| Titel: | Ueber die Fortschritte der Bessemer'schen Frischmethode in Schweden; von P. Tunner, k. k. Sectionsrath und Director der k. k. montanistischen Lehranstalt in Leoben. | 
| Fundstelle: | Band 152, Jahrgang 1859, Nr. XXVII., S. 118 | 
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                        XXVII.
                        Ueber die Fortschritte der Bessemer'schen Frischmethode
                           in Schweden; von P.
                              Tunner, k. k. Sectionsrath und Director der k. k. montanistischen
                           Lehranstalt in Leoben.
                        Aus der österreichischen Zeitschrift für Berg- und
                                 Hüttenwesen, 1859, Nr. 13.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              II.
                        Tunner, über die Fortschritte der Bessemer'schen Frischmethode in
                           Schweden.
                        
                     
                        
                           Auf meiner Bereisung mehrerer Eisenwerke Deutschlands und Schwedens im Jahr 1857 sind
                              mir zwar etliche mißlungene Versuche mit der Bessemer'schen Frischmethode an Ort und Stelle bekannt geworden; allein sie
                              tragen alle den Stempel der Unvollkommenheit in einem solchen Grade, daß daraus
                              offenbar nichts zu entnehmen war. Alle seit jener Zeit in der deutschen Literatur
                              veröffentlichten Urtheile über dieses Frischverfahren sind demselben mehr oder
                              weniger ungünstig, zum größeren Theile geradezu alle Aussicht auf Erfolg
                              absprechend, weil man zu erkennen glaubte, daß hiebei eigentlich nur das Eisen
                              selbst als Brennmaterial benützt werde, somit die ganze Methode als nothwendig zu
                              kostspielig ansah. Eine Ausnahme hievon machten nur ein Paar kurze Notizen aus
                              Schweden, welche im letztverflossenen Jahre in den Nummern 44 und 47 der
                              österreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen enthalten waren.Man sehe polytechn. Journal Bd. CL. S.
                                       393. Nachdem diese Notizen aber an und für sich zu unvollständig waren und nicht von eigentlichen
                              Fachmännern auszugehen schienen, so legte ich auch auf diese, dem in Rede stehenden
                              Verfahren günstigen Nachrichten keinen besondern Werth.
                           Ein anderes Bewandtniß hat es jedoch mit einer Nachricht in
                              Jern-Kontorets-Annalen von 1858 Heft 4. In dieser sehr guten
                              praktischen Zeitschrift für das schwedische Bergwesen ist nämlich der amtliche
                              Bericht abgedruckt, welchen einer der Oberbeamten des Jernkontors (Vereins der
                              schwedischen Eisenhüttenbesitzer), Hr. Director A. Grill
                              an die Bevollmächtigten dieses Vereins erstattete. Abgesehen von der Autorität des
                              Berichterstatters zeugt der Inhalt des Berichtes selbst von der Sachkenntniß und
                              Wahrheit des Gegenstandes, und gibt dadurch einen höchst beachtenswerthen Beitrag
                              zur Beurtheilung dieses neuen Frischverfahrens in seinen verschiedenen Stadien der
                              Ausbildung. Ich lasse hier zunächst die Uebersetzung dieses Berichtes möglichst
                              genau mit den Worten des Berichterstatters folgen:
                           
                              „Als ich letzthin die Ehre hatte, den HHrn. Bevollmächtigten im Monat Mai
                                 d. J. (1858) einen mündlichen Bericht zu erstatten über den Standpunkt, auf
                                 welchem die Stahlerzeugung zu Edsken damals sich befand, war derselbe schwankend
                                 für und wider, bisweilen mit hoffnungsvollen, bisweilen wieder mit schlechten
                                 Aussichten auf einen günstigen Erfolg; nach den in Mitte Juni vorgenommenen
                                 Veränderungen in der Construction des Ofens ist jedoch ein bestimmtes, mehr
                                 constantes Resultat eingetroffen.
                              
                           
                              Die ganze Brauchbarkeit dieser Methode beruht nämlich auf der Möglichkeit, daß
                                 man mit Sicherheit den Kohlegehalt des Roheisens auf jenen Grad vermindern kann,
                                 bei welchem das Product Stahl bleibt, d.h. schmiedbar und schweißbar ist und das
                                 Vermögen behält durch rasche Abkühlung gehärtet zu werden und zugleich die Masse
                                 eine genügende Temperatur behält, nicht nur um aus dem Ofen zu fließen, sondern
                                 zugleich um in wenigen Augenblicken eines ruhigen Stillstandes im Ofen sich von
                                 den eingemengten Schlackenpartien und Luftblasen zu befreien, wonach dieselbe
                                 noch zureichend dünnflüssig in die Eingüsse abgestochen werden kann. Bei einem
                                 genaueren Studium des Verlaufes des Processes findet man, daß dieser
                                 Frischproceß, in Uebereinstimmung mit den sonstigen Frischprocessen zu seiner
                                 Durchführung eine eisenhaltige Schlacke bedingt, welche hier unmittelbar durch
                                 das Verbrennen eines Antheiles Eisens vermittelst der Einwirkung des
                                 Gebläsewindes erzeugt wird.
                              
                           
                              Die Versuche, so gemacht wurden diese Schlackenbildung zu unterlassen oder zu
                                 ersetzen, haben zu keinem vollkommen befriedigenden Resultate geführt. Diese
                                 Versuche haben in Folgendem bestanden: 1) daß während des Processes in Mehl
                                 verwandelte Eisenerze von Bispberg (sehr reiche reine Magneteisensteine) und Braunstein
                                 eingelassen wurden; 2) daß vor dem Einlassen des Roheisens in den Ofen das
                                 genannte Mehl eingelegt wurde; 3) daß durch Verbrennung von kleinen
                                 Stahl- oder Roheisenabfällen diese Schlacke sonderheitlich zu bilden
                                 versucht wurde, und 4) daß im Vereine mit erhitzter Luft Wasserdämpfe
                                 eingeblasen wurden. Unter diesen Mitteln war die Benützung der Stahlabfälle am
                                 wirksamsten befunden, allein theils war es schwer die entsprechende Verbrennung
                                 derselben zu bestimmen, theils wurden die Formen davon verpatzt, welcher
                                 Ungelegenheit jedenfalls ausgewichen werden muß. Zur Erhöhung der Temperatur
                                 versuchte man den Ofen in seinen Dimensionen zu verkleinern und den Wind zu
                                 erhitzen. Die durch Erhitzung der Luft erlangte Verdünnung derselben und die
                                 dadurch verminderte Menge des atmosphärischen Sauerstoffs hatte den
                                 hauptsächlichsten Einfluß auf die Verlängerung der Frischperiode, wovon ein
                                 Kalkfluß und harter Stahl die Folgen waren. Als das einzige in beiden Fällen
                                 vollends wirksame Mittel hat sich schließlich erwiesen, eine richtige und reichliche
                                 Anwendung der Gebläseluft.
                              
                           
                              Die Eisenerze, welche bei der älteren Vertheilung der Formen in zwei über
                                 einander befindlichen Reihen einen befriedigenden Abstich ließen, wenigstens was
                                 die Möglichkeit einen weichen Stahl zu erhalten betrifft, waren die mehr
                                 manganhältigen, wie jene von Dannemora, Vindtjern, Längvik und Kräknäs. Von den
                                 letzteren wurden deßhalb zuerst 5 L. Pfd. (67 Pfd. W. G.) und später 3 L. Pfd.
                                 (40 Pfd. W. G.) pro Satz (am Hohofen) aufgegichtet;
                                 nachdem aber der Stahl beim Ausrecken als minder haltbar angesehen wurde, ward
                                 das Erz von Kräknäs wieder aus der Beschickung gelassen, wovon jedoch die Folge
                                 war, daß durch längere Zeit kein zureichend weicher Stahl erhalten wurde. Der
                                 angewandte Wind war nicht wirksam genug, was entweder davon kam daß die
                                 Windmenge an und für sich unzureichend, oder daß die Vertheilung derselben in 2
                                 Reihen über einander minder zweckdienlich war. Der Durchmesser der 6 oberen
                                 Formen mit 3/8 Zoll war sicherlich so gewählt, daß nahe genug durch diese das
                                 gleiche Luftquantum gehen sollte, welches durch die unteren Formen mit 5/8 Zoll
                                 Durchmesser strömte. Allein da der Wind aus den oberen Formen einen viel
                                 kürzeren Weg durch das Roheisen zu passiren hatte, ging ein Theil der
                                 frischenden Wirkung desselben verloren.
                              
                           
                              Daß dem wirklich so war, beweist am besten die Umänderung, welche im Gange des
                                 Processes der Stahlbildung geschah, nachdem die folgenden Abänderungen
                                 vorgenommen wurden; diese bestehen darin, daß die obere Formreihe bis in das
                                 Niveau der unteren gesenkt wurde, d. i. 2 Zoll ober dem Boden, wodurch das Eisen
                                 höher als früher die Formen zu stehen kam, und alle diese wurden mit 3/4 Zoll
                                 Durchmesser hergestellt. Der Effect dieser vorgenommenen Umgestaltung zeigte
                                 sich sogleich durch einen rascheren, lebhafteren und reineren Gang, durch ein
                                 frischeres Aufkochen und durch einen mehr entschiedenen Schluß des eigentlichen
                                 Frischprocesses. Im Zusammenhang mit den genannten Aenderungen wurde zugleich
                                 das Gewölbe des Ofens um 19 Zoll niederer gemacht, um in dem eingeengteren Raume
                                 eine mehr concentrirte Hitze zu erhalten. Ein neuer Gußtisch (Gußrinne) von
                                 Schmiedeisen zur Aufnahme des fertigen Stahls wurde angeschafft, und zum
                                 Schlusse des Stichloches versah man sich an Stelle des früher gebräuchlichen
                                 Verschmierens mit Lehm, mit einem conischen Pfropfen von feuerfestem Ziegel.
                                 Hiedurch konnte die Gußrinne von außen und innen mehr erhitzt werden, was sich
                                 dadurch von großem Werthe zeigte, daß der Stahl-lebhaft aus der Gußrinne
                                 floß, nur einen unbedeutenden Rückstand ließ und das Abstichloch nicht
                                 verstopfte. Der Ofen, welcher nunmehr benützt wird, mit Andeutung der frühern
                                 Gewölbform, ist in Fig. 14 (Durchschnitt
                                 nach EFG in Fig. 16) gezeichnet.
                                 Durch diese Aenderungen wird der Ofen in seiner Herstellung einfacher, da der
                                 Windcanal ohne Abtheilung und niederer gemacht werden kann.
                              
                           
                              Fig. 15
                                 zeigt den Durchschnitt dieses Ofens nach der in Fig. 16 ersichtlichen
                                 Linie LM.
                              
                           
                              Fig. 16
                                 stellt den Grundriß mit der Uebersicht und zwar nach den Durchschnitten A und CD in der
                                 Fig.
                                    14 dar.
                              
                           
                              Das Gebläse, welches vor Erweiterung der Formen bloß 60–70 Wechselungen in
                                 der Minute machte, kam nun über 80; die Blasezeit war nunmehr in 7–10
                                 Minuten geschlossen, während vor diesen Abänderungen dieselbe 12–20
                                 Minuten und weiter zurück, mitunter sogar bis 30 Minuten dauerte. Die
                                 Windpressung, welche früher auf 12–14 Pfd. englisch Gewicht pr.
                                 Quadratzoll stieg, ist mit der Formerweiterung auf 6–8 Pfd.
                                 niedergegangen. Es würde sich schwer thun lassen, auch jetzt noch durch weitere
                                 Vermehrung des Windes den Frischproceß zu beschleunigen, weil in diesem Fall das
                                 Aufkochen der Masse zu gewaltsam werden möchte.
                              
                           
                              Die Windpressung muß man jedoch im Beginn des Blasens mit Genauigkeit moderiren,
                                 um einer allzu heftigen Gasentwicklung zuvorzukommen.
                              
                           
                              Nach den oft genannten Veränderungen hatte man keine Veranlassung irgend welche
                                 mehr manganhaltige Erze zu versuchen, welche vorerst die meiste Neigung zeigten
                                 unter Beibehaltung einer hohen Temperatur gut zu frischen.
                              
                           
                              Nachdem das Streckwerk (Hammerschläge wahrscheinlich) zu Högbo fertig und
                                 solchergestalt eine genaue Controle möglich war über die Waare welche bisher erzeugt wurde,
                                 hat man gefunden, daß derjenige Stahl, welcher seit den mehrgedachten
                                 Veränderungen erblasen wurde, bedeutende Vorzüge vor dem älteren hatte, nicht
                                 allein was Weichheit, Schweißbarkeit und Haltbarkeit betrifft, sondern auch
                                 bezüglich dessen Reinheit von Schlacken und anderen Undichtheiten. Der Stahl
                                 zeigt sich nämlich beim Auslaufen aus dem Bessemerofen viel heißer und flüssiger
                                 als früher; so daß beide, Ofen und Gußrinne, nahezu leer und rein von Belegungen
                                 bleiben und in den erhaltenen Eingüssen selten oder niemals eine Schlacke zu
                                 entdecken ist, wenn dieselben abgeschlagen werden. Durch Sortirung des
                                 ausgereckten Stahls wird dieser außer seinem Härtegrad noch getheilt in erste
                                 und zweite Sorte und Ausschuß, die zweite Sorte enthält bloß unbedeutende
                                 Oberflächenfehler. Die Gewichtsverhältnisse und den Brennstoffaufwand und
                                 dergleichen beim Ausrecken des Stahls anzugeben, ist noch nicht möglich, aber
                                 aus dem Betriebsjournal zu Edsken folgt eine Zusammenstellung der Resultate vom
                                 18 Juli bis 8 September, wobei die Bemerkung vorausgeschickt wird, daß die
                                 Stahlsorte Nr. 2,5 sich ausrecken läßt und im Aussehen wie im Verhalten dem
                                 harten englischen Gußstahl am nächsten kommt. Die Sorten Nr. 3, 3,5, 4 und 4,5
                                 lassen sich alle schweißen und recken, mit der gewöhnlichen Vorsicht, die bei
                                 jedem andern Stahl erforderlich ist.
                              
                           
                              Der Abbrand, welcher in der Tabelle mit 14,36 Procent aufgenommen ist, beträgt
                                 auf diesem Werke in Wirklichkeit nicht mehr als 12 Procent, weil ein Theil
                                 Rückwaage von Roheisenabfällen, welche für mehrere gemeinsame Chargen auf einmal
                                 eingewogen werden, in der speciellen Nachweisung für jede einzelne Charge nicht
                                 aufgenommen ist.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 152, S. 122
                              Härte des Stahls Nr.;
                                 Chargen-Anzahl; Erhalten an Stahl in gereinigten Eingüssen; Mittlere
                                 Charge in Minuten; Anmerkung; Bevor der Ofen umgebaut wurde; Läßt sich gut
                                 schweißen und recken, die beste Sorte für den gewöhnlichen Bedarf; Anzeichen von
                                 Eisenfasern; Stahlabfälle; Zum Umschmelzen tauglich; Stahlabfälle;
                                 Roheisenabfälle
                              
                           
                           
                              Es erhellt aus dieser tabellarischen Uebersicht, daß für jede Charge im Mittel
                                 etwas über 16 Centner Roheisen angewandt und nebst den Abfällen an Stahl und
                                 Roheisen nahe an 10 Ctr. Stahl in gereinigten Eingüssen erhalten wurde. Die
                                 Erzeugung pr. Tag hat 37 1/2 Ctr.
                                 betragen.“
                              
                           Obwohl diese authentischen Resultate noch manches zweifelhaft und vieles
                              wünschenswerth erscheinen lassen, so ist hierdurch dock ein nicht zu verkennender
                              Beweis gegeben, daß das Bessemer'sche Verfahren unter den
                              zusagenden Verhältnissen zur Stahlerzeugung mit Vortheil im Großen wird angewendet
                              werden können.Dieß hat sich auch in England herausgestellt; man s. Fairbairn's Bemerkungen im polytechn. Journal Bd. CLI S. 317. A. d. Red.
                              
                           Es ist beachtenswerth, daß das abgeänderte Chenot'sche
                              Verfahren, wie nach dem Vorliegenden die Bessemer'sche
                              Methode, sich zuletzt nur auf die Stahlerzeugung beschränken, die Darstellung des
                              Stabeisens aber außer Frage lassen wird, wodurch am Ende der Stahl billiger als das
                              Stabeisen werden muß, wenn diese Methoden zu einer ausgedehnten Anwendung gelangen
                              sollten. Von ungleich größerer Brauchbarkeit erscheint mir indeß der Vorgang nach
                              Bessemer, da er viel einfacher und für viel mehr
                              Erzsorten anwendbar seyn wird, obgleich er nach den bisherigen Erfahrungen auf die
                              reinern Roheisensorten beschränkt erscheint. Das neuere Chenot'sche Verfahren, bei welchem die reducirten ausgepochten Erze mit
                              Kohlen und Braunsteinpulver gemengt und zu cylindrischen Stückchen gepreßt im
                              Gußstahltiegel eingeschmolzen werden, muß meines Erachtens auf ungewöhnlich reine
                              und reiche Eisenerze beschränkt und dabei noch sehr kostspielig bleiben, während das
                              erhaltene Product, nach meinem Erkennen, unmöglich eine verläßliche, vorzügliche
                              Stahlsorte geben kann.
                           Aus dem Stadium, in welches das Bessemer'sche Verfahren in
                              Schweden getreten ist, geht unzweifelhaft hervor, daß dasselbe für die Eisenhohöfen
                              der Haupterzberge in Steiermark und Kärnthen das größte Interesse bietet.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
