| Titel: | Bericht über die Resultate einiger Untersuchungen des Wasserglases in Bezug auf das chemische Verhalten und die technischen Anwendungen desselben; von Andreas Lielegg. | 
| Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. XVI., S. 44 | 
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                        XVI.
                        Bericht über die Resultate einiger Untersuchungen
                           des Wasserglases in Bezug auf das chemische Verhalten und die technischen Anwendungen
                           desselben; von Andreas
                              Lielegg.
                        Aus der Zeitschrift des österreichischen
                                 Ingenieur-Vereins, April 1859, S. 62.
                        Lielegg, über das chemische Verhalten und die Anwendungen des
                           Wasserglases.
                        
                     
                        
                           Von Seite des österreichischen Ingenieurvereins wurde der Verfasser zu Anfang des
                              Jahres 1858 aufgefordert, sich mit Untersuchungen über das Wasserglas zu
                              beschäftigen, welche sich sowohl auf das chemische Verhalten als auf die Anwendungen
                              desselben in der Technik erstrecken sollten. Wiewohl derselbe, durch anderweitige
                              Berufspflicht in Anspruch genommen, nicht in der Lage war, den in Folge dieses
                              Auftrages unternommenen Arbeiten die entsprechende Ausdehnung zu geben, so dürften
                              die Ergebnisse derselben dennoch als Beiträge zur Kenntniß des Wasserglases
                              hinreichendes Interesse haben, um in dem nachfolgenden Berichte vorgelegt zu werden.
                              Derselbe enthält:
                           1) die chemischen Analysen von drei verschiedenen Arten von Wasserglas;
                           2) Verhalten des Wasserglases bei höherer Temperatur;
                           3) Reinigung des Wasserglases durch Alkohol;
                           
                           4) Verhalten des Wasserglases gegen Aetzkalk, kohlensauren Kalk, Zink- und
                              Bleiweiß;
                           5) Anwendung des Wasserglases zum Fixiren der Farben;
                           6) Anwendung des Wasserglases zum Imprägniren der Mauern und Steine;
                           7) Anwendung des Wasserglases zum Kitten.
                           
                        
                           Analyse eines Natronwasserglases aus der Fabrik des Hrn.
                                 Seibel in Liesing.
                           Das Wasserglas, welches in der genannten Fabrik dargestellt wird, ist eine zähe,
                              grünlichgelbe, opalisirende Flüssigkeit von stark alkalischer Reaction.
                           Die qualitative Analyse ergab neben den
                              Hauptbestandtheilen Wasser, Natron und Kieselsäure noch eine geringe Menge von
                              Chlornatrium, nebst sehr geringen Mengen von Schwefelnatrium, Kali und
                              Schwefelsäure.
                           Das specifische Gewicht wurde sowohl mit dem Pikrometer
                              als mit dem Aräometer bestimmt; aus mehreren übereinstimmenden Versuchen ergab sich
                              im Mittel eine Dichte von 1,27 = 33° Baumé.
                           Um die Aenderung der Dichte des Wasserglases beim Verdünnen mit Wasser zu bestimmen,
                              wurde es mit verschiedenen Quantitäten destillirten Wassers zusammengebracht; die
                              Ergebnisse sind in folgender Tabelle zusammengestellt.
                           
                              
                                 
                                 Dichte
                                 Grade Baumé.
                                 
                              
                                 Wasserglas
                                 1,27
                                 33
                                 
                              
                                 2 Theile Wasserglas mit 1 Theil Wasser
                                 1,25
                                 29
                                 
                              
                                 1 Theil Wasserglas mit 1 Theil Wasser
                                 1,19
                                 23
                                 
                              
                                 1 Theil Wasserglas mit 2 Theilen Wasser
                                 1,13
                                 16
                                 
                              
                           Die quantitative Analyse wurde nach den Methoden, wie sie
                              in den Lehrbüchern von R. Fresenius und H. Rose angegeben sind, ausgeführt.
                           
                              a)Wasserbestimmung. Mit Sicherheit konnte nur jene
                                 Wassermenge ausgemittelt werden, welche bei einer Temperatur von
                                 90–100° C. entfernt werden kann, da sich das Wasserglas beim
                                 Erhitzen über 100° sehr stark aufbläht und die Gefäße übersteigt. Es
                                 wurde daher eine gewogene Quantität in einem Lustbade so lange der Temperatur
                                 von
                                 90–100° C. ausgesetzt, bis nach mehrmaligen Wägungen keine
                                 Gewichtsabnahme mehr wahrgenommen werden konnte. Aus mehreren Bestimmungen ergab
                                 die Berechnung im Mittel 50,13 Proc. Wasser aus dem Gewichtsverluste.
                              b)Kieselsäurebestimmung. Eine gewogene Quantität wurde
                                 in einer Platinschale mit Wasser verdünnt, mit Salzsäure versetzt, im Wasserbade
                                 zur Trockne gebracht, schwach geglüht, mit concentrirter Salzsäure befeuchtet,
                                 nochmals geglüht, sodann mit Wasser auf ein Filter gebracht, gut ausgewaschen,
                                 getrocknet, geglüht und gewogen. Aus drei übereinstimmenden Analysen ergab sich
                                 die Menge der Kieselsäure im Mittel mit 22,258 Procent,
                              c)Natronbestimmung. Aus der von der Kieselsäure
                                 abfiltrirten Flüssigkeit wurde das Natron, durch Versetzen mit Schwefelsäure,
                                 Eindampfen in der Platinschale und nachheriges Glühen, als schwefelsaures Natron
                                 bestimmt. Aus drei übereinstimmenden Bestimmungen ergab sich die Menge desselben
                                 mit 11,178 Procent,
                              d)Chlorbestimmung. Von den Verunreinigungen war nur das
                                 Chlor in bestimmbarer Menge vorhanden. Um dieses zu bestimmen, wurde eine
                                 gewogene Quantität mit viel Wasser verdünnt, mit Salpetersäure versetzt, längere
                                 Zeit gekocht um das Schwefelnatrium zu zerlegen, mit salpetersaurem Silberoxyd
                                 das Chlor gefällt, der Niederschlag auf einem Filter gesammelt, ausgewaschen,
                                 getrocknet und gewogen.
                              
                           Aus zwei Bestimmungen ergaben sich 0,416 Proc. Chlor, welche bei der Abwesenheit
                              anderer Körper nur an Natrium gebunden seyn konnten;
                           die diesem entsprechende Natronmenge ist daher von der oben mit 11,178 Procent
                              angegebenen schon in Abrechnung gebracht.
                           Zusammenstellung der Resultate.
                           
                              
                                 
                                    Bestandtheile
                                    
                                 in 100 Theilen.
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 22,258
                                 
                              
                                 Natron
                                 11,178
                                 
                              
                                 Chlornatrium
                                   0,685
                                 
                              
                                 Wasser bei 100° C. abgegeben
                                 50,130
                                 
                              
                                 Wasser bei höherer Temperatur entfernbar
                                 15,749
                                 
                              
                                 –––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Zusammen
                                 100,000
                                 
                              
                           
                           Aus dieser procentischen Zusammensetzung resultirt, daß dieses Wasserglas nahezu 66
                              Proc. Wasser und 33,4 Proc. kieselsaures Natron enthalte und daß sich die
                              Natrommenge zur Kieselsäuremenge verhalte wie 1 : 2,04 welchem Verhältnisse nahezu
                              die Formel NaO, 2 SiO² entspricht.
                           
                        
                           Analyse eines Natronwasserglases aus München.
                           Durch die Güte des Hrn. Professors Förster erhielt der
                              Verfasser ein in München dargestelltes Natronwasserglas zur chemischen Analyse.
                              Dasselbe ist eine gelbliche, durchscheinende Masse, von muschligem Bruche und
                              geringer Härte, es ist in kaltem Wasser bis auf einen sehr geringen, aus
                              abgeschiedener, unlöslicher Kieselsäure bestehenden Rückstand vollkommen und leicht
                              löslich.
                           Die qualitative Analyse ergab neben den
                              Hauptbestandtheilen: Natron, Kieselsäure und Wasser noch geringe Mengen von Chlor
                              und Kali, welche jedoch den quantitativen Bestimmungen dieser beiden Körper zufolge
                              keinen bemerkenswerthen Einfluß auf die Zusammensetzung dieses Wasserglases ausüben,
                              endlich noch Spuren von Schwefelsäure und Schwefelalkalien.
                           
                        
                           Quantitative Analyse.
                           a) Wasserbestimmung. Eine
                              gewogene Quantität des Wasserglases wurde in einem bedeckten Platintiegel in ein
                              Luftbad gestellt und so lange einer Temperatur von 95–100° C.
                              ausgesetzt, bis nach wiederholten Wägungen keine Gewichtsabnahme mehr wahrgenommen
                              werden konnte. Aus zwei übereinstimmenden Versuchen ergab sich die Menge Wasser,
                              welche dieses Wasserglas bei 100° C. abgibt, im Mittel mit 25,686 Proc.
                           Durch langsames Steigern der Temperatur von 100° E. bis zur Glühhitze gelang
                              es, das Wasserglas vollkommen zu entwässern; dasselbe blähte sich hiebei mit vielen,
                              jedoch nur kleinen Blasen auf, so daß es das Zehnfache seines ursprünglichen Volums
                              einnahm. Die Wassermenge, welche auf diese Weise erst in der Glühhitze vertrieben
                              werden kann, beträgt im Durchschnitt 12,97 Proc., die Totalmenge des Wassers beträgt
                              daher 38,66 Procent.
                           b) Die Bestimmung des Natrons und der Kieselsäure
                              geschah auf gleiche Weise wie bei der ersten Analyse.
                           
                           Zusammenstellung der Resultate.
                           
                              
                                 
                                    Bestandtheile
                                    
                                 in 100 Theilen.
                                 
                              
                                 Wasser bei 100° C. abgegebenWasser bei höherer
                                    Temperatur abgegeben
                                 25,6912,97
                                 
                                    
                                    
                                 38,86
                                 
                              
                                 KieselsäureNatron
                                 44,64  16,252
                                 
                                    
                                    
                                   60,892
                                 
                              
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                   99,552
                                 
                                   99,552
                                 
                              
                                 Kali, Chlor und Schwefelsäure
                                     0,448
                                 
                                     0,448
                                 
                              
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                   100,0
                                 
                                   100,0
                                 
                              
                           Zur Berechnung der Formel ergab sich das Verhältniß von Natron zu Kieselsäure und zu
                              Wasser, welches bei 100° C. noch nicht abgegeben wird, wie 1 NaO: 2,82
                              SiO²: 2,75 HO, welchem Verhältniß die Formel 4 NaO, 11 SiO2 + 11 HO oder ohne
                              Berücksichtigung des Wassers die genauere 5 NaO, 14 SiO² entspricht.
                           
                        
                           Analyse eines Kaliwasserglases (silicate de potasse) aus der
                                 Fabrik des Hrn. Fried. Kuhlmann in Lille.
                           Durch die Güte des Hrn. Prof. Schrötter erhielt der
                              Verfasser ein von F. Kühlmann in Lille dargestelltes
                              Kaliwasserglas zur chemischen Untersuchung.
                           Dasselbe ist ein grünlichweißer, durchscheinender, harter und glasartiger Körper, von
                              muschligem Bruche und alkalischem Geschmacke. Es ist in kaltem Wasser beinahe
                              unlöslich, in heißem Wasser erst nach längerem Kochen unter Ausscheidung von
                              unlöslicher Kieselsäure.
                           Die qualitative Analyse ergab neben Kieselsäure und Kali
                              noch geringe Mengen von Wasser, nebst Spuren von Eisenoxyd, Thonerde, Kalk und
                              Natron.
                           Die quantitativen Bestimmungen des Wassers, der
                              Kieselsäure und des Kali wurden wie in den vorigen Analysen ausgeführt; Thonerde,
                              Eisenoxyd und Kalk wurden zusammen mit Oxalsäure und einem Ueberschuß von Ammoniak
                              gefällt, ausgewaschen, getrocknet, geglüht und gewogen.
                           
                           Zusammenstellung der Resultate.
                           
                              
                                 
                                    Bestandtheile
                                    
                                 in 100 Theilen.
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 63,6
                                 
                              
                                 Kali
                                 34,4
                                 
                              
                                 Wasser
                                       0,689
                                 
                              
                                 Eisenoxyd, Thonerde und Kalk
                                       1,273
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                     99,962
                                 
                              
                           Es enthält demnach dieses Wasserglas 98 Proc. kieselsaures Kali, und geringe Mengen
                              von Wasser, welche dasselbe erst aus der Luft aufgenommen zu haben scheint.
                           Der procentischen Zusammensetzung nach verhält sich die Kalimenge zur
                              Kieselsäuremenge wie 1 : 2,89, welchem Verhältnisse die theoretische Formel KO, 3
                              SiO² nahe kommt. Zur leichteren Uebersicht folgt eine Tabelle, in welcher die
                              Resultate sämmtlicher Analysen zusammengestellt sind.
                           
                              
                                 Bestandtheile.
                                 WasserglasausLiesing.
                                 WasserglasausMünchen.
                                 WasserglasausLille.
                                 
                              
                                 Wasser
                                 65,879
                                 38,66
                                      0,689
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 22,258
                                 44,64
                                 63,6
                                 
                              
                                 Natron
                                 11,178
                                   16,252
                                 –
                                 
                              
                                 Kali
                                 –
                                 –
                                 34,4
                                 
                              
                           
                        
                           Ueber die Zersetzung des Wasserglases in der
                                 Glühhitze.
                           Die Untersuchung bezieht sich auf das Natronwasserglas aus München. Bei Gelegenheit
                              der Bestimmung der Totalmenge des Wassers wurde die Temperatur von 100° C.
                              allmählich bis zur schwachen Glühhitze gesteigert und die Erhitzung so lange
                              fortgesetzt, bis alles Wasser vertrieben war. Das entwässerte Wasserglas wurde nun
                              längere Zeit mit heißem Wasser digerirt, wobei ein Theil desselben unlöslich blieb,
                              welcher sich der chemischen Untersuchung zufolge als unlösliche Kieselsäure erwies.
                              Zum Behufe der quantitativen Bestimmung der durch das Glühen unlöslich
                              abgeschiedenen Kieselsäure wurde eine gewogene Quantität auf die angegebene Weise
                              entwässert, mit heißem Wasser digerirt, der unlösliche Theil auf einem Filter
                              gesammelt, gut ausgewaschen, getrocknet, geglüht und gewogen. Aus dem Filtrate wurde
                              sodann die noch in Lösung befindliche Kieselsäure und das Natron quantitativ
                              bestimmt. Die Ergebnisse der Analyse waren folgende:
                           
                              
                                 
                                    Bestandtheile
                                    
                                 in 100 Theilen.
                                 
                              
                                 Durch das Glühen abgeschiedene Kieselsäure
                                 12,47
                                 
                              
                                 Aus dem löslichen Theil abgeschiedene Kieselsäure
                                 32,07
                                 
                              
                                 Natron
                                   15,982
                                 
                              
                                 Wasser
                                 38,66
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                   99,182
                                 
                              
                           Berechnet man aus der procentischen Zusammensetzung des in Wasser löslichen Theiles
                              die den Aequivalenten entsprechenden Verhältnißzahlen, so findet man, daß sich die
                              Natronmenge zur Kieselsäuremenge verhalte wie 1 : 2,06, welchem Verhältnisse die
                              Formel NaO, 2 SiO² entspricht. Es kann demnach ein kieselsaures Natron,
                              welches auf ein Aequivalent Natron mehr als zwei Aequivalente Kieselsäure enthält,
                              bei der Glühhitze nicht bestehen, es zerlegt sich in Kieselsäure und in ein Salz von
                              constanter Zusammensetzung NaO, 1 SiO²; dieses kann in gelöstem Zustande und
                              bei gewöhnlicher Temperatur wieder gallertartige (lösliche) Kieselsäure auflösen und
                              sich damit vollkommen sättigen; den Sättigungspunkt jedoch zu erkennen ist
                              schwierig, da das Wasserglas hiebei immer mehr und mehr trübe und opalisirend wird,
                              und hiedurch jeder Anhaltspunkt zur Beurtheilung, ob Kieselsäure noch gelöst wird,
                              oder nur mechanisch in der syrupdicken Flüssigkeit vertheilt ist, verloren geht und
                              überdieß auch die Temperatur darauf Einfluß nimmt. Je größer der Gehalt an
                              Kieselsäure, desto schwieriger ist ein Wasserglas schmelzbar und desto weniger ist
                              es löslich; am leichtesten schmelzbar ist das Doppelwasserglas, welches Kieselsäure,
                              Kali und Natron enthält.
                           
                        
                           Reinigung des Wasserglases durch Alkohol.
                           Gießt man eine concentrirte Kaliwasserglaslösung in gewöhnlichen Spiritus, so
                              entsteht ein weißer Niederschlag, welcher nach I. N. v. Fuchs das Wasserglas unverändert enthält. Nach Forchhammer fällt wenig Alkohol aus einer concentrirten
                              Kaliwasserglaslösung eine an Kieselsäure reichere Verbindung, indem etwas Kali
                              aufgelöst wird.
                           Gießt man eine concentrirte Natronwasserglaslösung in gewöhnlichen Spiritus, so
                              entsteht zwar kein Niederschlag, aber dieselbe setzt sich als schleimartige Masse zu Boden,
                              mischt sich mit dem Spiritus nicht und erhärtet nach mehreren Tagen zu einer weißen
                              Masse, welche in heißem Wasser wieder vollkommen und leicht löslich ist. Dieses
                              Verhalten gibt ein Mittel an die Hand, das Wasserglas zu reinigen; ich fand in dem
                              Spiritus alle Verunreinigungen, sogar jene, welche sonst in Alkohol unlöslich sind.
                              Die Möglichkeit der Entfernung dieser Verunreinigungen erklärt sich durch den
                              Wassergehalt des Spiritus und durch die geringe Menge derselben, welche bei dem zu
                              diesem Versuche angewandten Natronwasserglase aus München kaum 0,5 Proc. betrug.
                              Dieses so gereinigte Wasserglas dürfte besonders in der Stereochromie mit Vortheil
                              anzuwenden seyn.Mit Weingeist gereinigtes Natronwasserglas wurde von den HHrn. Kaulbach und Echter
                                    bei Ausführung der Wandgemälde im neuen königl. Museum zu Berlin
                                    angewendet.A. d. Red.
                              
                           
                        
                           Verhalten des Wasserglases gegen Aetzlalk.
                           Zu diesem, sowie zu den folgenden Versuchen wurde das in der Fabrik des Hrn. Seibel dargestellte Natronwasserglas verwendet.
                           Reibt man Aetzkalk mit Wasserglas in einer Schale zusammen, so stockt die Masse
                              schnell und gibt eine zähe, jedoch wenig adhärirende Masse. Das Wasserglas erleidet
                              hiebei eine Zersetzung und es bildet sich kieselsaurer Kalk, während Aetznatron
                              ausgeschieden wird.
                           Es wurde Aetzkalk mit Wasserglas zu einem Teig abgeknetet, aus dem Teige Cylinder
                              geformt und diese an der Luft getrocknet; die getrocknete Masse hatte eine geringe
                              Härte, erhielt an der Luft Risse und Sprünge und zerfiel in Brunnenwasser gelegt in
                              Stücke. Jedenfalls ist das freiwerdende Aetznatron von Nachtheil für das gebildete
                              Product und gibt Anlaß zur Auswitterung von kohlensaurem Natron.
                           Derselbe Versuch wurde schon von I. N. v. Fuchs ausgeführt
                              und findet sich in dessen gesammelten Schritten ausführlich beschrieben; die
                              angegebenen Thatsachen stimmen mit den von Fuchs
                              gemachten Erfahrungen bis auf einen Punkt überein: er gibt nämlich an, daß das
                              gebildete Product, der kieselsaure Kalk, wasserbeständig ist, auch muß bemerkt
                              werden, daß er sich zu seinen Versuchen des Kaliwasserglases bediente.
                           
                        
                           Verhalten gegen kohlensauren Kalk.
                           Kreidestücke wurden in mit gleichen Theilen Wasser verdünnte Wasserglaslösung vom
                              specifischen Gewichte 1,19 = 23° Baumé gelegt, nach einigen Tagen herausgenommen, an
                              der Luft getrocknet, wieder hineingelegt und dieses Verfahren mehreremale
                              wiederholt.
                           Die Kreide nahm an Gewicht zu, verlor die Eigenschaft abzufärben, bekam eine größere
                              Härte, erreichte jedoch die des Marmors nicht; vielleicht erlangt dieselbe diesen
                              Härtegrad erst nach längerer Zeit.
                           Es findet hiebei keine chemische Zersetzung zwischen Kreide und Wasserglas statt und
                              wurde die Ansicht von Fuchs, welche sich jedoch auf
                              Kaliwasserglas bezieht, hiedurch vollkommen bestätiget, welcher die Wirkung des
                              Wasserglases auf Kreide durch die alleinige Wirkung der Adhäsionskraft, oder indem
                              beide ohne sich zu zersetzen eine chemische Verbindung eingehen, erklärt.
                           F. Kuhlmann nimmt die Bildung eines Siliciocarbonates
                              sowohl bei der Darstellung des hydraulischen Kalkes aus fettem Kalke und Wasserglas
                              unter Ausscheidung des Alkali, als auch bei der Behandlung des Mörtels mit
                              Wasserglas an. Die Richtigkeit dieser Ansicht fand auch noch durch die mit
                              imprägnirten Kreidestücken vorgenommenen Reactionen, bei welchen sich Kohlensäure
                              und Kieselsäure nachweisen ließ, ihre Bestätigung.
                           Kreidepulver mit Wasser zu einem Teige angemacht, dieser an der Luft getrocknet und
                              mit Wasserglas getränkt, gibt eine weiße harte Masse. Es ist hiebei jedoch
                              vortheilhafter, die ausgetrocknete Masse zuerst in stark verdünntes Wasserglas zu
                              legen, weil dieses leichter in die Poren eindringt und erst nach wiederholtem
                              Imprägniren und Austrocknen concentrirteres Wasserglas anzuwenden.
                           
                        
                           Verhalten des Wasserglases gegen Zinkweiß und
                                 Bleiweiß.
                           Reibt man Zinkweiß mit Wasserglas zusammen, so stockt die Masse nicht, sondern bildet
                              je nach der Consistenz eine mehr oder minder klebrige Flüssigkeit. Es wird hiebei
                              kieselsaures Zinkoxyd gebildet, welches in Wasser unlöslich ist. Dieses Verhalten
                              deutet die Möglichkeit der Anwendung des Wasserglases zu Anstrichen mit Zinkweiß an,
                              nur müßten diese dünn aufgetragen werden, da sonst durch das Austrocknen der
                              Oberfläche an den dickeren Stellen Sprünge entstehen, wie dieß bei der oben
                              angefertigten Masse nach ihrem Austrocknen der Fall war. Auch Bleiweiß zeigt ein
                              ganz ähnliches Verhalten, nur müßte für diesen Körper das Wasserglas möglichst frei
                              von Schwefelalkalien seyn, da sonst die Farbe des Anstriches bedeutend leiden
                              würde.
                           
                        
                           
                           Anwendung des Wasserglases zum Fixiren der Farben.
                           Bei Gelegenheit des Baues des israelitischen Tempels in der Leopoldstadt wurde der
                              Verfasser von dem Vorstand des Ingenieurvereins, Hrn. Prof. Förster, aufgefordert, im Zusammenhange mit den im chemischen Laboratorium
                              am k. k. polytechnischen Institute ausgeführten chemischen Arbeiten, Versuche über
                              die praktische Anwendbarkeit des Wasserglases auszuführen und hiezu sowohl mit den
                              erforderlichen Mitteln versehen, als auch mit den ersprießlichsten Nachschlagen
                              unterstützt.
                           Zu den Versuchen wurde ein Natronwasserglas aus München, welches auf ein Aequivalent
                              Natron nahezu drei Aequivalente Kieselsäure enthält und dessen Analyse im Vorigen
                              ausführlich enthalten ist, angewendet.
                           Den Abhandlungen I. N. v. Fuchs' zufolge ist das
                              Wasserglas ein vortreffliches Mittel, um die Farben auf den Malgrund festzubinden
                              und vor den verschiedenen Einflüssen zu sichern, welchen dieselben ausgesetzt sind.
                              Zur Ausführung bedient man sich eines eigens für diesen Zweck präparirten
                              Wasserglases, Fixirungswasserglas genannt, sowie eines Malgrundes, welcher durch
                              einen Verputz mit ausgewählten Materialien hergestellt werden muß. Diese Umstände
                              erlauben jedoch die Anwendung nur bei monumentalen Wandgemälden, wie sie Kaulbach und Echter im neuen
                              königlichen Museum zu Berlin ausgeführt haben.
                           Es wurde daher versucht, mit dem gewöhnlichen Natronwasserglas auf den, ohne
                              Berücksichtigung der nachfolgenden Application des Wasserglases, verworfenen und
                              bemalten Wänden die Farben zu fixiren und mit theilweiser Benützung der von Fuchs angegebenen Vorschriften, die Versuche auf folgende
                              Weise ausgeführt.
                           Das Wasserglas, welches sich, wie es von München bezogen wurde, in einem
                              gallertartigen Zustande befand, wurde in filtrirtem Regenwasser in einem kupfernen
                              Kessel in der Kochhitze gelöst; der Kessel blieb während des Kochens, um die
                              Einwirkung der Kohlensäure der Luft möglichst abzuhalten, bedeckt, und mit dem
                              Kochen wurde so lange fortgefahren, bis sich eine Haut zu bilden begann; sodann ließ
                              man abkühlen und ruhig absetzen. Die so bereitete, klare Wasserglaslösung hatte eine
                              Concentration von 26° B. Zur Anwendung dieser Lösung wurde eine, nach den
                              Angaben des Professors Schlotthauer in München
                              angefertigte Spritze benützt, deren Einrichtung darin besteht, in einem gläsernen
                              Cylinder durch einen luftdicht schließenden Kolben Luft zu comprimiren und durch
                              diese auf die, in einem gläsernen Ballon befindliche Wasserglaslösung einen Druck
                              auszuüben, in Folge dessen die Flüssigkeit durch ein Glasröhrchen in einem feinen
                              Strahle herausspritzt, welcher durch die gleichzeitig an der Mündung auch ausströmende Luft in
                              einen feinen Staubregen vertheilt wird.
                           Auf diese Art wurden die Wände des Parterre's sowohl als der Gallonen, nachdem die
                              Malerei vollkommen trocken war, auf eine Höhe von sechs bis sieben Fuß ein bis
                              zweimal bespritzt.
                           Der Erfolg war ein günstiger, denn die Farben färbten nicht mehr ab, bekamen hindurch
                              einen dunkleren Ton, einige sogar Glanz, letzteres gilt vorzüglich vom Zinnober.
                              Prager Roth, wenn es nicht zu dick aufgetragen ist, erhält durch das Wasserglas
                              einen dunkleren, gesättigten Ton und verliert das erdige Ansehen.
                           Ultramaringrün und Blau erhalten dadurch Glanz und saugen das Wasserglas begierig
                              auf. Am wenigsten günstig für diese Behandlung ist das Brunin, eine dunkle Ockerart,
                              welches drei, bis viermal bespritzt werden mußte, bevor es nicht mehr abfärbte, und
                              da die Farbe sehr fein ist und sich leicht Flecken bildeten, so durfte die Wand
                              jedesmal nur sehr schwach bespritzt werden.
                           Die mit Kalk unter geringem Zusatz von Ultramaringrün getünchten Wände der Gänge und
                              Stiegen wurden ebenfalls mit Vortheil bespritzt, nachdem sie soweit ausgetrocknet
                              waren, daß man annehmen konnte, der Aetzkalk habe sich in halbkohlensauren Kalk
                              verwandelt. Sollte der Kalk wegen Mangel an Luftzutritt nicht schnell genug
                              Kohlensäure anziehen, so kann man die Wände mit einer verdünnten Lösung von
                              kohlensaurem Ammoniak überfahren.
                           Die Auswitterungen an den bespritzten Wänden waren gering und rührten meist von den
                              Verunreinigungen der Farben her, welche geringe Mengen von schwefelsauren Salzen
                              enthalten, die zerlegend auf das Wasserglas wirken.
                           
                        
                           Anwendung des Wasserglases zum Imprägniren der Steine und
                                 Mauern.
                           Die Art und Weise der Anwendung hängt von der Beschaffenheit des Materials ab. Bei
                              weichen und porösen Steinen bietet ein Anstrich größere Vortheile als bei harten und
                              wenig porösen. Ueberstreicht man einen weichen und porösen Kalkstein mit einer
                              verdünnten Wasserglaslösung, so saugt sich diese in die Poren vollkommen ein, und
                              wiederholt man die Anstriche mehrere Male nach jedesmaligem Austrocknen endlich mit
                              einer vollkommen concentrirten syrupdicken Wasserglaslösung, so wird die Oberfläche
                              des Steines vollkommen geschlossen, erreicht einen größeren Grad von Härte, welche
                              der des Marmors nahe kommt, und gewinnt ein gefälligeres Aussehen. Der Ueberschuß
                              von Wasserglas bildet einen glänzenden Ueberzug, welcher sich jedoch nicht lange
                              hält und wie die Erfahrung zeigte, durch den Regen weggewaschen wird.
                           Dieser Vorgang erklärt sich sowohl durch die Adhäsionswirkungen poröser Körper und
                              nach den Ansichten von Fuchs durch eine chemische
                              Verbindung, welche zwischen kohlensaurem Kalk und kieselsaurem Natron ohne
                              gegenseitige Zersetzung erfolgt. Eine Zersetzung des Wasserglases unter Bildung von
                              kohlensaurem Natron tritt beinahe immer, jedoch nur in geringem, oft kaum
                              bemerkbarem Grade ein. Bei mergeligen oder vorher nicht vollkommen gereinigten
                              Steinen ist die Bildung und Auswitterung von kohlensaurem Natron viel stärker.
                           Bei harten Steinen, wie z.B. beim Kaiserstein, ist ein Eindringen des Wasserglases
                              nicht möglich; es könnten somit nur die Poren und Vertiefungen damit ausgefüllt
                              werden, welche sich an der Oberfläche befinden. Von Erfolg waren die Versuche,
                              Mauern mit Wasserglas zu überstreichen; es wurde eine mit Mörtel beworfene, trockne
                              Wand mit Wasserglas angestrichen, dasselbe wurde begierig aufgesogen und nach dem
                              Austrocknen war der Mörtel bedeutend härter als der nicht imprägnirte. Will man auf
                              einer so imprägnirten Wand malen, so hat man zu beachten daß mit dem
                              Wasserglasanstrich die Poren der Mauer nicht verschlossen werden, was geschehen
                              würde, wenn man eine stark concentrirte Wasserglaslösung in Anwendung brächte.
                           Selbst übertünchte und bemalte Wände wurden zuerst mit verdünnter, sodann mit
                              concentrirter Wasserglaslösung überstrichen, wodurch ein harter, glänzender,
                              durchsichtiger Ueberzug hergestellt wurde; weiche und erdige Farben werden, wenn sie
                              nicht dünn genug aufgetragen sind, durch den Anstrich in ihren Contouren unrein oder
                              gar verwischt. Der Vortheil eines solchen Anstriches liegt nicht sowohl in dem
                              gefälligeren Ansehen, welches dadurch erreicht wird, als in der Conservirung der
                              Malerei, welche hiedurch gegen Abreibung genügenden Schutz erhält.
                           Ueber die Dauerhaftigkeit und Zweckmäßigkeit der Anstriche, sowie über die Wirkungen
                              des Wasserglases auf die Farben wird erst nach längerer Zeit ein Urtheil
                              festgestellt werden können.
                           
                        
                           Anwendung des Wasserglases zum Kitten.
                           Zum Verkitten der Fugen zwischen den Steinen hat sich nach Versuchen mit
                              verschiedenen Substanzen der hydraulische Kalk am besten bewährt. Man bereitet sich
                              zu diesem Ende mit Wasserglas und hydraulischem Kalk einen Brei, welchen man jedoch
                              wegen des schnellen Erhärtens nur in kleinen Partien anfertigen und schnell
                              verbrauchen muß. Die Eigenschaften des hydraulischen Kalkes werden durch das Wasserglas potenzirt.
                           Hr. Prof. Schrötter theilte mir das Verhältniß der
                              Bestandtheile eines im Gebrauche stehenden Kittes mit, welcher sich nach den damit
                              angestellten Versuchen bei Porzellan und Marmor als vortheilhaft anwendbar erwies.
                              Zwei Theile Flußspath und ein Theil Glaspulver, beide in fein gepulvertem Zustande,
                              am besten wenn fein geschlämmt, werden mit so viel Natronwasserglas von 36°
                              Baumé versetzt, bis das Gemenge eine dickliche Masse bildet. Dieselbe wird
                              sodann auf die zu verbindenden Theile dünn und schnell aufgetragen und die Stücke
                              aneinander gepreßt; nach einigen Tagen ist die Masse vollkommen erhärtet.
                           Sowohl Flußspath als Glaspulver verhalten sich zu Wasserglas nach den mit diesen
                              Substanzen vorgenommenen Versuchen indifferent.
                           Wien, am 12. Februar 1859.