| Titel: | Dritte Abhandlung über eine bisher unbekannt gebliebene Wirkung des Lichts; von Hrn. Niepce aus Saint-Victor. | 
| Fundstelle: | Band 151, Jahrgang 1859, Nr. XXXIII., S. 130 | 
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                        XXXIII.
                        Dritte Abhandlung über eine bisher unbekannt
                           gebliebene Wirkung des Lichts; von Hrn. Niepce aus Saint-Victor.
                        Aus den Comptes rendus, November 1858, Nr.
                              22.
                        Niepce, über eine bisher unbekannt gebliebene Wirkung des
                           Lichts.
                        
                     
                        
                           In den beiden ersten Abhandlungen, welche ich über diesen Gegenstand
                              veröffentlichte,Polytechn Journal Bd. CXLVII S. 51
                                    und Bd. CXLVIII S. 126. habe ich gezeigt, daß das Licht gewissen Körpern die Eigenschaft ertheilt
                              die Gold- und Silbersalze zu reduciren, und daß solche Körper, im Dunkeln
                              bewahrt, diese Eigenschaft eine mehr oder weniger lange Zeit über behalten, welche
                              von der Natur des belichteten Körpers und von den Umständen abhängt, in die man ihn
                              nach der Belichtung versetzt.
                           Um diese Wirkung des Lichts, welche ich im Folgenden weiter besprechen will, bei den
                              porösen organischen oder unorganischen Körpern nachzuweisen, braucht man sie nur
                              nach der Belichtung mit einem mit Chlorsilber präparirten empfindlichen Papierblatt
                              in Berührung zu bringen oder eine Auflösung von salpetersaurem Silber auf sie zu
                              gießen.
                           Damit aber das Licht auf die organischen oder die unorganischen Substanzen wirkt,
                              müssen sie sehr zertheilt seyn, und damit die auf eine unorganische Substanz
                              ausgeübte Wirkung des Lichts sichtbar gemacht wird durch eine Färbung oder eine
                              Reduction der Metallsalze (z.B. der Gold- und Silbersalze), ist, wie man
                              schon weiß und wie ich neuerdings zeigen werde, die Gegenwart einer organischen
                              Substanz nothwendig, es müßte denn das Metallsalz aus Chlor-, Jod-
                              oder Bromsilber bestehen.
                           So reicht z.B. die Zertheilung der Substanz hin, damit die Wirkung des Lichts auf das
                              salpetersaure Silberoxyd und auf das salpetersaure Uranoxyd statt findet; sie reicht
                              aber nicht hin, um das salpetersaure Silber zu färben oder zu reduciren, und damit
                              das salpetersaure Uranoxyd die Gold- und Silbersalze reducirt. Dieß beweisen
                              die von mir gemachten Versuche.
                           Zuerst habe ich mich überzeugt, daß die Krystalle von geschmolzenem salpetersaurem
                              Silber für das Licht unempfindlich sind, wenn sie gut krystallisirt und frei von
                              jeder organischen Substanz sind; eben so verhält es sich mit den Krystallen von
                              salpetersaurem Uranoxyd und mit den krystallisirten organischen Säuren.
                           Folgende Versuche habe ich über die Zertheilung der Substanz angestellt:
                           Ich goß auf die Bruchflächen eines frisch zerbrochenen Tellers von Fritteporzellan
                              eine Auflösung von salpetersaurem Silber, welches geschmolzen worden war; dann
                              setzte ich ihn der Sonne aus, indem ich besorgt war einen Theil mittelst eines
                              Schirms gegen das Licht und den andern Theil gegen jede organische Materie zu
                              verwahren. Nach beiläufig einstündiger Belichtung konnte ich am belichteten Theil
                              nicht die geringste Färbung wahrnehmen; die Wirkung des Lichts hatte aber
                              stattgefunden, denn als ich auf die Bruchfläche des Tellers eine Kochsalzlösung goß,
                              sah ich nach einiger Zeit, im Dunkeln, daß das Chlorsilber in dem vom Licht
                              getroffenen Theil der Bruchfläche sich schwärzte. Derselbe Theil schwärzt sich sehr
                              rasch, wenn man das Ganze dem zerstreuten Licht aussetzt.
                           Die Resultate sind dieselben, wenn man die mit Kochsalz imprägnirten Bruchflächen des
                              Tellers dem Licht aussetzt und hernach salpetersaures Silber darauf gießt.
                           Als ich diese Versuche mit ächtem Porzellan wiederholte, zeigten sich dieselben
                              Wirkungen, nur schwächer, denn dann ist der Fall derselbe wie beim Operiren mit matt
                              gemachtem Glase.
                           Imprägnirt man die Bruchfläche eines (frisch zerbrochenen) Tellers von
                              Fritteporzellan mit einer Auflösung von salpetersaurem Uranoxyd, so kann man ihn
                              sehr lange Zeit belichten und das Uransalz wird dennoch, wenn keine Spur von
                              organischer Materie vorhanden war, die Gold- und Silbersalze nicht reduciren,
                              was hingegen der Fall ist, wenn es bei Gegenwart einer organischen Materie belichtet
                              wurde. Das Licht hat aber doch seine Wirkung ausgeübt, denn wenn man auf die
                              Bruchfläche salpetersaures Silber gießt, welches ein wenig Stärke oder Gummi enthält
                              und sie hernach mit einer Auflösung von Eisenvitriol oder Gallussäure überzieht, so
                              wird sich der belichtete Theil färben. Eben so verhält es sich, wenn man
                              salpetersaures Silber belichtet hat.
                           Um mit einer löslichen Substanz zu experimentiren, ist ein Papierblatt am
                              geeignetsten, weil es sowohl porös als organischer Natur ist. Man tränkt das
                              Papierblatt mit der löslichen Substanz, läßt es im Dunkeln trocknen, und setzt es
                              hernach dem Licht aus, indem man entweder einen Theil mittelst eines
                              undurchsichtigen Schirms gegen das Licht verwahrt, oder die ganze Oberfläche mit
                              einem Lichtbild bedeckt. Nach der Belichtung bringt man das Papierblatt mit einer
                              Substanz in Berührung, welche für die belichtete lösliche Substanz ein Reagens ist,
                              und dann entwickelt sich ein Lichtbild. Ich behaupte daher jetzt, daß man mit jeder
                              Substanz ein Lichtbild erzeugen (oder die Wirkung des Lichts auf jeder organischen
                              oder unorganischen Substanz sichtbar machen) kann, vorausgesetzt daß man als
                              Hervorrufungsmittel ein Agens anwendet, welches mit der belichteten Substanz in
                              Verbindung zu treten vermag.
                           Die Hauptreagentien, um die Wirkung des Lichtes nachzuweisen, sind die Gold-
                              und Silbersalze, die Lackmus- und Curcumatinctur, das Jodkalium für das mit
                              Stärke geleimte käufliche Papier.
                           Bei vielen vom Licht getroffenen Substanzen offenbart sich die ihnen mitgetheilte
                              Wirksamkeit überdieß durch eine merkwürdige Unauflöslichkeit; man kann sie (z.B. den
                              Leim) mit viel Wasser waschen, ohne daß sie sich auflösen; Feuchtigkeit, besonders
                              in Verbindung mit Wärme, veranlaßt aber daß sie sehr schnell die durch das Belichten
                              erlangte Wirksamkeit verlieren und wieder löslich werden.
                           Aus diesem Grunde beschleunigen Feuchtigkeit und Wärme außerordentlich die Reduction
                              der Metalle unter dem Einfluß des Lichts.
                           In sehr vielen Fällen kann man die Operationen umkehren und dasselbe Resultat
                              erhalten; um dieß nachzuweisen, lasse ich einige meiner Versuche folgen.
                           Wenn man ein mit Chlorgoldlösung imprägnirtes Papierblatt mit einem Lichtbild bedeckt
                              und dann belichtet, so erzeugt es ein Bild, wenn man es durch eine Auflösung von
                              salpetersaurem Uranoxyd, Eisenvitriol, Kupfervitriol, Quecksilberchlorid oder von
                              Zinnsalzen nimmt.
                           Verfährt man nun in umgekehrter Weise, d.h. imprägnirt man das Papier vorerst mit
                              einem der eben erwähnten Salze und nimmt es hernach durch eine Auflösung von
                              Goldchlorid, so wird das Resultat dasselbe seyn. Ein Papierblatt, welches mit einer
                              concentrirten Auflösung von salpetersaurem Uranoxyd imprägnirt, dann unter einem
                              Lichtbild belichtet, hernach durch eine Auflösung von rothem Blutlaugensalz genommen
                              wurde, gibt ein schönes blutrothes Bild, welches man durch gutes Waschen in reinem
                              Wasser fixiren kann. Das Licht äußert keine merkliche Wirkung auf dasselbe; in der
                              Wärme oder durch Entziehung des gebundenen Wassers geht es aber in Kastanienbraun
                              über; durch das Erkalten oder die Wasserbindung bekommt es wieder seine rothe Farbe.
                              Nimmt man es durch eine Auflösung von Kupfersalz (insbesondere Kupferchlorid), ohne
                              es zu waschen, und setzt es hernach der Wärme aus, so nimmt es verschiedene Nüancen
                              an, je nachdem die Wärme mehr oder weniger stark ist. Das anfängliche Bild reducirt
                              noch die Gold- und Silbersalze; und wenn man dieses rothe Bild durch eine Auflösung von
                              Quecksilberchlorid nimmt, so erhält man durch die Wärme ein Bild, welches fast
                              dieselbe Farbe wie das mit salpetersaurem Silber erzeugte hat und nach dem Erkalten
                              verbleibt. Das rothe Bild gibt durch Behandlung mit Eisenvitriol ein blaues Bild.
                              Ein mit rothem Blutlaugensalz imprägnirtes und belichtetes Papierblatt wird
                              ebenfalls ein blaues Bild geben, wenn man es durch gesäuertes Wasser oder durch eine
                              Auflösung von Quecksilberchlorid nimmt; dieses, aus Berlinerblau bestehende Bild
                              wird bedeutend geschönt durch die Einwirkung der Wärme, durch die Dämpfe von
                              Salzsäure oder Salpetersäure, durch eine Auflösung von Oxalsäure etc.
                           Auf einem mit rothem Blutlaugensalz imprägnirten Papierblatt kann man Bilder von
                              verschiedenen Farben entwickeln, entweder nacheinander oder gleichzeitig, indem man
                              geeignete Reagentien anwendet, wie die Salze von Silber, Kobalt und andere.
                           Ein mit Gallussäure imprägnirtes und belichtetes Papierblatt, mit Jodkalium
                              behandelt, gibt ein latentes oder schwaches Bild, welches sehr kräftig wird, wenn
                              man es hernach durch salpetersaures Silber nimmt. Dieses Verfahren ist das
                              umgekehrte von dem gewöhnlichen der Photographen.
                           Wird ein mit Eisenvitriol imprägnirtes und belichtetes Papierblatt hernach mit
                              Jodkalium und salpetersaurem Silber behandelt, so erhält man ein analoges Resultat;
                              mit Gallussäure imprägnirt, belichtet und mit Eisenvitriol behandelt, gibt das
                              Papier ein bläulich-schwarzes Bild; es gibt hingegen ein aus Berlinerblau
                              bestehendes Bild, wenn man es mit rothem Blutlaugensalz behandelt. Die Resultate
                              sind dieselben, wenn man die Operationen umkehrt.
                           Ein mit Quecksilberchlorid imprägnirtes und belichtetes Papierblatt gibt ein Bild mit
                              Zinnchlorür, Aetznatron, Aetzkali und Schwefelnatrium.
                           Ein mit Zinnchlorür imprägnirtes und belichtetes Papierblatt gibt ein Bild mit
                              Schwefelnatrium, Quecksilberchlorid, Goldchlorid und salpetersaurem Silber.
                           Ein mit Chromsäure oder rothem chromsaurem Kali imprägnirtes und unter einem
                              Lichtbild belichtetes Papierblatt gibt mit salpetersaurem Silber ein purpurrothes
                              Bild, welches aus chromsaurem Silber besteht; es sind aber die gegen die Einwirkung
                              des Lichts geschützten Theile, welche das Bild erzeugen, d.h. das chromsaure Silber
                              bildet sich nicht mit dem vom Licht getroffenen chromsauren Kali.
                           Viele andere Metallsalze sind ebenfalls für das Licht empfindlich.