| Titel: | Ueber einen Apparat zur Kälteerzeugung; von Carré. | 
| Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. XI., S. 24 | 
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                        XI.
                        Ueber einen Apparat zur Kälteerzeugung; von
                           Carré.
                        Aus den Comptes rendus, December 1860, t. LI p.
                              1023.
                        Carré, über einen Apparat zur Kälteerzeugung.
                        
                     
                        
                           Von der Thatsache ausgehend, daß gewisse Körper die Eigenschaft haben, in der Kälte
                              beträchtliche Mengen Gase oder Dämpfe zu absorbiren und sie beim Erwärmen wieder
                              entweichen zu lassen, schien es mit wahrscheinlich, daß man eine ökonomische
                              Kältequelle finden müsse, wenn man solche Gase anwendet, die leicht zu Flüssigkeiten
                              verdichtet und in großer Menge absorbirt werden können, und daß diese Kältequelle
                              mittelst einfacher, wenig kostspieliger Apparate und geringer Handarbeit leicht
                              auszubeuten seyn müsse. Unter den verschiedenen in Betracht kommenden Gasen schien
                              mit das Ammoniakgas das beachtenswertheste; schon längst bediente sich Regnault desselben mit Vortheil bei seinen Versuchen. Es
                              empfiehlt sich dieses Gas durch seine Beständigkeit, seine hohe latente Wärme und
                              durch die Eigenschaft, sich fast ohne Entwickelung von Verbindungswärme aufzulösen.
                              Auch sind die damit erlangten Resultate, vollkommen befriedigend.
                           Ich wende zweierlei Apparate an: intermittirende und continuirliche.
                           Der intermittirende Apparat ist höchst einfach. Man denke sich zwei hinreichend
                              starke Retorten mit einem Inhaltsverhältniß von 1: 4, deren zwei etwas verlängerte
                              und emporgerichtete Hälse mit einander verbunden sind. Die größere, zu 3/4 mit
                              concentrirter Ammoniaklösung gefüllt, wird aufs Feuer gestellt, die kleinere in
                              kaltes Wasser getaucht. Man erhitzt die Lösung auf 130–140° C., wobei
                              fast alles Gas entwichen ist und sich in der kleineren Retorte condensirt hat. Die
                              Temperatur ist mittelst eines eingesetzten Thermometers leicht zu beobachten. Ist
                              die Trennung geschehen, so bringt man die Retorte mit dem entgasten Wasser in kaltes
                              Wasser. Die Wiederabsorption beginnt sofort und die Verflüchtigung des condensirten
                              Ammoniakgases in der kleinen Retorte bringt daselbst eine solche Kälte hervor, daß
                              das umgebende Wasser gefriert. Die Kälte kann bis auf – 40° C. kommen. Balard gelang es, Quecksilber dadurch zum Gefrieren zu
                              bringen.
                           Statt der Retorten wende ich in der Praxis cylindrische, mittelst einer Röhre
                              verbundene Behälter an; dieselben müssen sehr genau geschlossen und vollkommen von
                              Luft befreit seyn. Die Absorption wird außerdem erleichtert durch die Anwendung der
                              Flüssigkeit in verschiedenen Schichten. Diese trägt auch dazu bei, das Gas während
                              seiner Entwickelung von Wasserdämpfen zu befreien, indem das Verdampfen von unten
                              nach oben durch immer concentrirte Flüssigkeitsschichten hindurch geschieht, welche
                              den größten Theil des mitgerissenen Wassers zurückhalten.
                           Trotzdem wird doch etwas Wasser mit hinübergeführt; dieses bleibt dann im
                              Refrigerator nach jeder Operation zurück, wodurch der Apparat bald außer Thätigkeit
                              kommen müßte, wenn er nicht so eingerichtet wäre, daß man das Wasser aus einem
                              Behälter in den anderen zurückfließen lassen kann. Dieß geschieht durch Emporhalten
                              des Refrigerators über den Verdampfer während einer kurzen Zeit.
                           Dieses intermittirende Instrument, speciell für den häuslichen Gebrauch bestimmt,
                              erzeugt wenigstens 5 Kilogramme Eis für jedes in einem Küchenherd verbrannte
                              Kilogramm Kohlen.
                           Der continuirliche Apparat ist einer fast unbegrenzten Vergrößerung fähig. Er besteht
                              im Wesentlichen aus einem auf freiem Feuer oder mittelst Dampf zu erhitzenden
                              Kessel; einem darüber befindlichen Recipient zum Reinigen des Gases; einem
                              röhrenförmigen Condensator, worin das Gas durch einen kalten Wasserstrom verdichtet
                              wird; einem Eisbilder von geeigneter Gestalt, worein das verdichtete Gas nach und
                              nach einströmt; einem Absorptionsapparat, zum Auflösen des im Eisbilder
                              verdampfenden Gases, wobei das absorbirende Wasser durch einen die latente Wärme
                              aufnehmenden und in einer Schlange circulirenden Wasserstrom abgekühlt werden muß;
                              einer Pumpe zum Zurückführen der gesättigten Auflösung nach dem Verdampfungskessel;
                              endlich einem Regenerator, worin das zur Absorption bestimmte Wasser, welches fast
                              erschöpft aus dem untern Theil des Kessels entnommen wird, seine Wärme mit
                              derjenigen des in umgekehrter Richtung in den Kessel strömenden gesättigten Wassers
                              austauscht. Die Arbeit des Verdampfkessels ist derjenigen eines gewöhnlichen
                              Destillirapparates ähnlich; die Trennung des Ammoniakgases vom Wasser geschieht
                              darin leicht, und da das Wasser, weil es nicht aus dem Apparat entfernt wird, darin
                              nicht gänzlich erschöpft zu werden braucht, so ist es nicht nöthig diesen Theil des
                              Apparates complicirter zu machen. Das Einströmen des Gases in den Recipient, worin
                              die Lösung zum Maximum der Concentration gelangt, reinigt dasselbe hinreichend, um
                              gute Resultate zu geben;
                              die Verdichtung des immer etwas wasserhaltigen Gases geschieht unter einem Druck von
                              6–7 Atmosphären bei 25° C. Temperatur.
                           Die Absorption des Gases durch das Wasser ist von einer beträchtlichen
                              Wärmeentwickelung, dem Aequivalent der im Eisbilder hervorgebrachten
                              Temperaturerniedrigung, begleitet. Nimmt man die Quantität des Ammoniakgases, welche
                              absorbirt werden soll, zu 30 Proc. von der Wassermenge und die Lösungswärme von 1
                              Kil. Ammoniak zu 514 Wärme-Einheiten an, so findet man, daß 1 Kil. Wasser, um
                              sich ohne Temperaturveränderung bis zu diesem Punkt zu sättigen, die Entziehung von
                              154,2 W. E. erfordert; die Absorption in dem Maaße, wie die Arbeit sie erheischt,
                              würde unmöglich seyn, wenn die Lösung nicht fortwährend durch das in einer Schlange
                              hindurchfließende Wasser erkaltet würde.
                           Die Ammoniaklösung verliert zuerst ihren größten Gehalt an Gas und wenn der Apparat
                              mit der Eisbildung beginnt, so ist sie namentlich in den unteren Schichten sehr
                              verdünnt; da sie aber noch ziemlich viel Ammoniak enthält, und man außerdem durch
                              das Ausfließenlassen dieser heißen Lösung beträchtlichen Verlust erleiden würde, so
                              ist es wichtig, sie dadurch zur Absorption geeignet zu machen, daß man sie ihre
                              Wärme mit derjenigen der zum Kessel zurückkehrenden concentrirten Lösung austauschen
                              läßt. Hieraus folgt, daß der erhitzte Kessel nur so viel Wärme zu liefern hat, als
                              der Summe der Wärme-Einheiten entspricht, welche im Eisbilder absorbirt
                              werden, abgesehen natürlich von dem nicht beträchtlichen Verluste durch
                              unvollkommenen Wärmeaustausch und Strahlung. Man kann daher, diesen Verlust
                              abgerechnet, die Kälte berechnen, welche durch ein gegebenes Brennmaterial von
                              bekannter Wärmewirkung hervorgebracht wird.
                           Die Kälte, welche man mittelst dieses Apparates hervorbringen kann, wechselt in
                              ziemlich weiten Grenzen; sie ist bedingt durch die Menge Gas, welche im Wasser des
                              Absorptionsgefäßes gelöst wird; je stärker diese Lösung wird, desto kräftiger
                              erfolgt die Wärmeabsorption und um so größer wird daher die Kälte. Wenn man nur
                              15–20 Proc. absorbiren läßt, so sinkt die Temperatur schon auf – 50
                              bis – 60°.
                           Das mit dem Ammoniakgas in Dampfgestalt fortgerissene Wasser sammelt sich im
                              Eisbilder und würde dessen Wirkung endlich aufheben; eine zeitweilige oder
                              continuirliche Entfernung desselben, wobei man die Temperatur der austretenden
                              Flüssigkeit mit derjenigen der eintretenden Flüssigkeit austauscht, begegnet diesem
                              Uebelstand. Derselbe Wärmeaustausch findet auch statt zwischen dem sehr kalt aus dem
                              Eisbilder austretenden Gas und der Flüssigkeit, welche aus dem Condensationsapparat
                              mit
                              20–25° ankommt. Man bewirkt einen solchen Austausch leicht dadurch,
                              daß man die eine Leitungsröhre als Schlange um die andere legt. Außer der
                              Eisbereitung gestattet diese leichte und ökonomische Kälteerzeugung noch andere
                              wichtige Anwendungen in Beziehung auf Gesundheitspflege und Industrie; so z.B. kann
                              die Luft zu einem Preise abgekühlt werden, welcher nur das Doppelte der Kosten ihrer
                              Erwärmung um gleich viele Grade beträgt. Die Darstellung chemischer Producte wird
                              ebenfalls vielfachen Gebrauch davon machen können, indem durch Kälteanwendung die
                              Krystallisation mehrerer Substanzen sehr erleichtert wird. Man denke nur an die
                              Fällung des schwefelsauren Natrons aus den Mutterlaugen des Meersalzes, an das in
                              den Oelen enthaltene Paraffin, die Krystallisation des Benzins, der Essigsäure. Eine
                              der größten Salinen des südlichen Frankreichs, die von H. Merle und Comp., wird diese Methode auf die
                              Behandlung der Salzwasser nach Balard's Methoden
                              anwenden. Man wird diese Kälteerzeugung ferner anwenden können zur Trennung des
                              Wassers von den Substanzen die es gelöst hat, wie zur Darstellung von süßem Wasser
                              und von Salzen aus Meerwasser und Soolen; ferner zur Condensation sehr flüchtiger
                              Producte; zur Hervorbringung mehrerer nur bei niedriger Temperatur stattfindender
                              Reactionen, wie die Auflösung mancher Gase; zum Concentriren verdünnter wässeriger
                              Lösungen, wie des Weins, des Alkohols, der Säuren; zur Verminderung der
                              Gährungswärme bei Wein, Bier, Essig; zum Hartmachen mehrerer durch die Wärme sich
                              erweichenden Körper, wie des Stearins, Paraffins, des Talges, vor dem Pressen,
                              wodurch sie von den Oelen befreit werden müssen.
                           Die Apparate zur Eisbildung bestehen hauptsächlich aus einer oder mehreren Zellen,
                              welche in einen geschlossenen Behälter passen und von verdichtetem Ammoniak umgeben
                              sind. Die Erkaltung von Luft und Flüssigkeiten, die Krystallisation u.s.w. geschehen
                              besser mit röhrenförmigen Kühlern, welche bündelweise in den Behältern aufgestellt
                              sind, worin sich zugleich Rührwerke zur Erneuerung der Oberfläche und zur
                              Verhinderung des Anhaftens der Krystalle an jenen Röhren befinden. Die Entleerung
                              der Producte, der Zu- und Abfluß der zu trennenden oder getrennten Lösungen
                              geschehen continuirlich, wobei das Princip des Wärmeaustausches zwischen der
                              ein- und austretenden Flüssigkeit (welche man im entgegengesetzten Sinne in
                              Röhrenapparaten circuliren läßt) befolgt wird, so daß eine möglichste Ausnutzung der
                              hervorgebrachten Kälte stattfindet.
                           Zur Gewinnung von süßem Wasser aus Meerwasser mittelst Gefrierens wird viel weniger
                              Wärme verbraucht als zur Destillation, wie aus folgender Berechnung der
                              Wärmeeinheiten erhellt:
                           
                           
                              
                                 Latente Wärme zum Verdampfe
                                 Latente Wärme zum Gefrierenlassen
                                 
                              
                                 von 1 Kil. Wasser
                                 537,00    
                                 von 1 Kil. Wasser
                                 79,25
                                 
                              
                                 Spec. Wärme von 15–100°
                                   85,00
                                 Spec. Wärme v. + 15° bis – 5°
                                 20,00
                                 
                              
                                 Specifische Wärme für 1/4
                                    an  Rückstand
                                   21,25
                                 Specifische Wärme für 1/4
                                    an  Rückstand
                                 3,75
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 Zusammen
                                 643,25
                                 Zusammen
                                 103,00
                                 
                              
                           Läßt man das Meerwasser langsam gefrieren, so ist das erhaltene Eis rein. Bei raschem
                              Gefrieren bleibt Salzwasser zwischen den Eistheilen zurück; dasselbe kann jedoch
                              durch Zerstoßen und Ausschleudern davon getrennt werden.
                           Bei der Construction dieser Apparate sind besondere Vorsichtsmaßregeln zu befolgen:
                              Kupfer mit dem allergeringsten Zinkgehalt ist unanwendbar, weil seine
                              Molecularconstitution sehr bald verändert und seine Zähigkeit zerstört wird.
                              Messing, in der Kälte wenige Stunden in eine schwache Ammoniaklösung gelegt, wird so
                              zerbrechlich wie Thon. Von den übrigen Metallen widerstehen Schmiedeeisen, Gußeisen,
                              Stahl, Zinn und Blei der Einwirkung; mit Zinn oder Blei gelöthete Stellen werden
                              niemals zu Undichtheit Veranlassung geben.