| Titel: | Untersuchungen über die Zusammensetzung des Roheisens und des Stahls; von E. Fremy. | 
| Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. CIII., S. 363 | 
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                        CIII.
                        Untersuchungen über die Zusammensetzung des
                           Roheisens und des Stahls; von E.
                              Fremy.
                        Aus den Comptes rendus, April 1861, t. LII p.
                              626.
                        Fremy, Untersuchungen über die Zusammensetzung des Roheisens und
                           des Stahls.
                        
                     
                        
                           Vierte Abhandlung.
                           Der Zweck meiner vorhergehenden Abhandlungen über den StahlPolytechn. Journal Bd. CLVIII S. 209,
                                    ferner S. 43 und 123 in diesem Bande. war, die bisher verkannte Rolle des Stickstoffs bei der Stahlerzeugung
                              festzustellen und nachzuweisen, daß der Stickstoff nicht bloß ein sehr wirksames
                              Cementirmittel ist, sondern im erzeugten Stahl zurückbleibt.
                           Bisher stützten sich meine Beweise hiefür fast ausschließlich auf synthetische
                              Laboratoriumsversuche. Im Folgenden beabsichtige ich mittelst der chemischen Analyse
                              zu beweisen, daß der Stahl zu bestehen aufhört, wenn man ihm seinen Stickstoff
                              entzieht, und zu zeigen, daß alle in der Praxis gebräuchlichen Operationen meine
                              früher mitgetheilten Ansichten über die Konstitution des Stahls bestätigen.
                           Ich will zuerst den analytischen Versuch beschreiben, welcher mit den strengsten
                              Anforderungen zu genügen scheint.
                           Bei meinen früheren Untersuchungen hatte ich gefunden, daß der Wasserstoff in der
                              Hitze dem Stickstoffeisen sämmtlichen darin enthaltenen Stickstoff in Form von
                              Ammoniak entziehen kann; nachdem ich die Ueberzeugung erlangt hatte, daß der Stahl
                              stickstoffhaltig ist, vermuthete ich, daß der Wasserstoff auch den Stahl zersetzen
                              und in den Zustand von Schmiedeeisen zurückführen kann. Meine Versuche bestätigten
                              diese Erwartung. Ich lege der Akademie ein Blech von Gußstahl bester Sorte vor,
                              wovon nur ein Theil in der Rothglühhitze der Einwirkung des Wasserstoffgases ausgesetzt
                              wurde. Die Operation dauerte drei Stunden und während dieser ganzen Zeit entwickelte
                              der Stahl beständig Ammoniakdämpfe und wahrscheinlich auch andere stickstoffhaltige
                              Alkalien in Dampfform, wo sie den Geruch des verbrannten Horns besitzen. Der Theil
                              des Blechs, worauf der Wasserstoff einwirkte und welcher seinen Stickstoff verlor,
                              ist gänzlich entstählt; er hat sich in sehr weiches
                              Schmiedeeisen verwandelt, welches im höchsten Grade hämmerbar ist und durch das
                              Härten nicht modificirt wird. Dagegen behielt derjenige Theil des Blechs, welchem
                              der Stickstoff nicht entzogen wurde, alle charakteristischen Eigenschaften des
                              Stahls.
                           Bei dieser Umwandlung erleidet der Stahl einen Gewichtsverlust, welcher beiläufig 1
                              Procent beträgt; diese Gewichtsverminderung repräsentirt wahrscheinlich alle
                              Substanzen, welche im Stahl außer dem Eisen enthalten sind, denn das Ammoniak nimmt
                              die gekohlten Verbindungen in Form von blausaurem Ammoniak mit fort.
                           Die Konstitution des Stahls ist daher jetzt durch die Synthese und durch die Analyse
                              festgestellt; man kann sagen, daß man Stabeisen stählt,
                              indem man es bei Gegenwart von Kohlenstoff mit Stickstoff
                                 verbindet, und daß man es entstählt, indem man
                              ihm durch Wasserstoff den Stickstoff entzieht.
                           Die Folgerungen, welche sich aus dem so eben beschriebenen Versuch ergeben, sind
                              einleuchtend. Damit der Stahl seine schätzbaren Eigenschaften behält, darf man ihn
                              bei feiner Fabrication nicht mit Körpern in Berührung bringen, welche ihm den
                              Stickstoff entziehen können.
                           Bei der Anfertigung der Kriegswaffen aus Gußstahl wird man die Wirkung welche die bei
                              der Explosion des Pulvers entstehenden Gase auf dm Stahl ausüben können, wohl
                              berücksichtigen müssen.
                           Es ist wahrscheinlich, daß die verschiedenen Stahlsorten der Entziehung des
                              Stickstoffs in verschiedenem Grade widerstehen, der Cementstahl mehr als der
                              Puddelstahl. Durch Behandlung des Stahls mit Wasserstoffgas werden wir ein weiches Eisen herstellen können, welches gar keine
                              Coercitivkraft besitzt und daher für gewisse magnetische Apparate eine nützliche
                              Anwendung finden kann.
                           Nachdem ich den Stahl zersetzt hatte, indem ich ihm den Stickstoff mittelst
                              Wasserstoff entzog, schien es mit interessant zu untersuchen, welche Veränderung er
                              durch Einwirkung der Verbrennungsgase erleiden kann.
                           Den Einfluß der Kohlensäure mußte ich in dieser Hinsicht sorgfältig ermitteln. Ich
                              fand, daß der Stahl durch Einwirkung der Kohlensäure seinen Kohlenstoff rasch
                              verliert und auf stickstoffhaltiges Schmiedeeisen zurückgebracht wird; ein
                              Ueberschuß von Kohlensäure würde das Metall gänzlich verbrennen. Alle Arbeiter, welche den Stahl
                              behandeln, wissen, daß dieser Körper zerstört, wie man sagt verbrannt wird, wenn man ihn während einer zu langen Zeit der Einwirkung
                              der Verbrennungsgase aussetzt; offenbar ist die Veränderung in diesem Falle dem
                              Einfluß der oxydirenden Verbindungen zuzuschreiben, welche dem Stahl den Kohlenstoff
                              entziehen. Alle Mittel, welche in den Werkstätten zum Regeneriren des verbrannten
                              Stahls angewandt werden, haben wahrscheinlich zum Zwech dem Stahl den Kohlenstoff
                              wieder zu ersetzen, welcher ihm durch die Gase entzogen wurde. Ich glaube jedoch,
                              daß dieser Ersatz ein sehr unvollständiger ist, und daß ein ganz verbrannter Stahl
                              nicht mehr regenerirt werden kann; ich glaube sogar, daß unter gewissen Bedingungen
                              die Hitze allein hinreicht um in dem Stahl eine physische Veränderung
                              hervorzubringen, welche das Härten in einem fetten Körper bis zu einem gewissen
                              Grade wieder aufheben kann. Die Veränderungen welche der Stahl erleidet wenn man ihn
                              verbrennt, d.h. wenn man ihn ohne Vorsicht erhitzt, können also durch eine chemische
                              Zersetzung oder durch eine bloße physische Modification veranlaßt werden.
                           Ich will nun die Thatsachen erörtern, welche durch die Praxis constatirt sind und
                              meine Ansichten über die Constitution des Stahls bestätigen.
                           Die Anhänger der alten Stahltheorie, welche den Stahl noch als ein
                              Kohlenstoff-Eisen betrachten, werden sagen, man könne unmöglich annehmen, daß
                              sich eine Verbindung von Stickstoffeisen in einem geschlossenen Räume bildet,
                              welcher nur Schmiedeeisen und Holzkohle enthält.
                           Ich will jetzt nachweisen, daß das Stabeisen in den Cementirkästen keineswegs bloß
                              kohlenden Einflüssen ausgesetzt ist, und daß das Metall den Stickstoff nicht nur den
                              in den Kästen circulirenden Gasen, sondern auch der darin befindlichen Holzkohle
                              entnehmen kann.
                           Boussingault, welcher sich mehrere Jahre in Stahlfabriken
                              aufhielt, bemerkte unlängst, daß der Stickstoff stets in die Cementirkästen
                              eindringt und darin circulirt, folglich sich mit dem Eisen verbinden kann.
                           Saunderson, auf dessen schätzbare Versuche ich schon
                              einigemal verwiesen habe, zeigt ebenfalls, daß das Cementiren nur bei Gegenwart von
                              Stickstoff leicht erfolgt. Caron's Beobachtungen über die
                              rasche Stählung mittelst blausauren Ammoniaks und die Bildung dieses Salzes in den
                              Cementirkästen beweisen ebenfalls, daß der Stahl im Moment seiner Erzeugung sich in
                              einer ammoniakalischen und folglich Stickstoff abgebenden Atmosphäre befindet.
                           Die Gase und Dämpfe, welche in den Cementirkästen circuliren, können somit die
                              Vereinigung des Eisens mit Stickstoff bewirken.
                           
                           Ich mußte untersuchen, ob außer dem Stickstoff welchen die Luft liefert, das Eisen
                              solchen auch den in den Cementirkästen befindlichen festen Verbindungen entnehmen
                              kann.
                           Ich fand, daß die Holzkohle selbst dem Eisen in sehr wirksamer Weise Stickstoff
                              zuführen kann.
                           Aus meinen Versuchen geht nämlich hervor, daß eine stickstoffhaltige organische
                              Substanz nach dem Glühen einen kohligen Rückstand hinterläßt, welcher fast immer
                              Stickstoff enthält; wenn man auf denselben Wasserstoffgas einwirken läßt, so
                              entbindet sich reichlich Ammoniak. Diese Ammoniakbildung kann man aber nicht der
                              Gegenwart von Cyanüren im Rückstand zuschreiben, denn sie zeigt sich auch bei einer
                              Kohle, welche mit saurem Wasser ausgewaschen worden ist. Sogar Holzkohle, nachdem
                              sie lange der Rothglühhitze ausgesetzt und dann mit saurem Wasser zur Entfernung der
                              Alkalien und der Cyanüre ausgewaschen worden war, entwickelte bei der Behandlung mit
                              Wasserstoffgas noch Ammoniak.
                           Um vollends nachzuweisen, daß es stickstoffhaltige Kohle gibt, habe ich. solche auf
                              synthetischem Wege dargestellt, indem ich nach dem kürzlich von Paul Thenard angegebenen Verfahren durch eine sehr reine
                              organische Substanz, nämlich Zucker bester Sorte, im geschmolzenen Zustande einen
                              Strom Ammoniakgas leitete und hernach die Verbindung lange Zeit ausglühte; die so
                              erhaltene Kohle enthielt viel Stickstoff, denn sie entwickelte bei der Behandlung
                              mit Wasserstoffgas während langer Zeit Ammoniak.
                           Diese Versuche zeigen also, daß die stickstoffhaltigen organischen Substanzen, wie
                              diejenigen woraus die Gewebe der Thiere und selbst der Wanzen bestehen, beim Glühen
                              eine stickstoffhaltige Kohle hinterlassen, welche hernach bei langsamer Verbrennung,
                              wie sie in den Cementirkästen stattfindet, unter dem Einfluß des Wasserstoffgases
                              oder des Wasserdampfes diesen Stickstoff in Form von Ammoniak entbinden kann.
                           Die stickstoffhaltige Kohle ist also gewissermaßen eine Aufspeicherung von zum
                              Cementiren benutzbarem Stickstoff; ihre Zersetzung geschieht mit einer für die
                              Operation ganz geeigneten Langsamkeit, welche vielleicht die Güte des Products zum
                              Theil bedingt.
                           Die eben von mit mitgetheilten Thatsachen werden wahrscheinlich in der Industrie
                              benutzt werden und erklären gewisse, allen Stahlfabrikanten bekannte
                              Erfahrungen.
                           So sind alle organischen Körper, welche eine rasche Stählung hervorbringen können,
                              wie Hörn, Ruß, Leder, gerade diejenigen, welche stickstoffreiche Kohlen geben.
                           
                           Der Nutzen des Stickstoffs in der Kohle erklärt eine sehr sonderbare praktische
                              Thatsache, nämlich daß die Kohle welche in den Cementirkästen eine gewisse Zeit lang
                              erhitzt wurde, sich erschöpft und durch neue Kohle
                              ersetzt werden muß. Die alte Stahltheorie, wornach der Kohlenstoff beim Cementiren
                              eine ausschließliche Rolle spielt, konnte diese Erfahrung nicht erklären, welche
                              nach meinen neuen Ansichten nicht auffallend ist, indem der Stickstoff durch
                              Einwirkung der wasserstoffhaltigen Körper, nach und nach der Kohle entzogen
                              wird.
                           Den zur Stählung verwendbaren Stickstoff liefert also theils die Luft, und theils die
                              Holzkohle selbst, welche immer stickstoffhaltig ist.
                           Der Stickstoff kann aber oft schon im Stabeisen in beträchtlicher Menge vorhanden
                              seyn; das am besten gereinigte Stabeisen, welches sich mit Leichtigkeit stählt, ist
                              gerade dasjenige, welches Stickstoff enthält.
                           Indem ich auf gewisse Stabeisensorten Terpenthinöl-Dämpfe einwirken ließ,
                              erhielt ich manchmal eine merkliche Stählung; als ich hernach das Metall
                              untersuchte, fand ich immer daß es Stickstoff genug enthielt, um die Erscheinung zu
                              erklären.
                           Die Chemiker, welche den Einfluß des Stickstoffs läugnen wollten, weil man mit
                              Kohlenwasserstoffen oder Diamant Stahl erzeugen kann, würden einen großen Irrthum
                              begehen, denn das im Handel vorkommende Stabeisen enthält oft Stickstoff genug, um
                              durch Einwirkung eines bloß kohlenden Körpers Stahl bilden zu können; überdieß werde
                              ich später beweisen, daß der Stickstoff bei der Stählung auch durch ein anderes
                              Metalloid ersetzt werden kann, welches wie der Phosphor einige chemische Analogie
                              mit ihm besitzt und Verbindungen liefert, die leicht mit dem normalen Stahl zu
                              verwechseln sind.
                           Nachdem ich gezeigt habe, daß die Stahlbildung immer in Gegenwart von Stickstoff
                              erfolgt und daß der Einfluß dieses Körpers sowohl durch Laboratoriumsversuche als
                              durch Beobachtungen in der Praxis bestätigt wird, habe ich nun zu untersuchen, wie
                              der Stickstoff bei der Stahlerzeugung wirken kann.
                           Wie ich schon in einer früheren Abhandlung bemerkt habe, ist die Wirkung des
                              Stickstoffs bei der Stahlerzeugung eine doppelte: er verbindet sich nicht nur mit
                              dem Eisen, sondern macht auch das Metall porös, was uns die noch so dunkle
                              Erscheinung beim Cementiren – daß eine Metallmasse von einem festen Körper
                              durchdrungen wird – begreiflich macht.
                           Die Eigenschaften des Stickstoffeisens gestatten diese Durchdringung des Metalls auf
                              die einfachste Weise zu erklären. Wie ich früher gezeigt habe, kann der vom Ammoniak
                              gelieferte Stickstoff in das Stabeisen eindringen und sich mit demselben verbinden;
                              wenn auf das so gebildete stickstoffhaltige Eisen Wasserstoffgas einwirkt, so Wird es zu Metall
                              reducirt, welches in einem sehr porösen Zustande zurückbleibt. Wird das
                              stickstoffhaltige Eisen in einem Strom von Kohlenwasserstoffgas erhitzt, so bildet
                              sich Stahl; in diesem Falle bleibt ein Theil des Stickstoffs mit dem Metall
                              verbunden; der Kohlenstoff kann alsdann in die Poren eindringen, welche durch die
                              Abscheidung des Stickstoffs und durch die Entbindung von Wasserstoff oder Ammoniak
                              entstanden. Die Entstehung der zahlreichen Blasen im Cementstahl (dem sogenannten
                              Blasenstahl), welche man nach der alten Theorie nicht zu erklären vermochte, ist nun
                              leicht begreiflich; sie werden durch die Gase erzeugt, welche sich bei der
                              Einwirkung der Kohlenwasserstoff-Verbindungen auf das Stickstoffeisen
                              bilden.
                           Die chemischen Erscheinungen beim Cementiren lassen sich in folgender Weise
                              zusammenfassen: Das Ammoniak erzeugt stickstoffhaltiges Eisen, indem der Wasserstoff
                              frei wird, welcher das Eisen porös macht; die gasförmigen Kohlenwasserstoffe
                              zersetzen hernach das stickstoffhaltige Eisen, indem sie durch ihren Wasserstoff und
                              ihren Kohlenstoff wirken; der überschüssige Stickstoff wird in Form von Ammoniak
                              oder blausaurem Ammoniak frei, was die Porosität des Metalls noch erhöht, während
                              der Kohlenstoff sich mit dem rückständigen Stickstoff zu der
                              Kohlenstickstoff-Verbindung vereinigt, welche der wesentliche Bestandtheil
                              des Stahls zu seyn scheint.
                           Die wichtige Rolle, welche nach meiner Theorie das stickstoffhaltige Eisen beim
                              Cementiren spielt, wird auch durch die Erfahrung bestätigt. Aus meinen früheren
                              Abhandlungen weiß man, daß das stickstoffhaltige Eisen in der Nothglühhitze
                              entsteht, daß ich es zehn Stunden lang auf dieser Temperatur erhalten habe, ohne daß
                              es zersetzt wurde, und daß es, als ich es hernach einem kohlenden Einfluß unterzog,
                              Stahl bildete; diese Bedingungen sind genau diejenigen, welche in den Cementirkästen
                              verwirklicht werden müssen.
                           Ich habe nun zu untersuchen, ob bei der Stahlfabrication durch Frischen des Roheisens
                              der Stickstoff einen eben so wichtigen Einfluß ausübt wie beim Cementiren. In dieser
                              Hinsicht bemerke ich vorerst, daß man in dem Stahl, welcher im Puddelofen oder im
                              Frischherde erzeugt wurde, den Stickstoffgehalt leicht nachweisen kann, indem man
                              entweder auf das Feilicht einen Strom von Wasserstoffgas einwirken läßt, welcher
                              Ammoniak entbindet, oder den bei der Behandlung des gefrischten Stahls mit Säuren
                              entstandenen stickstoffhaltigen Rückstand untersucht.Die Chemiker, welche den Stahl auf einen Stickstoffgehalt mittelst
                                    Wasserstoffgas untersuchen wollen, müssen die zahlreichen Einflüsse
                                    vermeiden, welche das Ammoniakzersetzen; sie müssen überdieß den Stickstoff
                                    welchen das Wasserstoffgas nicht anzeigen würde, sowohl in der bei der
                                    Behandlung des Stahls mit Säuren erhaltenen Flüssigkeit, als in der hierbei
                                    entstandenen unauflöslichen braunen Substanz aufsuchen.Sehr reines Kalihydrat könnte ebenfalls in der Hitze den im Stahl enthaltenen
                                    Stickstoff frei machen. Wenn der Stahl
                              im Frischherd in Berührung mit Holzkohlen erzeugt wurde, also unter Umständen, wo
                              sich die Cyanüre in beträchtlicher Menge bilden, so ist die Vereinigung des Eisens
                              mit Stickstoff und seine Umwandlung in Stahl leicht begreiflich.
                           Im Puddelofen ist die Stahlbildung manchmal dem im Roheisen enthaltenen Stickstoff
                              zuzuschreiben, hauptsächlich aber den stickstoffhaltigen Verbindungen, welche das
                              Brennmaterial und die Luft liefern; diese wirken in der Periode des Aufkochens auf
                              das sich abscheidende entkohlte Eisen, welches rothglühend und porös ist, rasch
                              ein.
                           Ich komme nun zu einem der wichtigsten Punkte der Stahlfabrication.
                           Gibt es, wie viele Metallurgen jetzt annehmen, Stahlerze,
                              die einen den Chemikern unbekannten Körper enthalten, welcher dem mit solchen
                              Eisenerzen erzeugten Stahl seine schätzbaren Eigenschaften ertheilt? Sind wir in
                              Frankreich dazu verurtheilt, den Cementstahl und Gußstahl bester Qualität vom
                              Auslande zu beziehen? Können wir Roheisensorten erzeugen, welche durch das Puddeln
                              einen dem deutschen gleichkommenden Stahl liefern? Zahlreiche Analysen und
                              synthetische Operationen, welche in meinem Laboratorium seit mehreren Jahren
                              angestellt wurden, gestatten mit diese verschiedenen Fragen sofort zu
                              beantworten.
                           Ich habe gefunden, daß das Eisen sich vorzugsweise mit gewissen Metalloiden
                              verbindet, wodurch andere Verbindungen desselben ausgeschlossen werden. Synthetische
                              Versuche ergaben, daß man vergebens versuchen würde, dem Eisen überschüssigen
                              Kohlenstoff zu ertheilen und es in graues Roheisen zu verwandeln, so lange als
                              Phosphor oder Schwefel mit demselben verbunden bleiben. Der Graphit, dessen
                              Gegenwart das welche Roheisen charakterisirt, erscheint erst, nachdem man dem
                              Roheisen mittelst reinigender und basischer Schlacken den darin befindlichen
                              Phosphor und Schwefel entzogen hat. Und umgekehrt, wenn man graues Roheisen in einem
                              Tiegel erhitzt, dessen Futter Schwefel oder Phosphor abgeben kann, so wird das
                              Roheisen weiß und verliert alsdann seinen überschüssigen Kohlenstoff, welcher in
                              großen Schuppen an der Oberfläche des Metallbades krystallisirt.
                           Nur das Silicium, welches sich bekanntlich durch seine chemischen Eigenschaften dem
                              Kohlenstoff nähert, kann gleichzeitig mit diesem im grauen Roheisen enthalten seyn.
                              Was ich von der Ausschließung des Kohlenstoffs durch den Phosphor und Schwefel gesagt habe,
                              gilt auch für den Stickstoff; es war mit unmöglich, das Stabeisen mit Stickstoff zu
                              verbinden, wenn es Schwefel oder Phosphor enthielt; solches Eisen würde sich also
                              nicht zur Stählung eignen; man begreift daher, daß der Stahl sich im Hohofen nicht
                              bilden kann.
                           Die so eben besprochenen Versuche scheinen mit die Bedingungen der Stahlerzeugung
                              festzustellen. Den Cementstahl erster Qualität und den guten Puddelstahl kann man
                              nur, jenen mit Stabeisen, diesen mit Roheisen von fast absoluter Reinheit erhalten;
                              denn der Stickstoff kann seine stählende Wirkung nur auf ein Metall ausüben, welches
                              gänzlich von Silicium und namentlich von Phosphor und Schwefel gereinigt worden ist.
                              Mehrere unserer französischen Fabrikanten erzeugen bereits vortrefflichen Stahl; für
                              diejenigen, welche noch Fortschritte zu machen haben, bemerke ich: es ist nicht
                              wahr, daß gewisse Länder das ausschließliche Privilegium haben, einen Stahl von
                              besonderer Güte zu fabriciren, sondern dieses vollkommene Product wird durch
                              Anwendung sehr reinen Rohmaterials erzielt; wir haben in Frankreich Erze, welche
                              sich zur Stahlfabrication vollkommen eignen; man reinige daher unser Stabeisen; man
                              bringe in unsere Roheisenfabrication eine Regelmäßigkeit, welche nicht immer befolgt
                              wird; man betrachte nicht ein Gemisch von Stabeisen und Roheisen als Stahl; man
                              versuche nicht unreines Stabeisen zu cementiren oder viele fremdartige Körper
                              enthaltendes Roheisen zu frischen, weil sonst der sich bildende Stahl keine
                              Beständigkeit hat, sondern leicht zersetzt wird, seinen Stickstoff und Kohlenstoff
                              verliert und in den Zustand von Schmiedeeisen zurückkehrt.
                           Nachdem ich gezeigt habe, daß die Reinheit des Metalls die wesentliche Bedingung der
                              Bildung und Beständigkeit des Stahls ist, füge ich sofort bei, daß gewisse Metalle,
                              wie die Praxis längst bewiesen hat, die Qualität gewisser Stahlsorten verbessern
                              können.
                           Man wendet oft mit Vortheil das Mangan, Nickel, Titan, Wolfram etc. an. Diese Metalle
                              können im Allgemeinen, indem sie sich mit dem Eisen verbinden, die Eigenschaften des
                              Stahls auf eine nützliche Weise modificiren, und wahrhafte Legirungen bilden. Ich
                              werde aber bald zeigen, daß die Metalle, welche hauptsächlich die Stahlbildung zu
                              erleichtern scheinen, diejenigen sind, welche, wie das Titan und Wolfram, mit dem
                              Stickstoff beständige Verbindungen bilden.
                           Die Erzeugung dieser besonderen Stahlarten erklärt sich vollkommen durch die
                              allgemeinen Principien, welche ich in meiner dritten Abhandlung über den Stahl
                              aufgestellt habe; ich sagte dort, daß der Stahl eine ganze Familie von Körpern
                              bildet, worin das Eisen mit stickstoffhaltigen Substanzen verbunden ist, welche
                              Kohlenstoff oder andere einfache Körper enthalten können. Die Verbindungen letzterer
                              Art liefern uns eine zahlreiche Classe von Stahlarten, deren Konstitution die
                              Theorie jetzt erklären, über deren Werth aber nur die Praxis entscheiden kann.
                           Das Mangan, dessen Einfluß auf die Stahlbildung alle Fabrikanten kennen, wirkt
                              vielleicht in der Weise, daß es sich rasch oxydirt und so ein Metalloxyd bildet,
                              welches das Frischen des Eisens vervollständigen und folglich die Stahlerzeugung
                              durch Ausscheidung der fremdartigen Körper erleichtern kann.
                           Die in dieser Abhandlung mitgetheilten Thatsachen führen zu folgenden Schlüssen:
                           1) Ich hatte bisher die Constitution des Stahls festgestellt, indem ich zeigte, daß
                              dieser Körper immer Stickstoff enthält, welchen man in der bei seiner Behandlung mit
                              Säuren zurückbleibenden unauflöslichen Substanz findet, oder durch Wasserstoffgas
                              aus dem Stahl in der Glühhitze abscheiden kann; ich hatte ferner festgestellt, daß
                              der Stahl sich leicht unter Umständen bildet, wo dem Eisen Stickstoff geliefert
                              wird, und daß die Stahlerzeugung von dem Verhältniß des Stickstoffs abhängt, welchen
                              man dem Metall einverleibt. Aber ich hatte noch nicht gezeigt, daß man den Stahl entstählt und in den Zustand von Schmiedeeisen
                              zurückführt, indem man ihm mittelst Wasserstoffgas den Stickstoff entzieht; diesen
                              analytischen Beweis habe ich an die Spitze der vorliegenden Abhandlung gestellt.
                           2) Während man nach der alten Stahltheorie nicht begriff, daß das Eisen in den
                              Cementirkästen, welche scheinbar nur Kohlenstoff enthalten, sich mit Stickstoff
                              verbinden kann, habe ich bewiesen, daß das Eisen in den Cementirkästen den
                              Stickstoff nicht nur den darin circulirenden gasförmigen Producten entnehmen kann,
                              sondern auch der Holzkohle, welche immer stickstoffhaltig ist.
                           3) Der unbestreitbare Einfluß aller stickstoffhaltigen organischen Verbindungen bei
                              der Stahlbildung bestätigt meine Theorie: ich erhielt sehr wirksame
                              stickstoffhaltige Kohle, indem ich ternäre organische Körper, z.B. Zucker, vorher
                              mit Stickstoff verband.
                           4) Beim Cementiren wirkt der Stickstoff nicht bloß chemisch, indem er sich mit dem
                              Kohlenstoff zu einem dem Cyan ähnlichen Körper verbindet, welcher der wesentliche
                              Bestandtheil des Stahls zu seyn scheint, sondern er übt auch eine mechanische
                              Wirkung aus, und wird dadurch ein Kohlungsmittel; das überschüssige Stickstoffeisen
                              wird durch das gekohlte Gas reducirt. Wir haben hier eine wirkliche
                              Substitutionserscheinung, der Stickstoff verbindet sich zuerst mit dem Eisen, um
                              hernach seinen Platz dem Kohlenstoff zu überlassen, indem er das Metall porös macht.
                              Auf diese Weise kann man die Durchdringung des Eisens von Kohlenstoff und die
                              Entstehung der Blasen im Cementstahl erklären.
                           5) Bei der Stahlbildung durch Frischen des Roheisens verbindet sich das entkohlte
                              Eisen mit Stickstoff in der Periode des Aufkochens, in dem Zeitpunkt wo es frei
                              wird; den Stickstoff können die Verbrennungsgase und auch die atmosphärische Luft,
                              endlich das Roheisen selbst liefern.
                           6) Ich habe gezeigt, daß die Güte des Stahls nicht von der chemischen Natur gewisser,
                              an einzelnen Orten vorkommenden Eisenerze abhängt; sie beruht einzig auf der
                              Reinheit des zum Cementiren verwendeten Stabeisens und des zum Frischen angewandten
                              Roheisens. Aus meinen Versuchen geht hervor, daß das Eisen sich vorzugsweise mit
                              gewissen Metalloiden verbindet. Ich habe mich überzeugt, daß man das Stabeisen nicht
                              mehr mit Stickstoff zu verbinden vermag, wenn es Silicium, Phosphor oder Schwefel
                              enthält. Die Stahlfabrikanten würden sich daher vergeblich bemühen, mit unreinem
                              Stabeisen oder weißem schwefelhaltigem Roheisen Stahl zu erzeugen.
                           7) Die Metalle, welche einen nützlichen Einfluß bei der Stahlbildung auszuüben
                              scheinen, wie das Wolfram, sind gerade diejenigen, welche mit Stickstoff
                              Verbindungen eingehen. Die verschiedenen Körper, welche die Stahlfamilie bilden,
                              Haben daher zur Basis eine Verbindung von Kohlenstoff mit Stickstoff, oder
                              Stickstoffmetalle.
                           Sowohl die Untersuchungen im Laboratorium als die Beobachtungen der Praxis bestätigen
                              somit die Nützlichkeit des Stickstoffs bei der Stahlbildung und beweisen, daß der
                              Stahl nicht bloß eine Verbindung von Eisen mit Kohlenstoff ist.
                           Die Richtung, in welcher ich meine Untersuchungen durchführe, ist, wie man steht,
                              eine ausschließlich wissenschaftliche. Ich bin aber
                              überzeugt, daß unsere geschickten Fabrikanten vortrefflichen Stahl machen werden,
                              wenn sie durch die Wissenschaft über die wirkliche Constitution dieses Körpers
                              aufgeklärt worden sind; diesem wichtigen Zweck widme ich alle meine
                              Anstrengungen.