| Titel: | Gutachten, gegründet auf eigene Versuche und von dem Assistenten des technischen Laboratoriums des schweizerischen Polytechnicums Hrn. Dr. Schulz ausgeführte Analysen, über die rothen Pigmente aus Anilin: das „Fuchsin“ und das „Azalein“; von Dr. Bolley. | 
| Autor: | Pompejus Alexander Bolley [GND] | 
| Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. XX., S. 57 | 
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                        XX.
                        Gutachten, gegründet auf eigene Versuche und von
                           dem Assistenten des technischen Laboratoriums des schweizerischen Polytechnicums Hrn.
                           Dr. Schulz ausgeführte Analysen, über die rothen Pigmente aus
                           Anilin: das „Fuchsin“ und das „Azalein“; von
                           Dr. Bolley.
                        Bolley, über das Fuchsin und Azalein.
                        
                     
                        
                           Von einem bedeutenden Droguenhandlungshause in Paris zu einem Gutchachten über die
                              genannten beiden rothen Anilinfarbstoffe aufgefordert, muß ich voraus bemerken, daß
                              ich diesen Herren für die Rücksicht dankbar bin, die sie mit erwiesen, insoferne als
                              sie mit nicht die geringste Andeutung machten, welche der beiden streitenden
                              Parteien in dem bekannten Processe zweier brevetirten FabrikantenDie Herren Gebrüder Renard, Franc u. Comp. in Lyon und Hr. Gerber-Keller in Mülhausen. Außer diesem Processe schwebt
                                    ein anderer vor den französischen Gerichten zwischen den Herren Renard, Franc und Comp. und den Herren Gebrüder Depouilly. von Anilinroth mein Urtheil in der Sache anruft. Ich bin daher vollkommen
                              unbefangen und trage an den höchst schwierigen und wichtigen Fragen nur ein
                              wissenschaftliches Interesse. Ich muß dieß um so mehr hervorheben, als mehrere
                              bedeutende Chemiker Frankreichs, und darunter einige mit befreundete, sehr
                              widersprechende Ansichten vertreten und öffentlich in heftige Discussion gerathen
                              sind.
                           
                           Ehe ich zur Berichterstattung über die im technischen Laboratorium des
                              schweizerischen Polytechnicums ausgeführten Arbeiten und zu der Kundgebung meiner
                              darauf gegründeten und aus den Arbeiten Anderer abgeleiteten Ansichten schreite,
                              will ich angeben, welche Arbeiten anderer Chemiker mit über diese Materie bekannt
                              geworden sind.
                           
                              1.A. W. Hofmann, Recherches pour servir à
                                    l'histoire des bases organiques. (Comptes rendus
                                    hebd. de l'Académie des sciences, tome XLVII p. 492, und Jahresbericht über die Fortschritte der
                                 Chemie von H. Kopp und H. Will, 1858, S. 351.)
                              2.Natanson über Acetylamin (Annalen der Chemie und
                                 Pharmacie von Liebig, Wöhler und Kopp, Bd. XCVIII S. 291).
                              3.Béchamp über die Erzeugung des Fuchsins oder
                                 Anilinroth, einer neuen organischen Base. (Comptes
                                    rendus. Mai 1860. Nr. 19. – Polytechn. Journal Bd. CLVI S. 309).
                              4.Béchamp über das Fuchsin. (Comptes rendus hebd. 3. Sept. 1860).
                              5.Persoz, Salvetat et de Luynessur la géneration de l'acide fuchsique au moyen de
                                    l'aniline. (Comptes rendus hebd. des
                                    séances de l'Académie des sciences, t. LI. p. 538; polytechn. Journal Bd. CLIX S. 221).
                              6.Guignet, Untersuchungen über das Fuchsin (Zeitschrift
                                 für Chemie und Pharmacie von Erlenmeyer und Lewinstein, 1860 S. 195; polytechn. Journal Bd. CLVI S. 149).
                              7.Schneider, chemische Zusammensetzung des Azaleins.
                                 (Comptes rendus hebd. de l'Académie, 31.
                                 December 1860; polytechn. Journal Bd. CLIX S.
                                    227).
                              8.J. Gerber-Keller, notice sur le rouge
                                    d'aniline.
                              9.Lettre de Mr. J. Gerber-Kellerau sujet de la fabrication de l'azaleine.Lettre de Mr. A. Schlumbergerau sujet de la question fuchsine et azaleine. Ouverture
                                    d'un paqnet cacheté, déposé par Mr. A. Schlumberger,
                                    contenant une nouvelle découverte pour la fabrication de la
                                    fuchsine. (Bulletin de la
                                    Société industrielle de Mulhouse, Vol. 30 p. 169 et 170;
                                 polytechn. Journal Bd. CLVII S.
                                    292).
                              10.Mémoire présenté au concours par Mr.
                                    E. Willm, préparateur de chimie à
                                    l'école des sciences appliquées de Mulhouse.Raport présenté au nom du comité de
                                    chimie par Mr. Scheurer-Kestner, sur un mémoire de Mr. E. Willm, relatif à des
                                    recherches sur l'ainiline et la fuchsine.(Bulletin de la Société industrielle de
                                    Mulhouse, juillet p. 360 et 366; polytechn. Journal Bd. CLIX S. 224.)
                              11.Charles Dollfus-Galline, rapport au nom du
                                    comité de chimie de la Société industrielle de Mulhouse
                                    sur la notice relative au rouge d'aniline de Mr. J. Gerber-Keller. (Bulletin de la Société industrielle de
                                    Mulhouse, Dec. 1860 p. 554 et 556; polytechn. Journal Bd. CLIX S. 390.)
                              12.Les rouges d'aniline, l'Azaleine et la Fuchsine.
                                    Mémoire pour Mr. Gerber-Kellerà Mulhouse contre MM. Renardfrères
                                    etFrancteinturiers à Lyon, parMaurice Engelhard.NB. Die Abhandlungen von Hrn. E. Kopp in
                                 Elsaßzabern, das Gutachten der Herren Persoz, Salvetat, de
                                    Luynes, und der Brief des Hrn. Camille Köchlin in Mülhausen „Le Rouge
                                       d'Aniline devant la justice“ im Industriel alsacien kenne ich nur bruchstückweise und aus der sub 12 genannten Quelle, die mit zukam, nachdem die
                                 Arbeiten im Laboratorium, die dieser Bericht erforderte, schon beendigt
                                 waren.
                              
                           Nach Abgabe meines Gutachtens erhielt ich noch drei in Interesse der Herren Gebrüder
                              Depouilly geschriebene Abhandlungen. (Letztere
                              fabriciren Anilinroth in Salpetersäure.Die Darstellung des Anilinroths durch Behandlung von Anilin mit Salpetersäure
                                    wurde in England als Mittheilung für E. Hughes in Manchester am 24. Januar
                                    1860 patentirt, man s. polytechn. Journal Bd. CLVIII S. 146. – Am 27.
                                    Juni 1860 ließen sich Depouilly und Lauth in Frankreich die Darstellung des
                                    Anilinroths mittelst Erhitzens des salpetersauren Anilins patentiren, man s.
                                    polytechn. Journal Bd. CLIX S.
                                       451.A. d. Red.)
                           
                              1.Examen comparatif du Rouge d'Aniline de MM. LauthetDepouillyet de la Fuchsine de MM. Renardfrères etFranc, par E. Kopp. (Paris, Raçon)
                              2.Note sur le Rouge d'Aniline parCharl. LauthetPaul Depouilly. (Paris,
                                    Raçon.)
                              3.Sur le Rouge d'Aniline par le Docteur E. Jacquemin. (Paris,
                                    Raçon).
                              
                           
                              Verschiedenheit, Aehnlichkeit oder Identität des Fuchsins und
                                 Azaleins können abgeleitet werden:
                              
                           
                        
                           I. von der Darstellungsweise.
                           
                              A. Das Fuchsin wird nach dem ursprünglichen Patente der Herren Gebrüder
                                 Renard, Franc u. Comp. in LyonPolytechn. Journal Bd. CLIX S.
                                          223. durch Erwärmen 
                                 wasserfreien Zinnchlorids mit Anilin auf etwa 180° C. erzeugt.
                              B. Das Azalein des Hrn. Gerber-Keller wird erzeugt durch Zusammenbringen von Anilin mit salpetersaurem
                                    Quecksilberoxydul und Erwärmen bis etwa
                                 100° C.
                              
                           Untersuchen wir zuerst, ob das wasserfreie Zinnchlorid in derselben Weise auf das
                              Anilin einwirke, wie das salpetersaure Quecksilberoxydul? Hr. Béchamp gibt an: der Vorgang der Einwirkung des Zinnchlorids lasse
                              sich nach seinen genauen Bestimmungen durch folgende
                              Gleichung ausdrücken:
                           3 (C¹²H⁷N) + 2 Cl²Sn + HO = 2 Cl H,
                              Cl S, Cl¹²H⁷ N + C¹² H⁶ NO.
                           Es wird mit Recht von den Herren Persoz, Salvetat und de
                                 Luynes hervorgehoben, daß die Annahme, es spiele das Wasser eine Rolle, unstatthaft sey. Es würde diese Gleichung zwar nur 1,6
                              Proc. Wasser erfordern, dennoch wäre es unstatthaft, daß man in 1 Kilogrm. der
                              beiden als wasserfrei und in obigem Verhältniß zu nehmenden Körper 16 Grm.
                              Feuchtigkeit als zufällig annehme.
                           Es ist wahr, daß das Zinnchlorid Feuchtigkeit stark anzieht, allein daß trotzdem das
                              Wasser bei dieser Wirkung als ausgeschlossen betrachtet werden muß, geht aus
                              Folgendem hervor:
                           An der Stelle des Zinnchlorids (Sn Cl²) kann nach dem Vorgange Hofmann's Kohlenstoffsuperchlorid (C²Cl⁴)
                              angewendet werden. Dieser Körper nimmt kein Wasser auf. Wird nach Natanson Elaylchlorür (C²H⁴Cl²) mit
                              Anilin eingeschlossen und auf den Siedepunkt des Anilins erhitzt, so erhält man
                              ebenfalls Anilinroth; auch das Elaylchlorür zieht nicht Wasser an. Wir dürfen deßhalb die Mitwirkung des Wassers bei der Bildung
                                 des rothen Körpers nicht zugeben.
                           Aber es könnte die Frage entstehen, sind die nach dem Verfahren von Hofmann oder von Natanson
                              erhaltenen rothen Farbstoffe auch dasselbe, was die Herren Gebrüder Renard und Franc mittelst
                              Zinnchlorid darstellen?
                           Es hat die Kommission der „Société
                                    industrielle de Mulhouse,“ über deren Arbeit Hr. Dollfuß-Galline berichtet, nachgewiesen, daß durch
                              Erhitzen mit C²Cl⁴ ein Körper von denselben Eigenschaften aus Anilin
                              erhalten werde wie durch Sn Cl².
                           Ich meinerseits habe Elaylchlorür (C⁴H⁴Cl) mit Anilin ungefähr auf
                              200° C. erwärmt und eine rothe Masse erhalten, die sich in ihrem ganzen
                              Verhalten als „Fuchsin“ darstellt.
                           
                           Die Herren Persoz, Salvetat und de
                                 Luynes berichten der „Académie des
                                    sciences“ daß bei Einwirkung von Zinnchlorid auf Anilin
                              nicht, wie Hr. Béchamp behauptet, Zinnchlorür (Sn
                              Cl), sondern Zinnoxyd (Sn O²) als Nebenproduct auftrete, daß also keine Oxydation stattfinde.
                           Ich habe mich überzeugt, daß der in Alkohol lösliche Rückstand beim Verfahren von den
                              Gebrüdern Renard und Franc
                              allerdings der Hauptsache nach aus Zinnoxyd bestehe, allein es scheint dennoch
                              gleichzeitig Zinnchlorür gebildet zu werden und in Lösung zu gehen. Diesen Schluß
                              ziehe ich aus folgendem Versuche. Wird Quecksilberchlorid (Hg Cl) und Anilin
                              zusammen erwärmt, so erhält man sehr leicht die rothe
                              Substanz. Uebergießt man die Masse mit heißem Alkohol und wascht aus, so bleibt ein
                              grauer glänzender Rückstand, der in Alkohol unlöslich ist und aus einem Gemenge von
                              Calomel (Quecksilberchlorür, Hg²Cl) und Quecksilberoxydul (Hg²O)
                              besteht.
                           Die Analogie spricht dafür, daß auch bei Anwendung von Zinnchlorid Chlorür gebildet
                              werde. Ich muß überdieß daran erinnern, daß Zinnchlorid (Sn Cl²) bei starker
                              Verdünnung mit Wasser leicht Zinnoxyd (Sn O²) fallen läßt, daß daher in dem
                              Versuche der Herren Persoz, Salvetat und de Luynes leicht sich Zinnoxyd ausgeschieden haben kann,
                              ohne daß daraus hervorgeht, es werde das Chlorid nicht in Chlorür verwandelt.
                           Mag dem aber seyn wie ihm wolle, es geht übereinstimmend aus den Angaben der Herren
                              Persoz, Salvetat und de
                                 Luynes und meinen Versuchen mit einem andern Metallchlorid hervor, daß Cl
                              oder ClH austritt. Wir werden später uns zu fragen haben,
                              was aus diesem Chlor oder Chlorwasserstoff wird.
                           Zunächst müssen wir untersuchen, was der Vorgang ist, wenn wir Anilin mit
                              salpetersaurem Quecksilberoxydul erwärmen.
                           Es kann hier nicht der geringste Zweifel seyn; schon nach wenigen Minuten der
                              Erwärmung des Gemenges im Wasserbade sieht man Kügelchen
                                 ausgeschiedenen Quecksilbers am Boden der Flüssigkeit. Es tritt hier Sauerstoff
                                 aus, wir haben es mit einem entschiedenen Oxydationsproceß zu thun.
                           Aber man könnte einwerfen, diese Verschiedenheit komme daher, daß man Salze
                              verschiedener Metalle anwendet.
                           Hierüber gibt Folgendes Aufschluß. Läßt man Quecksilberchlorür (Hg² Cl), ein
                              Salz, das doch bekanntlich viele Analogie mit dem salpetersauren Quecksilberoxydul
                              (Hg²O, NO⁵) darbietet, auf Anilin unter Erhitzung einwirken, so erhält
                              man ebenfalls den rothen Körper. Entfernt man ihn durch Weingeist und untersucht den Rückstand, so
                              erkennt man in diesem keine metallischen Kügelchen von
                              Quecksilber, sondern neben unzersetztem Calomel schwarzes Quecksilberoxydul. Ohne
                              vorderhand uns in eine Erklärung des Vorganges einlassen zu wollen – das
                              bleibt gewiß, daß man aus der Verschiedenheit des Rückstandes, den die Metallsalze lassen, schließen muß, die Chloride wirken in anderer Weise
                                 ein, als die Sauerstoffsalze.
                           Die Verfahren der Herren Gebrüder Renard, Franc u. Comp. und des Hrn. Gerber-Keller unterscheiden sich ferner durch die Temperatur, die nöthig ist.
                           Ich glaube aus meinen Versuchen ableiten zu dürfen, daß nicht nur das Zinnchlorid
                              (das Elaylchlorür und Kohlenstoffsuperchlorid), sondern auch andere (vielleicht alle
                              anderen) Chloride sich sehr verschieden von dem salpetersauren Quecksilberoxydul
                              verhalten.
                           Befeuchtet man Quecksilberchlorür (Hg² Cl) mit Wasser, gibt Anilin dazu und
                              erwärmt, so bleibt das Gemenge unverändert, so lange noch Wasserdämpfe sich
                              entwickeln, und erst dann, wenn das Wasser entfernt ist, und die Temperatur steigen
                              kann, beginnt die Reaction unter Rothwerden des Gemenges.
                           Ganz ähnlich verhält sich das Quecksilberchlorid (Hg Cl), während bekanntlich die
                              Kochhitze des Wassers ausreicht, um die Reaction mit salpetersaurem
                              Quecksilberoxydul zu Stande zu bringen.
                           Fassen wir Alles zusammen, so müssen wir anerkennen, daß der
                                 Vorgang bei der Fuchsinbereitung gänzlich verschieden ist von dem Processe der
                                 Azaleinbereitung.
                           
                        
                           II. Die Eigenschaften des
                                 Products.
                           Es ist schon häufig hervorgehoben worden, und es ist im Ganzen durchaus richtig, daß
                              das Anilinroth mit Zinnchlorid bereitet, in Lösung eine mehr blutrothe, dasjenige,
                              welches mit salpetersaurem Quecksilberoxydul bereitet wurde, eine mehr carminrothe
                              Nüance habe. Ich kann bestätigen, daß das mit Quecksilberchlorür dargestellte
                              Präparat dem mit Zinnchlorid dargestellten sehr ähnlich ist.
                           Wir haben hohen Werth darauf zu legen, daß auch die Nüancen, die man beim Bedrucken
                              von Zeugen erhält, sich ähnlich verhalten, und endlich erscheint uns die Stimme der
                              Mülhauser Indiennefabrikanten höchst beachtenswerth, wornach das Fuchsin bei
                              gleichem Gewichte eine viel geringere Färbekraft hat als das Azalein.
                           Wir haben es hier mit Producten zu thun, die für technische Anwendungen bestimmt
                              sind; die technischen Eigenschaften haben daher ein eben so großes Recht
                              zum Mitsprechen, als die rein chemischen. Bei der Schwierigkeit, die der
                              vollständigen und evidenten wissenschaftlichen Lösung der Frage im Wege steht, ist
                              es um so natürlicher, daß man die Praxis anhöre.
                           Es kommt dazu, daß man es in der Praxis der Färberei nie mit chemisch reinen
                              Präparaten zu thun hat, sondern mit Mischproducten, welchen durchschnittliche
                              Eigenschaften hinsichtlich der Anwendung zukommen, die aber in ihrer chemischen
                              Zusammensetzung weit davon entfernt sind, als „Individuen,“
                              welchen eine „Formel“ zukommt, angesehen werden zu dürfen.
                           Wir sagen: hinsichtlich ihrer technischen Eigenschaften
                              sind die beiden Producte, das sogenannte Fuchsin und das sogenannte Azalein, jedenfalls nicht identisch.
                           
                        
                           III. Die Zusammensetzung.
                           Sowohl das mit Zinnchlorid als das mit salpetersaurem Quecksilberoxydul dargestellte
                              Roth sind von dem Assistenten des technischen Laboratoriums des schweizerischen
                              Polytechnicums, Hrn. Dr. Schulz, analysirt worden. Es wurde dazu aus dem käuflichen Anilin Zuerst
                              reines dargestellt. Dieß geschah durch Umdestilliren und Sammeln des Theiles, der
                              zwischen 185 und 195° C. überging. Sättigen des Destillates mit
                              Schwefelsäure, Krystallisirenlassen, Wiederlösen und Krystallisiren bis ein
                              farbloses Salz erhalten wurde. Dieß wurde mit Natronlauge gemischt, der Destillation
                              unterworfen und das Destillat mit Aetznatron entwässert.
                           Dieß war das Material zur Darstellung der rothen Pigmente.
                           Die Darstellung des „Azalein“ geschah nach der Vorschrift von
                              Gerber-Keller. Der Rückstand in der Retorte
                              wurde zuerst mit Wasser ausgekocht, das Ungelöste dann durch heißen Weingeist
                              ausgezogen. Von dem alkoholischen Auszuge wurde der größte Theil des Weingeistes
                              abdestillirt und der Rückstand mit einer wässerigen Lösung von Kochsalz vermischt,
                              die Flüssigkeit sodann erwärmt und der Ruhe überlassen. Die beim Erkalten
                              ausgeschiedenen glänzenden Schuppen des Farbstoffes wurden auf einem Filter
                              gesammelt, mit kaltem destillirtem Wasser ausgesüßt, dann in absolutem Alkohol
                              aufgelöst und durch langsames Verdunsten der Lösung der Farbstoff in bronzefarben
                              schimmernden Blättchen erhalten.
                           Das „Fuchsin“ wurde erhalten durch allmähliches Eintragen von 2
                              Theilen wasserfreiem Zinnchlorid in reines, wasserfreies Anilin und längeres
                              Erwärmen bis zur Siedhitze des letzteren. Die nach dem Erkalten erstarrte Masse
                              wurde in eine große Menge destillirten Wassers eingetragen und nach dem Kochen die
                              Lösung filtrirt. Der filtrirten Lösung wurde entweder Kochsalz oder ein andersmal reiner Salpeter
                              zugesetzt, wodurch sich beim Erkalten der Farbstoff ziemlich vollständig abschied.
                              Er wurde auf einem Filter gesammelt, mit destillirtem Wasser gut ausgewaschen und
                              dann in absolutem Alkohol gelöst. Die Lösung wurde langsam verdunstet, wodurch der
                              Farbstoff in zarten, grünlichen bronzefarbenen bis cantharidenartigen glänzenden
                              Flimmern erhalten wurde.
                           Diese Präparate dienten zu den Analysen. Das Trocknen geschah bei 100° C., bis
                              kein Gewichtsverlust mehr erfolgte.
                           Die Analysen wurden, wie ich mich während der ganzen Dauer der Arbeit überzeugte, mit
                              Sorgfalt ausgeführt. Das Bestimmen von Kohlenstoff und Wasserstoff geschah in dem
                              mit gekörntem Kupferoxyd und vorn mit metallischem Kupfer gefüllten Rohr, indem
                              zuletzt durch das glühende Gemenge Sauerstoffgas geleitet wurde.
                           Der Stickstoffgehalt wurde durch relative Bestimmung gefunden. Das Chlor wurde
                              bestimmt durch Glühen der Substanz mit überschüssigem gebranntem Kalk, Lösen in
                              Salpetersäure, Fällen der filtrirten Lösung mit salpetersaurem Silberoxyd und
                              Berechnen des Chlors aus dem erhaltenen Chlorsilber.
                           Von dem mit salpetersaurem Quecksilberoxydul erhaltenen Anilinroth wurden zwei
                              Analysen ausgeführt.
                           Das Mittel derselben ergab:
                           
                              
                                 C =
                                 72,66
                                 
                              
                                 H =
                                 5,47
                                 
                              
                                 N =
                                 14,13
                                 
                              
                                 O =
                                 7,74
                                 
                              
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Daraus berechnet sich als einfachste Formel C¹² H⁵ NO, welche
                              fordern würde:
                           
                              
                                 C =
                                 72,73
                                 
                              
                                 H =
                                 5,05
                                 
                              
                                 N =
                                 14,14
                                 
                              
                                 O =
                                 8,08
                                 
                              
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Es ist mit nur eine Arbeit bekannt, deren Zweck war, die Zusammensetzung von
                              Anilinroth „Azalein“ zu erforschen.
                           Schneider machte drei Analysen mit folgendem
                              Ergebniß:
                           
                              
                                 I.
                                 II.
                                 III.
                                 
                              
                                 C = 67,56
                                 67,75
                                 67,73
                                 
                              
                                 H =   6,11
                                 6,20
                                 6,25
                                 
                              
                                 N = 16,82
                                 17,37
                                 17,01
                                 
                              
                                 O =   9,52
                                 8,68
                                 9,01
                                 
                              
                           
                           Diese beiden Ergebnisse lassen sich nicht auf einander zurückführen. Nicht nur daß
                              Schneider einen größern Wasserstoff- und
                              geringern Kohlenstoffgehalt angibt, was sich zuletzt auf einen verschiedenen Grad
                              des Trocknens zurückführen ließe, auch der Stickstoffgehalt ist zu groß. Die
                              Bestimmungen von Dr. Schulz
                              zeigen ein Verhältniß von 12 Aeq. C: 1 Aeq. N.
                           Es muß hier aber angeführt werden, daß Béchamp
                              Anilinroth untersuchte, das mit Zinnchlorid dargestellt wurde.
                           Wir stellen seine Angaben hieher und wollen einstweilen unerörtert lassen, wie wir
                              sie, die von unseren Untersuchungen und denen Anderer abweichen, zu deuten
                              haben.
                           Die Procentgehalte von Béchamp's Analysen finden
                              sich nicht in den Comptes rendus de l'Académie.
                              Derselbe leitet aber aus denselben die Formel C¹² H⁵ NO oder
                              C¹² H⁶ NO ab.
                           Man sieht, die erstere stimmt mit derjenigen, die sich aus den Analysen von Dr. Schulz ableiten läßt.
                           Es darf hier ein sehr interessantes Factum nicht unerwähnt gelassen werden.
                           Das Anilinviolett, nach den Angaben von Perkin dargestellt, ist einerseits von Hrn. Willm in Mülhausen, andererseits ebenfalls im hiesigen
                              technischen Laboratorium von Dr. Schulz analysirt worden.
                           Das Mittel von vier Analysen von Willm ist:
                           
                              
                                 C =
                                 74,56
                                 
                              
                                 H =
                                 5,86
                                 
                              
                                 N =
                                 13,92
                                 
                              
                                 O =
                                 5,66
                                 
                              
                           Das Resultat von Dr. Schulz
                              aber ist:
                           
                              
                                 C =
                                 73,07
                                 
                              
                                 H =
                                 5,49
                                 
                              
                                 N =
                                 14,20
                                 
                              
                                 O =
                                 7,24
                                 
                              
                           Willm leitet aus seinen Analysen für das Anilinviolett
                              die Formel C³⁶ H¹⁷ N³ O² ab.
                           Um auf kürzeste Weise diese Resultate mit denen zu vergleichen, welche Béchamp für das Anilinroth mit Zinnchlorid
                              dargestellt und Schulz für dasjenige, was mit salpetersaurem Quecksilberoxydul
                              dargestellt worden, erhielten, bemerken wir, daß
                           3 × (C¹² H⁶ NO) = C³⁶
                              H¹⁸ N³ O³ = C³⁶ H¹⁷
                              N³ O² + HO
                           ist, das heißt, die eine der von Béchamp vorgeschlagenen (6 Aeq. Wasserstoff auf 12 Aeq. Kohlenstoff
                              enthaltende) Formeln für Anilinroth stimmt mit derjenigen von Willm, mit
                              dem Unterschiede, daß letzterer 1/3 Aeq. weniger Wasser angibt.
                           Die Formel C¹²H⁵NO, die Schulz für
                              das Anilinroth „Azalein“ berechnet, und die Béchamp ebenfalls für zulässig hält:
                           
                              
                                 erfordert
                                 C = 72,73,
                                 die von Willm
                                 C = 74,23
                                 
                              
                                 
                                 H =   5,05
                                 
                                 H =   5,84
                                 
                              
                                 
                                 N = 14,14
                                 
                                 N = 14,43
                                 
                              
                                 
                                 O =   8,08
                                 
                                 O =   5,05
                                 
                              
                           Bei Körpern, deren Reinheit so wenig Bürgschaft durch charakteristische physikalische
                              Eigenschaften bietet, und deren Aequivalent bis jetzt in keiner Weise bestimmt
                              werden kann, um als Controle für die Elementaranalyse zu dienen, darf man solche
                              Verschiedenheiten der Resultate nicht allzu hoch anschlagen.
                           Im vorliegenden Falle geht sicher aus denselben hervor, daß die Zusammensetzung der
                              von zwei verschiedenen Chemikern untersuchten Substanzen höchst ähnlich ist.
                           Für mich hat es die höchste Wahrscheinlichkeit nach den Analysen von Dr. Schulz, der sowohl
                              Anilinroth als Anilinviolett zerlegte, und denjenigen von Béchamp und Willm, obschon letztere
                              etwas abweichen, daß die beiden Körper die gleiche
                                 Zusammensetzung haben, und daß die Verschiedenheiten der Farbe auf physikalische
                                 Gründe zurückzuführen sind, – es sind isomere Modificationen.
                           Man hat nicht zu vergessen, daß man bei der Darstellung des Anilinroths immer
                              Rückstände erhält, die violette weingeistige Lösungen
                              liefern.
                           Wenden wir uns zu dem rothen Pigmente, das mit Zinnchlorid dargestellt worden.
                           Willm hatte dasselbe einer Analyse unterworfen. Er fand
                              im Mittel von drei Verbrennungen 69,51 Proc. C und 6,19 H. Den Stickstoffgehalt fand
                              er zu 9–10 Proc. Die Wahrnehmung, daß es ihm nicht möglich werde, das Chlor
                              sämmtlich zu entfernen, bestimmte ihn, vor weiterer Verfolgung der Frage der
                              Zusammensetzung des „Fuchsin“ abzustehen.
                           Nach Gerber-Keller besteht das Fuchsin aus
                           
                              
                                 C
                                 =
                                 72,9
                                 
                              
                                 H
                                 =
                                 6,1
                                 
                              
                                 N
                                 =
                                 10,9
                                 
                              
                                 Cl
                                 =
                                 10,1
                                 
                              
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           Wir haben oben gesehen, daß Béchamp ein Fuchsin
                              untersuchte, das ganz frei von Chlor war, und ganz nahezu
                              die Zusammensetzung des
                              mit salpetersaurem Quecksilberoxydul bereiteten Anilinroths hatte, und haben endlich
                              die Resultate von Dr. Schulz
                              anzuführen.
                           Derselbe untersuchte eine Partie des von ihm selbst (siehe oben) bereiteten Fuchsins
                              in zwei nahezu übereinstimmenden Analysen mit folgendem Mittelresultat:
                           
                              
                                 C
                                 =
                                 65,98
                                 
                              
                                 H
                                 =
                                 5,07
                                 
                              
                                 N
                                 =
                                 12,81
                                 
                              
                                 Cl
                                 =
                                 16,32
                                 
                              
                           Wegen der Abweichungen, die namentlich zwischen diesen Resultaten und jenen der
                              Analysen von Béchamp walten, der das Fuchsin als
                              ein chlorfreies Präparat erhielt, ließ ich nochmals Fuchsin mit Zinnchlorid
                              darstellen, aus der Lösung mit Salpeter niederschlagen, möglichst reinigen und durch
                              Dr. Schulz analysiren. Es
                              fand sich:
                           
                              
                                 C
                                 =
                                 64,23
                                 
                              
                                 H
                                 =
                                 5,46
                                 
                              
                                 Cl
                                 =
                                 7,12
                                 
                              
                                 N
                                 =
                                 12,49
                                 
                              
                                 O
                                 =
                                 10,70
                                 
                              
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Wir haben hierdurch nicht eine Aufklärung, sondern eine
                              Vermehrung der Widersprüche:
                           
                              1) Fuchsin ohne Sauerstoffgehalt (Gerber-Keller und Schulz I.);
                              2) Fuchsin mit Sauerstoff und Chlor (Schulz II. und begreiflich enthielt das Präparat des Hrn. Willm neben Chlor auch Sauerstoff);
                              3) Fuchsin ohne Chlor (Béchamp).
                              
                           Hr. Béchamp sagt in einer seiner Abhandlungen, die
                              vor die französische Akademie gelangt sind, daß es ihm gelang, das Fuchsin rein
                              (soll wohl heißen chlorfrei?) darzustellen. Das Verfahren gibt er in den
                              „Comptes rendus“ nicht an,
                              auch in der späteren Abhandlung nicht.
                           Ich habe mich aber überzeugt, daß man das Chlor aus demselben entfernen kann. Ich
                              löste 0,235 Grm. des von Dr. Schulz als sauerstofffrei erkannten Präparates, versetzte die stark
                              verdünnte Lösung mit wenig Schwefelsäure und erwärmte mehrere Stunden lang auf dem
                              Wasserbad. In die Lösung trug ich chlorfreien Salpeter ein und filtrirte die nur
                              noch gelblich bleibende Flüssigkeit, aus welcher der bei weitem größte Theil des
                              Farbstoffes niedergeschlagen war, ab. Der Farbstoff wurde auf dem Filter etwas
                              abgewaschen und gut getrocknet; sein Gewicht betrug 0,237 Grm.
                           (Es fand somit eine scheinbare Zunahme des Gewichtes des Farbstoffes statt, die aber
                              wohl von Spuren von Salpeter herrührt, der im Filter geblieben war und gelassen werden mußte, da bei
                              vollständigem Auswaschen sich zu viel Farbstoff gelöst haben würde. Als scharf kann
                              und soll diese Scheidung nicht angesehen werden, es darf aber, aus der
                              Farbenintensität der Lösung zu schließen, angenommen werden, daß nur wenige Procent
                              Farbstoff in der Lösung geblieben waren.)
                           Der Rückstand auf dem Filter wurde mit möglichst wenig heißem starkem Weingeist
                              gelöst, der Weingeist größtentheils verdunstet, der Abdampfungsrückstand in viel
                              heißem Wasser aufgenommen und nun diese Flüssigkeit wie die oben besprochene
                              weingelbe Lösung mit reiner Salpetersäure angesäuert und beide mit Silberlösung
                              versetzt. In der weingelben Lösung entstand ein sehr starker, in der rothen beinahe
                              alles Fuchsin enthaltenden Lösung ein sehr schwacher Niederschlag von Chlorsilber.
                              Beide Niederschläge wurden gesammelt und auf die gebräuchliche Art bestimmt.
                           Derjenige, der in der weingelben Flüssigkeit entstand, wog 0,124 Grm., der andere
                              0,021 Grm.
                           Das Chlor war also durch die Behandlung des chlorhaltigen Fuchsins mit verdünnter
                              Schwefelsäure bis auf Weniges weggebracht worden.
                           Ob das Chlor constitutiv sey, ob es in die Formel des
                              Fuchsins gehöre – ja ob dem Fuchsin eine Formel zukomme, das sind Fragen, die
                              mit den bisherigen Untersuchungen keineswegs entschieden sind.
                           Die Wahrnehmung, daß das Chlor aus dem Präparat größtentheils entfernt werden könne,
                              bestimmt mich zur Annahme, daß es möglich sey, dasselbe auch ganz zu entfernen, und
                              daß die Resultate der Analyse von Béchamp richtig
                              seyen.
                           Trotzdem aber kann kein Zweifel seyn, daß die HHrn. Persoz,
                                 Salvetat und de Luynes Recht haben, wenn sie
                              behaupten, das Product der Einwirkung von wasserfreiem Zinnchlorid auf Anilin könne
                              nicht ein Oxydationsproduct seyn – eine Ansicht, die sie unerklärlicher Weise
                              zu Gunsten der Interessen der HHrn. Gebrüder Renard und
                              Franc verwenden, während sie nach meinem Dafürhalten
                              für Hrn. Gerber-Keller's Sache spricht.
                           Dieselbe Ansicht wird sehr bestimmt von Guignet
                              ausgesprochen. Er entwickelt aus theoretischen Betrachtungen die Meinung, das mit
                              salpetersaurem Quecksilberoxydul erhaltene Anilinroth sey identisch dem
                              Nitrazophenylamin C¹² H⁷ (NO⁴) N². Diese
                              Voraussetzung, die er nicht auf eigene Untersuchungen gründet, ist unrichtig; aber
                              richtig ist, wenn er sagt: „wenn man Zinnchlorid mit Anilin in Reaction
                                 setzt, so kann begreiflicher Weise wegen Abwesenheit von Sauerstoff die genannte
                                 Vase nicht entstehen.“
                              
                           
                           Die Analysen, auf die Hr. Gerber-Keller sich
                              beruft, sowie die ersterhaltenen von Dr. Schulz, stimmen nur darin überein, daß kein Sauerstoff
                              gefunden wurde; der Chlorgehalt, Stickstoff und Wassergehalt gehen dagegen so weit
                              auseinander, daß beide Analysen nicht auf einander zurückgeführt werden können. Dieß
                              schreckt sehr ab, einen wissenschaftlichen Ausdruck, eine Formel für den fraglichen
                              Stoff zu suchen.
                           Guignet meint, das Fuchsin entspreche der Formel des
                              Nitrazophenylamin mit dem Unterschied, daß an die Stelle von (NO⁴) Cl zu
                              setzen sey. Die Formel C¹² H⁷ Cl N² entspricht aber
                              nicht der Analyse von Gerber-Keller und nicht der
                              von Dr. Schulz. Mit ihr ist
                              uns also nicht geholfen.
                           Béchamp drückt sich über diese Sache in folgender
                              Weise aus:
                           
                              „Que dans la poudre rouge violacé sont
                                 „virtuellement“
                                 contenus les éléments du bichlorure
                                    d'étain, sans doute sous la forme d'une combinaison
                                    idéale ClSn, ClH, unie soit à
                                    l'aniline, sout à la substance qui
                                    par son action sur l'eau, engendre la Fuchsine
                                 etc.
                              
                           Der Sinn dieser Worte muß – wie auch E. Kopp ihn
                              faßt – der seyn, daß beim Einwirken von Zinnchlorid auf Anilin sich ein
                              Körper bildet, der erst durch die Nachbehandlung, d.h.
                              die Einwirkung des Wassers in ein Oxydationsproduct
                              umgewandelt wird, wie man es aus Anilin, durch Einwirkung von salpetersaurem
                              Quecksilberoxydul erhält.
                           Mir scheint gewiß, wenn es auch unsicher ist, ob das Chlor in dem fertigen, aus den
                              Lösungen ausgeschiedenen Fuchsin constitutiv sey, daß es doch im Momente der
                              Reaction, und ehe andere Substanzen einwirken konnten, in die gefärbte Verbindung
                              als ein wesentlicher Bestandtheil gehört, und daraus secundär, unter Bildung von
                              Chlorwasserstoff, durch Wassereinwirkung (ähnlich wie das Antimonchlorid durch
                              Wasser in das sogenannte Algarothpulver – ein Gemenge von Antimonchlorid mit
                              Antimonoxyd – und endlich in reines Antimonoxyd umgewandelt werden kann)
                              entfernt wird.
                           Ich glaube nicht, daß irgend welches Fuchsin im Handel vorkomme (die von mit
                              geprüften, aus dem Handel bezogenen Muster beweisen das übereinstimmend), das frei
                              von Chlor ist. Und dieser Umstand erscheint mit vollkommen ausreichend, um einen
                              wesentlichen Unterschied zwischen Fuchsin und Azalein zu constatiren. Das Fuchsin
                              ist ein nur theilweise ausgebildetes, man könnte sagen unreines Azalein, und die
                              Methode der Darstellung des Anilinroths durch salpetersaures Quecksilberoxydul
                              sowohl nach der
                              Wirkungsweise des einwirkenden Metallsalzes, als nach der Beschaffenheit des
                              Products leichter und sicherer.
                           Nachschrift über das Anilinroth von Lauth und Depouilly.
                           Am 19. Januar 1860 (?) haben sich diese Chemiker ein wiederum auf anderem Wege
                              dargestelltes Anilinroth, das „Anilein“ patentiren lassen. Nach
                              den Analysen von E. Kopp und Jacquemin kommt diesem Körper mit großer Wahrscheinlichkeit die Formel
                              C³⁶H²ºN⁴O⁴ zu. Der Zusammenhang dieses
                              Farbstoffs mit dem ungefärbten Anilin wäre folgender: In 3 Aeq. Anilin
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 160, S. 70
                              
                           ist ein Aeq. NO⁴ eingetreten, dagegen ein Aeq. H ausgetreten
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 160, S. 70
                              
                           Der Vorgang ist ein nicht ungewöhnlicher. Freilich ist
                              eigenthümlich, daß 3 Aeq. Anilin zusammen nur 1 Aeq. H
                              abgeben und durch Nitryl vertreten lassen.
                           Wir haben deßhalb drei verschiedene Wege zur Darstellung des Anilinroths und drei
                              ihrer Zusammensetzung nach verschiedene Producte, sämmtlich rothe Farbstoffe.
                           Das Fuchsin ist ein gechlorter Stoff, in dem aber das
                              Chlor durch Sauerstoff durch Behandeln mit sauerstoffhaltigen Körpern deplacirt
                              werden kann.
                           Das Anilein ist eine Nitroverbindung, ein nitrirtes
                              Derivat von Anilin.
                           Das Azalein ist ein Oxydationsproduct des Anilins. Zwei
                              Aequivalente Wasserstoff des letzteren treten aus, Wasser bildend, und ein
                              Aequivalent Sauerstoff tritt statt ihrer ein. Daß das Azalein kein nitrirter Stoff
                              ist, geht auch daraus hervor, daß man dieß Roth durch Einwirkung von schwefelsauren
                              Salzen (Sesquioxyden) erhalten kann, die nicht im Stande sind, Nitryl zu
                              liefern.
                           Auf einen Umstand werden die Gerichte in der demnächst erfolgenden Entscheidung der
                              Prozesse Gewicht zu legen haben, den ich in obigem Gutachten unberührt ließ, weil
                              meine Ansicht darüber nicht verlangt war, – daß die Darstellung des Fuchsins
                              nicht als Erfindung der HHrn. Gebrüder Renard, Franc und
                              Comp. kann angesehen werden, sondern daß die von Natanson, namentlich aber die von A. W. Hofmann früher angegebenen Reactionen als der Anstoß zu
                              deren Verfahren anzusehen sind. Die Reaction von Hofmann
                              wird jetzt, da Kohlenstoffsuperchlorid wohlfeiler ist als wasserfreies Zinnchlorid,
                              im Großen zur Darstellung
                              von Fuchsin angewendet.Monnet und Dury in
                                    Lyon haben ein Verfahren hiezu angegeben, man s. polytechn. Journal Bd. CLIX S. 392. Es ist also nicht bloß die Idee, sondern der Inbegriff der ganzen
                              industriellen Nutzanwendung in Hofmann's Angaben
                              anzuerkennen.