| Titel: | Ueber das Trübwerden gewisser Gläser beim Erwärmen; von Dr. A. Vogel jun. und Dr. G. C. Reischauer. | 
| Fundstelle: | Band 152, Jahrgang 1859, Nr. XLIV., S. 181 | 
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                        XLIV.
                        Ueber das Trübwerden gewisser Gläser beim
                           Erwärmen; von Dr. A.
                              Vogel
                           jun. und Dr. G. C. Reischauer.
                        Vogel, über das Trübwerden gewisser Gläser beim
                           Erwärmen.
                        
                     
                        
                           Gewisse nicht sehr selten vorkommende Glassorten, namentlich Tafelglas, zeigen ein
                              eigenthümliches Verhalten, wenn sie längere Zeit der Einwirkung der Atmosphärilien
                              ausgesetzt sind. Die Veränderungen welche sie dadurch erleiden, sind zwar nicht
                              unmittelbar an denselben wahrzunehmen, denn die Gläser verlieren in keinerlei Weise
                              ihren völligen Glanz noch ihre Durchsichtigkeit; diese Veränderungen geben sich aber
                              in auffallender Weise kund, sobald man das Glasstück nur einer geringen Erwärmung
                              aussetzt, wodurch dessen Oberfläche sich sofort mit zahlreichen netzförmigen
                              Sprüngen bedeckt oder sich sogar in feinen Schuppen völlig abblättert; hiedurch
                              nehmen die Gläser sonach das allgemein bekannte Ansehen verwitterten alten Glases
                              an.
                           Zum Beweise, wie wenig man bei ausgezeichneten Belegstücken solchen Glases diese
                              unsichtbare Veränderung ihrer Oberfläche oft vermuthet, mag die Gelegenheit dienen,
                              bei der wir dieselbe zuerst beobachteten und die uns dann zur weiteren Verfolgung
                              des Gegenstandes veranlaßte. Wir nahmen dieselbe zuerst an einem Spiegelglase wahr,
                              das wir wegen seiner Gleichmäßigkeit und besondern Reinheit zur Herstellung
                              optischer Linsen verwendet hatten. Als wir nämlich versuchten, eine derartige Linse,
                              die auf einer Seite plan geblieben und noch mit ihrer ursprünglichen Fläche versehen
                              war, mittelst Dammarharz mit ihrer zugehörigen Flintglaslinse zusammenzukitten, so
                              reichte die geringe zum Schmelzen des Harzes erforderliche Temperaturerhöhung hin,
                              um die zuvor tadellos scheinende Spiegelfläche völlig abschiefern zu machen.
                           Beim Nachschlagen der Literatur fanden wir über diesen Gegenstand nur eine kurze
                              Mittheilung von D. E. Splitgerber in BerlinPoggendorff's Annalen der Physik, 1851, Bd. LXXXII S. 453; polytechn. Journal
                                    Bd. CXX S. 195., welcher dieses Verhalten bei einer ähnlichen Gelegenheit beobachtete und
                              dasselbe bereits aus einer Wasseraufnahme des an Alkali zu reichen oder an Kalk zu
                              armen Glases ableitete. Die geringe Aufmerksamkeit welche dieses gewiß auffallende
                              Verhalten erweckt hatte, ermunterte uns um so mehr, dessen Bedingungen näher zu
                              verfolgen.
                           
                           Wir prüften daher eine größere Menge älterer Glasscherben durch Erwärmen auf die
                              erwähnte Eigenschaft und es gelang uns auch auf solche Weise drei verschiedene
                              Glasstücke aufzufinden, die das Verhalten in ausgezeichneter Weise zeigten. Schon
                              daraus, daß wir derartige Glasstücke nur vereinzelt unter einer außerordentlichen
                              Anzahl der geprüften Glassorten fanden, wurde es höchst wahrscheinlich, daß dieses
                              Trübwerden beim Erwärmen eine Folge mangelhafter Zusammensetzung des Glases sey.
                              Somit lag der Gedanke nahe, durch analytische Ermittelung der Zusammensetzung
                              solchen Glases den Grund dieser Erscheinung aufzudecken.
                           Im Nachfolgenden theilen wir die Resultate der mit den drei Glassorten ausgeführten
                              Analysen mit.
                           Die Bestimmung der Kieselsäure, der Thonerde und des Kalkgehaltes geschah nach der
                              allgemein angewandten Methode nach dem Aufschluß mittelst kohlensauren Natronkalis.
                              Wir glaubten dabei von der Trennung und Einzelbestimmung der Thonerde und des
                              Eisens, so wie auch des nur als Spur vorhandenen Mangangehaltes absehen zu dürfen,
                              da es offenbar wenig wahrscheinlich war, daß diese so untergeordneten
                              Mischungsbestandtheile ein erklärendes Moment für die in Rede stehende Erscheinung
                              abgeben würden. Dagegen haben wir auf die Bestimmung des Alkaligehaltes besonderes
                              Augenmerk gerichtet.
                           Behufs der Alkalienbestimmung wurde das Glas durch gasförmige Flußsäure
                              aufgeschlossen, mit Schwefelsäure zur Trockne gebracht, diese wieder nach dem Lösen
                              in Salzsäure mittelst Chlorbaryum entfernt und der Ueberschuß des Fällungsmittels
                              durch kohlensaures Ammoniak und Aetzammoniak entfernt. Nach dem Abdampfen und
                              Verflüchtigen des Salmiaks wurden die Chloralkalien gewogen, nach dem Auflösen die
                              geringe Menge noch vorhandenen kohlensauren Baryts besonders bestimmt und im Filtrat
                              der Gehalt an Kali als Kaliumplatinchlorid gewogen, unter Anwendung eines möglichst
                              starken Weingeistes zur Entfernung des Natriumplatinchlorids.
                           Bei dieser Gelegenheit bemerken wir, daß wir uns bei derartigen Trennungen der
                              Alkalien einer Platinchloridlösung von bekanntem Gehalte zu bedienen pflegen, indem
                              es dann stets ein Leichtes ist, einen hinlänglichen Ueberschuß dieses
                              Fällungsmittels, abgeleitet aus der ersten Wägung der Chloralkalien,
                              hinzuzufügen.
                           Vor der Ausgangswägung fanden wir es stets nothwendig, das feingeriebene Glaspulver
                              über der Weingeistlampe bis zum beginnenden Glühen des Platintiegels zu erhitzen, um
                              die geringe etwa 0,5 Proc. betragende, während des Pulverns aufgenommene Wassermenge
                              zu entfernen. Diese Hygroskopicität des feinen Glaspulvers ist um so
                              beachtenswerther, als wir bei einer anderen Gelegenheit die dünnen Fäden des gesponnenen Glases durchaus
                              nicht hygroskopisch gefunden haben.
                           Die auf solche Weise erhaltenen Resultate stellten sich heraus wie folgt:
                           
                        
                           Nr. I. Spiegelglas, schwach
                                 bläulich.
                           1) Aufschluß mit kohlensaurem
                                 Natronkali.
                           
                              
                                 Substanz
                                 1062
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 692
                                 
                              
                                 Thonerde und
                                    Eisenoxyd                 
                                 36
                                 
                              
                                 kohlensaurer Kalk
                                 89
                                 
                              
                           2) Aufschluß mit gasförmiger
                                 Flußsäure.
                           
                              
                                 Substanz
                                 1000
                                 
                              
                                 Chloralkalien
                                 395
                                 
                              
                                 unlöslicher Rückstand (BaO,
                                    CO²)      
                                 8
                                 
                              
                                 d.h. Chloralkalien, rein
                                 387
                                 
                              
                                 Kaliumplatinchlorid
                                 1119
                                 
                              
                                 Chloralkalien-NachtragDer in der Abdampfschale eingetrocknete
                                          salmiakhaltige Rückstand wurde zuerst losgetrennt und für sich
                                          erhitzt; was dabei in der Schale haften geblieben, ward in einer
                                          besonderen Operation in der Platinschale eingedampft und nach dem
                                          Wägen als Chloralkalien-Nachtrag
                                          verzeichnet.
                                 13
                                 
                              
                           Aus diesen Daten leitet sich nun die procentige Zusammensetzung der vorliegenden
                              Glassorte ab wie folgt:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 65,16
                                 
                              
                                 Thonerde und Eisenoxyd
                                 3,39
                                 
                              
                                 Kalkerde
                                 4,69
                                 
                              
                                 Kali
                                 22,31
                                 
                              
                                 Natron
                                 2,47
                                 
                              
                                 Spuren von Magnesia und
                                    Mangan      
                                 –    
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 98,02
                                 
                              
                           Diese Glassorte ist also fast als reines Kaliglas zu betrachten; beachtenswerth ist
                              auch der auffallend niedrige Kalkgehalt.
                           Die zweite, von uns untersuchte Glassorte war ein ungeschliffenes Fensterglas; es
                              zeigte das Verhalten der Trübung beim Erwärmen in so auffallender Weise, daß es
                              schon beim Verweilen auf dem Ofen behufs des Abtrocknens an einigen Stellen völlig
                              abblätterte.
                           Die analytischen Daten ergaben sich bei dieser Glassorte wie folgt:
                           
                        
                           Nr. II. Fensterglas,
                                 ungeschliffen.
                           1) Aufschluß mit kohlensaurem
                                 Natronkali.
                           
                              
                                 Substanz
                                 1004
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 643
                                 
                              
                                 Thonerde und Spuren von
                                    Eisen           
                                 17
                                 
                              
                                 kohlensaurer Kalk
                                 140
                                 
                              
                           
                           2) Aufschluß mit gasförmiger
                                 Flußsäure.
                           
                              
                                 Substanz
                                 1007
                                 
                              
                                 Chloralkalien
                                 402
                                 
                              
                                 Kaliumplatinchlorid
                                 1025
                                 
                              
                                 Chloralkalien-Nachtrag                          
                                 16
                                 
                              
                           Hieraus leitet sich nun die Zusammensetzung dieser Glassorte in 100 Theilen ab wie
                              folgt:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 64,04
                                 
                              
                                 Thonerde und Spuren von Eisen
                                 1,69
                                 
                              
                                 Kalkerde
                                 7,60
                                 
                              
                                 Kali
                                 20,64
                                 
                              
                                 Natron
                                 4,94
                                 
                              
                                 Spuren von Magnesia und
                                    Mangan      
                                 –  
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 99,11
                                 
                              
                           Also auch diese Glassorte mußte als nahezu natronfreies Kaliglas angesprochen werden.
                              Dagegen war ihr Kalkgehalt ohne Vergleich beträchtlicher als in dem ersten
                              Belegstücke.
                           Die dritte Probe derartigen Glases war bereits auf der einen Seite milchig gefleckt,
                              offenbar in Folge einer beginnenden sichtbaren Verwitterung; übrigens war das Glas
                              vollkommen hell und klar und zeigte beim Erwärmen das Abblättern auf der ganzen
                              Fläche in ausgezeichneter Weise. Die Analyse ergab folgende Zusammensetzung:
                           
                        
                           Nr. III. Fensterglas,
                                 fleckig.
                           1) Aufschluß mit kohlensaurem
                                 Natronkali.
                           
                              
                                 Substanz
                                 969
                                 
                              
                                 Kieselerde
                                 642
                                 
                              
                                 Thonerde und Spur von Eisen
                                                
                                 30
                                 
                              
                                 kohlensaurer Kalk
                                 90
                                 
                              
                           2) Aufschluß mit gasförmiger
                                 Flußsäure.
                           
                              
                                 Substanz
                                 1002
                                 
                              
                                 Chloralkalien, roh
                                 405
                                 
                              
                                 unlöslicher Rückstand (BaO,
                                    CO²)      
                                 9
                                 
                              
                                 342 Chloralkalien lieferten:
                                 
                                 
                              
                                 Kaliumplatinchlorid
                                 828
                                 
                              
                                 Chloralkalien-Nachtrag
                                 8
                                 
                              
                           Hieraus leitet sich die procentige Zusammensetzung ab wie folgt:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 66,47
                                 
                              
                                 Thonerde und Spuren von
                                    Eisen        
                                 3,10
                                 
                              
                                 Kalkerde
                                 5,60
                                 
                              
                                 Kali
                                 18,79
                                 
                              
                                 Natron
                                 5,61
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 99,57
                                 
                              
                           
                           Diese Glassorte zeigt demnach ebenfalls einen vorherrschenden Kaligehalt.
                           Zufolge dieser Daten glauben wir nun das erwähnte eigenthümliche Verhalten des
                              Glases, sich beim Erwärmen zu trüben, dem beträchtlichen Kaligehalte zuschreiben zu
                              müssen, um so mehr, da wir dieses Verhalten bei anderen analysirten Glassorten mit
                              vorherrschendem Natrongehalte nicht wahrgenommen haben.
                           Es ist allerdings möglich, daß jede Glasart in Folge der Einwirkung der Wärme
                              zunächst eine Veränderung erleidet, die nicht durch das Auge wahrgenommen werden
                              kann, und erst eine weiter fortgeschrittene Verwitterung der Oberfläche derselben
                              ein Erblinden oder Abblättern zur Folge hat. Die große Verbreitung des Natronglases
                              hätte es jedoch dann wahrscheinlich gemacht, daß wir unter der äußerst großen Anzahl
                              von uns geprüfter Gläser dieß Verhalten auch an einem Natronglase hätten beobachten
                              müssen; sämmtliche drei Proben, an denen sich das Verhalten so auffallend zeigte,
                              ergaben sich aber durch die Analyse als Kaligläser. Auch stimmt mit dieser Annahme
                              der Ausspruch erfahrener Hüttenarbeiter überein, welchen dieses Verhalten der Gläser
                              als ein nicht seltenes Vorkommen sehr wohl bekannt ist; sie belegen dergleichen
                              Gläser einfach mit der Bezeichnung „böhmische Gläser“, die nach
                              ihrer Zusammensetzung ja auch als Kaligläser betrachtet werden müssen. Vielleicht
                              könnte man aber auch versucht seyn, das Auftreten dieser Erscheinung, vorzüglich an
                              Kaligläsern, mit der Erfahrung der Geologen in Beziehung zu bringen, wonach
                              kalihaltige Granite gleichfalls der Verwitterung leichter unterliegen sollen, als
                              solche, in denen Natronfeldspath vorwiegend ist.
                           Ueber die Zeitdauer, welche erforderlich ist, diese Veränderung an der Oberfläche des
                              Glases zu verursachen, war es natürlich unmöglich auf dem Wege, wie wir unsere
                              Belegstücke beschaffen mußten, eine Muthmaßung zu gewinnen. Dagegen möchten wir noch
                              einige Bemerkungen über die Natur dieser Veränderung beibringen.
                           Schon Splitgerber hatte gefunden, daß das Glasstück,
                              welches er untersuchte, beim Trübwerden eine geringe Menge Wassers abgab. Wir fanden
                              diese Angabe vollkommen bestätigt und waren sogar im Stande, da uns größere Mengen
                              Materials zu Gebote standen, einige quantitative Bestimmungen über diesen
                              Wassergehalt vorzunehmen; ihn zufolge kann es keinem Zweifel unterliegen, daß eine
                              sehr durchgreifende Hydration an der nicht sichtbar veränderten Glasoberfläche
                              stattgefunden hatte.
                           Als Beleg dafür wählen wir die unter Nr. III in den Analysen aufgeführte Glassorte.
                              In einem kleinen langhalsigen Glaskolben wurden schmale Streifen des Glases, deren
                              Oberfläche zusammen 691 Quadrat-Millimeter betrug, über der Weingeistlampe
                              behutsam zum Glühen erhitzt, wobei sich der Wassergehalt in Tropfen im Halse des
                              Kolbens verdichtete. Nach dem völligen Verjagen des Wassers und dem Aussaugen des
                              Wasserdampfes aus dem Kolben ergaben die Gewichtsabnahmen den Wasserverlust zu 8
                              Milligrammen. Die Glasstückchen wurden nun vorsichtig von den losgelösten
                              perlmutterartig glänzenden Schuppen befreit und darauf abermals gewogen. Da ihr
                              ursprüngliches Gewicht bekannt war, so mußte sich aus der Differenz dasjenige der
                              losgelösten Blättchen ergeben. Dasselbe betrug 58 Milligramme, woraus hervorgeht,
                              wie beträchtlich der Wassergehalt in dem Silicate der veränderten Oberfläche war.
                              Der Wassergehalt desselben ergibt sich hiernach nicht geringer als zu 12,11 Proc.
                              und diese bedeutende Wasseraufnahme bewirkte im Ansehen des Glases noch keine
                              Veränderung. Durch die Beobachtung dieser großen Wasseraufnahme dürften indeß
                              ähnliche Veränderungen am Glase, wie z.B. die violette Färbung manganhaltiger Gläser
                              durchs Sonnenlicht und deren Entfärbung beim Erwärmen, weniger auffallend
                              erscheinen.
                           Als Curiosum haben wir noch aus den oben mitgetheilten Wägungen die Wassermenge
                              abgeleitet, welche auf solche Weise etwa eine Fensterscheibe von dieser Glassorte,
                              unsichtbar verdichtet, zu enthalten vermochte. Nimmt man dabei eine mittlere Größe
                              derselben von ungefähr 40 Quadratcentimetern an, so erhält man für die an ihrer
                              Oberfläche aufgenommene Wassermenge 1,852 Gr., also immerhin eine nicht unbedeutende
                              Quantität.
                           Noch ist Einiges beizufügen über den Temperaturgrad, welcher nöthig ist, um die
                              Veränderung durch das Trübwerden des Glases zur sichtbaren Erscheinung zu bringen.
                              Derselbe war nicht bei allen Belegstücken gleich; in Nr. III fand die Veränderung
                              schon beim Erhitzen im Wasserbade in auffallender Weise statt. Hieraus dürfte sich
                              aber namentlich eine Erklärung ergeben, warum gerade die der Mittagssonne
                              ausgesetzten Fensterscheiben dem Erblinden so vorzugsweise ausgesetzt sind. Die
                              Wirkung der Sonnenstrahlen wird dabei hauptsächlich wohl nur darin bestehen, daß sie
                              die Trübung in Folge von Sprüngen und Abschuppungen an dem Glase durch das Erwärmen
                              zur Erscheinung bringen, ähnlich wie sie im zuletzt beschriebenen Versuche durch die
                              Temperatur des Wasserbades erfolgte. Unzweifelhaft werden auch andere
                              Fensterscheiben desselben Hauses, die der Sonne nicht so direct ausgesetzt sind,
                              dieselbe Veränderung durch die Atmosphärilien erlitten haben, aber wegen mangelnder
                              Erwärmung wird die gebildete wasserhaltige Schicht hier nicht bis zum sichtbaren
                              Ablösen und Trüben kommen, oder die Trübung wird erst vielleicht nach ungleich
                              längerer Zeit endlich auch bei gewöhnlicher Temperatur sichtbar werden. Jenes Ablösen des neu
                              gebildeten wasserhaltigen Silicats an der Oberfläche in Gestalt feiner Schuppen hat
                              indeß für die Beurtheilung der Veränderung des Glases durch atmosphärische Einflüsse
                              eine besondere Wichtigkeit. Der Vorgang ist nicht so, wie man ihn gewöhnlich sich
                              vorstellt, daß das fortwährend dadurch gebildete Product durch Abfallen in
                              unveränderter Zusammensetzung wieder entfernt wird, einer einfachen Loslösung des
                              Glases an der Oberfläche ähnlich, wobei das gebildete Product gerade so entfernt
                              würde, als hätte eine einfache Abwaschung stattgefunden. Nach unsern gegenwärtigen
                              Mittheilungen geht vielmehr dem Trübwerden eine wirkliche Pseudomorphose der
                              Glasoberfläche voran, wobei die Structur derselben durchaus nicht wahrnehmbar
                              geändert wird und daher selbst die völlige Durchsichtigkeit bleibt.
                           Als eine Eigenthümlichkeit ist noch anzuführen, daß wir das beim Glühen der Glassorte
                              Nr. III erhaltene Wasser in wiederholten Versuchen mit einer deutlichen, wenn auch
                              schwach alkalischen Reaction behaftet fanden. Dieser Umstand erinnert unwillkürlich
                              an das raschere Erblinden der Fensterscheiben in Stallungen, was man hiernach
                              allerdings mit dem Ammoniakgehalt der Luft in solchen Räumen in Beziehung zu bringen
                              versucht seyn möchte. Immerhin aber mag die höhere Temperatur dieser Räume auch
                              einen Einfluß auf das Zustandekommen des Erblindens der Scheiben haben. Auch war
                              beim Glühen des unter Nr. III aufgeführten Belegstückes im Kölbchen ein schwacher
                              brenzlicher Geruch unbestreitbar wahrzunehmen, so daß es hiernach wirklich scheint,
                              als könnten sich mit dem Eindringen der atmosphärischen Feuchtigkeit in die dichte
                              Glasoberfläche gelegentlich selbst geringe Mengen organischer Körper mit
                              einschleichen. Uebrigens darf nicht übersehen werden, daß diese unter Nr. III
                              aufgeführte Glassorte allerdings schon dem Sichtbarwerden ihrer mehr durchgreifenden
                              Veränderung sehr nahe stand und es mit ihrer vollkommenen Durchsichtigkeit, wie die
                              einzelnen matten Flecken beweisen, bereits nahe zu Ende ging.
                           Zum Schlusse sind noch einige Beobachtungen in Bezug auf das willkürliche Hervorrufen
                              dieser Veränderung in der Glasoberfläche durch Anwendung chemischer Agentien zu
                              erwähnen. Das Glas, an welchem wir zuerst diese Erscheinung beobachteten, und das in
                              Nr. I unter den Analysen aufgeführt ist, hatte zu einem andern Zweck längere Zeit in
                              einer Lösung von salpetersaurem Zinkoxyd gelegen; wir mußten daher auf den Gedanken
                              kommen, ob nicht vielleicht durch diese Behandlung die Umsetzung in der Oberfläche
                              veranlaßt war. Als wir nun eine größere Anzahl verschiedenartiger Glasstücke einige
                              Zeit der Einwirkung einer concentrirten Lösung von salpetersaurem Zinkoxyd unter
                              Erwärmen ausgesetzt hatten, so bestätigte sich unsere Vermuthung auch wirklich in so weit, als dadurch
                              einzelne Glasproben gleichfalls die Eigenschaft erlangt hatten, beim Erwärmen ein
                              völlig ähnliches Abblättern und Erblinden der Oberfläche wahrnehmen zu lassen. Wir
                              besitzen als Belege zwei solche aus ein und demselben Glasstücke geschnittene
                              Scheibchen, von denen das eine, nachdem es mehrere Tage lang mit der Zinklösung
                              erwärmt worden, nach dem völligen Reinigen bei stärkerem Erhitzen erblindete,
                              während das andere, nicht der Einwirkung des Zinksalzes ausgesetzte, weder
                              Durchsichtigkeit noch Glanz einbüßt, auch wenn es bis zu einer Temperatur erhitzt
                              wird, wobei sich bereits die Maschen des als Unterlage dienenden Drahtnetzes
                              abdrückten. Uebrigens ist diese Einwirkung nicht dem Zinke specifisch eigen, sondern
                              auch andere Salze, z.B. salpetersaures Silberoxyd etc., zeigen einen ähnlichen
                              Einfluß. Wir wollen noch hervorheben, daß diese letzteren Glasproben nicht etwa
                              schon einer partiellen Voreinwirkung der Atmosphärilien bedurft hatten; denn
                              dieselben zeigten das Abblättern und Erblinden auch auf den frischen Bruchflächen in
                              gleich auffallendem Grade. Die Veränderung konnte also lediglich durch die
                              Einwirkung des Zinksalzes hervorgerufen werden. Man erkennt indeß leicht daß der
                              Vorgang bei dieser Behandlung nicht wesentlich von dem durch die Einwirkung der
                              Atmosphärilien bedingten verschieden seyn könne; er vollendet sich nur in ungleich
                              kürzerer Zeit, so daß wir dadurch in den Stand gesetzt sind, an einem dazu
                              qualificirten Glase den veränderten Zustand willkürlich durch das Experiment
                              hervorzurufen.
                           Als eine technische Anwendung ergibt sich in dem Einfluß der Zinksalzlösung ein
                              Mittel, solche Glassorten, die überhaupt alsbald dem Erblinden ausgesetzt seyn
                              werden, zu entdecken. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß ein solches fehlerhaftes
                              Glas der Einwirkung der Zinksalzlösung nicht widerstehen werde, wogegen ein
                              haltbareres Glas sich durch seine Unveränderlichkeit in derselben kund geben wird.
                              Jedenfalls sollte man es nicht unterlassen, bei Glasankäufen im Großen einige Stücke
                              des Glases zuvor mittelst Zinksalzlösung auf seine Dauerhaftigkeit zu prüfen.
                           Als Resultat unserer hier mitgetheilten Versuche ergeben sich folgende
                              Hauptpunkte:
                           1) Die von uns untersuchten Gläser, welche die Erscheinung des Trübwerdens beim
                              Erwärmen in ausgezeichneter Weise zeigten, erwiesen sich als Gläser mit bedeutend
                              vorwiegendem Kaligehalt und geringem Natron- und Kalkgehalte.
                           2) Die unsichtbare Veränderung an der Glasoberfläche ist begleitet von einer gegen 12
                              Proc. betragenden Wasseraufnahme.
                           
                           3) Bei manchen Gläsern tritt die Trübung schon beim Kochpunkt des Wassers ein.
                           4) In der Lösung des salpetersauren Zinkoxydes und gewisser anderer Salze besitzen
                              wir ein Mittel, um solche Gläser, die überhaupt dem Erblinden ausgesetzt seyn
                              werden, zu entdecken, d.h. sie auf ihre Dauerhaftigkeit zu prüfen.