| Titel: | Ueber die Verbesserungen an den Chubb- und Bramah-Schlössern; von H. Kessels, Assistent am k. k. polytechnischen Institute in Wien. | 
| Autor: | Heinrich Kessels | 
| Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. XXVII., S. 92 | 
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                        XXVII.
                        Ueber die Verbesserungen an den Chubb- und Bramah-Schlössern; von H.
                              Kessels, Assistent am k. k. polytechnischen Institute in
                              Wien.
                        Kessel's über Verbesserungen an den Chubb- und
                           Bramah-Schlössern.
                        
                     
                        
                           Meinem im niederösterreichischen Gewerbeverein gehaltenen Vortrage „über
                                 Sicherheit- und Combinations-Schlösser“ wurde die Ehre
                              zu Theil in die gelesensten technischen Journale Deutschlands aufgenommen zu werden.
                              Berechtiget mich auch diese Thatsache noch nicht, sie als eine Anerkennung des
                              innern Werthes meiner Arbeit zu betrachten, so darf ich sie doch als Zeugniß ihrer
                              Zeitgemäßheit ansehen; man fühlt auch in den nicht eigentlich technischen Kreisen das Bedürfniß eines
                              Haltes gegenüber dem marktschreierischen Charlatanismus vieler Erzeuger sogenannter
                              „feuer- und einbruchsicherer Cassen.“
                              
                           Dem Publicum Einsicht in das Wesen der Sicherheitsschlösser zu geben, es vor
                              allzugroßem Vertrauen in den Werth vieler jetzt gebräuchlichen zu warnen, und ihm
                              Mittel zu bieten, wie es auch ohne eigentliche Fachkenntnisse die größere oder
                              geringere Sicherheit einer gegebenen Construction beurtheilen könne, war auch das
                              eigentliche Ziel meines Vortrages. Wenn meine Arbeit aber auch keinen andern Erfolg
                              gehabt hätte, als Hrn. Director Carl Karmarsch zu einer
                              Besprechung derselben Sache anzuregen,Wir haben seine Abhandlung aus den „Mittheilungen des hannoverschen
                                       Gewerbevereins“ im vorhergehenden Heft des polytechn.
                                    Journals S. 5 aufgenommen.A. d. Red. so war sie schon deßhalb etwas werth, und wenn ich hier nochmals auf diesen
                              Gegenstand zurückkomme, so geschieht es gewiß nicht um die Ansichten des Hrn. Karmarsch zu widerlegen, sondern nur um den Standpunkt zu
                              präcisiren, von welchem aus ich die Sache besprochen, ein Standpunkt der von
                              genanntem Herrn nicht ganz richtig aufgefaßt zu seyn scheint.
                           Hr. Karmarsch meint, ich habe meinen Betrachtungen die
                              Schlösser von Chubb und Bramah
                              in einem Zustande zu Grunde gelegt, wie dieselben meist nicht mehr vorhanden sind.
                              Nun kenne ich zwar die Schlösser nicht, deren sich der Norden von Deutschland
                              dermalen an seinen einbruch- und feuersicheren Cassen erfreut; das aber weiß
                              ich, daß die Schlösser der meisten solchen Cassen in Oesterreich und speciell die
                              meisten in Wien, und von renommirten Firmen hergestellten, so construirt waren, wie
                              ich sie in meinem Vortrage als ganz leicht aufsperrbar geschildert. Ich habe vor
                              nicht länger als einem halben Jahre die Schlösser mehrerer solcher Cassen in 30 bis
                              40 Minuten ohne alle Schwierigkeit geöffnet, und jeder nur halbweg gewandte und mit
                              der Construction dieser Schlösser vertraute Arbeiter vermag dasselbe.
                           Es wäre eine Anmaßung von mit gewesen, über Sicherheits- und
                              Combinations-Schlösser zu sprechen, ohne daß ich Kenntnisse aller der
                              Fortschritte gehabt hätte, die man in letzter Zeit in der Construction dieser
                              Schlösser gemacht hat. Ich weiß, daß bereits vor 30 Jahren Verbesserungen an
                              Combinations-Schlössern angebracht waren, welche deren Aufsperrbarkeit sehr
                              erschwerten. Hr. J. B. Tosi aus Mailand hat nämlich im
                              Jahr 1827 ein Patent auf ein Combinationsschloß erhalten, welches sich von dem Chubb-Schlosse bloß durch die Form der Zuhaltungen
                              unterscheidet, dem Principe nach aber mit demselben identisch ist. Auf die Eröffnung
                              eines solchen Schlosses hat Hr. Tosi einen Preis gesetzt,
                              und dasselbe wurde von einem Hrn. A. Nießner in Gegenwart
                              einer Commission in kurzer Zeit ohne den rechtmäßigen Schlüssel geöffnet; in Folge
                              dessen nahm Hr. Tosi im Jahr 1828 ein Patent auf eine
                              Verbesserung an seinem Schlosse, auf dessen Eröffnung er dann nochmals einen Preis
                              setzte; dieses Schloß ist aber nicht geöffnet worden, und man findet in demselben
                              ganz dieselbe Sicherheitsvorrichtung (nämlich die falschen Einschnitte), die bei
                              einigen neueren Chubb-Schlössern vorhanden ist.
                              Ebenso stammt die Verbesserung an den Bramah-Schlössern nicht aus der Neuzeit, denn diese Erfindung gebührt
                              dem J. Russel, welcher schon im Jahr 1817, also vor 42
                              Jahren ein Patent auf diese Verbesserung erhielt. Da man aber die Zweckmäßigkeit
                              dieser Sicherheitsvorrichtungen nicht gehörig zu schätzen wußte, so sind sie bald in
                              Vergessenheit gerathen, und wurden früher und jetzt nur in seltenen Fällen
                              angewendet.
                           Jedoch gewährt die Verbesserung an den Bramah-Schlössern dennoch keine vollkommene Sicherheit, was der
                              Amerikaner Hobbs im Jahr 1851 zu London dadurch bewiesen
                              hat, daß er ein solches Schloß, welches mit dieser Sicherheitsvorrichtung versehen
                              war, und auf welches ein Preis von 200 Guineen gesetzt war, ohne den rechtmäßigen
                              Schlüssel öffnete. Allerdings gebrauchte er zur Vollführung dieses Experimentes 52
                              Stunden, jedoch läßt sich deßhalb noch immer nicht behaupten, daß alle Bramah-Schlösser durch so lange Zeit einem
                              Eröffnungsversuche widerstehen, denn das Schloß, welches Hr. Hobbs in London öffnete, war ein Musterschloß, und folglich als solches
                              sehr genau und fleißig gearbeitet, was bei den gewöhnlichen Bramah-Schlössern nur sehr selten der Fall ist. Außerdem befanden
                              sich in dem genannten Schlosse 18 Zuhaltungen, während bei den gewöhnlichen im
                              Handel vorkommenden meistens nur 5 oder 7 vorhanden sind, die offenbar nur eine weit
                              geringere Sicherheit bieten können.
                           Ueberhaupt kann ein Bramah-Schloß vermöge seiner
                              Construction durchaus nicht die Sicherheit gewähren, die ein gutes Chubb-Schloß zu bieten im Stande ist, weil an
                              jedem Bramah-Schlosse die Zuhaltungen, d. i. die,
                              die Sicherheit bedingenden Theile, von außen sichtbar, und daher sehr leicht
                              zugänglich sind, während man bei einem Chubb-Schlosse durch eine im Schlüsselloche befindliche drehbare
                              Scheibe, die das Schlüsselloch verdeckt, so wie durch einen angebrachten
                              Mittelbruch, oder durch hinter den Riegel gelegte Zuhaltungen den Zugang zu denselben bedeutend erschweren
                              kann.
                           Was die neueren von Hrn. Director Karmarsch beschriebenen
                              Bramah-Schlösser betrifft, in welchen die
                              Zuhaltungen aus einem cylindrischen Stahlstifte bestehen, so sind die hier in
                              Oesterreich gebräuchlichen leider größtentheils ganz falsch construirt, nämlich
                              derart, daß die Angriffslappen der Zuhaltungen im Schlosse nicht in einer Ebene
                              stehen, sondern genau nach der Gestalt des Schlüssels, so zwar, daß man von Außen
                              durch das Schlüsselloch die genaue Form des Schlüssels durch Abmessen finden kann,
                              wovon ich mich zu wiederholten Malen überzeugt habe. Einem solchen Schlosse gebührt
                              daher nichts weniger als der Name eines Combinations-Schlosses. Uebrigens
                              findet man den eben beschriebenen Fehler auch bei den meisten Chubb-Schlössern, wo nämlich die Zuhaltungen an der Stelle, wo der
                              Schlüssel angreift, nicht gleich liegen, sondern genau nach der Form des Schlüssels
                              gestellt sind. Man kann ein solches Schloß sehr leicht dadurch öffnen, daß man mit
                              einem breiten Sperrhaken alle Zuhaltungen zu gleicher Zeit aufhebt, jedoch nicht an
                              der Stelle, wo der Schlüssel angreift, sondern etwas mehr gegen links oder rechts,
                              wobei natürlicher Weise die Vorrichtung, die den Riegel schiebt, nicht zu vergessen
                              ist. Solche Fehler an Combinations-Schlössern fallen aber nicht dem Erfinder,
                              sondern lediglich dem Fabrikanten zur Last.
                           Mein Vortrag hatte also nicht den Zweck, den Werth des Bramah- und Chubb-Schlosses in
                              seiner vollkommensten Construction herabzusetzen, sondern das Publicum damit bekannt
                              zu machen, daß nicht alles, was Chubb- oder Bramah-Schloß heißt, oder darnach aussieht,
                              unaufsperrbar ist, und es daher vor dem Ankaufe von Cassen zu warnen, an denen nicht
                              wirklich unaufsperrbare Schlösser angebracht sind.
                           Und eine solche gedeihliche Folge hatte auch mein Vortrag. Nicht nur wurde die
                              Regierung darauf aufmerksam, und ordnete eine Untersuchung der vorhandenen Cassen
                              an; sondern auch solche Fabrikanten, die bis jetzt gewissenlos genug waren, sich
                              ihre, aller Sicherheit entbehrenden Schlösser zu enormen Preisen bezahlen zu lassen,
                              haben von jetzt ab solche Verbesserungen daran angebracht, wie sie eben Hr. Karmarsch erwähnt, die sie aber, weil bereits seit langer
                              Zeit bekannt, auch schon früher hätten anbringen sollen.