in jeder Hinsicht sowohl an Qualität
                              wie an Quantität.
                           Mehrere Etablissements, welche diesen Spannstab eingeführt haben, bestätigen dessen
                              vorzügliche Construction und erklären sich in jeder Beziehung dadurch befriedigt.
                              Zwar läßt schon die solide Ausführung dieser Spannstäbe, wie solche der genannte
                              Mechaniker liefert, auf einen guten Erfolg schließen, wohl aber dürften einige
                              Bemerkungen über die Anordnung dieses Tempels im Webestuhl am Platze seyn. Die
                              Erfahrung hat bereits gelehrt, daß es gut ist, wenn die Waare die Spitzenwalzen fast
                              ganz überdeckt, damit nicht die freibleibenden, äußeren Spitzenreihen den Stoff
                              unregelmäßig und zu sehr der Breite nach ausziehen. Ebenso ist es eine unerläßliche
                              Bedingung, daß die Spitzenwalzen horizontalliegend angebracht werden. Nur für dünne
                              Waaren dürfte es zweckmäßig seyn, den Spannrollen eine etwas nach Innen geneigte
                              Lage zu geben, um die ausstreckende Wirkung derselben dadurch zu modificiren. Von
                              dem fachverständigen Webereitechniker werden allerdings derartige Erfahrungen leicht selbst zu machen
                              und von seiner Empfehlung die weitere Verbreitung dieses Spannstabes abhängig
                              seyn.
                           Der Preis für einen vollständigen Thumb'schen Spannstab
                              ist je nach der Entfernung der Bezugsquelle zwischen 6–8 Thaler und in
                              Rücksicht auf die genaue Arbeit ein sehr mäßiger zu nennen. Den Hauptvertrieb damit
                              hat das technische Agenturgeschäft von C. Herm. Findeisen
                              in Chemnitz.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
