| Titel: | Ueber die Thermographie; von Hrn. Niepce aus Saint-Victor. | 
| Fundstelle: | Band 152, Jahrgang 1859, Nr. CXXIII., S. 457 | 
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                        CXXIII.
                        Ueber die Thermographie; von Hrn. Niepce aus
                           Saint-Victor.
                        Aus den Comptes rendus, Mai 1859, Nr.
                              21.
                        Niepce, über die Thermographie.
                        
                     
                        
                           Meine nachstehend beschriebenen Versuche sind eine Ausdehnung jener von Moser, Knorr und Draper; ich
                              glaube die bisher bekannten Thatsachen mit einer großen Anzahl neuer und
                              interessanter Thatsachen bereichert zu haben, welche einiges Licht über diese Classe
                              von Erscheinungen verbreiten werden.
                           Wenn man aus eine Metallplatte, welche durch Berührung mit kochendem Wasser erhitzt
                              ist, einen Kupferstich oder ein mit Buchstaben bedrucktes Papierblatt legt, und
                              darauf ein Papierblatt welches zuerst mit salpetersaurem Silber und hernach mit
                              Goldchlorid getränkt wurde, so erhält man ein violettblaues Bild von den Schatten
                              des Kupferstichs oder der gedruckten Buchstaben. War hingegen das Papier bloß mit
                              salpetersaurem Silber getränkt, so reproduciren sich die Lichter des Kupferstichs in
                              Bisterfarbe.
                           Mit dem Papier, welches mit Silber- und Goldsalz präparirt ist, und auf der
                              durch kochendes Wasser erhitzten Platte reproduciren sich große gedruckte Lettern auf eine
                              Entfernung von mehreren Millimetern; das Bild entsteht aber nicht mehr, wenn man
                              ein, selbst sehr dünnes Blatt von Glimmer oder Metall (dessen Zusammenhang nirgends
                              unterbrochen ist) dazwischen bringt.
                           Die mit wässeriger Tinte, Graphit oder Holzkohle auf gewöhnliches Papier gezeichneten
                              Dessins reproduciren sich nicht; sie reproduciren sich aber, wenn sie auf
                              PergamentpapierIm Original steht papier végétal
                                    statt parchemin végétal. A. d.
                                    Red. gezeichnet sind.
                           Glasirte Platten und Teller von Porzellan, mit schwarzen Buchstaben oder
                              verschiedenfarbigen Dessins bemalt, die man einbrannte ohne sie mit Email überzogen
                              zu haben, gaben mir Abdrücke; aber die mit Email überzogenen Buchstaben und Dessins
                              reproducirten sich nicht.
                           Münzen und Kameen reproduciren sich sehr gut, sogar auf 1 Millimeter Entfernung, und
                              obgleich ein sehr dünnes Blatt von Glimmer, Silber oder Kupfer dazwischen gelegt
                              wurde, vorausgesetzt daß die Pressung stark genug und die Temperatur hoch genug
                              ist.
                           Wenn ein Papier, auf welches man ein Dessin mit Kienruß oder selbst mit Holzkohle
                              gezeichnet hat, so stark erhitzt wird daß es sich bräunt, so sieht man auf der
                              Rückseite, daß die den Schatten entsprechenden Theile stärker verkohlt sind als die
                              den Lichtern entsprechenden Theile. Eine ähnliche Wirkung findet statt hinsichtlich
                              der Schatten und Lichter einer buntscheckigen Feder, oder eines vielfarbigen
                              Wollengewebes; die Wirkung der Wärme verändert nämlich die Schatten mehr als die
                              Lichter. Wenn man den vielfarbigen Stoff während des Erhitzens in Berührung mit
                              einem Papier erhält, welches mit Cyankalium imprägnirt ist, so copiren sich die
                              Schatten stärker als die Lichter.
                           Gewebe aus den verschiedenen Faserstoffen, welche schwarz und weiß oder in
                              verschiedenen Farben gefärbt sind, copiren ebenfalls ihr Bild auf dem mit
                              Silber- und Goldsalz präparirten empfindlichen Papier, aber das Bild variirt
                              sehr; im Allgemeinen copiren sich die Schatten am besten, in gewissen Fällen aber
                              die Lichter, was von der Natur des Farbstoffs und von der zu seiner Befestigung
                              angewandten Beize abzuhängen scheint.
                           Ein Kattun mit indigoblauem Grunde und weißen Stellen reproducirt stets den blauen
                              Grund, die weißen Stellen geben keinen Abdruck; bei einem mit Berlinerblau gefärbten
                              Kattun sind es hingegen die weißen Stellen, welche ihr Bild geben. Wenn man auf
                              Papier oder Porzellan gereinigtes Indigoblau und Berlinerblau in getrennten Streifen
                              ausbreitet, so werden sich stets die Indigostreifen reproduciren, und niemals die
                              Berlinerblaustreifen.
                           
                           Die Wirkung, durch welche das thermographische Bild entsteht, ist ohne Zweifel eine
                              sehr complicirte; die Wärmestrahlung hat dabei einen sehr großen Antheil und die
                              materiellen Dämpfe, welche der erhitzte Gegenstand ausgab, können auch eine Rolle
                              spielen. Wenigstens bei den Bildern, welche die Münzen und der trockne Stempel
                              geben, ist die Wirkung der Wärme vorwiegend, und ich erachte es als erwiesen, daß
                              eine hinreichend hohe Temperatur unter gewissen Umständen analoge Wirkungen
                              hervorbringt wie das Licht, z.B. die Reduction der Gold- und Silberfalze, die
                              Schwächung der Gewebe etc.