| Titel: | Ueber die Darstellung des Murexids im Großen; von G. Jac. Braun, praktischem Chemiker in Prag. | 
| Autor: | G. Jac. Braun | 
| Fundstelle: | Band 152, Jahrgang 1859, Nr. XLVII., S. 193 | 
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                        XLVII.
                        Ueber die Darstellung des Murexids im Großen; von
                           G. Jac. Braun,
                           praktischem Chemiker in Prag.
                        Braun, über die Darstellung des Murexids im Großen.
                        
                     
                        
                           Obgleich gegenwärtig die Verwendung dieses so schönen Farbstoffs sich bedeutend
                              verringert hat, während im Herbst und Winter von 1857 auf 1858 beinahe unglaublich
                              große Massen von demselben erzeugt und verbraucht wurden, so ist damit wohl noch
                              nicht entschieden daß dieser Körper seinen praktischen Werth verloren hat; lehrt uns
                              doch die Geschichte, daß die erste industrielle Anwendung eines chemischen Productes
                              selten die vollkommenste gewesen ist.
                           Bei der Anwendung des Murexids zum Färben und Drucken der Zeuge hat die Industrie
                              wieder einen Beweis ihrer großen Leistungsfähigkeit geliefert, indem ein bisher
                              seltenes und schwer herzustellendes Präparat centnerweise zu billigem Preise den
                              Zeugdruckereien dargeboten wurde.
                           Ich veröffentliche hiemit meines Wissens die ersten im Großen erprobten Anleitungen
                              zur fabrikmäßigen Darstellung des Murexids.
                           
                           Man kann das Murexid geradezu aus dem Guano darstellen und zwar derart, daß man nicht
                              vorerst die Harnsäure zu isoliren hat; oder es geschieht letzteres, und dann ist
                              auch das Verfahren zur Murexidbereitung ein abgeändertes. Die erstere Art der
                              Murexid-Fabrication ist mit manchen lästigen Operationen verknüpft, daher ich
                              stets vorgezogen habe, vorerst Harnsäure zu bereiten und aus dieser das Murexid zu
                              gewinnen; ich will jedoch ersteres Verfahren eben so genau als das letztere
                              beschreiben.
                           
                        
                           I. Darstellung des Murexids aus dem
                                 Guano.
                           Die Auswahl eines guten Guanos ist bezüglich der Gestehungskosten des Murexids die
                              Hauptsache; man wähle aus einem Lager die besten Säcke, nämlich die lichteste Sorte
                              aus, da diese am meisten harnsaures Ammoniak enthält. Ich habe den Gehalt des Guanos
                              an diesem Salze stets schwankend gefunden und vermochte niemals eine gleichartige
                              Waare zu erhalten, was auch in der Natur der Ablagerungen des Guanos begründet ist,
                              da eine gleichmäßige Mischung am Orte der Verschiffung nicht vorgenommen wird.
                           Im ächten peruanischen Guano habe ich nie unter 5 Proc., aber auch nicht über 15
                              Proc. Harnsäure gefunden. Die Angabe einiger Lehrbücher, daß nur 1 bis 2 Proc.
                              Harnsäure aus dem Guano zu gewinnen sind, beruht auf der Mangelhaftigkeit der
                              bisherigen Darstellungsweise der Harnsäure.
                           Wollte man auf die zu beschreibende Weise im Großen regelmäßig fortarbeiten, so müßte
                              man eine große Quantität Guano zusammenmischen, um ein gleichartiges Rohmaterial zu
                              erzielen, für welches die ermittelten Gewichtsverhältnisse der einwirkenden Körper
                              passen.
                           Vorerst wird der Guano mit Salzsäure behandelt, um das kohlensaure und oxalsaure
                              Ammoniak zu lösen, den kohlensauren und phosphorsauren Kalk und die phosphorsaure
                              Ammoniak-Bittererde zu zerlegen und in Lösung zu bringen, und außerdem die
                              Harnsäure von ihren Alkalien, namentlich vom Ammoniak zu trennen. Am besten
                              bewerkstelligt man diese Behandlung in einem mit Feuerung versehenen Bleikessel; in
                              demselben wird Salzsäure von 12° Baumé erhitzt und sodann ein ihr
                              gleiches Gewicht Guano (dessen größere Stücke vorher zerkleinert wurden) langsam
                              eingetragen. Das eintretende Schäumen könnte bei raschem Eintragen des Guanos ein
                              Uebersteigen veranlassen, welches man durch regelmäßiges Einschütten des Guanos
                              vermeidet.
                           Hierauf koche man das Gemenge 1 Stunde lang und entleere es sodann in hölzerne
                              Standgefäße, worin es durch Decantiren mit Wasser gewaschen wird; diese
                              Abwässerung wiederhole man so lange, bis alle löslichen Salztheile aus dem Sedimente
                              entfernt worden sind.
                           Die hier gewonnenen stärkeren Salzwasser können gelegentlich zur Ammoniakfabrication
                              oder als Dungsalz verwerthet werden.
                           Der abgesäuerte und abgewässerte Guano wird auf großen Filtern abfiltrirt und dadurch
                              weiter vom Wasser getrennt. Das so erhaltene Product enthält 42 bis 45 Proc.
                              trockene Substanz; 100 Pfd. Guano liefern in der Regel 30 Pfd. von diesem trockenen
                              Körper. Diese Ausbeute variirt sehr wenig, obgleich das Product mehr oder weniger
                              Harnsäure enthält.
                           In diesem Product befindet sich alle Harnsäure des Guanos, vermengt mit Sand, Thon,
                              Gyps, organischen Resten und Extractivstoffen; auch das Guanin des Guanos ist noch
                              zum Theil darin vorhanden, ein Theil desselben ist jedoch durch die Behandlung mit
                              Salzsäure schon ausgezogen worden.
                           R. A. Brooman benutzt nach seinem Patent vom 6. Mai
                              1856Polytechn. Journal Bd. CXLIV S.
                                       68. diese von ihm sobenannte unreine trockene Harnsäure zur Darstellung des
                              Murexids, indem er solche vorerst mit Salpetersäure von 1,41 specifisch. Gew.
                              behandelt und dann wie bekannt weiter verfährt. Es ist indeß mir und vielen Anderen
                              nie gelungen, nach seiner Beschreibung zum Ziele zu kommen; vorzüglich war der
                              voluminöse Körper, mit verhältnißmäßig so wenig Harnsäure, hinderlich um die starke
                              Salpetersäure ohne Gefahr des Mißlingens und ohne zu große Kosten einwirken zu
                              lassen, und noch viel schwieriger war die vorgeschriebene Verdampfung der filtrirten
                              Lösungen.
                           Durch meine im Sommer 1857 angestellten Versuche fand ich, daß man einen ganz andern
                              Weg einschlagen muß, um sichere, folglich gleichförmige Resultate zu erzielen, und
                              daß jedenfalls die Erzeugung von Alloxan vorausgehen muß, um dieses in Alloxantin
                              und letzteres in Murexid überzuführen.
                           Brooman's Reinigung des Guanos
                              mit Salzsäure hat aber unstreitig einen großen Werth, besonders auch zur Gewinnung
                              der Harnsäure, auf welche ich unten zurückkomme.
                           Um eine Alloxanlösung aus dem mit Salzsäure gereinigten
                              Guano zu erhalten, verfahre ich folgendermaßen:
                           In einer thönernen Schüssel werden 5 Pfd. von dem auf angegebene Weise mit Salzsäure
                              gereinigten, abfiltrirten und also noch feuchten Guano mit 1 1/2 Pfd. Salzsäure von
                              24° Baumé bis auf 40° Reaumur erwärmt, dann vom Feuer entfernt und
                              hierauf nach und nach unter beständigem Umrühren mit 6 Unzen Salpetersäure von
                              40° Baumé versetzt, indem man beachtet daß die Temperatur nicht über
                              50° steigt, aber auch nicht unter 35° R. sinkt. Peruanischer Guano von
                              mittlerer Qualität, welcher 8 Proc. Harnsäure enthält, erfordert die angegebene
                              Menge von Salpetersäure; je nach seinem größeren oder geringeren Gehalt an Harnsäure
                              ändert sich das Mengenverhältniß des Oxydationsmittels.Ich habe die Ueberführung der im gereinigten Guano enthaltenen Harnsäure in
                                    Alloxan auch mittelst chlorsauren Kalis bewerkstelligt, dieses Verfahren
                                    aber wegen seiner größeren Kosten nicht im Großen angewendet. 12 Pfd.
                                    feuchter gereinigter Guano, welche 5 Pfd. trockene Substanz und darin 2 Pfd.
                                    Harnsäure enthielten, wurden nämlich mit 4 Pfd. Salzsäure gemischt und auf
                                    40 bis 45° R. erwärmt, dann nach und nach 13 Loth fein gepulvertes
                                    chlorsaures Kali eingetragen, fleißig gerührt und die Temperatur beobachtet,
                                    welche nicht höher als bis 48° R. steigen durfte. Aus diesen
                                    Quantitäten wurden 24 Loth Alloxantin gewonnen, welche 30 bis 32 Loth
                                    Murexid lieferten.
                              
                           Das gewonnene alloxanhaltige Gemisch wird mit seinem gleichen Volum Wasser verdünnt,
                              abfiltrirt, dann noch zweimal gewässert und filtrirt. Alle Lösungen werden
                              gesammelt, vereinigt und aus denselben wird mit einer gesättigten Auflösung von
                              Zinnchlorür das Alloxan als Alloxantin gefällt.
                           Diese Ausscheidung geschieht sehr leicht, und man kann sich auch leicht überzeugen
                              wie lange man Zinnchlorür zuzufügen hat. Wenn man nämlich von der behandelten
                              Flüssigkeit die klare Lösung mit etwas Zinnchlorür versetzt und selbst nach einigen
                              Minuten kein neuer Niederschlag erfolgt, so ist alles Alloxan in Alloxantin
                              umgewandelt und dieses wegen seiner Schwerlöslichkeit ausgefällt. Einen Ueberschuß
                              von Zinnchlorür hat man zu vermeiden, weil dasselbe dann auch mit anderen
                              vorkommenden organischen Körpern einen, obgleich nur schwachen Niederschlag
                              bildet.
                           Nachdem sich der Niederschlag, was bald geschehen ist, in der Ruhe abgesetzt hat,
                              wird die überstehende braune Flüssigkeit abgezogen und das Alloxantin mit Wasser
                              ausgesüßt, welches mit Salzsäure angesäuert wurde, um eine Zersetzung des Zinnsalzes
                              zu vermeiden.
                           Das so erhaltene Alloxantin wird filtrirt, getrocknet und höchst fein zerrieben,
                              sodann warmen Ammoniakdämpfen ausgesetzt und dadurch reines Murexid erzeugt.
                           Am zweckmäßigsten nimmt man die Behandlung mit Ammoniak in einer eisernen Sandkapelle
                              vor, auf welcher ein cylindrischer Aufsatz von Weißblech angebracht wird, dessen
                              Boden in einer Siebfläche besteht, auf welcher feine Leinwand ausgebreitet und auf
                              dieser das fein gepulverte Alloxantin aufgelegt wird. In der Sandkapelle wird das
                              Ammoniak aus schwefelsaurem Ammoniak und Kalkhydrat entwickelt.
                           
                           Das Alloxantin muß auf die Leinwand locker und nicht in zu hoher Schicht gelegt
                              werden, und der Blechaufsatz wird offen erhalten, um den sich bildenden
                              Wasserdämpfen freien Ausgang zu gewähren, damit sich das Präparat nicht in Folge
                              darin verbreiteter Feuchtigkeit zusammenballt, wodurch die gehörige Einwirkung des
                              Ammoniaks verhindert würde.
                           Sollte aus irgend einem Grunde die Einwirkung des Ammoniaks keine vollständige
                              gewesen seyn, so müßte man das erhaltene Murexid pulverisiren und nochmals mit
                              Ammoniak behandeln. Ein Ueberschuß von Ammoniak bringt nicht nur keinen Nachtheil,
                              sondern ist sogar zu empfehlen.
                           
                        
                           II. Darstellung der Harnsäure aus dem
                                 Guano.
                           Brooman's Behandlung des
                              Guanos mit Salzsäure ist sehr zweckmäßig zur Vorbereitung desselben für die
                              Harnsäure-Fabrication, weil dabei nicht nur alle Theile des Rohstoffes
                              nutzbringend bleiben, sondern auch die Gewinnung der Harnsäure sehr erleichtert
                              wird. Aus dem ausgewaschenen Rückstand des mit Salzsäure behandelten Guanos ziehe
                              ich durch eine schwache Aetznatronlauge bei Siedhitze die Harnsäure aus, fälle dann
                              einen großen Theil des Extractivstoffes mit Aetzkalk und präcipitire hernach aus der
                              klaren Abkochung die Harnsäure mittelst Salzsäure. Ich will nun mein Verfahren
                              speciell beschreiben.
                           In einen kupfernen Kessel von acht (Wiener) Eimer Inhalt gebe ich die durch
                              Behandlung von 200 Pfd. Guano mit Salzsäure und Auswaschen des Rückstandes erhaltene
                              Masse nebst 6 Eimer Wasser und 8 Pfd. caustischem Natron; dieses Gemenge erhitze ich
                              unter gutem Umrühren zum Sieden und erhalte es darin eine Stunde lang; dann setze
                              ich Kalkbrei von 2 bis 3 Pfd. Aetzkalk hinzu, rühre gut um, lasse noch eine
                              Viertelstunde lang sieden, entferne hierauf das Feuer und lasse die Flüssigkeit im
                              Kessel durch Ruhe sich abklären. Nach drei bis vier Stunden hat sich die Flüssigkeit
                              hinreichend geklärt, so daß man sie aus dem Kessel mittelst eines Hebers in ein
                              daneben stehendes Standgefäß abziehen kann, worin man, während die Flüssigkeit noch
                              ganz warm ist, die Harnsäure mittelst Salzsäure ausfällt, von welcher man einen
                              kleinen Ueberschuß zusetzt. Bei dieser Ausfüllung in der Wärme erlangt die Harnsäure
                              eine festere Consistenz, setzt sich daher leichter aus der Flüssigkeit ab, und läßt
                              sich gut waschen und filtriren. Nach dem Filtriren trocknet man dieselbe in warmer
                              Luft.
                           Bemerkenswerth ist bei diesem Verfahren der Umstand, daß ich den Kalk erst nach der
                              Einwirkung des caustischen Natrons anwende, während man bisher beide Alkalien
                              zugleich einwirken ließNämlich nach dem Verfahren von Dr. A. Bensch (Annalen der Chemie und Pharmacie, 1846,
                                    Bd. LVIII S. 266). Derselbe schrieb vor, den Guano mit Potasche, gelöschtem
                                    Kalk und einer hinreichenden Menge Wasser einige Stunden lang zu kochen, die
                                    durch einen Spitzbeutel colirte Lauge so weit einzudampfen, daß sie zu einem
                                    dicken Brei gesteht, diesen zwischen Leinen auszupressen, den Rückstand in
                                    Wasser zu vertheilen und durch Salzsäure zu zersetzen. Die so erhaltene rohe
                                    Harnsäure wascht er mit Wasser aus, löst sie in schwacher Kalilauge, dampft
                                    die Lösung ab, bis sie zu einem Brei gesteht, den er noch heiß im Preßbeutel
                                    stark auspreßt, kocht das so erhaltene harnsaure Kali unter beständigem
                                    Umrühren mit der doppelten Wassermenge, und preßt schnell aus, wiederholt
                                    dieses Kochen und Pressen drei- bis viermal oder öfter, bis eine
                                    Probe des Rückstands mit Salzsäure völlig weiße Harnsäure liefert, löst
                                    endlich das ganz weiße harnsaure Kali in heißem, Kali haltenden Wasser, und
                                    gießt die klare Lösung in überschüssige Salzsäure. Aus 100 Pfund Guano
                                    erhielt Bensch auf diese Weise nur 2 1/2 Pfund
                                    reine Harnsäure. A. d. Red.; im letzteren Falle bildet sich nämlich stets auch harnsaurer Kalk, der eine
                              bedeutende Menge Wasser zur Lösung erfordert, so daß man im Großen mit riesigen
                              Quantitäten von Lösungen zu arbeiten genöthigt wäre; bei meiner Methode wird
                              hingegen nur leicht lösliches harnsaures Natron gebildet, und der Aetzkalk, welcher
                              einen großen Theil der Extractivstoffe bindet, dient nur zur Klärung, zu welchem
                              Zweck, und um die Bildung von harnsaurem Kalk zu vermeiden, ich denselben auch nur
                              in einem dem Ueberschuß von Aetznatron äquivalenten Verhältniß anwende.
                           Nachdem der Kessel von seinem geklärten Inhalt entleert ist, wird auf den
                              verbliebenen Rückstand eben so viel Wasser wie vorher eingelassen, dann 5 bis 6 Pfd.
                              Aetznatron zugesetzt und nochmals wie früher vorgegangen, mit dem Unterschiebe, daß
                              zum Klären nur 1 bis 2 Pfund Kalkhydrat angewendet werden.
                           Nach diesem zweiten Abkochen ist der Guano in den meisten Fällen seiner Harnsäure
                              beraubt; nur bei sehr guten Sorten hat man ein drittes Abkochen mit noch weniger
                              Aetznatron und Kalk vorzunehmen.
                           Der nach dem wiederholten Abkochen im Kessel verbleibende Rückstand bildet nach dem
                              Abtrocknen ein gutes Düngmittel.
                           Die so gewonnene Harnsäure verwende ich stets ohne weitere Reinigung zur
                              Murexid-Fabrication; sie ist gelb, also nicht ganz rein. Zur Darstellung von
                              Murexid für die Zwecke der Färberei ist eine Harnsäure, welche noch 3 bis 5 Proc.
                              Extractivstoffe enthält, ganz brauchbar, da durch die vorzunehmende Oxydation
                              mittelst Salpetersäure diese fremden Stoffe zerstört werden und dann aus dem
                              gebildeten Murexid durch Wasser ausgezogen werden können.
                           
                        
                           
                           III. Darstellung des Murexids mittelst
                                 der Harnsäure.
                           Wie aus den Lehrbüchern der Chemie bekannt ist, wird die Harnsäure durch die
                              Salpetersäure jedesmal vorerst in Alloxan umgewandelt. Das Verhältniß zwischen
                              Harnsäure und Salpetersäure, welches zu dieser Umwandlung erforderlich ist, mußte
                              ich erst ermitteln; nach mehreren Versuchen blieb ich bei folgendem Verfahren
                              stehen.
                           In 2 1/2 Pfd. Salpetersäure von 36° Baumé werden
                              nach und nach
                               1 3/4 Pfd. Harnsäure
                              eingetragen, wobei man in nachstehender Weise verfahren muß.
                           Man gießt die Salpetersäure in eine hohe thönerne Schüssel, welche man mit ihrem
                              Inhalt in ein Gefäß mit kaltem Wasser stellt, so daß sie auf letzterm schwimmt;
                              dabei trifft man Vorsorge, das erwärmte Wasser durch frisches ersetzen zu können.
                              Nun trägt man die Harnsäure nach und nach in kleinen Portionen in die Salpetersäure
                              ein; mehr als 2 Loth darf man auf einmal nicht hineinschütten, weil sonst in Folge
                              der Reaction eine zu große Erwärmung stattfinden und dadurch ein Theil des
                              gebildeten Alloxans in Producte zersetzt würde, welche kein Murexid bilden können,
                              somit die zur Erzeugung dieses Alloxans verwendete Harnsäure rein verloren wäre.
                           Man vertheile die Harnsäure auch nur auf der Oberfläche der Salpetersäure und rühre
                              das Gemenge erst dann mit einem Porzellanspatel um, nachdem die Harnsäure
                              größtentheils aufgezehrt worden ist; bei solchem Verfahren wird die sich entbindende
                              Wärme schneller abgeleitet. Auch darf man eine neue Quantität Harnsäure nie früher
                              in die Salpetersäure eintragen, als nachdem die Temperatur des Gemenges auf
                              mindestens 26° R. gesunken ist. Später wird die Einwirkung beider Körper auf
                              einander eine schwächere, und dann wird es auch nöthig, die eingetragene Harnsäure
                              mit der Salpetersäure zu verrühren, bevor sich das Gemenge so weit abgekühlt hat,
                              daß die Oxydation aufhört und durch ein gelindes Anwärmen wieder hervorgerufen
                              werden müßte. Dieser Fall kann jedoch nur im Winter vorkommen.
                           Die letzten Antheile von Harnsäure werden bei der einzuhaltenden Temperatur von
                              26° R. nicht mehr aufgezehrt, was auch mit dem gewählten Verhältniß von
                              Salpetersäure beabsichtigt ist. – Ein größeres Quantum von Salpetersäure und
                              Harnsäure, als oben vorgeschrieben wurde, in einem
                              Steinzeuggefäß zu verarbeiten, ist nicht rathsam, sondern man bringe bei der
                              Fabrication im Großen eine Anzahl von Schüsseln mit der vorgeschriebenen Quantität
                              von Salpetersäure in ein gemeinschaftliches Kühlwasserbad, indem man selbstverständlich für einen
                              guten Abzug der entstehenden Dämpfe sorgt.
                           Nach dem Erkalten stellt das erhaltene Gemenge einen Krystallbrei von Alloxan mit
                              Harnsäure, Wasser und etwas freier Salpetersäure dar; die gelbe Färbung der
                              Flüssigkeit entstand durch die Zersetzung des Extractivstoffs, womit die angewandte
                              Harnsäure verunreinigt war. Man vereinigt nun das von zwei verarbeiteten Portionen
                              (also von 3 1/2 Pfd. Harnsäure und 4 1/4 Pfd. Salpetersäure) erhaltene Gemenge in
                              einem emaillirten eisernen Topf von 12 (Wiener) Maaß Inhalt und stellt diesen auf
                              ein erwärmtes Sandbad oder auf einen mit Sand bestreuten Plattenofen. In der Wärme
                              bildet sich jetzt durch die Einwirkung der im Gemenge enthaltenen verdünnten
                              Salpetersäure auf die noch vorhandene Harnsäure eine Quantität Alloxantin, und man
                              muß, wenn das bei der Reaction sich erhebende Gemenge bis zur Hälfte des Gefäßes
                              aufgestiegen ist, dieses vom Ofen abnehmen; nachdem das Gemenge (ohne umgerührt
                              worden zu seyn) sich gesenkt hat, wird das Gefäß wieder auf die Platte gesetzt,
                              worauf das Gemenge sich nochmals erhebt und man abermals genöthigt ist das Gefäß von
                              der Wärmequelle zu entfernen. Beim dritten Erwärmen hat man die Gefahr des
                              Uebersteigens nicht mehr zu befürchten und man läßt daher die Temperatur des
                              Gemenges bis auf 88° R. (100° C.) steigen, rückt dann das Gefäß auf
                              eine minder heiße Stelle des Ofens und trägt jetzt unter fleißigem Umrühren so rasch
                              als möglich ein halbes Pfund Salmiakgeist von 24° Baumé ein. Das
                              Gemenge wird dadurch gänzlich in Murexid umgewandelt.
                           Nach dem Eintragen des Salmiakgeistes läßt man das Gefäß noch beiläufig zwei Minuten
                              lang auf der heißen Stelle stehen, und beseitigt es sodann behufs des Erkaltens,
                              wornach man das Gemenge in einen dunkelrothbraunen zähen Teig verwandelt finden
                              wird. Derselbe besteht größtentheils aus Murexid, gemengt mit salpetersaurem
                              Ammoniak, löslichem braunen Extractivstoff etc. Dieses Product bildet das sogenannte
                              Murexide en pâte des Handels.
                           Um das Murexid reiner und auch trocken zu erhalten, rührt man diesen Teig mit Wasser
                              an und filtrirt, was man so oft wiederholt, bis alle Salztheile und Extractivstoffe
                              ausgewaschen sind, wobei man zuletzt mit einem schwachen Ammoniakwasser nachwascht.
                              Nach dem letzten Abfiltriren wird das Product in einer Trockenstube getrocknet und
                              bildet dann das sogenannte Murexide en poudre des
                              Handels.
                           Ueber die Benutzung des Murexids zu Lackfarben und rother Tinte habe ich Versuche
                              gemacht, welche theilweise gelungen sind; ich werde dieselben später mittheilen.