| Titel: | Ueber Regulirung höherer Hitzegrade; vom Prof. Heeren. | 
| Fundstelle: | Band 161, Jahrgang 1861, Nr. XXXIV., S. 106 | 
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                        XXXIV.
                        Ueber Regulirung höherer Hitzegrade; vom Prof.
                           Heeren.
                        Aus den Mittheilungen des hannoverschen
                                 Gewerbevereins, 1861 S. 98.
                        Mit einer Abbildung.
                        Heeren, über Regulirung höherer Hitzegrade.
                        
                     
                        
                           Sowohl bei wirklichem Fabrikbetriebe, wie auch bei Arbeiten im Laboratorium begegnet
                              man der Aufgabe, die für einen vorliegenden Zweck geeignete Temperatur zu erreichen
                              und längere Zeit zu unterhalten, ohne sie zu überschreiten.
                           Mit Versuchen über Thonverarbeitung beschäftigt, wobei die Proben theils in Tiegeln,
                              theils in der Muffel gebrannt wurden, und wobei das Gelingen wesentlich abhieng von
                              dem Innehalten der geeigneten Temperatur, war ich genöthigt nach Mitteln zu suchen,
                              die eine genauere Beurtheilung der Hitze ermöglichten, als sie durch Beobachtung der
                              Glühfarbe erreichbar war. Mögen auch die niederen Grade des Glühens, die man durch „dunkles
                                 Roth-, Kirschroth- und Hellrothglühen“ zu unterscheiden
                              pflegt, ziemlich genau zu treffen seyn, so wächst doch die Schwierigkeit bedeutend
                              mit dem Eintritt des Orange- oder gar des Gelbglühens, des Weißglühens gar
                              nicht zu gedenken.
                           Beim Betriebe im Großen, wo schon durch das gleichmäßige Heizverfahren, das
                              langsamere Steigen der Temperatur und die erfahrungsmäßige Zeitdauer bis zum
                              Eintritt der normalen Hitze die Erkennung und Leitung derselben weniger schwierig
                              ist, hilft man sich außerdem durch Probeziehen; daß aber selbst im Großen das
                              Bedürfnis einer genaueren Regulirung vorhanden seyn kann, beweist das von Wedgwood zur Regulirung seiner Brennöfen benutzte von ihm
                              erfundene Pyrometer. – So werden sich denn die folgenden Mittheilungen über
                              das bei meinen Arbeiten benutzte Hülfsmittel hoffentlich wohl rechtfertigen.
                           Die meisten der eigentlichen Pyrometer sind nur für
                              wissenschaftliche Zwecke bestimmt, und benutzt worden, um gewisse Temperaturen,
                              besonders die Schmelzpunkte der Metalle zu messen, für den gewöhnlichen Gebrauch
                              aber, namentlich bei Arbeiten im Kleinen, viel zu unbequem und zeitraubend; mehrere
                              gestatten auch nicht eine fortdauernde Beobachtung der Temperatur, und das seiner
                              Zeit so berühmt gewordene Wedgwood'sche Pyrometer hat
                              sich bei näherer Prüfung als sehr unzuverlässig herausgestellt.
                           Das Pyroskop, dessen ich mich bediene, beruht auf derselben Idee wie das von Prinsep erfundene. Prinsep,
                              seiner Zeit Münzwardein in Benares, bereitete eine Reihe von Legirungen, theils aus
                              Silber und Gold, theils aus Gold und Platin. Das erste Glied war reines Silber, dann
                              folgte 95 Silber mit 5 Gold, dann 90 Silber mit 10 Gold u.s.f. bis zum reinen Golde;
                              sodann kam 95 Gold mit 5 Platin, dann 90 Gold mit 10 Platin u.s.f. Diese Legirungen
                              wurden zu dünnem Blech ausgewalzt und in kleine quadratische Stückchen zerschnitten,
                              die er nun in der Reihenfolge der zunehmenden Schwerschmelzbarkeit auf eine
                              Thonplatte steckte. Wurde diese in den Ofen gebracht, so kamen bei steigender Hitze
                              die Plättchen der Reihenfolge nach zum Schmelzen, und er hatte es in seiner Gewalt,
                              den Hitzegrad bis zu dem Schmelzpunkte irgend einer bestimmten Legirung zu treiben.
                              Bei diesem offenbar sehr sicheren Verfahren liegt nur ein wesentlicher Mangel darin,
                              daß es zur längeren Unterhaltung einer gleichmäßigen Temperatur nicht wohl gebraucht
                              werden konnte, weil es wohl die allmähliche Zunahme,
                              nicht aber ein Zurückgehen der Temperatur anzeigt.
                           Mein Verfahren hilft diesem Uebelstande ab. Theils um das kostbare Gold zu vermeiden,
                              theils aus einem anderen Grunde, der weiter unten vorkommt, benutze ich nur Legirungen von Silber und
                              Platin; auch brauche ich, um eine bestimmte Temperatur innerhalb gewisser Grenzen zu
                              unterhalten, nur zwei Legirungen, ja wir werden sehen,
                              daß bei genauem Operiren gar eine einzige Legirung hinreicht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 161, S. 107
                              Zur Aufnahme dieser Legirungen dient ein zweiarmiger Löffel aus einer
                                 hartgebrannten Mischung von feuerfestem Thon und Charmotte, und von der durch
                                 nebenstehende Skizze veranschaulichten Gestalt. Bei Arbeiten im Kleinen, wo man
                                 die Metalle gut sehen kann, reichen etwa 3 Gramme von jeder Legirung hin;
                                 entgegengesetzten Falls wird es gut seyn, den Apparat und die Quantitäten der
                                 Metalle zu vergrößern.
                              
                           Nachdem durch vorläufige Versuche diejenige Legirung ermittelt ist, welche bei dem
                              beabsichtigten Hitzegrade eben zum Schmelzen kommt, bereitet man eine zweite, etwa 5
                              Procent Platin mehr enthaltende, also etwas schwerer schmelzbare Legirung, und thut
                              von jeder so viel in einen der Löffel, wie zur Füllung desselben nöthig ist.
                              Mittelst eines durch die obere Oeffnung gesteckten Hakens von dickem Eisendraht wird
                              der Apparat in die Muffel oder bei Arbeiten in einem Tiegel mittelst eines geraden,
                              durch das Loch gesteckten und auf die Ränder des Tiegels gelegten Stäbchens in
                              denselben eingehängt. Sollte der Apparat für längere Zeit in einem Ofen anzubringen
                              seyn, wo das Eisen durch Oxydation zerstört werden würde, so müßte zum Aufhangen ein
                              starker Platindraht zur Anwendung kommen. Jedenfalls muß der Apparat hängen, nicht
                              stehen, was auch schon wegen der Gefahr des Umfallens sich empfiehlt.
                           Durch vorsichtiges Feuern treibt man nun die Hitze bis zum Schmelzen der
                              leichtflüssigeren Legirung, sucht aber dann ein ferneres Steigen, welches sich durch
                              das Schmelzen der anderen kundgeben würde, zu vermeiden. Findet man nach Verlauf
                              einiger Zeit in Folge einer Temperaturabnahme die erste Legirung erstarrt, so muß
                              durch Verstärkung des Zuges die Temperatur wieder erhöht werden.
                           Hierbei nun stellt sich eine Eigenschaft der Silber-Platin-Legirungen
                              als besonders vortheilhaft heraus. Es findet nämlich bei ihnen kein plötzliches,
                              sondern ein allmähliches Schmelzen und Erstarren statt, was sich bei einiger Uebung
                              leicht erkennen läßt und wahrscheinlich auf der, auch vielen anderen Legirungen
                              angehörigen Eigenschaft beruht, beim langsamen Erstarren sich in zwei, vielleicht selbst in mehrere
                              verschiedene Verbindungen von ungleichem Schmelzpunkt zu spalten, so daß die
                              leichter schmelzbare schon flüssig seyn, die schwerer schmelzbare aber noch im
                              festen Zustande sich befinden kann.
                           Es sind demnach bei unseren Silber-Platin-Legirungen drei verschiedene,
                              bei einiger Uebung leicht erkennbare Zustände zu unterscheiden:
                           
                              1) der vollständig flüssige. Die
                                 Oberfläche ist spiegelblank und zeigt bei der leisesten Erschütterung einen
                                 lebhaften Wellenschlag;
                              2) der halbflüssige oder teigige. Die
                                 Oberfläche ebenfalls spiegelnd, zeigt aber bei einer angewandten Erschütterung
                                 keinen Wellenschlag;
                              3) der starre. Die Oberfläche ist
                                 matt, nicht spiegelnd.
                              
                           Beim allmählichen Erkalten der vollständig geschmolzenen Legirung verliert sie also
                              zuerst ihre Flüssigkeit, behält aber noch eine glänzende Oberfläche, die erst beim
                              völligen Erstarren matt und glanzlos erscheint. Man sieht nun wohl, daß selbst bei
                              Anwendung einer einzigen Legirung es möglich ist, eine
                              bestimmte Hitze einzuhalten, denn man darf nur die Temperatur so reguliren, daß sich
                              die Legirung in dem erwähnten halbflüssigen Zustande befinde, also eine glänzende
                              Oberfläche zeige, ohne doch flüssig zu seyn. Aber dennoch hat die Anwendung zweier Legirungen Vortheile, weil es bei einer einzigen
                              praktisch sehr schwer halten würde, die Regulirung so genau zu vollführen, daß sie
                              dauernd im halbflüssigen Zustande verharre. Findet man nun einmal das Metall
                              vollständig geschmolzen, hat aber ein zweites von etwas höherem Schmelzpunkt
                              daneben, und zeigt dieses noch eine matte Oberfläche, so kann man sicher seyn, sich
                              noch innerhalb der zulässigen Grenzen zu befinden und umgekehrt im entgegengesetzten
                              Falle.
                           Die Unterscheidung der matten, glanzlosen von der glänzenden, spiegelnden Oberfläche
                              bietet gar keine Schwierigkeit dar. Um aber den halbflüssigen vom ganzflüssigen
                              Zustande zu unterscheiden, braucht man nur dem die Legirungen enthaltenden Löffel
                              eine leichte Erschütterung zu ertheilen, um die Oberfläche des flüssigen Metalls in
                              eine stark wellenförmig zitternde Bewegung zu versetzen, die natürlich bei dem nur
                              teigig weichen Metalle ausbleibt. Gerade um diese Erschütterung leicht
                              bewerkstelligen zu können, muß man, wie oben erwähnt, den Löffel einhangen. Eine leise Berührung des Löffels (nicht des
                              Metalls) mit einem in die Muffel oder den Ofen eingeführten Draht reicht hin, jene
                              wellenförmige Bewegung des flüssigen Metalls in sehr sichtbarer Weise
                              hervorzurufen.
                           Sollte dieses Pyroskop bei Arbeiten im Großen Anwendung finden, wo sich das Auge des
                              Beobachters schon in einiger Entfernung von dem Apparat befinden würde, so müßte man
                              demselben entsprechend größere Dimensionen ertheilen, um Metallflächen von vielleicht 1
                              bis 2 Zoll im Durchmesser zu erhalten, ja man könnte unter Umständen zur besseren
                              Beobachtung derselben selbst optische Hülfsmittel zu Rathe ziehen.
                           Seit Anwendung des beschriebenen kleinen, sehr einfachen Pyroskopes gelingen mir die
                              Brennversuche mit einer früher nie erreichbaren Sicherheit. Leider scheint ein
                              gleiches Verfahren bei Temperaturen, die unter dem Schmelzpunkte des Silbers liegen,
                              nicht möglich zu seyn, weil alle leichter schmelzbaren Metalle und Legirungen sich
                              in der Glühhitze oxydiren, andere Substanzen aber als Metalle schwerlich dem Zwecke
                              entsprechen dürften.
                           Wenn ich empfohlen habe, die beiden Legirungen um 5 Procent Platin differiren zu
                              lassen, so ist diese Differenz eine rein willkürliche und von der beabsichtigten
                              Genauigkeit abhängende. Kommt es bei der Arbeit auf sehr genaues Einhalten der
                              Temperatur nicht an, so wähle man zwei, um 10 Procent Platin differirende
                              Legirungen, wodurch die Grenzen weiter auseinander rücken und die Regulirung der
                              Hitze erleichtert wird.