| Titel: | Ueber Dauglish's Methode der Brodbereitung; von Dr. A. Oppenheim. | 
| Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. CXXXV., S. 457 | 
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                        CXXXV.
                        Ueber Dauglish's Methode der Brodbereitung; von Dr.
                           A.
                              Oppenheim.
                        Aus dem Journal für praktische Chemie, 1861, Bd. LXXXII S.
                              488.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. VI.
                        Oppenheim, über Dauglish's Methode der Brodbereitung.
                        
                     
                        
                           Graham veranstaltete im J. 1826 Versuche, um die
                              Alkoholmenge zu bestimmen, welche bei der Gährung des Brodes erzeugt, beim Backen
                              verloren wird. Er berechnete sie auf 0,3 bis 1,0 Proc. des angewandten Mehles. Bald
                              bemächtigte sich die öffentliche Aufmerksamkeit des Gegenstandes. Es ward berechnet,
                              daß bei der Brodbereitung in London 300,000 Gallons Weingeist jährlich in die Luft
                              gehen, und die Militärbäckereien in Chelsea (London) wurden berühmt durch eine
                              vergebliche Ausgabe von 20,000 Pfd. Sterl., um den gebildeten Weingeist zu
                              condensiren und zu sammeln.
                           Seitdem sind verschiedene Mittel vorgeschlagen worden, um die Gährung des Brodes zu
                              umgehen. Sie beruhen meistens auf der Erzeugung einer auflockernden Gasart aus
                              Salzen, die mit dem Teige gemischt werden, aus zweifach-kohlensaurem Natron
                              und Weinsäure oder Salzsäure, oder auch aus kohlensaurem Ammoniak, das sich im
                              Backofen verflüchtigt. Das letztere wird in Zwiebackfabriken und in
                              Militärbäckereien Englands noch heute benutzt. Liebig's
                              Grundsatz, die Anwendung von Chemikalien, ihrer möglichen Verunreinigungen wegen,
                              bei der Bereitung von Nahrungsmitteln zu vermeiden, und noch mehr die von Vogel mitgetheilte Erfahrung, daß so zubereitetes Brod an
                              Lockerheit hinter dem gewöhnlichen Brode zurückstehe, haben die Anwendung dieser
                              Mittel jedoch sehr beschränkt.
                           Frei von ihren Mängeln ist eine neue und höchst erfolgreiche Methode zur Auflockerung
                              des Brodes, welche 1856 von Dr. Dauglish beschrieben und zuerst in Carlisle ins Leben gerufen wurde.
                              Seitdem sind auch in Portsmouth und in London Bäckereien errichtet worden, welche
                              auf dieselbe Weise ohne Gährung große Mengen guten und schmackhaften Brodes
                              produciren. Eine nähere Betrachtung dieses Verfahrens scheint mit durch die
                              Wichtigkeit des Gegenstandes gerechtfertigt zu seyn, und ich erlaube mit dieselbe zu
                              übernehmen, weil mit Gelegenheit wurde, die Mittheilungen des Erfinders und von W. Odling
                              Der Bericht, welchen Odling der British Association for the advancement of
                                       science über das Verfahren von Dr. Dauglish erstattete, wurde im polytechn. Journal
                                    Bd. CLV S. 148 mitgetheilt. und Dr. Wormandy
                              (enthalten in besonderen Broschüren, im Journal of the
                                 Society of arts und in der neuesten Ausgabe von Ure's
                              Dictionary of arts) mit eigenen Beobachtungen zu
                              vergleichen.
                           Dauglish's Princip ist einfach, die auflockernde Luftart
                              nicht im Teige zu erzeugen, sondern sie fertig gebildet in den Teig einzuführen. Er
                              wählt die Kohlensäure, ihres hohen Absorptionscoefficienten wegen, indem er Wasser
                              damit unter starkem Druck sättigt und mit dem Mehl mischt, dann den Druck aufhebt
                              und die Kohlensäure unter fortwährendem Kneten entweichen läßt. Die Einrichtung des
                              in Fig. 4
                              abgebildeten Apparates ist folgende:
                           A ist eine starke eiserne Hohlkugel, bestimmt, um darin
                              das Mehl mit Wasser und Salz zu mischen. Sie hat einen Durchmesser von 3 Fuß und
                              widersteht einem Druck von 300 Pfund auf den Quadratzoll. Eine obere Oeffnung (zum
                              Einlassen des Mehls und Salzes) und eine untere (zum Auslassen des Teiges) können
                              luftdicht verschlossen werden. Senkrecht durch ihren Mittelpunkt geht eine Achse,
                              von der Arme (bestimmt zum Mischen des Teiges) ausgehen. Diese wird bewegt durch ein
                              Getriebe von Rädern, das durch den Riemen H mit einer
                              Dampfmaschine in Verbindung steht. L ist ein inwendig
                              verzinntes Kupfergefäß, unten durch die Röhre a, oben
                              durch die Röhre l mit dem Mischgefäße A zusammenhängend. Diese Röhren können durch die Hähne
                              b und d abgeschlossen
                              werden. Das Gefäß L steht ferner durch den Hahn m mit einem Wasserreservoir in Verbindung. Unten mündet
                              die in eine Rosette ausgehende Röhre k in dasselbe ein,
                              welche mit dem Gasreservoir zusammenhängt.
                           Der Proceß wird auf folgende Weise geleitet. Der Gasometer wird mit Kohlensäure
                              (erhalten aus Kreide und Salzsäure) gefüllt. Versuche, dieselbe durch Glühen von
                              Kreide in eisernen oder thönernen Retorten unter Ueberleiten von Wasserdampf zu
                              erhalten, gaben ungünstige Resultate. Die Gefäße platzten. Durch den Hahn m wird das Gefäß L mit 20
                              Gallons (200 Pfund) Wasser versehen. Ein Sack Mehl und 3 bis 4 Pfund Salz werden in
                              das Mischgefäß A gethan, das darauf luftdicht
                              verschlossen wird. Aus beiden Gefäßen wird dann der größere Theil der Luft entfernt.
                              Darauf wird das Wasser in L unter einem Drucke von 200 Pfund auf den
                              Quadratzoll mit Kohlensäure gesättigt. Dieselbe tritt durch die Rosette der Röhre
                              k ein und was von ihr aus der Wassersäule wieder
                              austritt, geht durch die Röhre l in das Mischgefäß A über. So werden gleichzeitig beide Gefäße mit einer
                              condensirten Atmosphäre gefüllt und das Wasser gesättigt. Sobald der Druck von 200
                              Pfund auf den Quadratzoll erreicht ist, wird der Hahn b
                              geöffnet und die nöthige Menge Wasser in das Mischgefäß eingelassen. Die Mischarme
                              werden jetzt in Bewegung gesetzt, der Druck wird allmählich bis auf 100 Pfd.
                              erniedrigt und die entweichende Kohlensäure lockert den Teig im Momente seiner
                              Bildung auf. Nach 4 bis 6 Minuten wird der Hahn bei O
                              geöffnet und der zähe aufgelockerte Teig fließt unter allmählich sich verringerndem
                              Drucke in passende Zinngefäße oder Körbe aus. Eine gebogene Stange, welche bei O in das Mischgefäß eintritt (in der Zeichnung
                              weggelassen) und seine Wände berührt, dient dazu, um die letzten anhängenden Reste
                              des Teiges zu lösen.
                           Das übliche Gewicht der Brode beträgt 2 Pfd. („Halfquarternloaves“) und um sie herzustellen, werden, nach
                              Augenmaaß, 2 Pfund 4 Quentchen Teig in die Gefäße eingelassen. Diese werden nun in
                              eiserne Rahmen umgekehrt, welche neben einander auf den Rand des eigenthümlich
                              construirten Ofens gesetzt werden. Wenn der Teig in den Backofen eintritt, so ist er
                              nämlich ungewöhnlich kalt. Theilweise weil kaltes Wasser zum Kneten angewandt
                              worden, theilweise weil das entweichende Gas Wärme bindet, ist seine Temperatur circa 25° C. unter der Temperatur von
                              gewöhnlichem Brodteig. Er dehnt sich deßhalb langsamer im Backofen aus, als
                              gewöhnliches Brod, und verlangt besondere Vorsicht, damit sich die obere Kruste erst
                              im letzten Moment der Operation bilde. Diese Vorsichtsmaßregel ermöglicht es
                              zugleich, das Wasser des Teiges rascher zu verdunsten, also die Backung in kürzerer
                              Zeit vorzunehmen, als gewöhnlich. Für diesen Zweck hat Dauglish einen Ofen construirt, dem er den Namen eines
                              „Wanderofens“ gibt, weil der aus eisernen Platten
                              bestehende Boden, auf welchem die Brode liegen, einen Theil einer Kette ohne Ende
                              bildet, die über zwei Räder läuft, deren Geschwindigkeit man regeln kann. Diese
                              Platten werden von unten geheizt; nur im hinteren Theile des Ofens wird ihm von oben
                              Hitze zugeführt. Der Teig tritt an der einen Seite in ihn ein, durchläuft seine
                              Länge von 40 Fuß innerhalb einer Stunde und tritt ausgebacken an der anderen Seite
                              aus.
                           Unter den Vortheilen des Dauglish'schen Verfahrens tritt
                              die große Reinlichkeit und Schnelligkeit desselben sofort ins Auge. Von dem Moment
                              an, wo das Mehl die Mühle verläßt, bis da, wo das fertige Brod aus dem Ofen kommt,
                              wird es von keiner Hand berührt. Fünf Stunden, welche durch Gährung, und 3 Stunden, welche
                              gewöhnlich durch Kneten und Backen eines Sackes Mehl in Anspruch genommen werden,
                              sind hier zusammen auf 1 1/2 Stunden reducirt. Die Unabhängigkeit des Verfahrens von
                              den Zufälligkeiten der äußeren Temperatur, von der Beschaffenheit der Hefe und des
                              Mehls ermöglicht es ferner, unter allen Umständen ein gleichmäßiges Product
                              hervorzubringen. Die Vermeidung aller Nebenproducte der Gährung, der Essigsäure, der
                              Buttersäure, der Milchsäure, der Umwandlungsproducte des Klebers ist noch besonders
                              zu berücksichtigen. Nasses Mehl enthält bekanntlich häufig metamorphosirte
                              stickstoffhaltige Bestandtheile, welche ihm beim Gähren eine braune Farbe ertheilen
                              und häufig die Bildung eines lockeren Teiges unmöglich machen. Nach Mège Moriès ist ein der Diastase ähnlicher
                              Bestandtheil der Kleie, das Cerealin, der Ausgangspunkt dieser Veränderung. Nach Chevreul kann dieselbe eintreten, auch wenn das Korn
                              sorgfältig von seiner äußeren Haut befreit war. Die Bäcker wirken ihr häufig durch
                              Zumischen von Alaun entgegen – einer Reaction, die durch Liebig theilweise erklärt ist.
                           Kleber wird durch Essigsäure und Milchsäure löslich, durch Alaun wieder unlöslich
                              gemacht. Durch Dauglish's Verfahren wird die Benutzung
                              geringerer Mehlsorten ermöglicht, ohne daß das Brod deßhalb an Güte verliert, und
                              für die Benutzung von Alaun fällt bei ihm der Grund weg. Noch directer nützt es dem
                              Bäcker dadurch, daß es Maschinenarbeit für Handarbeit substituirt, durch Verkürzung
                              der Arbeitszeit die Nachtarbeit unnöthig macht und so mehrere Krankheitsursachen aus
                              seinem Gewerbe entfernt.
                           Endlich noch verdient die ökonomische Seite des Verfahrens hier um so mehr der
                              Berücksichtigung, als sie zusammenhängt mit der chemisch wichtigen Frage nach dem
                              Gewichtsverlust des Mehls durch die Gährung.
                           Die bisherigen Angaben gründen sich auf zwei verschiedene Methoden, nämlich 1) auf
                              die Bestimmung des bei der Gährung entstehenden Alkohols (Graham), und 2) auf Versuche über die Ausbeute einer sorgfältig
                              überwachten Backung (Heeren, polytechn. Journal Bd. CXXXI S. 276). Eine dritte Methode,
                              gegründet auf die Untersuchung des Verhältnisses der gasförmigen zu den festen
                              Bestandtheilen im Brode, hat zu Irrschlüssen geführt, weil die durch den Teig
                              entweichende Kohlensäure nicht mit in Anschlag gebracht wurde. Einen Beweis für die
                              Größe der entweichenden Gasmenge liefert Dauglish durch
                              die Thatsache, daß, um einem Biscuitteig, welcher Fett enthält, nach seinem
                              Verfahren dieselbe Lockerheit wie dem Brode zu ertheilen, die Hälfte der gewöhnlich
                              angewandten Menge Gas genügt. Das Fett verhindert bis zu einem gewissen Grade das Entweichen des
                              Gases; ebenso wirken klebrige Substanzen, wie z.B. gekochtes Mehl.
                           Kochsalz ertheilt dem Mehl dieselbe Eigenschaft in geringerem Grade und eine zu große
                              Menge Kochsalz verhindert, wie ich der Angabe eines Bäckers entnehme, die Bildung
                              eines lockeren Teiges, weil es der Kohlensäure den Weg versperrt, während
                              ungesalzenes Brod aller Kohlensäure den Austritt erlaubt und daher zusammenfällt.
                              Die Angabe, daß das Verhältniß der gasförmigen Bestandtheile zu den festen –
                              2: 1 sey, ist zu niedrig gegriffen. Die folgende Betrachtung, auf Dauglish's Versuche gegründet, führt zu einem sicheren
                              Resultate. Dauglish's Mischgefäß faßt 10 Bushel. Wenn
                              darin 3 1/2 Bushel Mehl mit Wasser gemischt werden, so nehmen sie nur die Hälfte des
                              ursprünglichen Raumes ein. Durch Kohlensäure in einen lockeren Teig verwandelt,
                              füllen sie das Gefäß gerade aus. 1 1/2 Thle. feste Substanz bilden 10 Thle. Teig, in
                              welchen also 1 Thl. fester Substanz mit 5 Thln. Gas gemischt ist. Im Ofen nimmt Dauglish's Brod das doppelte Volum an. Wir werden von der
                              Wirklichkeit nicht stark abweichen, wenn wir diese Verhältnisse auf durch Gährung
                              entstandenes Brod übertragen, und wir erhalten so ein Resultat, das mit den
                              anderweitig gewonnenen ziemlich übereinstimmt. Die durchschnittliche Wassermenge
                              eines Laibes Brod von 4 Pfund Gewicht beträgt 42,5 Proc. Dasselbe enthält also
                              11,900 Gran Wasser und 16,100 Gran feste Substanz. 422,5 Gran der letzteren ist
                              unorganische Materie, 15,6775 Gran Stärke und Kleber. Ein 4-Pfund-Laib
                              Brod hat einen Kubikinhalt von 9 × 6,5 × 5 = 292 Kubikzoll. Neun
                              Zehntel dieses Volumens = 262,8 Kubikzoll sind luftförmig, von denen jedoch nur die
                              Hälfte = 131,4 Kubikzoll der Kohlensäure resp. der Gährung ihren Ursprung verdankt.
                              131,4 Kubikzoll Kohlensäure wiegen 62 Gran, und da ein Aequivalent Traubenzucker
                              (198) vier Aequivalente Kohlensäure (88) bildet, so entsprechen 62 Gran Kohlensäure
                              einem Verluste von 140 Gran Zucker oder kaum einem Procent der angewandten Menge
                              Stärke und Kleber. Aus Graham's Versuchen berechnet sich
                              der Verlust auf 0,7 bis 2,1 Proc.; Heeren bestimmt ihn
                              auf 1,5 Proc. des angewandten Mehls. Dem Verluste durch Gährung und gleichzeitig dem
                              geringen Verluste an Mehl, welches durch Verstäuben in offenen Räumen verloren geht,
                              sollte der ökonomische Gewinn des Dauglish'schen
                              Verfahrens entsprechen. Er gab ihn vor mehreren Jahren auf 11 Proc. an. Diese Zahl
                              war offenbar zu hoch gegriffen. Die verhältnißmäßig kurze, vielleicht früher zu
                              kurze Zeit, welche das Brod im Ofen blieb, mag mehr als die übliche Menge Wasser
                              darin zurückgehalten haben, und mehr als nach den heutigen Vervollkommnungen darin
                              enthalten ist. Die neuesten Angaben Dauglish's
                              entsprechen der oben gemachten Voraussetzung. Danach werden aus 280 Pfd. (einem Sack) Mehl 192 Laib
                              Brod von 2 Pfund gewonnen. Nach Angaben, die ich einem erfahrenen und gebildeten
                              Bäcker (Hrn. Bonthron in London) verdanke, erhält man bei
                              dem alten Verfahren etwa 188 oder 190 Zwei-Pfund-Brode aus dem Sack
                              Mehl. Danach ergibt Dauglish's Verfahren also einen
                              Mehrgewinn von 1 bis 2,1 Proc. Obgleich zu dieser Ersparniß noch die an Zeit und
                              Arbeitskraft kommt, so ist der Verkaufspreis des Brodes heute noch um ein
                              Unbedeutendes höher, als der von gewöhnlichem Brode. Der Geschmack des
                              „aërated bread“ sagt
                              den meisten Leuten zu. Es ist frei von jeder Säure und würde aus diesem Grunde
                              vielleicht fade seyn, wenn nicht ein größerer Zusatz von Salz dem Mangel
                              entgegenwirkte. In diätetischer Beziehung wird es fast allgemein empfohlen. Die
                              Gegner desselben stützen ihre Meinung auf die Ansicht, es sey für die Verdauung
                              nothwendig, daß die Stärkekörner durch Gährung aufgebrochen werden, und auch die
                              durch sie hervorgebrachten „Extractivstoffe“ erleichtern die
                              Verdauung – eine Ansicht, die wohl schwerlich jemals durch Versuche begründet
                              worden ist.
                           Die Production dieses Brodes in London entspricht gegenwärtig dem Consum von 30 Sack
                              Mehl täglich. Diese Menge ist nicht als ganz gering anzusehen, wenn man bedenkt, daß
                              nur eine Fabrik zu ihrer Hervorbringung vorhanden ist, und daß die wenigen Jahre
                              ihrer Existenz nicht hinreichen konnten, das große Publicum für das Verfahren zu
                              gewinnen.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
