| Titel: | Ueber die Wirkung der Luft auf die Gemenge von Schwefelcalcium und kohlensaurem Kali oder Natron; von J. Pelouze. | 
| Fundstelle: | Band 152, Jahrgang 1859, Nr. XCVIII., S. 374 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XCVIII.
                        Ueber die Wirkung der Luft auf die Gemenge von
                           Schwefelcalcium und kohlensaurem Kali oder Natron; von J. Pelouze.
                        Aus den Comptes rendus, April 1859, Nr.
                              16.
                        Pelouze, über die Wirkung der Luft auf die rohe Soda.
                        
                     
                        
                           Als ich eine Probe von künstlicher roher Soda, von welcher ich vermuthete daß sie
                              Feuchtigkeit angezogen hatte und deren Gehalt ich bestimmen wollte, bei der
                              Dunkelrothgluth austrocknete, gelangte ich zu einem ganz unerwarteten Resultat,
                              welches den Hauptgegenstand dieser Notiz bildet.
                           Diese Sodaprobe sollte 38 Grade zeigen oder, mit anderen Worten, 41 Proc. ihres
                              Gewichts reines kohlensaures Natron enthalten. In der That fand ich, wenn ich sie
                              auslaugte, ohne sie vorher erhitzt zu haben, den Gehalt von 38 alkalimetrischen
                              Graden.
                           Wenn ich aber 5 Gramme dieser rohen Soda, das gewöhnliche Gewicht einer Probe, der
                              Rothgluth aussetzte, selbst nur einige Minuten lang, so verminderte sich ihr Gehalt
                              bald um 20, bald um 30, um 40 und 50 Procent. Durch andauerndes Erhitzen sank ihr
                              Gehalt noch weiter herab.
                           Die Ursache dieses Verschwindens des kohlensauren Natrons hatte ich bald
                              entdeckt.
                           Wenn man einige große Stücke von roher Soda eine Stunde lang in einem Röstscherben
                              von gebranntem Thon auf der Dunkelrothgluth erhält und dann auslaugt, so geben sie
                              eine reichliche Krystallisation von schwefelsaurem Natron. In der Mutterlauge
                              verbleibt nur eine sehr geringe Menge von kohlensaurem Natron, und der Rückstand besteht hauptsächlich aus
                              kohlensaurem Kalk.
                           Beim Calciniren an der Luft nimmt die rohe Soda an Gewicht zu, und zwar im Verhältniß
                              der Abnahme ihres alkalimetrischen Gehalts. In einer Atmosphäre welche keinen
                              Sauerstoff enthält, z.B. im Kohlenoxydgas, ändert sich weder ihr Gewicht noch ihr
                              Gehalt, sie bleibt darin unveränderlich.
                           Obige Thatsache ist daher leicht zu erklären. Das Schwefelcalcium, welches die rohe
                              Soda als Calciumoxysulfuret enthält, nimmt unter dem doppelten Einfluß der Luft und
                              der Hitze Sauerstoff auf und verwandelt sich in schwefelsaures Salz; behandelt man
                              die geröstete rohe Soda mit Wasser, so findet zwischen dem kohlensauren Natron und
                              dem schwefelsauren Kalk ein Austausch der Basen und Säuren statt, wodurch
                              schwefelsaures Natron und kohlensaurer Kalk entstehen.
                           Diese Zersetzung ist bezüglich der chemischen Analyse und selbst der Fabrication der
                              künstlichen Soda sehr zu beachten.
                           Sie zeigt, daß man die kohlensauren Alkalien, deren Gehalt man genau bestimmen will,
                              bei ausgeschlossener Luft entwässern muß, wenn diese Salze mit Schwefelcalcium,
                              überhaupt mit erdigen Sulfuriden, gemengt sind; ohne diese Vorsicht würde ihr Gehalt
                              so vermindert werden, daß er manchmal auf Null sänke.
                           Es ist wirklich zu verwundern, daß die Chemiker bei den so häufig auszuführenden
                              Sodaproben nicht schon längst die Thatsache entdeckt haben, daß die rohe Soda durch
                              die heiße Luft zerstört und rasch wieder in die zu ihrer Darstellung verwendeten
                              Rohmaterialien, nämlich in schwefelsaures Natron und kohlensauren Kalk umgesetzt
                              wird.
                           Die Fabrikanten ersehen aus der fraglichen Thatsache, daß die rohe Soda durch die
                              gemeinschaftliche Einwirkung der Luft und der Wärme zerstört wird, daher sie besorgt
                              seyn müssen dieselbe stets und überall diesem Einfluß zu entziehen.
                           Daß sich diese Zersetzung nicht in dem Sodaofen zeigt, beruht darauf, daß das Gemenge
                              von Kreide, Glaubersalz und Kohle unverzüglich Kohlenoxydgas entwickelt und daher
                              der Sauerstoff der im Ofen circulirenden Luft zur Umwandlung dieses Gases in
                              Kohlensäure verwendet wird. Wenn sich aber die Operation in die Länge zieht und
                              folglich die brennbaren Gase, welche die Soda schützen, durch Luft ersetzt werden,
                              so wird sich bei dem Product eine mehr oder weniger beträchtliche Verminderung des
                              Gehalts unzweifelhaft herausstellen.
                           Die Veränderung der rohen Soda zeigt sich schon bei einer Temperatur weit unter der
                              Dunkelrothgluth. Wenn man rohe Soda in einer offenen Röhre mehrere Stunden lang in einem Oelbade einer
                              Wärme von 200 bis 300° C. aussetzt, so findet man ihren alkalimetrischen
                              Gehalt vermindert. Eine ähnliche, aber viel schwächere Veränderung zeigt sich bei
                              der rohen Soda, nachdem sie in den Magazinen mehrere Monate lang der Luft ausgesetzt
                              war; sie hat nämlich dann einen Theil ihres Gehalts verloren und es findet sich
                              darin stets schwefelsaures Natron, welches durch Oxydation von Schwefelcalcium
                              gebildet wurde.
                           Eine ähnliche Zersetzung wie sie die rohe Soda erleidet, findet unter analogen
                              Umständen bei allen Gemengen von kohlensauren Alkalien und erdigen Sulfuriden statt.
                              Seit einigen Jahren werden die gegohrenen Rübenzuckermelassen auf Gemenge von
                              kohlensaurem Kali und Natron verarbeitet; diese Salze sind oft mit Schwefelcalcium
                              gemengt, und wenn man sie der Rothglühhitze aussetzt, so vermindert sich ihr
                              alkalimetrischer Gehalt um mehrere Grade; diese Veränderung erfolgt jedoch langsamer
                              und ist bei weitem nicht so beträchtlich wie diejenige der künstlichen rohen
                              Soda.