| Titel: | Ueber den Einfluß, welchen die Wandungen gewisser Gefäße auf die Bewegung und die Zusammensetzung durchgehender Gase ausüben; von H. Sainte-Claire Deville. | 
| Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. CII., S. 359 | 
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                        CII.
                        Ueber den Einfluß, welchen die Wandungen gewisser
                           Gefäße auf die Bewegung und die Zusammensetzung durchgehender Gase ausüben; von
                           H. Sainte-Claire
                              Deville.
                        Aus den Comptes rendus. März 1861, t. LII p.
                              524.
                        Deville, über den Einfluß umglasirter Thonröhren.
                        
                     
                        
                           Man bedient sich in Laboratorien nicht selten unglasirter
                              irdener Gefäße, um darin Substanzen zu destilliren oder Gase bei hoher Temperatur
                              auf einander
                              einwirken zu lassen. In vielen Fällen sind diese Gefäße ganz zweckentsprechend;
                              gewisse Operationen, namentlich diejenigen mit Wasserstoffgas, gehen jedoch nur
                              unvollkommen darin vor sich; denn diese Gefäße sind, bei aller sonstigen
                              Vollkommenheit, für Wasserstoff nicht undurchdringlich. Außerdem saugen sie Wasser
                              ein und haften an der Zunge.
                           Sie können zu einigen merkwürdigen Versuchen angewandt werden, welche ich hier
                              beschreiben will:
                           1) Man läßt einen starken Strom Wasserstoff aus einem Gasometer durch eine unglasirte
                              irdene Röhre streichen. Die Röhre ist mit zwei durchbohrten Stopfen geschlossen,
                              durch welche eine Glasröhre gesteckt ist; die eine dieser Glasröhren führt den
                              Wasserstoff herbei, durch die andere tritt er aus; letztere ist daher gebogen und
                              mündet in einem Gefäße unter Wasser, sie muß etwa 1 Meter lang seyn. Schließt man
                              den Zuleitungshahn für den Wasserstoff plötzlich, so hört nicht allein das
                              Aufsteigen der Blasen auf, sondern es steigt sogar das Wasser rasch in der Röhre auf
                              60-70 Centimeter Höhe über sein Niveau, als ob der Wasserstoff im Innern des
                              Apparates ausgesaugt würde. Hernach fällt das Wasser nur langsam wieder.
                           Bei Leuchtgas findet dasselbe statt, nur ist das Saugen geringer, und scheint mit der
                              Dichtigkeit dieses Gases im Verhältniß zu stehen.
                           Bei Kohlensäure ist die Aspiration Null: sie Zeigt in jedem Fall die
                              Durchdringlichkeit der Röhrenwand für das betreffende Gas an.
                           2) Wenn man den Wasserstoff langsamer in die Röhre eintreten läßt, aber doch
                              schneller als bei den meisten chemischen Operationen, so besteht das über der
                              Wasserwanne aufgefangene Gas nicht mehr aus Wasserstoff, sondern aus reiner
                              atmosphärischer Luft, welche 20,9 Proc. Sauerstoff enthält.
                           3) Erhitzt man die irdene Röhre, durch welche das Wasserstoffgas strömt, zwischen
                              glühenden Kohlen, so erhält man ein Gemisch von Kohlensäure und Stickstoff. Als ich
                              das Glasrohr unter Quecksilber münden ließ und das Gas einem Druck von 7-8
                              Centimeter Quecksilbersäule aussetzte – dem höchsten, welchen der Apparat zu
                              ertragen vermochte – konnte ich doch die Gase des Ofens nicht daran hindern,
                              frei in das Innere der irdenen Röhre einzutreten und es war sogar nicht möglich, so
                              rasch ich den Wasserstoffstrom auch gehen ließ, eine bemerkliche Menge Wasserstoff
                              am Ende der Röhre zu erhalten. Es ist demnach die Gegenwart von Wasserstoff, unter
                              einem Drucke von 7 Centimeter Quecksilbersäule, in Bezug auf die äußeren Gase ein
                              stärkeres Ansaugemittel als es eine theilweise, durch eine Luftpumpe bewirkte Leere
                              seyn würde.
                           
                           4) Noch schlagender wird der Versuch durch folgende Einrichtung: Man steckt das
                              irdene Rohr in ein weiteres gläsernes und leitet mittelst geeigneter durchbohrter
                              Korke Wasserstoff durch das irdene Rohr, Kohlensäure durch den ringförmigen
                              Zwischenraum, und läßt beide Gase getrennt austreten. Der eine Strom ist
                              entzündlich, und zwar gerade derjenige, welcher aus dem ringförmigen Zwischenräume
                              kommt. Die zwei Gase haben also bei diesem raschen Durchgang ihre Hülle
                              vertauscht.
                           Diese Thatsachen, welche einer noch eingehenderen Untersuchung bedürfen, können zur
                              Erklärung mancher Erscheinungen dienen, die wir im Laboratorium wie in der Industrie
                              wahrnehmen. So bediene ich mich schon längst der Gefäße und Röhren aus Kohle von
                              Gasretorten (künstlichem Graphit), einer sehr compacten Substanz, die aber bei hohen
                              Temperaturen für gewisse Gase durchdringlich wird. Wenn nun verschiedene Gase durch
                              solche Apparate geleitet werden, und solche Substanzen darin befindlich sind, die
                              sich leicht mit Stickstoff verbinden, so verwandeln sie letztere in
                              Stickstoffverbindungen. Diese merkwürdigen Veränderungen werden durch die
                              Verbrennungsgase des Ofens bewirkt, welche beim Durchgang durch die Kohle der Röhre
                              reducirend werden und mit dem Stickstoff der Luft ins Innere eindringen.
                           Bei der Darstellung mancher einfachen Körper mittelst Natrium habe ich oft mit
                              verschiedenen Kunstgriffen ihre Verwandtschaft zum reinen Stickstoff bekämpfen
                              müssen, welchen sie unter diesen Umständen absorbiren. Ich erinnere hier daran, daß
                              es Wöhler und mit gelang, das Stickstoffsilicium dadurch
                              zu erhalten, daß wir Silicium unter ähnlichen Umständen stark erhitzten. Dieselben
                              Erscheinungen müssen auch in den Cementirkästen
                              stattfinden.
                           Seit mehreren Jahren wird das Leuchtgas in Thonretorten erzeugt, welche noch
                              schwächer als unsere chemischen Gefäße sind; das Leuchtgas saugt aber nach meinen
                              Versuchen ebenso wie das Wasserstoffgas die umgebende Atmosphäre ein, und es ist
                              daher nicht anders zu erwarten, als daß hier, trotz des Gegendruckes welchem das Gas
                              auf seinem Wege durch die Vorlage, Reiniger und Gasometer ausgesetzt ist, die Gase
                              des Feuerherdes sich dem Leuchtgase beimischen und dessen Leuchtkraft (durch die
                              Beimischung von Stickstoff, Kohlenoxyd und Wasserstoff) beeinträchtigen.
                           Sind meine Voraussetzungen richtig, so müssen in diesen und vielen ähnlichen Fällen
                              durch Auftragen einer dünnen Schicht schmelzbaren Ueberzuges auf den Thon, diese
                              schädlichen Wirkungen aufgehoben werden können.
                           So habe ich z.B., indem ich Fluorsiliciumgas (welches wie viele Gase, die das Wasser
                              stark anziehen, die Entzündbarkeit der brennbaren Gase sehr vermindert) durch eine
                              Röhre aus Graphit leitete, trotz eines immer ziemlich starken Druckes, einen aus dem
                              Apparate tretenden Strom sehr leicht brennbaren Gases erhalten. Ich konnte hierbei
                              die Gase des Ofens nur dadurch ausschließen, daß ich die Röhre in eine andere aus
                              Porzellan einschloß, welche überall gut glasirt und vollkommen geschlossen war.