| Titel: | Ueber ein neues Verfahren, das Eisen maaßanalytisch zu bestimmen; von Dr. Hugo Fleck. | 
| Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. XXXV., S. 143 | 
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                        XXXV.
                        Ueber ein neues Verfahren, das Eisen
                           maaßanalytisch zu bestimmen; von Dr. Hugo Fleck.
                        Aus dem polytechnischen Centralblatt, 1859 S.
                              753.
                        Fleck, über ein neues Verfahren, das Eisen maaßanalytisch zu
                           bestimmen.
                        
                     
                        
                           Bei Gelegenheit meiner noch nicht veröffentlichten Versuche über die maaßanalytische
                              Bestimmung der Gerb- und Gallussäure wurde ich auf die quantitative
                              Genauigkeit, mit welcher ätzende Alkalien die unlöslichen Doppelcyanüre zersetzen,
                              aufmerksam, und versuchte es, die Umsetzungserscheinungen, welche durch Wirkung von
                              Natronhydratlösung auf frisch gefälltes Berlinerblau resultiren, als Titrirverfahren
                              für Eisen – und Eisensalze anzuwenden.
                           Es ist bekannt, daß die fixen Aetzalkalien das Berlinerblau unter Abscheidung gelben
                              Eisenoxydhydrats in Blutlaugensalz umsetzen, so daß also die blaue Farbe des
                              Ferrocyaneisens bei genügender Alkalimenge sich völlig und schnell in Gelb
                              umwandelt, – eine Farbenveränderung, die, sobald sie unter gleichen
                              quantitativen Verhältnissen erfolgt, einen trefflichen Maaßstab für die Beobachtung
                              und Berechnung des Processes abgibt.
                           Ich löste zur Controlirung der Erscheinung 0,1 Grm. dünnen Claviersaitendraht in
                              Salzsäure unter Zusatz einzelner Krystalle chlorsauren Kalis, bis freies Chlor
                              entwich und die Flüssigkeit hochgelb gefärbt war, verdunstete dann, bis alles freie
                              Chlor verschwunden war, und brachte diese Eisenchloridlösung auf 1000
                              Kubikcentimeter. Mit derselben wurden nun folgende quantitative Versuche angestellt:
                              10 Kubikcentimeter (= 0,001 Grm. Eisen) wurden mit 90 Kubikcentimetern Wasser
                              verdünnt und mit 1 Kubikcentimeter Ferrocyankaliumlösung (welche im Liter 50 Grm.
                              dieses Salzes enthielt) versetzt, die Flüssigkeit dann mit Sodalösung vorsichtig
                              neutralisirt und nun von einer Natronhydratlösung tropfenweise zugesetzt, bis durch
                              die letzten Tropfen derselben die gelbe Farbe des Eisenoxydhydrats deutlich
                              hervortrat, wozu etwas über 0,3 Kubikcentimeter erforderlich waren; ein zweiter
                              Versuch, welcher bei Anwendung gleicher Mengen Eisenlösung unter Zusatz von 2
                              Kubikcentim. Ferrocyankaliumlösung ausgeführt wurde, ergab dasselbe Resultat, woraus
                              hervorgeht, daß ein Ueberschuß dieses Fällungsmittels ohne Einfluß auf die Reaction
                              ist. Es wurden ferner zweimal 50 Kubikcentimeter der Eisenlösung abgemessen, mit der
                              vierfachen Menge Wasser verdünnt und zu der einen Portion 5 Kubikcentimeter, zu der
                              anderen 10 Kubikcentimeter Blutlaugensalzlösung gesetzt, sodann mit Sodalösung
                              neutralisirt und hierauf durch Zusatz von genau 1,6 Kubikcentim. Natronlösung
                              die Reaction beendet; daraus berechnet sich für 10 Kubikcentim. Eisenlösung 0,3266
                              Natronhydratlösung.
                           Eine zweite Versuchsreihe wurde unter Zusatz einer Alaunlösung zu der zu titrirenden
                              Flüssigkeit vorgenommen: 10 Kubikcentim. Eisenlösung wurden mit 90 Kubikcentim.
                              Wasser verdünnt, darin 0,1 Grm. reiner Kalialaun gelöst, 1 Kubikcentimeter
                              Blutlaugensalzlösung zugesetzt und mit Soda bis zur Abscheidung aller Thonerbe, d.h.
                              bis zur völlig neutralen Reaction vermischt; hierbei hüllte der sich bildende
                              Thonerdeniederschlag das Berlinerblau in dem Grade ein, daß auch nach Zusatz von 5
                              Kubikcentim. Natronlösung der graue Ton des Niederschlags nicht verschwand und eine
                              Abscheidung von Eisenoxydhydrat nicht deutlich wahrzunehmen war. Bei Wiederholung
                              desselben Versuchs wurde, nach Fällung des Berlinerblaues, die Neutralisation mit
                              Soda über der Weingeistlampe vorgenommen, die gesättigte Flüssigkeit zum Kochen
                              gebracht und nun in die kochend heiße Flüssigkeit aus der Bürette Aetznatronlösung
                              zugesetzt, worauf nach Eintröpfeln von etwas über 0,3 Kubikcentimeter die gelbe
                              Farbe des Eisenoxydhydrats völlig zum Vorschein kam. Zwei andere Versuche mit 50
                              Kubikcentim. Eisenlösung und je 2 Grm. Kalialaun erforderten, wie die reine
                              Eisenlösung, 1,6 Kubikcentimeter Natronlösung, so daß also hierdurch der störende
                              Einfluß der Thonerde als beseitigt anzusehen ist.
                           Zur Controlirung des Verfahrens löste ich nun 1 Grm. eines bayerischen
                              Brauneisensteins in Salzsäure unter Zusatz einiger Krystalle chlorsauren Kalis,
                              verdunstete bis zum Verschwinden des freien Chlors, filtrirte und brachte die Lösung
                              auf 1 Liter Flüssigkeit. Dieses verhältnismäßig große Volumen gestattete die
                              Anstellung zahlreicher Versuche, deren Hauptresultate sich aus folgender Tabelle
                              ergeben:
                           
                              
                                 KubikentimeterEisenlösung.
                                 KubikcentimeterK₂ Cfy
                                 Kubikcentimet.NaO, HO
                                 Gramme Eisen.
                                 Procente Eisenim Erze.
                                 
                              
                                   10
                                 1,0
                                   1,30
                                 0,004062
                                 40,02
                                 
                              
                                   10
                                 1,5
                                   1,25
                                 0,003906
                                 39,06
                                 
                              
                                   50
                                 2,0
                                   6,50
                                 0,020312
                                 40,62
                                 
                              
                                   50
                                 4,0
                                   6,45
                                 0,020156
                                 40,31
                                 
                              
                                 100
                                 4,0
                                 12,90
                                 0,040312
                                 40,31
                                 
                              
                                 100
                                 6,0
                                 12,90
                                 0,040312
                                 40,31
                                 
                              
                                 100
                                 5,0
                                 13,00
                                 0,040625
                                 40,62
                                 
                              
                                   75
                                 3,0
                                   9,70
                                 0,030312
                                 40,41
                                 
                              
                                   80
                                 3,0
                                 10,35
                                 0,032343
                                 40,48
                                 
                              
                           
                           Die hier noch obwaltenden Differenzen fanden ihren wesentlichen Grund in der noch zu
                              bedeutenden Concentration der Aetznatronflüssigkeit. Ich verdünnte daher dieselbe
                              auf ihr beiläufig zehnfaches Volumen, so daß 10 Kubikcentim. der Normaleisenlösung
                              durch 3,15 Kubikcentim. der Natronhydratlösung angezeigt wurden. Mittelst dieser
                              Natronlösung wurden die Versuche mit der noch vorhandenen Brauneisensteinlösung
                              fortgesetzt und ergaben folgende Resultate:
                           
                              
                                 KubikcentimeterEisenlösung.
                                 KubikcentimeterK₂ Cfy
                                 Kubikcentimet.NaO, HO
                                 Gramme Eisen.
                                 Eisenprocenteim Erze.
                                 
                              
                                 10
                                 1,0
                                 12,80
                                   0,0040634
                                 40,634
                                 
                              
                                 10
                                 1,5
                                 12,75
                                   0,0040476
                                 40,476
                                 
                              
                                 50
                                 2,0
                                 63,70
                                 0,020222
                                 40,444
                                 
                              
                                 50
                                 3,0
                                 63,80
                                 0,020254
                                 40,508
                                 
                              
                                 75
                                 4,0
                                 95,70
                                   0,0303809
                                 40,507
                                 
                              
                                 75
                                 6,0
                                 95,75
                                   0,0303968
                                 40,529
                                 
                              
                           Aus diesen Resultaten berechnet sich der mittlere Werth auf 40,502 Proc. Eisen im
                              Brauneisenstein.
                           Das ganze Verfahren der Eisenprüfung läßt sich demnach in Folgendes
                              zusammenfassen:
                           1) Man löst eine abgewogene Menge feinen Claviereisendrahts in verdünnter, chemisch
                              reiner Salzsäure und trägt in die Flüssigkeit so lange einzelne Krystalle
                              chlorsauren Kalis ein, bis sich aus der erwärmten Flüssigkeit freies Chlor zu
                              entwickeln beginnt. Ist dieß der Fall, so erhitzt man den Kolben, in welchem die
                              Lösung vorgenommen wurde, über der Weingeistlampe, ohne jedoch zu kochen, so lange,
                              bis ein in die Dämpfe gehaltenes, mit verdünnter Indigolösung getränktes Papier
                              nicht mehr gebleicht wird, und bringt nun die Flüssigkeit auf ein bestimmtes
                              Volumen.
                           2) Man stellt sich eine Lösung von gelbem Blutlaugensalz, welches durch
                              Umkrystallisiren vorher gereinigt wurde, im Verhältniß von 50 Grm. Ferrocyankalium
                              auf 1 Liter Lösung dar.
                           3) Es wird eine Natronhydratlösung, die durch Titriren mit Oxalsäure etwa auf 0,1
                              Grm. NaO, HO in 100 Kubikcentim. Flüssigkeit gebracht ist, dargestellt und möglichst
                              gut verkorkt reservirt. Man mißt sich nun zur Titrirung der letzteren Flüssigkeit
                              von der Eisenlösung so viel ab, daß dieselbe etwa 1–5 Milligramme Eisen
                              enthält, verdünnt mit der zehn- bis zwanzigfachen Menge Wasser und läßt so
                              viel der Ferrocyankaliumlösung zutreten, daß dessen Gewicht das acht- bis
                              neunfache des verwendeten Eisens beträgt, denn nach Liebig's
                              Untersuchung (Handwörterbuch der Chemie, Artikel „Berlinerblau“
                              und „Ferrocyanmetalle“) bildet sich der Niederschlag nach der
                              Formel:
                           4 (K₂ Cfy + 3 HO) + 2 (Fe₂ Cl₃) = 6 KCl
                              + (Fe₄ Cfy₃ + K₂ Cfy) + 12 HO
                           so daß auf 112 Grm. Eisen 844,8 Grm. Blutlaugensalz (= 1 :
                              7,54) zu berechnen sind.
                           Der durch den entstandenen Niederschlag tief blau gefärbten, mehr oder weniger
                              durchsichtigen Flüssigkeit setzt man nun vorsichtig tropfenweise von einer
                              verdünnten Sodalösung zu, bis die Flüssigkeit, mit Lackmuspapier geprüft, völlig
                              neutral erscheint, wobei geringes Erwärmen wesentlich unterstützend wirkt, und läßt
                              aus der Bürette mit Natronlösung tropfenweise und unter fleißigem Umrühren
                              zufließen. Nach Zusatz der ersten Tropfen färbt sich die Flüssigkeit tief violett,
                              dann graublau und endlich tritt mit dem letzten Tropfen Natron die hellrothgelbe
                              Farbe des Eisenoxydhydrats deutlich und schnell hervor. Ein nochmaliger Versuch mit
                              denselben Mengen Eisenlösung controlirt den ersten und nun bestimmt man den Titre
                              der Natronlösung nach den Mengen von Eisen, welche durch 100 Kubikcentimeter der
                              ersteren erkannt werden.
                           Von der zu obigen, letzteren Versuchen angewendeten Natronlösung entsprachen 3,15
                              Kubikcentim. einem Milligrm. Eisen, daher 100 Kubikcentim. = 0,031745 Fe. Hat man nun ein Eisenerz zur Prüfung vorliegen, so
                              wiegt man sich am besten, nachdem dasselbe möglichst fein gerieben ist, 1 Grm. ab,
                              löst diese Menge in Salzsäure unter Zusatz chlorsauren Kalis, erhitzt bis zur
                              völligen Chlorentfernung, filtrirt und bringt die Lösung auf 1 Liter
                              Flüssigkeitsvolumen mittelst reinen Wassers. Von dieser Lösung, die wegen des
                              voluminösen Niederschlags, den das Berlinerblau sonst bildet, so verdünnt angewendet
                              werden muß, bringt man je 50–100 Kubikcentim. zur Titrirung, läßt auf 100
                              Kubikcentim. 5–8 Kubikcentim. Blutlaugensalzlösung einwirken, neutralisirt
                              unter Erwärmung mittelst schwacher Sodalösung, erhitzt dann bis zum Sieden und läßt
                              nun in die heiße Flüssigkeit tropfenweise die Natronlösung aus der Bürette
                              einwirken.
                           Hatte man nun z.B. zur Titrirung von 50 Kubikcentim. Eisenerzlösung (= 0,05 Grm.
                              Eisenerz) wie oben 63,8 Kubikcentim. Natronlösung verwendet, so sind diese:
                           63,8 Kubikcent.: x Grm. Eisen = 100 Kubikcent.: 0,031746
                              Grm.
                           x = (63,8 × 0,031746)/100 = 0,020254 Grm. Eisen,
                              mithin 1000 Kubikcentim. der Eisenerzlösung oder in dem zur Prüfung verwendeten 1
                              Grm. Eisenerz die
                              zwanzigfache Menge = 20 × 0,020254 = 0,40508 Grm. Eisen
                           = 40,508 Proc.
                           Obgleich es, nach Mohr's Angabe, einfacher erscheint, die
                              Natronlösung durch Verdünnung auf eine gerade oder wenigstens bequemere Zahl des
                              Titre zu bringen, z.B. 100 Kubikcentim. = 0,100 Grm. Eisen, um dadurch zeitraubende
                              Berechnungen zu ersparen, so habe ich doch, trotz der größten Vorsicht und Umsicht,
                              eine solche Genauigkeit nicht erreichen können, daß die verdünnte Natronlösung genau
                              die verlangte Eisenmenge anzeigte, und bin ich deßhalb immer zu dem vorigen
                              Verfahren zurückgekehrt.
                           Die hier besprochene Eisenbestimmungsmethode verdient jedenfalls der mittelst
                              übermangansauren Kalis an die Seite gestellt zu werden, da sie sich durch Anwendung
                              einfacher und leichter beschaffbarer Reagentien, durch eine nicht geringere
                              Schnelligkeit und Sicherheit in der Erkennung des Moments ihrer Beendigung
                              auszeichnet, und vor allem die der Anwendung des Chamäleon vorhergehende Reduction
                              des Eisenchlorids zu Chlorür, was bei Mangel chemisch reinen und völlig eisenfreien
                              Zinks kaum genügende Resultate erzielen läßt, – durch die sichere Oxydation
                              ersetzt.
                           Sind dem Eisenerz Metalle der Kupfer- oder Antimongruppe beigemischt, welche
                              durch Ferrocyankalium ebenfalls gefällt werden, so werden diese vorher durch
                              Schwefelwasserstoff entfernt, ehe man der Lösung chlorsaures Kali zusetzt, durch
                              welches Salz später der Ueberschuß von Schwefelwasserstoff in der Flüssigkeit
                              gleichzeitig wieder zerstört wird.
                           Sind Mangan, Kobalt oder Nickel vorhanden, so lassen sich diese als Hyperoxyde
                              entfernen, sobald man in die noch warme, freies Chlor haltende Flüssigkeit
                              tropfenweise Sodalösung bis zur schwach sauren Reaction
                              zusetzt, dann die abgeschiedenen Hyperoxyde abfiltrirt und nun mit
                              Blutlaugensalzlösung das Eisen abscheidet. Die Anwendung von Ammoniaksalzen muß in
                              der Eisenlösung vermieden werden, da erstere zerstört werden, ehe die Natronlauge
                              auf das Berlinerblau wirkt.
                           Zinkhaltige Eisenerze lassen sich, da die Entfernung des Zinks mit zu viel
                              Zeitaufwand verbunden ist, nach dieser Methode nicht prüfen.
                           Es läßt sich indeß diese Art der Metallbestimmung in allen den Fällen noch anwenden,
                              wo die Farbe des Ferrocyanmetalls von der des nach Einwirkung von Aetzalkalien auf
                              erstere sich bildenden Oxydhydrats wesentlich abweicht, z.B. bei Kupfer- und
                              Quecksilbersalzen.
                           Das rothe Ferrocyankupfer geht in blaues Kupferoxydhydrat, das weiße
                              Ferrocyanquecksilber in gelbrothes Quecksilberoxyd über. Im ersteren Falle muß aber die Reaction in
                              der Kälte ausgeführt werden, da bei anfangendem Sieden der Flüssigkeit durch Bildung
                              schwarzen Kupferoxyds jede Controle aufhört; arbeitet man aber bei der
                              Kupferbestimmung mit kalten Flüssigkeiten, so erfolgt die Farbenveränderung, d. i.
                              die Zersetzung des Ferrocyankupfers, nur langsam. Bei Anwendung concentrirter
                              Natronlösung erhielt ich indeß Resultate, welche verhältnißmäßig wenig unter
                              einander differirten, sobald nur die Lösung vorher genügend neutralisirt war.