| Titel: | Zur chemischen und technischen Kenntniß des Traubenzuckers (Kartoffelzuckers); von E. Friedr. Anthon, Fabriken-Inspector in Prag. | 
| Autor: | Ernst Friedrich Anthon [GND] | 
| Fundstelle: | Band 151, Jahrgang 1859, Nr. LV., S. 213 | 
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                        LV.
                        Zur chemischen und technischen Kenntniß des
                           Traubenzuckers (Kartoffelzuckers); von E.
                              Friedr. Anthon, Fabriken-Inspector in Prag.
                        Anthon, zur chemischen und technischen Kenntniß des
                           Traubenzuckers.
                        
                     
                        
                           Bei der Wichtigkeit, zu welcher der Traubenzucker – hauptsächlich in Folge
                              seiner Anwendung bei der Weinbereitung, – allmählich gelangt, erscheint es
                              wünschenswerth, daß unsere noch in mehrseitiger Beziehung sehr mangelhafte Kenntniß
                              desselben möglichst erweitert werde. Um hierzu das Meinige beizutragen, mögen die
                              folgenden Notizen hier einen Platz finden.
                           
                        
                           I. Wassergehalt des hart krystallisirten
                                 Traubenzuckers.
                           Der wasserfreie, nämlich der bei 80° R. vollständig ausgetrocknete
                              Traubenzucker besteht aus gleichen Atomen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff,
                              nämlich:
                           
                              
                                 C12
                                 =   91,0248
                                 40,276
                                 
                              
                                 H12
                                 =   14,9755
                                 6,626
                                 
                              
                                 O12
                                 = 120,0000
                                 53,098
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 226,0003
                                 100,000
                                 
                              
                           Der gewöhnliche krümelige Traubenzucker im völlig lufttrockenen Zustand aber,
                              besteht, wie allgemein angenommen wird, aus:
                           
                              
                                 C12
                                 =   91,0248
                                 36,630
                                 
                              
                                 H14
                                 =   17,4714
                                 7,031
                                 
                              
                                 O14
                                 = 140,0000
                                 56,339
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 248,4962
                                 100,000
                                 
                              
                           oder was dasselbe sagen will, aus
                           C12 H12 O12 + 2 Krystallwasser
                           oder
                           
                              
                                 wasserfreier Zucker
                                   90,94
                                 
                              
                                 Krystallwasser
                                     9,06
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Eine Verbindung mit einem andern Wassergehalt ist jedoch meines Wissens bisher nicht
                              beobachtet worden.
                           Eine solche ist aber der nach meinem patentirten Verfahren dargestellte, hart
                              krystallisirte Traubenzucker, der zwischen obigen beiden in der Mitte steht.
                           
                           Läßt man diese neue Traubenzuckerart nämlich im zerkleinerten Zustand, flach
                              ausgebreitet, bei gewöhnlicher Temperatur an der Luft liegen, so erweist sie sich
                              alsdann
                           = C12 H12 O12 + 1 Krystallwasser
                           oder
                           
                              
                                 wasserfreier Zucker
                                 95,26
                                 
                              
                                 Krystallwasser
                                 4,74
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           oder
                           
                              
                                 C12
                                 =   91,0248
                                 38,367
                                 
                              
                                 H13
                                 =   16,2234
                                 6,838
                                 
                              
                                 O13
                                 = 130,0000
                                 54,795
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 237,2482
                                 100,000
                                 
                              
                           Wenn man diesen Zucker, flach ausgebreitet über concentrirter Schwefelsäure, in einem
                              damit abgesperrten Raume bei 25° R. mehrere Tage liegen läßt, so verliert er
                              nichts weiter von seinem Krystallwasser.
                           Drei Proben von hart krystallisirtem Traubenzucker, welche auf diese Weise
                              ausgetrocknet worden waren, gaben in ihrer gleichen Menge Wasser durch gelinde
                              Erwärmung aufgelöst, Zuckerauflösungen, welche, nachdem sie bis auf 14° R.
                              Temp. ausgekühlt waren, 1,2215, 1,2213 und 1,2211 spec. Gewicht zeigten.
                           
                        
                           II. Ueber die Auflöslichkeit des
                                 Traubenzuckers in Wasser.
                           Es ist zwar bekannt, daß der Traubenzucker sich schwieriger in Wasser auflöst als der
                              Rohrzucker, doch sind hierüber keine genauen Untersuchungen angestellt, oder
                              wenigstens nicht bekannt geworden, und man nimmt gewöhnlich nur ganz allgemein an,
                              daß der Traubenzucker die 1 1/3fache Menge seines Gewichtes Wasser von gewöhnlicher
                              Temperatur zur Auflösung erfordere.
                           Meine vielen in dieser Beziehung angestellten Versuche ergaben nun Folgendes.
                           Bringt man vollkommen reinen krystallisirten Traubenzucker in Wasser, so löst sich
                              derselbe anfangs schneller – später immer langsamer – darin auf, so
                              daß erst nach Verlauf von mehreren Tagen, ungeachtet fleißigem Umschütteln,
                              vollständige Sättigung eintritt und daher keine weitere Zunahme der Dichte der
                              Lösung mehr stattfindet.
                           Das spec. Gewicht ist nun bei 12° R. 1,2060 = 1,2055 bei 14° R. und
                              beträgt der Gehalt dieser Lösung an wasserfreiem Traubenzucker 44 51/53 = 44,96
                              Procent.
                           Wie langsam sich die letzten zur vollständigen Sättigung nöthigen Zuckertheilchen
                              auflösen, ergibt sich aus folgender Uebersicht.
                           
                           Ueberschüssiger pulverisirter Traubenzucker mit Wasser bei gewöhnlicher Temperatur
                              geschüttelt, gab eine Lösung, deren spec. Gewicht in folgender Weise zunahm.
                              Dasselbe betrug
                           
                              
                                 nach 36 Stunden
                                 1201
                                 
                              
                                   
                                    „    50      „
                                 1202
                                 
                              
                                   
                                    „    74      „
                                 1205
                                 
                              
                                   
                                    „    98      „
                                 1206
                                 
                              
                           wo dann keine weitere Zunahme mehr stattfand.
                           Die Auflöslichkeit des reinen Traubenzuckers gestaltet sich sonach wie folgt:
                           
                              a) Zur Auflösung von 1 Gewichtstheil
                                 wasserfreiem Traubenzucker sind bei 12° R. Temperatur 1,224
                                 Gewichtstheile Wasser nöthig, oder 100 Gewichtstheile Wasser lösen 81,68
                                 Gewichtstheile wasserfreien Traubenzucker auf.
                              b) Zur Auflösung von 1 Gewichtstheil
                                 krystallisirtem Traubenzucker (mit 1 Atom Wasser) sind bei 12° R. Temp.
                                 1,119 Gewichtstheile Wasser nöthig (wobei natürlich das 1 Atom Krystallwasser
                                 der Menge des Auflösungswassers zu Gute kommt) – oder 100 Gewichtstheile
                                 Wasser lösen 89,36 Gewichtstheile krystallisirten Traubenzucker (mit 1 Atom
                                 Wasser) auf.
                              c) Zur Auflösung von 1 Gewichtstheil
                                 Traubenzucker (mit 2 Atomen Wasser) sind bei 12° R. Temp. 1,022
                                 Gewichtstheile Wasser nöthig, – oder 100 Gewichtstheile Wasser lösen
                                 97,85 Gewichtstheile dieses Traubenzuckers auf.
                              
                           Daß jedoch diese Löslichkeitsverhältnisse nur ihre Gültigkeit für reinen und von
                              anhängendem Wasser freien Traubenzucker haben, versteht sich von selbst.
                           Je mehr der Traubenzucker anhängendes Wasser und fremde Stoffe enthält, in desto
                              größerem Verhältniß löst er sich in Wasser auf, so daß z.B. 100 Gewichtstheile
                              Wasser von 12° R. Temp. sogar bis zu 184 Gewichtstheilen rheinischen
                              Traubenzucker aufzulösen im Stande sind, wenn man dem Wasser hinlänglich Zeit läßt,
                              sich damit zu sättigen und die Auflösung durch fleißiges Umrühren befördert.
                           
                        
                           III. Ueber die Bildung des
                                 Traubenzuckers aus der Stärke durch Einwirkung der Schwefelsäure.
                           Man nimmt bei der gewöhnlichen Bereitung des Traubenzuckers fast allgemein an, daß
                              die Kochung der Stärke mit der verdünnten Schwefelsäure so lange dauern müsse, bis
                              Jod sowohl als Alkohol nicht mehr auf Dextrin und Dextringummi reagiren, um sicher
                              zu seyn, daß sich alle Stärke in Traubenzucker umgewandelt habe.
                           
                           Was die Anwendung des Jods als Reagens zu diesem Behuf betrifft, so ist dieselbe ganz
                              ungenügend, indem seine sichtbare Einwirkung schon viel früher aufhört, als alles
                              Gummi umgewandelt ist. Schon nach dreistündigem Kochen der Stärke mit 2 Procent
                              Schwefelsäure bewirkt Jod keine charakteristische Färbung mehr.
                           Alkohol dagegen gibt nun durch starke weiße Trübung und Fällung die Gegenwart von
                              Gummi zu erkennen, wenn er in 4–5fachem Volumen gegen die Probe angewendet
                              wird. Nach 5–7stündigem Kochen hört auch diese Reaction auf, indem der
                              Alkohol nunmehr nur noch eine äußerst geringe, von anderen Stoffen herrührende
                              Trübung verursacht. Bei diesem Zeitpunkt der Kochung ist in der That nun beinahe
                              alles Gummi verschwunden, aber ungeachtet dessen die Bildung
                                 des Traubenzuckers noch lange nicht vollendet.
                           Dieses gibt sich nicht nur dadurch deutlich zu erkennen, daß die gebildete
                              Zuckerlösung sich noch nicht in dem Zustand befindet, in welchem sie am leichtesten
                              und schnellsten krystallisirt, sondern auch dadurch, daß man durch nunmehrige
                              Neutralisation und Abdampfung Zuckerlösungen erhält, welche selbst nach längerem
                              Stehen, unter den zum Anschießen günstigsten Umständen, bei einer Concentration von
                              30–34° B. (kalt gewogen) keinen Zucker in fester Form absetzen, was
                              doch geschehen müßte, wenn diese Lösung nur reinen Traubenzucker enthielte, da wir
                              oben gesehen haben, daß eine bei 12° R. Temp. gesättigte Traubenzuckerlösung
                              nur eine Dichte von 1,206 spec. Gewicht = nahe 24 1/2° B. besitzt und eine
                              Uebersättigung derselben sich durch allmähliche Ausscheidung des Zuckers in fester
                              Form zu erkennen gibt.
                           Der Grund nun, warum sich in diesem Falle aus der der Ruhe überlassenen Zuckerlösung
                              noch kein Zucker in fester Form ausscheidet, liegt darin, daß auch bei dem
                              Zeitpunkt, bei welchem Alkohol kein Gummi mehr anzeigt, noch nicht die Bildung des
                              eigentlichen Traubenzuckers beendigt, sondern noch eine bedeutende Menge eines
                              Stoffes vorhanden ist, der zwar kein Gummi mehr – aber auch noch nicht
                              Traubenzucker geworden ist und welcher einerseits die größere Dichte der Lösung
                              bedingt und andererseits die Ausscheidung des Zuckers in fester Form verhindert,
                              sowie er auch die Veranlassung ist, daß die so erhaltenen Zuckerlösungen nur sehr
                              unvollständig, nämlich nur zu 2/3 bis 3/4 vergähren.
                           Es existirt sonach ein nicht vergährbares Zwischenglied zwischen Gummi und
                              Traubenzucker in der Reihe von Bildungsstoffen, in welche die Stärke durch die
                              Einwirkung der Schwefelsäure übergeführt wird, und welches bis jetzt ganz übersehen
                              worden ist.
                           
                           Mit dem bereits als Zwischenglied zwischen Dextringummi und Traubenzucker von Dubrunfaut (Annales de Chimie et
                                 de Phys. t. XXI p. 178) aufgestellten
                              Malzglucos (Malzzucker, Dextrinzucker), von welchem derselbe angibt, daß dieses in
                              Alkohol weniger löslich sey, durch Sieden mit Wasser und Alkalien weniger verändert
                              werde, und ein dreimal größeres Drehungsvermögen besitze als wie Traubenzucker und
                              in seiner heißen Lösung nicht so wie dieser, eine verschiedene Drehung von
                              derjenigen zu erkennen gebe, welche sie einige Stunden nach der Auflösung besitzt,
                              kann dieser neue Bildungsstoff nicht verwechselt werden, da Dubrunfaut angibt, daß der Malzzucker das erste gährungsfähige Product der
                              Einwirkung der Schwefelsäure auf die Stärke und das Endproduct der Einwirkung
                              stickstoffhaltiger, dem Kleber ähnlicher Substanzen auf denselben Körper sey. Die
                              Stärke muß sonach den Zustand des Dextrins, des Dextringummis, des fraglichen nicht
                              gährungsfähigen Stoffes und den des Malzzuckers durchlaufen, ehe sie durch die
                              Einwirkung der Schwefelsäure in Traubenzucker übergehen kann.
                           Setzt man das Kochen länger fort als wir oben angegeben, so geht der erwähnte nicht
                              gährungsfähige Stoff allmählich in Traubenzucker über. Da nun der Malzzucker dabei
                              ebenfalls in Traubenzucker übergeht, so sollte man glauben, daß endlich ein
                              Zeitpunkt eintreten müsse, bei welchem in der Flüssigkeit kein anderes
                              Zersetzungsproduct der Stärke, als Traubenzucker vorhanden sey. Dieses ist aber
                              nicht der Fall, indem bei einem länger fortgesetzten Kochen allerdings wohl jene
                              Zwischenglieder in wirklichen krystallisirbaren Traubenzucker umgewandelt werden,
                              gleichzeitig aber auch durch die vereinte Wirkung der Wärme und der Schwefelsäure
                              auf den schon gebildeten Traubenzucker, dieser in neue Zersetzungsproducte, und zwar
                              namentlich in caramelisirten Zucker übergeführt wird, der weder krystallisirbar,
                              noch gährungsfähig ist und jetzt zu denselben Uebelständen Veranlassung gibt, die
                              früher durch das erwähnte Zwischenglied veranlaßt worden waren.
                           Es gibt bei dem in Rede stehenden Proceß keinen Zeitabschnitt, bei welchem in der
                              Flüssigkeit gerade nur Traubenzucker, oder selbst nur bloß vergährbare Zuckerarten
                              überhaupt vorhanden sind, und dieses Verhalten ist der wesentlichste Uebelstand, der
                              bei der Fabrication des Traubenzuckers zu überwinden ist.
                           
                        
                           IV. Ueber die Reinheit des im Handel
                                 vorkommenden Traubenzuckers und seine Prüfung.
                           Aus dem vorstehend Mitgetheilten ergibt sich zur Genüge, daß es ganz unmöglich ist,
                              auf dem gewöhnlichen seither eingeschlagenen Wege einen reinen, vollständig
                              vergährbaren Traubenzucker zu erhalten. – Sehen wir nun, wie es in dieser
                              Beziehung mit dem im Handel vorkommenden gewöhnlichen Traubenzucker aussieht.
                           Nach einer in dem Laboratorium von Fresenius vorgenommenen
                              Untersuchung des Traubenzuckers aus der ehemaligen Fabrik von Dr. Philippi in Jugenheim sollte dieser Zucker
                              bestehen aus:
                           
                              
                                 Zucker
                                   87,47
                                 
                              
                                 Gyps
                                     0,25
                                 
                              
                                 Wasser
                                   12,28
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Nach einer andern Mittheilung (s. Deutscher Telegraph, 1857 Nr. 36) von Bronner soll das Osthofener Fabricat bestehen aus:
                           
                              
                                 krystallisirtem Traubenzucker
                                   92,4
                                 
                              
                                 Dextringummi
                                     1,1
                                 
                              
                                 Aschenbestandtheile
                                     0,7
                                 
                              
                                 Wasser
                                     5,8
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           Diese Analysen sind nun allerdings von der Art, daß gegen die Beschaffenheit der
                              untersuchten Zuckersorten nichts einzuwenden wäre, indem der erstere vollständig und
                              der letztere wenigstens beinahe vollständig vergährbar seyn müßte, wenn die
                              gefundenen Resultate richtig wären.
                           Dieses ist aber nicht der Fall, und zwar aus dem Grunde, weil unverkennbar die
                              angeführte Zuckermenge nicht direct bestimmt, sondern aus dem spec. Gewicht durch
                              Abzug des gefundenen Gummis etc. berechnet worden ist, und also auch die anderen
                              vorhandenen Stoffe mit als Zucker überhaupt oder gar als krystallisirter
                              Traubenzucker aufgeführt worden sind.
                           Daß dem so ist, geht nicht nur daraus hervor, daß aller rheinischer Traubenzucker
                              wässerige Auflösungen liefert, die, nachdem sie durch mehrtägiges Stehen und
                              fleißiges Schütteln ihre höchste Concentration erreicht haben, bei 12° R.
                              Temp. ein spec. Gewicht von mindestens 1,263 = 30° B. besitzen, während
                              reiner Traubenzucker – wie ich oben nachgewiesen – nur eine Auflösung
                              von 1,206 = nahe 24 1/2° B. liefert, sondern auch aus dem Umstand, daß 100
                              Gewichtstheile Wasser bei ganz vollständiger Sättigung
                              (wozu einige Tage Zeit und fleißiges Umschütteln nothwendig sind) bei 12° R.
                              bis zu 184 Gewichtstheilen rhein. Traubenzucker aufzulösen vermögen, während 100
                              Gewichtstheile Wasser bei derselben Temp. nur 97,85 Gewichtstheile gewöhnlichen, von
                              anhängendem Wasser freien krystallinischen Traubenzucker (mit 2 Atomen
                              Krystallwasser) aufzulösen im Stande sind. Daß nun jene Stoffe, welche im ersteren
                              Falle die Veranlassung zu dem viel größeren spec. Gewicht und im letzteren Falle zu der viel
                              größeren Auflöslichkeit geben, nicht Traubenzucker seyn können, liegt auf der
                              Hand.
                           Diese Thatsachen ließen es als im höchsten Grade nothwendig erscheinen, ein Verfahren
                              zur Prüfung des Traubenzuckers auf seine Reinheit zu besitzen, welches Jeder leicht
                              ausführen könne. Ein solches Verfahren ist um so nothwendiger, als von der Reinheit
                              des Traubenzuckers bei seiner Anwendung zum Verbessern des Weines Alles abhängt, und
                              die Anwendung unreinen Zuckers große Verluste herbeiführen und der Verbreitung der
                              neuen Weinbereitungsmethoden nur hinderlich seyn kann.
                           Nach Ermittelung der oben angeführten Thatsachen konnte es nun nicht mehr schwer
                              halten, ein solches Verfahren auf den Umstand zu basiren, daß ein Traubenzucker (bei
                              gewöhnlicher Temperatur) um so concentrirtere Lösungen liefert, als derselbe mehr
                              fremdartige lösliche Stoffe enthält, wobei der Unterschied um so größer ausfallen
                              muß, als der zu prüfende Traubenzucker in größerem Ueberschuß gegen das Wasser
                              angewendet wird.
                           Ich werde hier die vielen vorläufigen Grundversuche, die ich zur Festsetzung des
                              Verfahrens angestellt, nicht anführen, sondern nur bemerken, daß ich aus Rücksicht
                              der möglichst leichten praktischen Durchführung des Verfahrens, bei der Anwendung
                              von 4 Gewichtstheilen wasserfrei gedachten Zucker und drei Gewichtstheilen Wasser
                              stehen geblieben bin.
                           Anfangs erschien es mir thunlich, diese Prüfung durch die bloße Ermittelung
                              derjenigen Wassermenge durchzuführen, welche nothwendig ist, um eine bestimmte, sich
                              immer gleichbleibende Menge des zu prüfenden Zuckers gerade vollständig aufzulösen.
                              Ein solches Verfahren würde aber Schwierigkeiten in der praktischen Durchführung
                              darbieten und auch nur ein sehr einseitiges seyn, indem durch dasselbe wohl ziemlich
                              genügend die procentarische Menge des vorhandenen Traubenzuckers dargethan, nicht
                              aber nachgewiesen werden könnte, ob das, was neben wirklichem Traubenzucker in der
                              Probe vorhanden ist, bloß Wasser sey oder in Wasser, nebst Gummi und anderen
                              Stoffen, und in welchem Verhältniß bestehe. Um das Verfahren möglichst brauchbar zu
                              machen, war es nothwendig, dasselbe so durchzuführen, daß es im Stande ist, mit
                              Genauigkeit die vorhandenen Mengen von wirklichem Traubenzucker, von Wasser und von
                              fremden Stoffen nachzuweisen.
                           Die praktische Ausführung des Verfahrens ist nun folgende. Man löse einen Theil des
                              zu prüfenden Traubenzuckers in seiner ganz gleichen Gewichts-Menge Wasser
                              auf, wobei man zur Beschleunigung der Auflösung eine geringe Wärme anwenden kann,
                              wobei man aber durch Verschließung des Gefäßes eine Verdampfung eines Theils des
                              Wassers vermeiden muß. Ist die Auflösung bewerkstelligt, und deren Temperatur auf
                              14° R. gesunken,
                              so bestimme man das specifische Gewicht derselben und sehe in einer
                              Zuckergehalts-Tabelle die diesem specifischen Gewicht entsprechende Menge
                              wasserfreien Zuckers nach. Durch Verdoppelung dieser Zahl ergibt sich die
                              Gesammtmenge der in der Auflösung vorhandenen Stoffe, – als Procente
                              wasserfreien Zuckers ausgedrückt, – zu erkennen.
                           Gleichzeitig ergibt sich dadurch der Gesammt-Wassergehalt der zu prüfenden
                              Traubenzuckerprobe. – Angenommen die aus gleichen Theilen Wasser und Zucker
                              bereitete Auflösung besitzt ein specifisches Gewicht von 1,1820. – Diesem
                              entspricht nun ein Gehalt von 40,5 Proc. wasserfreiem Zucker, welche Zahl zu
                              verdoppeln ist, um den Gehalt der Probe an wasserfreier Substanz zu erhalten. Diese
                              beträgt in diesem Falle demnach 81,0 Procent und die Probe enthält
                           
                              
                                 an wasserfreiem Zucker und anderen Stoffen
                                   81,0 Proc.
                                 
                              
                                 und Wasser
                                   19,0    „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0 Proc.
                                 
                              
                           Ist der Gesammtwassergehalt in dieser Weise bestimmt, so hat man weiter eine
                              beliebige Menge des zu prüfenden Zuckers abzuwiegen und so viel Wasser zuzusetzen,
                              daß dessen Gesammtmenge 75 Procent vom Gewicht des in der abgewogenen Probe
                              enthaltenen wasserfreien Zuckers (also wie oben angegeben 3 Wasser auf 4
                              wasserfreien Zucker) beträgt.
                           Bei obiger Zuckerprobe mit 19 Proc. Wassergehalt würde beispielweise sich das
                              Verhältniß in folgender Weise gestalten.
                           Man wiege, wenn man die Bestimmung des specifischen Gewichtes z.B. mit dem
                              Tausendgranfläschchen vornehmem will, 5 Loth des zu prüfenden Zuckers in möglichst
                              zerkleinertem Zustand ab, in dem sonach, wie obige Probe nachgewiesen, 81 Proc. =
                              4,05 Loth wasserfreier Zucker etc. vorhanden sind, welchem nach Vorschrift 75 Proc.
                              = 3,037 Loth Wasser (im Ganzen) zuzusetzen sind. Da jedoch in der Zuckerprobe von 5
                              Loth à 19 Proc. Wasser schon 0,95 Loth Wasser
                              enthalten sind, so hat man nur noch
                           3,037 – 0,95 = 2,087 Loth Wasser zuzusetzen, um obiger
                              Vorschrift zu genügen.
                           Diese Mischung des zu prüfenden Zuckers mit dem Wasser hat man nun in einem
                              verstopften Fläschchen, unter möglichst oftmaligem Umschütteln, so lange stehen zu
                              lassen, bis 2–3 Wiegungen zu erkennen geben, daß vollständige Sättigung eingetreten ist und das spec. Gewicht somit auch
                              keine weitere Zunahme mehr erleidet, zu welchem Behufe man natürlich jedesmal das
                              Fläschchen so lange stehen lassen muß, bis sich die unaufgelöst gebliebenen Antheile
                              zu Boden gesetzt und die Zuckerlösung so weit geklärt hat, daß sie zur Bestimmung
                              des spec. Gewichts geeignet erscheint, zu welchem Behufe man sie mit einer Pipette von
                              dem zu Boden liegenden überschüssigen Zucker klar abzieht.
                           Selbstverständlich muß bei allen Proben sich ein Ueberschuß von Zucker bei
                              vollständig bewerkstelligter Sättigung zu erkennen geben. Sollte sich aber einmal
                              der Fall ereignen daß vollständige Auflösung stattfände, so wäre dieß ein Beweis,
                              daß der untersuchte Zucker mehr als 45 Proc. fremde Stoffe (vom Gewicht der im
                              Ganzen vorhandenen wasserfreien Stoffe) enthält, – ein Fall der in
                              nachfolgender Tabelle nicht mehr vorgesehen ist.
                           Ist das spec. Gewicht nun in der beschriebenen Weise ermittelt, so ergibt sich aus
                              folgender Tabelle der dem gefundenen spec. Gewicht entsprechende Gehalt an fremden
                              Stoffen.
                           
                              
                                 Wenn die bei 12° R.vollständig
                                    gesättigteLösung folgendespecifische Gewichte zeigt,
                                 so sind folgende Mengenfremder Stoffe in
                                    deruntersuchten Zuckerprobeim wasserfrei gedachtenZustand
                                    enthalten
                                 
                              
                                 * 1,2060   
                                      
                                    0   Proc.
                                 
                              
                                 1,2115
                                   2,5   „
                                 
                              
                                 * 1,2169   
                                   5,0   „
                                 
                              
                                 1,2218
                                   7,5   „
                                 
                              
                                 * 1,2267   
                                 10,0   „
                                 
                              
                                 1,2309
                                 12,5   „
                                 
                              
                                 * 1,2350   
                                 15,0   „
                                 
                              
                                 1,2395
                                 17,5   „
                                 
                              
                                 * 1,2439   
                                 20,0   „
                                 
                              
                                 1,2481
                                 22,5   „
                                 
                              
                                 * 1,2522   
                                 25,0   „
                                 
                              
                                 1,2555
                                 27,5   „
                                 
                              
                                 * 1,2587   
                                 30,0   „
                                 
                              
                                 1,2631
                                 32,5   „
                                 
                              
                                 * 1,2665   
                                 35,0   „
                                 
                              
                                 1,2703
                                 37,5   „
                                 
                              
                                 * 1,2740   
                                 40,0   „
                                 
                              
                                 1,2778
                                 42,5   „
                                 
                              
                                 * 1,2815   
                                 45,0   „
                                 
                              
                           (Die mit einem * bezeichneten specifischen Gewichte sind die durch die Untersuchung
                              gefundenen, die anderen sind berechnet.)
                           Führen wir nun das obige Beispiel einer Zuckerprobe zu Ende, bei welcher wir bereits
                              den Wassergehalt mit 19 Proc. nachgewiesen haben.
                           Setzen wir nun den Fall, daß die mit den 5 Loth Zucker bereitete bei 12° R.
                              völlig gesättigte Lösung endlich ein nicht weiter zunehmendes spec. Gewicht von
                              1,2481 zu erkennen gebe, so ersehen wir aus obiger Tabelle, daß dasselbe einem
                              Gehalt von 22,5 Proc. fremder Stoffe entspricht und es enthielt sonach die
                              untersuchte Traubenzuckerprobe:
                           
                              
                                 reinen Traubenzucker
                                   58,5 Proc.
                                 
                              
                                 fremde Stoffe (mit Ausnahme des Gypses fast bloß
                                    inanderen Umwandlungsstoffen der Stärke bestehend)
                                   22,5   „
                                 
                              
                                 Wasser
                                   19,0   „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0 Proc.
                                 
                              
                           Um möglichst genaue Resultate zu erlangen, ist es nothwendig, das spec. Gewicht nicht
                              eher als richtig ermittelt anzusehen, als bis dasselbe wirklich sich als constant zu
                              erkennen gibt.
                           
                        
                           V. Ueber den Werth des hart
                                 krystallisirten Traubenzuckers, verglichen mit dem des gewöhnlichen
                                 Traubenzuckers.
                           Hr. Dr. Gall sprach sich bei
                              zwei verschiedenen Gelegenheiten über die Beschaffenheit des nach meinem System
                              dargestellten Traubenzuckers aus, und zwar das erstemal in Nr. 43 des deutschen
                              Telegraphen von 1857 und das zweitemal in seinen praktischen Mittheilungen Bd. II S.
                              252. Sein erstes Urtheil war so außerordentlich günstig, daß es meine Erwartung weit
                              übertraf, – sein zweites Urtheil dagegen geht dahin, daß der nach meinem
                              Verfahren erzeugte Traubenzucker namentlich vor dem rheinischen keine besondereren
                              Vorzüge voraus habe, und nur etwa 10 Procent mehr werth sey, als dieser
                              letztere.
                           Beide Urtheile sind bloß basirt auf Ansehen und Geschmack, und das erste Urtheil wohl
                              in gleich hohem Grade eine Ueberschätzung, als das letzte eine Unterschätzung.
                           Im Interesse der Wahrheit und der Traubenzuckerindustrie halte ich es für nothwendig
                              Gall's Ansicht zu berichtigen. Um dabei jedoch nicht
                              bloßen Behauptungen wieder bloße Behauptungen entgegenstellen zu müssen, und Jeden
                              in die Lage zu versetzen sich selbst von dem Werth der einen oder andern der
                              erwähnten Traubenzuckersorten überzeugen zu können, ermittelte ich das vorstehend
                              mitgetheilte Prüfungsverfahren.
                           Mittelst dieses Verfahrens habe ich nun das Product einer der ersten rheinischen
                              Traubenzuckerfabriken, welches ich vom Besitzer der Fabrik selbst als Ima Qualität erhalten habe, untersucht und
                              dabei dasselbe bestehend gefunden aus:
                           
                              
                                 wasserfreiem Traubenzucker
                                   50,04 Proc.
                                 
                              
                                 fremden nicht gährungsfähigen Stoffen
                                   32,50    „
                                 
                              
                                 Wasser
                                   17,46    „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00 Proc.
                                 
                              
                           
                           Es hatte dieser Zucker nämlich a) in seiner gleichen
                              Menge Wasser aufgelöst, bei 12° R. ein spec. Gewicht von 1,186 zu erkennen
                              gegeben, und b) mit der oben vorgeschriebenen Menge
                              Wasser behandelt, nach vollständiger Sättigung bei 12° R. eine Auflösung
                              geliefert, deren Dichte 1,263 war. Zwei andere rheinische Traubenzuckersorten
                              lieferten fast ganz genau dasselbe Resultat.
                           Der nach meinem Verfahren dargestellte Traubenzucker dagegen besteht wie ich oben
                              unter I nachgewiesen, im völlig lufttrocknen Zustand aus:
                           
                              
                                 wasserfreiem wirklichem Traubenzucker
                                   95,24 Proc.
                                 
                              
                                 Wasser
                                     4,74    „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00 Proc.
                                 
                              
                           Da aber bei der fabrikmäßigen Darstellung weder die Reinigung noch die Trocknung so
                              weit getrieben wird, so will ich für Wasser und fremdartige Stoffe 10 Procent in
                              Anschlag bringen (eine Annahme die jedenfalls zu hoch gegriffen ist, wovon sich
                              Jeder durch die mitgetheilte Prüfungsmethode überzeugen kann), – woraus sich
                              nun ergibt, daß bloß seinem reellen Gehalte nach der hartkrystallisirte
                              Traubenzucker um 80 Procent mehr werth ist als der rheinische, ganz abgesehen von
                              dem lieblichen reinen Geschmack des ersteren und dem Umstand, daß er eben wegen
                              seiner Reinheit und vollständigen Vergährbarkeit sogar zum Petiotisiren vollkommen
                              geeignet ist.