| Titel: | Das Löthen der gesprungenen Kirchenglocken. | 
| Fundstelle: | Band 152, Jahrgang 1859, Nr. XLI., S. 174 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XLI.
                        Das Löthen der gesprungenen
                           Kirchenglocken.
                        Aus Armengaud's Génie industriel, 1858, t. XVI p.
                              88 et 274.
                        Ueber das Löthen der gesprungenen Kirchenglocken.
                        
                     
                        
                           Bisher hat man die durch einen Sprung beschädigten Glocken nur wenig benutzen können,
                              weil es schwierig ist, die aufgehobene Continuität des Klanges durch die getrennten
                              Metallmolecüle hindurch wieder herzustellen. Dieß ist jedoch durch das Löthen des
                              Sprunges zu erreichen.
                           
                        
                           I. Verfahren des Hrn. Roy.
                           Derselbe hat sich durch wiederholte Versuche überzeugt, daß man einer gesprungenen
                              Glocke ihren früheren Klang leicht wieder ertheilen kann, wenn man der ganzen Länge
                              und Tiefe des Sprunges nach eine Löthung anbringt. Man kann dieselbe mit reinem Zinn
                              und selbst mit dem Lothe der Bleiarbeiter und irgend einem Flußmittel ausführen, am
                              zweckmäßigsten ist aber ein Loth, bestehend aus der sehr zähen Legirung von
                           1 Theil Kupfer und
                           9 Theilen Zinn.
                           Man verfährt folgendermaßen: Um den zu löthenden Theil von den
                              fettige Substanzen zu befreien, welche das feste Anhaften der Löthung verhindern
                              würden, reinigt man ihn, indem man ihn auf beiden Seiten und im Innern, so gut als
                              thunlich, mit einer siedenden Lösung von caustischem Kali oder Natron laugt. Nachdem
                              man dann die Löthstelle mit reinem Wasser gewaschen und abgetrocknet hat, beizt man
                              sie auf beiden Seiten und im Inneren des Sprunges mittelst Salzsäure, worauf ein
                              letztes Waschen und Trocknen folgt.
                           
                           Darauf wird die Glocke in einer Werkstätte auf Ziegelsteinen, etwas hoch, in solche
                              Lage gebracht, daß ihre Achse horizontal, der Sprung unten ist und man von Oben und
                              Unten auf dessen ganzer Ausdehnung zu ihr gelangen kann.
                           Der Sprung wird hernach auf beiden Seiten mit einem Flußmittel befeuchtet oder
                              ausgefüllt, welches in einer Lösung von Chlorzink, oder in einem Gemenge von 1 Theil
                              Salmiak und 2 bis 3 Theilen Hirschhornsalz besteht. Letzteres Flußmittel verdient
                              den Vorzug, wenn der zu löthende Theil der Glocke nur unvollkommen gebeizt ist; es
                              darf erst kurz vor dem Gebrauch gemengt werden.
                           Der obere Theil des Sprunges, im Innern der Glocke, wird hernach mit vielen kleinen
                              Körnern von dem Lothe bedeckt, nachdem sie vorher mit dem zum Befeuchten des
                              Sprunges angewendeten Flußmittel überzogen worden sind.
                           Die Glocke wird alsdann dadurch erwärmt, daß man ein Gefäß mit Weingeist darunter
                              setzt und denselben anzündet; man überwacht diese Operation sorgfältig, damit die
                              Erhitzung nur nach und nach erfolgt, bringt an die Stellen, wo das Loth nicht
                              haftend bleibt, wieder Flußmittel, wenn noch Loth vorhanden ist, und Loth an
                              diejenigen Stellen wo dasselbe fehlt; dieses Nachtragen geschieht so lange bis man
                              sich überzeugt hat, daß das eingebrachte Metall den Sprung, in seiner ganzen
                              Ausdehnung und nach der ganzen Dicke der Glocke, ausgefüllt und die getrennten
                              Theile verbunden hat, was manchmal an der Stelle, wo der Sprung aufhört, schwierig
                              zu erkennen ist.
                           Man darf während dieser Operation die Wärme nicht höher als bis zum Schmelzpunkt des
                              Lothes steigern, damit sich das Flußmittel nicht verflüchtigt, wodurch das Metall
                              oxydirt und das Löthen unmöglich gemacht würde.
                           Nach beendigter Operation nimmt man den brennenden Spiritus weg und läßt die Glocke
                              langsam und vollständig abkühlen, ehe sie aus ihrer liegenden Stellung in eine
                              solche gebracht wird, wobei man den Klang probiren und sich dadurch von dem Gelingen
                              der Löthung überzeugen kann; sollte sich aus dem Klang ergeben, daß der Sprung nicht
                              vollständig verlöthet ist, so müßte man die Operation für die mißlungenen Stellen
                              wiederholen.
                           Wenn der Sprung sehr offen ist und die zusammen zu löthenden Stellen weit von
                              einander entfernt sind, so ist es nothwendig, sie vor dem Verlöthen (nach dem
                              Beizen) einander zu nähern; dieß kann entweder durch eiserne Bänder geschehen, die
                              nach der Operation wieder weggenommen werden, oder durch einen Schlüssel, welcher
                              mit Gewalt in eine
                              hierzu hergestellte Oeffnung getrieben wird und der in der Verlöthung bleiben kann,
                              ohne der Reinheit des Klanges im Geringsten zu schaden.
                           Bei Glocken von bedeutendem Gewicht und beträchtlicher Dicke kann man, um die
                              Einführung des Metalls, welches die durch den Sprung getrennten Theile verbinden
                              muß, zu erleichtern, längs des Sprunges eine Reihe von Löchern bohren, welche durch
                              die Glocke im Sprung selbst gehen und einen Zwischenraum von etwa 1 Centimeter
                              (einen schwachen halben Zoll) zwischen sich lassen. Die Weite dieser Löcher ist
                              gleichgültig, beträgt aber gewöhnlich 5 bis 10 Millimeter, je nach der Dicke der
                              Glocke. Diese Löcher sind etwas conisch und werden mit Nägeln von Bronze oder bloß
                              von Messing ausgefüllt, welche ebenfalls schwach conisch sind und leicht hinein
                              gehen, auch über der Glockenfläche einige Centimeter hervorstehen, damit man sie
                              nöthigenfalls herausnehmen kann. Die so vorbereitete Glocke wird nun auf oben
                              angegebene Weise zusammengelöthet. Nachdem die Glocke so erhitzt ist, daß das Loth
                              schmilzt und in den Riß eindringt, werden die Nägel oder Stifte nacheinander
                              herausgezogen, um sich zu versichern, daß das Loth in die ganze Dicke eingedrungen
                              ist und damit man nöthigenfalls nachhelfen kann.
                           Nachdem man sich überzeugt hat, daß die Löthung eine vollkommene ist, und alle
                              Stifte, bei denen es anging, herausgezogen hat, feilt und gleicht man die stecken
                              gebliebenen Stifte ab, die den Klang der Glocke dann durchaus nicht
                              benachtheiligen.
                           Die Löthung kann alsdann mit einem Bronzefirniß überzogen werden, um sie unsichtbar
                              zu machen.
                           Statt des Spiritus hat man bei diesem Verfahren später Holzkohle zum Erhitzen der
                              Glocke angewendet.
                           
                        
                           II. Verfahren des Hrn. Fages zu
                                 Limoux.
                           Bei diesem Verfahren braucht man die Glocke nicht aus ihrem Stuhl zu nehmen, ein
                              schätzbarer Umstand, weil dieß in vielen Localitäten mit beträchtlichen
                              Schwierigkeiten verbunden ist; ferner fällt die (bei der vorhergehenden Methode
                              erforderliche) Steigerung der Temperatur auf wenigstens 400° C. weg.
                           Der Erfinder benutzt nämlich als Loth die bei 100° C. schmelzende sogenannte
                              d'Arcet'sche Legirung, welche besteht aus:
                           
                              
                                 5 Theilen
                                 Blei,
                                 
                              
                                 3      „
                                 Zinn und
                                 
                              
                                 8      „
                                 Wismuth.
                                 
                              
                           Bei Anwendung dieses Lothes braucht die Temperatur während der Operation nie über
                              115° C. gesteigert zu werden.
                           
                           Die erste Arbeit besteht darin, die Ränder des Risses mit dem Schabeisen zu reinigen
                              (anzufrischen) und dann den Riß seiner ganzen Länge nach, sowohl im Innern als
                              außerhalb, mit 1 Decimeter breiten Papierstreifen zu bekleben, welche bloß an ihren
                              Rändern mit einem aus Wasser und Dextrin bestehenden Leim überzogen sind, welcher in
                              der erforderlichen Wärme vollkommen haftend bleibt. Diese Papierbänder haben den
                              Zweck, die inneren Wände des Sprunges gegen die Berührung der Gase des Rauches beim
                              Erwärmen der Glocke zu schützen. Behufs des Erwärmens richtet man unter der Glocke
                              vier Unterlagen von Eisen oder auch von Ziegelsteinen vor, auf denen man von Blech
                              einen Herd bildet, der etwa 6 Decimeter unter der Glocke angebracht ist und auf
                              welchem man ein helles Feuer mit kleinem Holze macht. Die Flamme dieses Herdes ist
                              etwa 25 Centimeter hoch, reicht aber hin, um die Glocke nach Verlauf einer halben
                              Stunde auf 115 bis 120° C. zu erwärmen.
                           Darauf wird der Herd weggenommen, das Papier abgerissen (wobei seine aufgeklebten
                              Ränder zurückbleiben können) und nun zum Löthen geschritten, wozu man vorräthig
                              hat:
                           1) Stäbe aus obiger Legirung, von 1 Centimeter
                              Durchmesser;
                           2) Löthwasser, bestehend aus:
                           1/2 Liter mit Zink gesättigter Salzsäure,
                           1/2 Liter Wasser,
                           150 Grammen Salmiak.
                           Man reibt den vorher in Löthwasser getauchten Stab auf dem (erwärmten) Sprunge, indem
                              man von Oben beginnt; das Loth benetzt die Wände, dringt in den Sprung bis unten ein
                              und fließt aus demselben bis zum Erkalten der Legirung ab.
                           Oft hält die große Oeffnung des Sprunges das Loth nicht gehörig zurück; man muß
                              alsdann die Glocke von Neuem wärmen, wobei man die Vorsicht anwendet, auf den
                              breiten und nicht ausgefüllten Theil des Sprunges mittelst Dextrinleim dünne
                              Papierstreifen von etwa 3 Millimeter Breite aufzukleben, die man ganz mit Leim
                              überzieht und wovon man drei zunehmend breitere übereinander anbringt, um eine
                              möglichst große haftende Fläche zu erhalten. Der auf diese Weise vorbereitete Sprung
                              erhält alsdann frisches Loth, welches die bei der ersten Operation gebliebenen
                              leeren Räume ausfüllt.
                           Man hat bei Anwendung dieser Löthung nicht zu befürchten, daß kein gehöriger
                              Zusammenhang derselben stattfindet, denn die Legirung bietet beim Zerreißen einen
                              Widerstand von 3,5 Kilogr. per Quadratmillimeter Fläche
                              dar, und dieser hat sich als hinreichend erwiesen.
                           
                           Wendet man dieses Verfahren bei einem frischen Sprung an, so fällt die Reinigung der
                              Ränder mit dem Schabeisen weg.