| Titel: | Ueber das Verhalten der kohlensauren Baryt- und Kalkerde zu Chlorgas, und die Darstellung des chlorsauren Baryts; von Prof. P. Bolley. | 
| Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. XCV., S. 358 | 
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                        XCV.
                        Ueber das Verhalten der kohlensauren
                           Baryt- und Kalkerde zu Chlorgas, und die Darstellung des chlorsauren Baryts; von
                           Prof. P.
                              Bolley.
                        Aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift, 1859,
                              Bd. IV S. 82.
                        Bolley, über das Verhalten der kohlens. Baryt- u. Kalkerde
                           zu Chlorgas.
                        
                     
                        
                           Die Veranlassung zur Vornahme der Versuche, über welche hier berichtet werden soll
                              und die von einem Praktikanten in meinem Laboratorium, Hrn. Merz aus Herisau, ausgeführt wurden, war eine doppelte.
                           Erstens sollte ermittelt werden, welche von zwei sich widersprechenden Angaben über
                              das Verhalten der Kalkerde zum Chlor die richtige sey.
                           Houton-Labillardière gibt an, daß
                              gebrannter Kalk, der mit viel Wasser gelöscht und nachher von demselben durch
                              Erhitzen über 100° C. wieder befreit worden sey, so viel Chlor aufnehme, daß
                              auf 1 Aeq. Chlor 1 Aeq. Kalkhydrat komme (Gmelin's
                              Handbuch, bei Chlorkalk). Dagegen versichert Graham (Otto-Graham's Handbuch bei Chlorkalk), daß bei
                              100° C. getrocknetes Kalkhydrat wenig oder gar kein Chlor aufzunehmen
                              vermöge. Gelöschter Kalk, der von adhärirendem Wasser durch Erwärmen über
                              100° möglichst befreit worden war, wurde einem Strome sorgfältigst
                              getrockneten Chlors ausgesetzt und nach längerer Einwirkung, nachdem der Chlorstrom
                              abgestellt war, einem Strome ganz trockener und kohlensäurefreier Luft dargeboten;
                              das Product, sodann auf seinen Gehalt an Chlor (unterchloriger Säure) untersucht,
                              zeigte nicht die geringste Andeutung, daß etwas aufgenommen worden war. Die
                              gleichzeitig vorgenommene Wägung des in einem Glasrohre befindlichen Kalkerdehydrats
                              vor und nach dem Versuche ergab so viel wie keine Gewichtszunahme.
                           Diese Ergebnisse sprechen für die Richtigkeit der Graham'schen Beobachtung und gegen Houton-Labillardière.
                           Zweitens sollte gesucht werden, ob nicht ein einfacheres Verfahren zur Erzeugung
                              chlorsauren Baryts (als des zweckmäßigsten Materials zur Erzeugung der Chlorsäure)
                              könne ausfindig gemacht werden, als diejenigen sind, die man bisher kannte.
                           Die Beobachtung von Williamson, daß in Wasser fein
                              vertheilte Kreide durch einen Chlorstrom Chlorcalcium und freie unterchlorige Säure
                              liefere, die aber nicht im Stande sey die Kohlensäure auszutreiben, um sich mit dem
                              Kalk zu verbinden, erscheint als unvollständig, insofern als nahe lag zu
                              untersuchen, ob unter diesen Umständen sich auch Chlorsäure und somit chlorsaurer Kalk
                              bilden könne. Auch nach dieser Seite hin konnte durch die Hrn. Merz übertragenen Versuche einiges Licht gewonnen werden.
                           Es wurde zu dem Ende frisch, und bei gewöhnlicher Temperatur, gefällter kohlensaurer
                              Baryt und kohlensaurer Kalk (was jedenfalls der Schlämmkreide vorzuziehen ist), wohl
                              ausgewaschen und in Wasser vertheilt, einem kräftigen Chlorstrome ausgesetzt. Die
                              Niederschläge waren in mit Wasser halbgefüllte Flaschen vertheilt, und wurden häufig
                              mit dem über der Flüssigkeit befindlichen Chlorgas geschüttelt.
                           An dem Entweichen der Kohlensäure und dem veränderten, dem Chlorkalk ähnlichen
                              Geruch, war bald zu erkennen, daß Chlor ziemlich stark auf diese kohlensauren Salze
                              einwirke. Nachdem längere Zeit mit Einleiten des Chlorgases fortgefahren worden war,
                              wurden die trüben Flüssigkeiten erwärmt, filtrirt und das Filtrat abgedampft. Es
                              bestand das eine aus chlorsaurem Baryt und Chlorbaryum, das andere aus chlorsaurem
                              Kalk und Chlorcalcium. Die Salzgemische entwickelten durch Erhitzen in einem
                              Röhrchen beide lebhaft Sauerstoff. Die Trennung des chlorsauren Baryts von
                              Chlorbaryum kann, wie es bei jener Methode geschehen muß, nach welcher Chlor in
                              Barytwasser geleitet wird, d.h. theilweise durch Auskrystallisirenlassen des
                              Chlorbaryums, und theils durch phosphorsaures Silberoxyd geschehen, wodurch
                              Chlorsilber und phosphorsaurer Baryt gebildet wird.