| Titel: | F. Charvin's Verfahren, aus Kreuzdornrinde einen dem chinesischen Grün gleichkommenden Farbstoff darzustellen; Bericht von Glénard. | 
| Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. XLV., S. 144 | 
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                        XLV.
                        F. Charvin's
                           Verfahren, aus Kreuzdornrinde einen dem chinesischen Grün gleichkommenden Farbstoff
                           darzustellen;Man vergl. Rommier's Verfahren zur Darstellung des
                                 chinesischen Grüns aus Kreuzdornrinde im polytechn. Journal Bd. CLV S. 204 und
                                 Bd. CLVIII S. 148. – Ueber das Färben der Seide etc. mit chinesischem
                                 Grün sehe man die Abhandlung im polytechn. Journal Bd. CLI S. 288.A. d. Red. Bericht von Glénard.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement, November 1860, S. 677; durch das polytechnische
                                 Centralblatt, 1861 S. 401.
                        Charvin's Verfahren, aus Kreuzdornrinde einen dem chinesischen Grün
                           gleichkommenden Farbstoff darzustellen.
                        
                     
                        
                           Nachdem die Handelskammer in Lyon bereits im Jahre 1857 für ein Verfahren, aus einer
                              inländischen Pflanze einen dem chinesischen Grün gleichkommenden Farbstoff
                              darzustellen, einen Preis ausgeschrieben hatte, von den bisherigen Bewerbern um
                              diesen Preis aber keiner für würdig befunden war, hat nun Charvin die Aufgabe gelöst, so daß ihm der Preis zugesprochen wurde. Aus
                              dem von Glénard, Professor der Chemie an der
                              medicinischen Schule zu Lyon, Namens der für diesen Gegenstand gebildeten Commission
                              an die Handelskammer zu Lyon erstatteten Bericht theilen wir hier zunächst das
                              Folgende über die Eigenschaften des von Charvin
                              dargestellten, der Lyoner Handelskammer überreichten Farbstoffs mit.
                           
                              „Der von Charvin dargestellte Farbstoff bildet
                                 unregelmäßig abgerundete, plattenförmige Stücke, ausgebreitet auf Filtrirpapier,
                                 auf welchem er gesammelt und getrocknet wird; die Stücke sind von verschiedener
                                 Dicke, wodurch auch ein verschiedenes Ausehen bedingt wird. Die etwas dicken
                                 Platten haben eine blaue Farbe mit grünlichem Ton; die der Luft zugekehrte Seite
                                 ist dunkler als diejenige, welche mit dem Papier in Berührung war. Die Masse ist
                                 brüchig, sehr zerreiblich und läßt im Innern einzelne weiße Punkte erkennen. Sie
                                 weicht im Ansehen erheblich von dem chinesischen Product ab, aber in sehr dünnen
                                 Platten getrocknet, hat sie eine dunkler blaue Farbe und zeigt ein kupfernes
                                 Ansehen, wodurch sie sich dem chinesischen Lo-kao sehr nähert.
                              
                           
                              Das Charvin'sche Product scheint, eben so wie das
                                 chinesische Lo-kao, ein Lack, d.h. eine
                                 Verbindung oder ein Gemenge eines organischen Farbstoffs mit einer erdigen
                                 Substanz, zu seyn. Wenn man es allmählich erhitzt, verliert es zuerst Wasser,
                                 fängt dann, ohne eine Spur eines Sublimats zu geben, an zu brennen und läßt eine
                                 erhebliche Menge Asche zurück. Bei einer vergleichenden Analyse dieses Products
                                 und des chinesischen Lo-kao wurden nachstehende Resultate gewonnen, denen
                                 das Ergebniß, welches Persoz früher bei einer Analyse
                                 des chinesischen Farbstoffs erhalten hat, beigefügt ist:
                              
                           
                              
                                 
                                    
                                    Charvin'schesGrün
                                    ChinesischesGrün
                                    Chinesisches Grünnach Persoz
                                    
                                 
                                    
                                    
                                    
                                    
                                    
                                 
                                    Wasser
                                       13,5 Proc.
                                          9,5 Proc.
                                          9,3 Proc.
                                    
                                 
                                    Asche
                                    34,0    „
                                    28,5    „
                                    28,8    „
                                    
                                 
                                    Farbstoff
                                    52,5    „
                                    62,0    „
                                    61,9    „
                                    
                                 
                              
                           
                              Die Analyse der beiden Proben von chinesischem Lo-kao stimmen, wie man
                                 sieht, nahezu mit einander überein, so daß der untersuchte Lo-kao wohl
                                 als Typus dieses Farbstoffs angesehen werden kann. Das Charvin'sche Grün weicht dagegen in der Zusammensetzung von dem
                                 chinesischen Product erheblich ab, enthält nämlich mehr Wasser und unorganische
                                 Substanz, dagegen weniger organischen Farbstoff.
                              
                           
                              Das Charvin'sche Product weicht außerdem noch durch
                                 die Zusammensetzung der Asche von dem chinesischen Lo-kao ab. Persoz definirt nämlich letzteres als einen Lack von
                                 Cyanin, welcher Kalk, Talkerde, phosphorsaure Thonerde und Eisenoxyd als Basis
                                 habe. In dem Charvin'schen Product findet man dagegen
                                 nur Kalk mit Spuren von Thonerde und Kieselsäure, aber keine Phosphorsäure und
                                 kein Eisenoxyd. Diese Bemerkung hat einige Wichtigkeit, denn sobald man weiß,
                                 daß diese beiden Lacke, welche durch ihre mineralischen Bestandtheile wesentlich
                                 von einander abweichen, dieselben organischen Substanzen enthalten, kann man
                                 überzeugt seyn, daß das Eisen und die Phosphorsäure, welche in dem chinesischen
                                 Product enthalten sind, keine wesentlichen, sondern nur zufällige Bestandtheile
                                 sind.
                              
                           
                              Bringt man den von Charvin dargestellten Farbstoff mit
                                 Wasser zusammen, so färbt er dasselbe sofort und theilt ihm eine bläulichgrüne
                                 Farbe, ganz ähnlich der Farbe, welche die Lösungen des chinesischen Grüns
                                 besitzen, mit. Gegen Alaunwasser verhält er sich eben so; durch hinreichend
                                 langes Waschen mit Alaunwasser kann man ihm seine Farbe fast ganz entziehen, so
                                 daß nur ein erdiger, kaum gefärbter Rückstand bleibt. Die wässerige oder mit
                                 Alaunwasser bereitete Lösung besitzt die Eigenschaften, welche das chinesische
                                 Grün charakterisiren; sie wird z.B. durch Ammoniumsulfhydrat purpurroth und
                                 nimmt nachher an der Luft die blaue Farbe nach und nach wieder an. Einige Zeit
                                 in einer Flasche stehen gelassen, wird sie roth oder violett, beim nachherigen
                                 Schütteln an der Luft aber wieder blau. Mit Chlorzinn gibt sie die Reaction,
                                 welche Persoz beim chinesischen Lo-kao
                                 gefunden hat. Durch diese Versuche dürfte bewiesen seyn, daß, wenn auch das Charvin'sche Product in einigen ganz äußerlichen
                                 Punkten von dem chinesischen Lo-kao abweicht, doch der in demselben
                                 enthaltene grüne Farbstoff wenigstens in Bezug auf seine wesentlichen chemischen
                                 Eigenschaften mit dem in dem chinesichen Lo-kao enthaltenen Farbstoff
                                 identisch ist.“
                              
                           Nachdem das Vorstehende festgestellt war, mußte die Commission erörtern, ob das Charvin'sche Grün in Bezug auf die Anwendung zum Färben
                              dieselben Eigenschaften besitze, wie das chinesische Grün. Sie stellte daher
                              vergleichende Färbeversuche an, die mit der größten Genauigkeit nach dem von Michel für das chinesische Grün angegebenen Verfahren
                              ausgeführt wurden. Glénard führt nun in seinem
                              Berichte an, daß die Ergebnisse dieser Färbeversuche so befriedigend waren, als man
                              nur wünschen konnte, daß die mit dem Charvin'schen
                              Product und die mit dem chinesischen Lo-kao gefärbten Proben sowohl in Bezug
                              auf ihr Ansehen am Tage und bei künstlicher Beleuchtung, als auch in Bezug auf ihre
                              Aechtheit eine vollkommene Aehnlichkeit zeigten, daß folglich die von Charvin dargestellte Substanz den ersten Bedingungen des
                              dem Preisausschreiben zu Grunde gelegten Programms genüge.
                           Was den zweiten, auf den Ursprung und den Preis des Products Bezug habenden Theil des
                              Programms anbetrifft, so hat die Commission die von Charvin gemachten Angaben selbst geprüft und zu diesem Zweck sich nach
                              Oullins begeben, wo Charvin in ihrer Gegenwart die
                              Darstellung des Farbstoffs ausführte. Glénard
                              theilt hierüber in seinem Bericht Folgendes mit:
                           
                              „In einen flachen Kessel mit Wasser, welches im vollen Kochen war, wurde
                                 ein Kilogr. Kreuzdornrinde gebracht, welche in der Dauphiné geerntet war.
                                 Nach einigen Augenblicken entstand der rosafarbene Schaum, welchen der Pater Hélot in seinem Bericht über die Tarstellung
                                 des chinesichen Grüns erwähnt. Nachdem das Kochen einige Minuten lang gedauert
                                 hatte, wurde der Inhalt des Kessels, Wasser und Rinde, in einen Topf von Fayence
                                 gebracht und derselbe durch einen Deckel geschlossen, worauf die Masse bis zum
                                 folgenden Tag einem langsamen Erkalten und einer verlängerten Maceration
                                 überlassen wurde.
                              
                           
                              Ein ähnlicher, am vorhergehenden Tag auf dieselbe Art vorbereiteter Topf
                                 gestattete der Commission, den ferneren Verlauf der Operation zu verfolgen, ohne
                                 bis zum folgenden Tag zu warten. Die Flüssigkeit, welche er enthielt und welche
                                 eine bräunlichgelbe Farbe besaß, wurde heraus genommen und mit klarem Kalkwasser
                                 versetzt, wodurch sogleich eine Farbenveränderung hervorgebracht wurde, darin
                                 bestehend, daß die Farbe brauner und röthlich wurde. Man vertheilte die Flüssigkeit
                                 hierauf sofort in Schüsseln, so daß sie in denselben eine dünne Schicht bildete;
                                 diese Schüsseln standen an freier Luft auf dem Fußboden, so daß das Licht und
                                 die Luft auf den Inhalt derselben wirken konnten. Das Wetter war an dem Tage
                                 trübe und kalt, der Wind kam aus Nordosten und der Himmel war grau, gleichwohl
                                 war noch nicht eine Viertelstunde verflossen, als sich schon eine merkwürdige
                                 Veränderung der Flüssigkeit zeigte. Die röthlichgelbe Farbe hatte sich
                                 eigenthümlich verändert, es hatte sich ein grünlicher Ton in der Flüssigkeit
                                 entwickelt, und dieselbe hatte an den Stellen, wo sie wegen geringer Höhe
                                 verdunstet war, einen dunkelgrünen Rückstand gelassen. Nach und nach wurde die
                                 grüne Farbe der Flüssigkeit allgemein und dunkler, und man bemerkte, daß eine
                                 Substanz von derselben Farbe sich in den Schüsseln absetzte. Nach Verlauf
                                 einiger Stunden war die Umwandlung vollständig; der Inhalt der Schüsseln wurde
                                 dann in Glasgefäßen vereinigt und kohlensaures Kali hinzugefügt; dadurch
                                 entstand ein grüner Niederschlag, während die Flüssigkeit dunkelgelbbraun wurde.
                                 Nachdem der Niederschlag sich genügend abgesetzt hatte, decantirte man die
                                 Flüssigkeit, sammelte den Niederschlag auf einem Filter, welches auf einer
                                 Unterlage von Holzasche ausgebreitet war, und ließ ihn trocknen.“
                              
                           Die hier beschriebene Charvin'sche Bereitungsmethode des
                              Farbstoffs stimmt, wie Glénard bemerkt, in Bezug
                              auf die erste Phase der Operation mit dem chinesischen Verfahren, wie es von Hélot beschrieben wurde, überein, weicht aber im
                              weiteren Verlaufe vollständig davon ab. Diese wichtige Abweichung besteht darin, daß
                              Charvin die Farbe nicht auf Kattun, welcher an der
                              Luft ausgebreitet ist, sich entwickeln, sondern in dem Auszug der Rinde selbst
                              entstehen läßt, daß also bei dem Charvin'schen Verfahren
                              der Kattun entbehrlich ist, während die Chinesen 12000 Meter Baumwollenzeug nöthig
                              haben, um 1 Kilogr. Lo-kao anzufertigen. Andererseits hat die Commission sich
                              überzeugt, daß der neue Farbstoff den im Programm festgestellten Preis nicht
                              überschreiten würde, und, wenn auch nicht sogleich, doch in einer nicht fernen
                              Zukunft in genügend großer Menge erzeugt werden könne, um den Bedürfnissen der
                              Färber zu genügen.
                           Glénard gelangt in seinem Bericht zuletzt zu
                              folgenden Schlüssen: 1) daß der von Charvin dargestellte
                              Farbstoff von derselben Natur ist, wie das chinesische Lo-kao, und daß man
                              mit demselben der Seide eine schöne grüne Farbe ertheilen kann, welche eben so schön
                              bei künstlicher Beleuchtung und eben so ächt ist, als die mit Lo-kao
                              hervorgebrachte Farbe; 2) daß dieser Farbstoff aus einer inländischen Pflanze,
                              nämlich dem Kreuzdorn (Rhamnus catharticus), dargestellt
                              ist; 3) daß das Verfahren der Darstellung gestatten wird, diesen Farbstoff den Färbern in genügender Menge
                              und zum Preise von weniger als 100 Fr. das Kilogr. zu liefern. Da hiernach die
                              Bedingungen des Programms vollständig erfüllt sind, so schlug die Commission der
                              Handelskammer in Lyon vor, den ausgesetzten Preis von 6000 Fr. dem Hrn. Felix Charvin in Lyon zu bewilligen.