| Titel: | Die Meyer'sche variable Expansion als Locomotivsteuerung; von H. Fuhst. | 
| Autor: | Hermann Fuhst | 
| Fundstelle: | Band 151, Jahrgang 1859, Nr. LXXVIII., S. 321 | 
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                        LXXVIII.
                        Die Meyer'sche
                           variable Expansion als Locomotivsteuerung; von H. Fuhst.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              V.
                        Fuhst, über die Meyer'sche variable Expansion als
                           Locomotivsteuerung.
                        
                     
                        
                           Im Bulletin de la Société d'Encouragement
                              von 1849 findet sich bereits die Beschreibung einer mit Meyer's Steuerung versehenen Locomotive. Die Bewegung des
                              Vertheilungsschiebers wird dabei durch die Stephenson'sche Coulisse vermittelt, deren Functionen hier nur das Umsteuern
                              und in Ruhe setzen der Maschine sind, weßhalb auch kein anderer als die beiden
                              äußersten und der todte Punkt derselben zur Benutzung kommt. Ohne weiter auf jene
                              Beschreibung einzugehen, wollen wir hier nur bemerken, daß diese Steuerung eine
                              allgemeinere Verbreitung nicht gefunden hat, was wohl hauptsächlich daher gekommen
                              seyn mag, daß man die Expansionsgränzen derselben überhaupt für beschränkt hielt,
                              und dann allerdings, da die Anwendung des zweiten Schiebers die Summe der zu
                              überwindenden Widerstände nicht unbeträchtlich erhöht, große Vortheile von ihr nicht
                              erwarten durfte.
                           Hr. Professor Zeuner in Zürich hat bereits nachgewiesen,
                              daß die Expansionsgränzen dieser Steuerung in Wirklichkeit gar nicht so beschränkt
                              sind, als man früher glaubte, daß vielmehr ihre Leistung, namentlich in Betreff der
                              variablen Expansion, bei richtiger Bestimmung der einzelnen Dimensionen nichts zu
                              wünschen übrig läßt. Derselbe kommt am Schlusse seiner Entwickelungen (siehe: die
                              Schiebersteuerungen, mit besonderer Berücksichtigung der Steuerungen bei
                              Locomotiven, Freiberg 1858) zu dem Resultate, daß eine im Sinne der von ihm
                              aufgestellten Theorie construirte Meyer'sche Steuerung,
                              bei Bewegung des Hauptschiebers durch eine Stephenson'sche Coulisse, für den Vorwärtsgang der Locomotive jeden
                              Expansionsgrad zuläßt, während die Gränzen der Expansion für den Rückwärtsgang bei 0
                              und 3/4 des Hubes liegen.
                           Diese Resultate sind gewiß anerkennenswerth, und denen, die derselbe Autor in dem
                              bereits angezogenen Werke für die ebenfalls mit zwei Schiebern arbeitende Steuerung
                              von Gonzenbach findet, weit überlegen; jedoch lassen sich
                              dieselben in Betreff des Rückwärtsganges und in Bezug auf die Größe der auf Reibung
                              wirkenden Fläche des Vertheilungsschiebers noch erweitern.
                           Indem nämlich nach der Theorie von Zeuner der
                              Voreilungswinkel des Expansionsexcenters kleiner ist als 90°, fällt für den
                              Rückwärtsgang das Maximum der relativen Schieberentfernung größer aus, als für den
                              Vorwärtsgang. Um nun beim Rückwärtsgange die dem Beginn des Hubes nahe gelegenen
                              Expansionsgrade erreichen zu können, ist es nothwendig die Länge der
                              Expansionsschieberplatten sowohl, als auch die Entfernung von Außenkante zu
                              Außenkante der Dampfdurchlaßcanäle im Hauptschieber, auf der der
                              Schieberkastenfläche abgekehrten Seite desselben, nach den Bewegungsverhältnissen
                              der Schieber für den Rücklauf der Locomotive zu bestimmen, wodurch die erwähnten
                              beiden Maaße, welche Factoren der zu überwindenden Reibungswiderstände sind, größer
                              ausfallen als für den Vorwärtsgang nöthig ist, und außerdem getrennte
                              Expansionsscalen für Vor- und Rückwärtsgang erforderlich werden.
                           Um dieses zu umgehen, habe ich in Nachstehendem eine Construction aufgestellt, welche
                              für Vor- und Rückwärtsgang der Maschine gleiche Bewegungsverhältnisse der
                              Schieber ergibt und somit nur eine Expansionsscala
                              erfordert. Zugleich habe ich, da das Arretiren der Maschine durch den
                              Expansionsschieber möglich ist, die Benutzung des todten Punktes der Stephenson'schen Coulisse also umgangen werden kann,
                              statt dieser eine gerade um ihren todten Punkt sich drehende Coulisse, welche nur
                              durch ein Excenter bewegt zu werden braucht, in Anwendung gebracht. Diese
                              Construction macht es unmöglich, dem Vertheilungsexcenter einen Voreilungswinkel zu
                              geben, nichtsdestoweniger können wir auf eine äußerst einfache, der Meyer'schen Steuerung eigenthümliche Weise, ein auf
                              beiden Seiten gleiches, bei allen Expansionsgraden für Vor- und Rückwärtsgang
                              constantes Voreilen des Vertheilungsschiebers, und außerdem die möglichst kleinste
                              Größe der auf Reibung wirkenden Fläche desselben erlangen.
                           
                        
                           Beschreibung der Steuerung.
                           Es ist A, Fig. 1, das Excenter des
                              Vertheilungsschiebers, welches, unveränderlich fest auf der Radwelle sitzend,
                              vermittelst seiner Stange die Bewegung der um M sich
                              drehenden Coulisse C, C₁ bewirkt. Das Gleitstück
                              D kann durch die Stange E,
                                 D in Folge der daran befestigten Hebelcombination gehoben und gesenkt
                              werden, und veranlaßt seinerseits wieder durch die Stange F,
                                 D die Bewegung des Vertheilungsschiebers. Das hintere Excenter ist das des
                              Expansionsschiebers; die Stange desselben greift direct an die Expansionsschieberstange, auf welcher
                              sich zum Verstellen der Expansion resp. zum in Ruhe setzen der Maschine das conische
                              Rädchen S befindet. Der hierher gehörige Mechanismus ist
                              derselbe, wie wir ihn bei Anwendung der Meyer'schen
                              Steuerung auf stationäre Maschinen in wechselnder Bewegungsrichtung im
                              vorhergehenden Hefte dieses Journals speciell gezeichnet und erörtert haben, weßhalb
                              wir ihn als bekannt voraussetzen.
                           Die Wirkung der Stange E, D ist eine doppelte. Einmal
                              nämlich soll sie das Heben oder Lenken des Gleitstückes ermöglichen, dann aber auch
                              soll sie eine möglichst horizontale Bewegung desselben veranlassen, weßhalb der von
                              ihrem oscillirenden Ende beschriebene Bogen flach, sie selbst somit, diesem
                              entsprechend, lang seyn muß. Der Punkt B, in welchem die
                              Stange des Vertheilungsexcenters mit der Coulisse verbunden ist, ist so gewählt, daß
                              wenn die Coulisse in verticaler Richtung steht, eine von dem Mittelpunkt O der Radwelle auf die Linie MB gefällte Normale die Höhe des von B beschriebenen Bogens halbirt.
                           
                        
                           Theorie der Steuerung.
                           Für die jetzt aufzusuchende Relation zwischen beliebigen Drehungswinkeln der Kurbel
                              und der ihnen jedesmal entsprechenden Entfernung des Schiebers von seiner mittleren
                              Stellung, gehen wir davon aus, daß, wenn der Schieber und das Excenter in ihrer
                              mittleren Stellung angekommen sind, die Coulisse vertical steht; denn nur für diesen
                              Fall bleibt, wie man aus den folgenden Entwickelungen leicht ableiten kann, der
                              Schwingungsmittelpunkt des Schiebers beim Vor- und Rückwärtsgange der
                              Maschine unverrückt an seiner Stelle. Denken wir nun beim Vorwärtsgange der
                              Maschine, ohne auf die Stellung der Kurbel Rücksicht zu nehmen, das Excenter des
                              Vertheilungsschiebers in seiner mittleren Stellung Od₀ (Fig. 3) angekommen, so sind wir zunächst im Stande die Entfernung OX vom Schwingungsmittelpunkte des Schiebers bis zum
                              Mittelpunkte der Radwelle festzustellen.
                           Der Steuerungsmechanismus nimmt alsdann die in Fig. 3 oberhalb der
                              Horizontalen OX mit punktirten Linien angegebene
                              Stellung ein und es ist:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 151, S. 323
                              
                           Führen wir in diese Formel die in der Figur für die einzelnen
                              Werthe eingeschriebenen Bezeichnungen ein, so entsteht:
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 151, S. 324
                              
                           oder
                           OX = l₂ +
                              √(l₁² – c²) + C sin α
                              + √(l² – r² – C²cos²α)
                              (Gleichung 1).
                           Ehe wir zur Bestimmung des Schieberweges selbst übergehen, wollen wir das Gesetz
                              aufsuchen, nach welchem die Oscillation des Punktes B
                              erfolgt, und dabei annehmen, daß alle die verschiedenen Stellungen, welche dieser
                              Punkt während seiner Oscillation einnimmt, mit derjenigen Linie zusammenfallen,
                              welche von dem Mittelpunkte O der Radwelle aus durch den
                              Halbirungspunkt der Höhe des von B beschriebenen Bogens
                              gedacht werden kann. Diese Annahme rechtfertigt sich durch die oben angegebene
                              Construction des Punktes B in Bezug auf den Punkt O.
                           Nehmen wir für unsere Rechnung den Voreilungswinkel des Vertheilungsexcenters gleich
                              δ an, und lassen nun die Kurbel aus dem
                              todten Punkte links um den Winkel ω heraustreten,
                              so ist in Folge dessen die Excentricität in die Richtung Od₁ gekommen, und es ist der Punkt B um
                              BB₁ von seiner mittleren Stellung
                              abgerückt.
                           Die Figur ergibt nun:
                           BB₁ = OB – OB₁,
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 151, S. 324
                              
                           und
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 151, S. 324
                              
                           Bilden wir jetzt BB₁, so ergibt sich:
                           BB₁ = r sin (ω + δ)
                              – r²sin²(ω + δ)/2l.
                           Setzen wir für ω : ω + 180°, so ist
                           BB₁ = – r sin
                              (ω + δ) +
                              r²sin²(ω + δ)/2l;
                           d.h. die Oscillation des Punktes B
                              erfolgt symmetrisch zu beiden Seiten seiner mittleren Stellung.
                           
                           Den Ausdruck r²sin²(ω + δ)/2l dürfen wir in den obigen beiden
                              Gleichungen vernachlässigen, wenn l gegen r sehr groß ist; in dem Falle jedoch, daß der nominelle
                              Werth des in Rede stehenden Quotienten sich so groß herausstellt, daß eine
                              Vernachlässigung desselben zu bemerkbaren Ungenauigkeiten im Diagramme führen würde,
                              steht uns zur Ausgleichung derselben die im polytechn. Journal Bd. CL S. 242 gegebene Hülfsconstruction zu
                              Gebote, so daß wir auch in diesem Falle setzen dürfen:
                           BB₁ = r sin (ω + δ),
                           oder allgemein:
                           BB₁ = ± r sin
                              (ω + δ)
                              (Gleichung 2).
                           Jetzt können wir nun auch zur Berechnung des Schieberweges selbst, d.h. zur
                              Entfernung des Schiebers von seiner mittleren Stellung, nachdem die Kurbel den
                              Winkel ω durchlaufen hat, übergehen. Nachdem
                              diese Drehung erfolgt ist, nimmt der Steuerungsmechanismus die in ausgezogenen
                              Linien oberhalb der Horizontalen OX angegebene Stellung
                              ein. Da in Folge der Länge der Stange E, D (Figur 1) der
                              von ihrem oscillirenden Ende beschriebene Bogen sehr flach ist, so können wir die
                              normalen Entfernungen der einzelnen Punkte dieses Bogens von der Horizontalen OXv (Figur 3) gleich der halben
                              Coulissenlänge c annehmen, zumal wenn wir die Stange so
                              aufhängen, daß der Halbirungspunkt der Höhe des von ihrem unteren Ende beschriebenen
                              Bogens mit dem höchsten Punkte des von der halben Coulissenlänge beschriebenen
                              Bogens zusammenfällt.
                           Nennen wir jetzt für den Vorwärtsgang den dem Drehungswinkel ω entsprechenden Schieberweg ξv,
                              so ergibt sich mit Berücksichtigung des Obigen:
                           ξv = OXv – OGv;
                           OX ist aus Gleichung 1 bekannt, für OG erhalten wir:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 151, S. 325
                              
                           Da nun: Winkel MBH = Winkel D₀MB = Winkel α und nach Gleichung 2:
                           ON = r sin (ω + δ) = BB₁
                           ist, so geht die obige Gleichung, wenn wir außerdem noch die
                              bekannten Bezeichnungen einführen, über in:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 151, S. 325
                              
                           
                           Da nun:
                           BO = √(l²
                              – r²)
                           so ist schließlich:
                           OG = l₂ +
                              √(l₁² – c²) – E₀E₁ + C
                                 sin α + √(l² – r² – C²cos²α).
                           Ziehen wir diese Gleichung von Gleichung 1 ab, so erhalten wir:
                           ξv = E₀E₁.
                           Es verhält sich nun:
                           
                              
                                 E₀E₁
                                    : D₀D₁
                                 = E₀M : D₀M,
                                 
                              
                                 E₀E₁
                                    : BB₁
                                 = E₀M : D₀M,
                                 
                              
                           oder:
                           ξv : ± r sin
                              (ω + δ) =
                              c : C,
                           mithin ist:
                           ξv = ± c/C r sin (ω + δ) (Gleichung 3);
                           dabei gilt das obere Vorzeichen für die Bewegung des Kolbens
                              von Links nach Rechts, das untere für die von Rechts nach Links.
                           Wir ersehen aus Gleichung 3, daß die symmetrische Bewegung des Punktes B zu beiden Seiten seiner mittleren Stellung, sich nach
                              Maaßgabe des Verhältnisses c/C auf die Bewegung des Schiebers um seine mittlere Stellung überträgt.
                           
                        
                           Rückwärtsgang der Maschine.
                           Der Rückwärtsgang wird dadurch hergestellt, daß man das Gleitstück, welches sich beim
                              Vorwärtsgange um die halbe Länge der Coulisse über dem Drehpunkte derselben
                              befindet, so weit senkt, daß es sich um ebensoviel unterhalb desselben befindet.
                              Dabei ist die Aufhängung der Stange EK₁ (Fig. 4), durch
                              welche die Verschiebung des Gleitstückes erfolgt, auch für den Rückwärtsgang der Art
                              zu bewerkstelligen, daß der Halbirungspunkt der Höhe des von ihrem oscillirenden
                              Ende beschriebenen Bogens mit dem höchsten Punkte des von der halben Coulissenlänge
                              beschriebenen Bogens zusammenfällt.
                           Denken wir zunächst wieder, ohne Rücksicht auf die Stellung der Kurbel, das Excenter
                              in seiner mittleren Stellung angekommen, so steht die Coulisse wieder vertical, und
                              wir erhalten für die Entfernung OX
                              Fig. 4:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 151, S. 326
                              
                           
                           oder bei Einführung der in Figur 3 eingeschriebenen
                              Bezeichnungen:
                           OXr = l₂ +
                              √(l₁² – c²) + C sin α
                              + √(l² – r² – C²cos²α).
                           Die rechte Seite dieser Gleichung ist identisch mit der
                              rechten Seite der Gleichung 1, mithin ist:
                           OXv = OXr,
                           d.h. die Entfernung des Schwingungsmittelpunktes des Schiebers
                              vom Mittelpunkte der Radwelle ist für Vor- und Rückwärtsgang der Maschine
                              dieselbe.
                           Wir bestimmen nun erst wieder das Gesetz, nach welchem die Oscillation des Punktes
                              B erfolgt. Dasselbe ergibt sich unter Beibehaltung
                              der für den Vorwärtsgang gemachten Annahmen:
                           BB₁ = OB₁
                              – OB,
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 151, S. 327
                              
                           OB = l² – r²/2l (nach
                              Oben);
                           mithin:
                           BB₁ = r sin (ω – δ)
                              + r²sin²(ω – δ)/2l.
                           Setzen wir für ω : ω + 180°, so entsteht:
                           BB₁ = – r sin
                              (ω – δ) – r²sin²(ω
                              – δ)/2l.
                           Aus diesen beiden Gleichungen folgt zunächst, daß die Bewegung des Punktes B auch hier symmetrisch zu beiden Seiten seiner
                              mittleren Stellung erfolgt, während wir zugleich aus denselben ersehen, daß das
                              Gesetz der Oscillation dieses Punktes beim Rückwärtsgange ein anderes ist als beim
                              Vorwärtsgange.
                           Lassen wir auch hier das Glied r²sin²(ω
                              – δ)/2l
                              bestimmen nun den dem Drehungswinkel ω
                              entsprechenden Schieberweg ξr, so ist
                              zunächst:
                           ξr + OXr – OGr;
                           OXr ist bekannt, für OGr
                              ergibt sich:
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 151, S. 328
                              
                           Da nun:
                           Winkel MBH = Winkel D₀MB = Winkel α
                              
                           und
                           ON = r sin (ω – δ)
                              = BB₁,
                           so folgt mit Einführung der bekannten Bezeichnungen:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 151, S. 328
                              
                           mithin:
                           OGr = l₂√(l₁² – c²) – K₀K₁ + C sin α +
                              √(l² – r² – C²cos²α).
                           Bilden wir jetzt, indem wir diese Gleichung von der für OXr erhaltenen abziehen, ξr, so
                              entsteht:
                           ξr = K₀K₁.
                           Es verhält sich nun wieder:
                           K₀K₁ : D₀D₁ = K₀M :
                              D₀M,
                           K₀K₁ : B₁B₁  = K₀M
                              : D₀M,
                           oder:
                           ξr : r sin (ω – δ)
                              = c : C;
                           mithin ist:
                           ξr = c/C r sin (ω –
                              δ).
                           Wenn wir für ω setzen ω + 180°, so erhalten wir:
                           ξr = – c/C r sin (ω + δ).
                           Stellen wir jetzt die verschiedenen, durch die obige Rechnung erhaltenen Resultate
                              zusammen, so kommen wir zu dem Schlusse:
                           
                              „Die Oscillation des Vertheilungsschiebers geschieht beim Vor- und
                                 Rückwärtsgange der Maschine symmetrisch zu beiden Seiten eines Punktes, dessen
                                 Entfernung vom Mittelpunkte O der Radwelle sich
                                 ausdrückt durch:
                              
                           
                              l₂ + √(l₁² – c²) + C sin α + √(l² – r² – C²cos²α),
                              
                           
                              während das Gesetz der Oscillation für den Vorwärtsgang enthalten ist in:
                              
                           
                              ξv = ± r
                                    sin (ω + δ)
                              
                           
                              und das für den Rückwärtsgang in:
                              
                           
                              ξv = ± r
                                    sin (ω – δ) (Gleichung 4),
                              
                           
                              wobei das positive Vorzeichen stets für die Bewegung des Kolbens von Links nach
                                 Rechts und das negative für die von Rechts nach Links gilt.“
                              
                           
                           Bei der Annahme: δ > 0 würden wir für die in Rede
                              stehende Steuerung beim Vorwärtsgange eine sehr
                              zweckmäßige Dampfvertheilung mit constantem positiven
                                 Voreilen für jeden Expansionsgrad erhalten, während wir beim Rückwärtsgange ein zwar ebenfalls für alle
                              Expansionsgrade constantes aber negatives Voreilen
                              erzielen würden, wovon man sich leicht durch Aufzeichnen des entsprechenden
                              Diagrammes überzeugen kann. Die Folgen eines negativen
                                 Voreilens sind stets die Eröffnung des
                                 Dampfeintrittscanales nach Beginn des Hubes, weßhalb eine Steuerung die
                              dieses Uebel besitzt, auch wenn es nur beim Rücklauf der Maschine der Fall ist,
                              immer als unbrauchbar verworfen werden muß, woraus für uns die Nothwendigkeit folgt:
                              δ = 0 zu nehmen.
                           Bei Maschinen die mit großer Geschwindigkeit arbeiten, wie bei den Locomotiven dieß
                              der Fall ist, wird ein lineares Voreilen von einigen Millimetern als sehr
                              vortheilhaft auf die effective Leistung einwirkend angesehen. Sobald Steuerungen nur
                              mit einem Schieber arbeiten, gleichviel ob dieselben auf fixe oder variable
                              Expansion berechnet sind, ist ein lineares Voreilen nur dann möglich, wenn δ > 0; bei den Meyer'schen Steuerungen hingegen ist in Folge der eigenthümlichen Form des
                              Vertheilungsschiebers und der wechselseitigen Wirkung des Vertheilungs- und
                              des Expansionsschiebers ein lineares Voreilen auch bei der Annahme δ = 0 herzustellen. Macht man nämlich, wie Fig. 5 es
                              zeigt, die Entfernung A der inneren Kanten der
                              Dampfdurchlaßcanäle im Hauptschieber kleiner als die Entfernung B der äußeren Kanten der Dampfdurchlaßcanäle im
                              Cylinder, und sorgt dafür, daß wenn auf der einen Seite der Dampfabschluß erfolgt
                              ist, die Wiedereröffnung des Dampfeintrittscanales im Vertheilungsschieber auf
                              derselben Seite erst dann eintritt, wenn der Dampfdurchlaßcanal im Cylinder durch
                              den Vertheilungsschieber selbst bereits abgesperrt ist, was, wie sofort einleuchten
                              wird, erst nach erfolgtem Hubwechsel stattfinden kann, so erhält man ein lineares
                              Voreilen, dessen nomineller Werth v sich ausdrückt
                              durch:
                           v = (B – A)/2.
                           Auf welche Weise es zu erlangen ist, daß der Dampfeintrittscanal im
                              Vertheilungsschieber nach erfolgter Schließung durch den Expansionsschieber sich
                              erst wieder öffnet, nachdem der erstere den Dampfdurchlaßcanal im Cylinder bereits
                              abgesperrt hat, wird aus Betrachtung des Diagrammes Fig. 6 hervorgehen.
                           
                        
                           
                           Diagramm der Steuerung.
                           Die Betrachtung des Diagrammes möge in Gestalt der folgenden Construction
                              geschehen:
                           Es ist eine Locomotive mit Meyer's variabler Expansion so
                              anzuordnen, daß bei der Breite der Dampfcanäle im Cylinder a = 0m,126, und dem linearen
                              Voreilen des Vertheilungsschiebers v = 0m,003 alle Expansionsgrade für Vor-
                              und Rückwärtsgang der Maschine von 0 bis 0,8 des Hubes erreichbar sind.
                           Wie groß sind die Radien des Vertheilungs- und Expansionsexcenters?
                           Welches sind die Längen der Expansionsschieberplatten, und wie lang ist der
                              Vertheilungsschieber von Außenkante zu Außenkante der Dampfdurchlaßcanäle auf der
                              der Schieberkastenfläche abgelehrten Seite gemessen?
                           Um wie viel sind die Expansionsschieberplatten jedesmal aus einander zu schieben, um
                              die Expansionsgrade 0, 1/6, 2/6, 3/6, 4/6 und die obere Expansionsgränze zu
                              erreichen?
                           Auflösung. Setzen wir in Gleichung 3 und 4 δ = 0, so erhalten wir allgemein:
                           ξ = ± c/C r sin ω (Gleichung 5),
                           wobei das positive Vorzeichen für die Bewegung des Kolbens von
                              Links nach Rechts, das negative für die von Rechts nach Links gilt, gleichviel, ob
                              die Locomotive sich im Vor- oder Rücklaufe befindet.
                           Nehmen wir jetzt an, daß für den größten Schieberweg ξg, d.h. für die weiteste Entfernung des Schiebers von seiner
                              mittleren Stellung, deren Eintritt erfolgt, wenn der Schieber sich in einem seiner
                              todten Punkte befindet, der als Dampfeintrittscanal fungirende Durchlaßcanal im
                              Cylinder um die Größe des äußeren Voreilens v
                              überöffnet ist, so ergibt sich:
                           ξg = v + a – v = a.
                           Für ξg ist w = 1R und somit sinω = 1;
                           mithin ist:
                           ξg = ± c/C r,
                           oder:
                           a = ± c/C r,
                           folglich:
                           r = ± C/c a,
                           oder in absoluter Hinsicht:
                           r = C/c a.
                           
                           Die vorstehende Gleichung ergibt den Werth des Radius vom Vertheilungsexcenter,
                              welcher hier jedoch nicht gleichbedeutend mit demjenigen des Durchmessers vom
                              Hauptschieberkreise ist. Der letztere ist natürlich gleich ξg und ξg ist nach Oben gleich
                              a.
                           Sind nun in Fig.
                                 6
                              OX und OY die
                              Coordinatenachsen des Diagrammes, so erhalten wir die Bewegungskreise des
                              Hauptschiebers, wenn wir aus C₁ und C₂ mit C₁O und C₂O gleich a/2 als Radius die
                              Kreise OD₁ und OD₂ schlagen. Die Größe des Radius vom Expansionsexcenter, dessen
                              Voreilungswinkel wir gleich 90° annehmen, finden wir auf folgende Weise. Man
                              zeichnet zuerst die Kurbelstellung, welche der oberen Expansionsgränze entspricht;
                              Fig. 6 ist
                              ORv⁵ für Vorwärtsgang und ORr⁵ für den Rückwärtsgang der Maschine im
                              Hingange des Kolbens die entsprechende Kurbelstellung. (Bei sämmtlichen in der Figur
                              verzeichneten Kurbelstellungen ist zwischen Kurbel und Bleuelstange das Verhältniß 1
                              : 5 angenommen.) Ferner beschreibt man aus O mit dem
                              linearen Voreilen
                           Ov = v = (B – A)/2
                           als Radius einen Kreis, und sucht nun zunächst diejenige
                              Kurbelstellung auf, bei welcher der als Dampfeintrittscanal fungirende Durchlaßcanal
                              im Cylinder durch den Hauptschieber selbst geschlossen wird. Die Eröffnung des
                              Dampfeintrittscanales im Cylinder ist stets gleich ξ + v; dieses in Betracht ziehend, wird
                              man sofort erkennen, daß Rr⁷ die gesuchte
                              Kurbelstellung für den Vorwärtsgang ist. Es ist nämlich bei ihr ξ negativ und in absoluter Hinsicht gleich v, weßhalb sich für die Eröffnung des
                              Dampfeintrittscanales bei dieser Kurbelstellung – v + v = 0 ergibt. Wir sehen hier, daß, wie
                              Oben bereits angedeutet wurde, die Schließung des Dampfeintrittscanales erst nach
                              erfolgtem Hubwechsel stattfindet. Aus den in den vorhergehenden Heften dieses Bandes
                              erschienenen Untersuchungen über die Meyer'sche Steuerung
                              geht allgemein hervor, daß nach erfolgter Expansion ein nochmaliger Eintritt des
                              Dampfes nicht stattfinden kann, wenn die relative Schieberentfernung bei der der
                              oberen Expansionsgränze entsprechenden Kurbelstellung gleich der relativen
                              Schieberentfernung bei derjenigen Kurbelstellung ist, bei welcher der
                              Vertheilungsschieber den Dampfeintrittscanal im Cylinder abschließt. Diese
                              Kurbelstellungen sind, wie wir oben fanden, ORv⁵
                              und ORr⁷, und wir erhalten gleiche relative
                              Schieberentfernungen für sie, wenn der Durchmesser des die relativen
                              Schieberentfernungen angebenden Kreises in die Halbirungslinie des von ihnen
                              gebildeten Winkels fällt.
                           
                           Halbiren wir demnach Winkel Rv⁵ORr⁷, ziehen durch D₁ eine Parallele mit OX und durch den
                              hierdurch bestimmten Punkt Qv⁶ eine Parallele mit
                              OD₁, so ist Qv⁶O der Durchmesser des
                              Hülfsschieberkreises in Bezug auf Richtung und Größe, und OE₀ ist die Größe des Radius vom Expansionsexcenter bei dem
                              Voreilungswinkel 90°.
                           Das Diagramm läßt nun sofort ersehen, daß sich dieselben Resultate für den Hergang
                              des Kolbens beim Vorwärtsgang der Maschine, sowie für den Hin- und Hergang
                              desselben beim Rücklaufe der Locomotive für diese beiden Größen ergeben werden,
                              woraus weiter folgt, daß auch für alle diese Fälle gleichlautende Resultate für die
                              Länge l der Expansionsschieberplatten, für die Länge L des Vertheilungsschiebers, sowie für die einzelnen
                              Größen, um welche die Expansionsschieberplatten aus einander geschoben werden
                              müssen, um den Eintritt der Expansion bei den vorgeschriebenen Kolben- resp.
                              Kurbelstellungen zu ermöglichen, entstehen müssen.
                           Im Diagramme Fig.
                                 6 finden wir die Construction des Durchmessers vom Hülfsschieberkreise und
                              die daraus sich ergebende Größe des Radius vom Expansionsexcenter nicht für alle
                              diese Fälle, sondern nur noch, um der Uebersichtlichkeit des Diagrammes keinen
                              Abbruch zu thun, für den Hingang des Kolbens beim Rücklaufe der Maschine
                              ausgeführt.
                           Aus den vorstehend angezogenen Untersuchungen ergibt sich nun die Länge l der Expansionsschieberplatten:
                           l = OE₀ + OQv⁶ + a,
                           l = 0m,138
                           und die Länge L des
                              Vertheilungsschiebers:
                           L = 2 l + OE₀ + OQv⁵,
                           L = 0m,579.
                           Durch diese Resultate entsteht die in Fig. 5 gezeichnete Form
                              des Vertheilungsschiebers, aus welcher man sofort ersieht, daß das Maaß ab der auf Reibung wirkenden Fläche desselben auf
                              die kleinste mögliche Größe zurückgeführt ist. In allen Fällen, bei welchen man das
                              lineare Voreilen des Vertheilungsschiebers dadurch erzielt, daß man dem Excenter
                              desselben einen Voreilungswinkel größer als Null gibt, muß dieß Maaß der auf Reibung
                              wirkenden Fläche größer ausfallen, als dieß hier der Fall ist.
                           Damit nun auf ein und derselben Seite des Kolbens nicht Ein- und Austritt des
                              Dampfes zugleich stattfinden können, muß dem Schieber eine innere Ueberdeckung von
                              der Größe des äußeren Voreilens gegeben werden. Schlagen wir Fig. 6 aus O mit der inneren Ueberdeckung einen Kreis, so fällt
                              derselbe mit dem schon vorhandenen des äußeren Voreilens zusammen, so daß sich folgende Resultate
                              für die Dampfvertheilung ergeben. Im todten Punkte links hat der Hauptschieber den
                              Dampfdurchlaßcanal im Cylinder um die Größe des äußeren Voreilens geöffnet, während
                              der Dampfaustritt rechts verschlossen ist. Bei der Kurbelstellung ORv, bei welcher der Vertheilungsschieber einen Weg
                              gleich dem äußeren Voreilen resp. der inneren Ueberdeckung zurückgelegt hat, ist die
                              Eröffnung des Dampfeintrittscanales gleich 2v, während
                              die des Dampfaustrittes gleich Null ist; bei dieser Kurbelstellung beginnt somit der
                              Dampfaustritt rechts und wir erhalten eine Compression des verbrauchten Dampfes,
                              während die Kurbel den Bogen R₀Rv durchläuft. Der Hub, welchen der Kolben während
                              dieses Drehungsbogens der Kurbel macht, ist so unbeträchtlich, daß wir ihn gleich
                              Null setzen können. Nachdem nun bei irgend einer Kolbenstellung Expansion
                              eingetreten ist, öffnet sich bei der Kurbelrichtung ORv⁷ der Dampfeintritt rechts, während gleichzeitig bei derselben
                              Kurbelstellung der Dampfaustritt auf derselben Seite geschlossen wird, wodurch jede
                              Compression des verbrauchten Dampfes vermieden ist.
                           Obgleich der Arbeitsverlust, welcher bei den gewöhnlichen Locomotivsteuerungen auf
                              der einen Seite durch Compression entsteht, durch die Arbeit, welche dieser
                              comprimirte Dampf nach erfolgtem Hubwechsel wieder producirt, zum Theil aufgehoben
                              wird, so kann doch dieser letzte Arbeitsgewinn den obigen Arbeitsverlust nie ganz
                              aufwiegen, weßhalb es als ein Vortheil dieser Steuerung angesehen werden dürfte, daß
                              durch sie die Compression des verbrauchten Dampfes umgangen wird.
                           Sind die Expansionsschieberplatten ganz zusammengezogen, so tritt unserer
                              Construction gemäß die Expansion bei 0,8 des Hubes ein. Man findet nun die Größen,
                              um welche dieselben aus einander geschoben werden müssen, um die übrigen
                              Expansionsgrade zu erreichen, direct aus den Differenzen der betreffenden relativen
                              Schieberentfernungen, welche der besseren Uebersichtlichkeit wegen sämmtlich auf der
                              Horizontalen RvX zusammengetragen worden sind.
                           Es muß hiernach jede Expansionsschieberplatte zur Erreichung:
                           
                              
                                 der Expansion nach    0
                                 des Hubes um
                                 EE₀ = 0m,103,
                                 
                              
                                   „          „          
                                    „     1/6
                                   „      „      
                                    „  
                                 EE₁ = 0m,070,
                                 
                              
                                   „          „          
                                    „     2/6
                                   „      „      
                                    „  
                                 EE₂ = 0m,046,
                                 
                              
                                   „          „          
                                    „     3/6
                                   „      „      
                                    „  
                                 EE₃ = 0m,0285,
                                 
                              
                                   „          „          
                                    „     4/6
                                   „      „      
                                    „  
                                 EE₄ = 0m,011,
                                 
                              
                                   „          „          
                                    „     0,8
                                   „      „      
                                    „  
                                 EE   = 0m,000
                                 
                              
                           nach Außen verschoben werden.
                           Das Diagramm für den Rückwärtsgang gibt, wie Fig. 6 zeigt, ganz
                              dieselbe Expansionsscala wie für den Vorwärtsgang, so daß die Ausführung nur eine Scala erfordert.
                           
                           Stellen wir schließlich die Resultate dieser Anordnung zusammen und vergleichen
                              dieselben mit jenen Steuerungen, bei denen der Vertheilungsschieber durch die Stephenson'sche Coulisse bewegt wird und der
                              Voreilungswinkel des Expansionsexcenters kleiner ist als 90°, so können wir
                              zunächst in Bezug auf die Herstellungskosten den Vortheil, der uns durch Anwendung
                              einer geraden, nur durch ein Excenter bewegten Coulisse erwächst, bezeichnen,
                              während wir in constructiver Hinsicht Erreichung aller Expansionsgrade für
                              Vor- und Rückwärtsgang der Locomotive, Vermeidung der Compression des
                              verbrauchten Dampfes und Erreichung der möglich kleinsten auf Reibung wirkenden
                              Fläche des Vertheilungsschiebers haben.
                           Rechnet man hierzu noch ein unter allen Bedingungen constantes Voreilen des
                              Vertheilungsschiebers, welches der Meyer'schen Steuerung
                              an und für sich eigen ist, so dürften diese Resultate wohl ausreichend seyn, das Plus der Reibungswiderstände, welches die Anwendung von
                              zwei Schiebern gegenüber den Steuerungen mit einem Schieber erzeugt,
                              aufzuwiegen.
                           Die hier in Anwendung gekommene Methode, das lineare Voreilen des
                              Vertheilungsschiebers und die damit verbundene kleinste auf Reibung wirkende Fläche
                              desselben zu erhalten, läßt sich, da sie unabhängig vom Umsteuerungsmechanismus ist,
                              auch bei den im vorhergehenden Hefte dieses Journals zur Besprechung gekommenen
                              stationären Maschinen mit wechselnder Bewegungsrichtung mit Vortheil anbringen.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
