| Titel: | Ueber den Gebrauch des Glaubersalzes zur Fabrication von Spiegelglas auf der Spiegelmanufactur zu Münsterbusch bei Stolberg; von Gust. Jaeckel. | 
| Autor: | Gust. Jaeckel | 
| Fundstelle: | Band 161, Jahrgang 1861, Nr. XXXV., S. 110 | 
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                        XXXV.
                        Ueber den Gebrauch des Glaubersalzes zur
                           Fabrication von Spiegelglas auf der Spiegelmanufactur zu Münsterbusch bei Stolberg; von
                           Gust. Jaeckel.
                        Jaeckel, über den Gebrauch des Glaubersalzes zur Fabrication von
                           Spiegelglas.
                        
                     
                        
                           Die calcinirte Soda hat die dreimal theurere Potasche bei der Glasfabrication fast
                              ganz verdrängt. Nichts destoweniger läßt der geringe Preis des Glases und die große
                              Concurrenz auf weitere, billigere Ersatzmittel denken. Als solches ist Glaubersalz
                              zwar schon lange in Gebrauch, es wird jedoch meistens, wenigstens bei den besseren
                              Glassorten, nur als Zusatz gebraucht, und nur bei gefärbtem Flaschenglas und bei
                              Verfertigung dünner Gegenstände für sich allein.
                           Der Gebrauch des Glaubersalzes bringt bekanntlich einige erhebliche
                              Unannehmlichkeiten mit sich. Beim Verschmelzen ohne Kohlenzusatz dauert die
                              Schmelzzeit gar zu lange; der geringste Ueberschuß von Kohle aber erzeugt eine
                              verhältnißmäßig tiefe Färbung des Glases. Die erforderliche Menge derselben läßt
                              sich jedoch nicht genau berechnen, da sich Kohlenoxyd und Kohlensäure bei der
                              Reduction des schwefelsauren Natrons bilden und auch ein Theil der Kohle verbrennt,
                              bevor sie zur Wirkung gelangt ist. Ferner enthält das calcinirte Glaubersalz, wie es die
                              chemischen Fabriken liefern, stets Eisen in wechselnder Menge. Die Kohle würde nun
                              das Eisen, das als Oxyd im Glaubersalz enthalten ist, in Oxydul verwandeln und so
                              das Erhalten eines hellen Glases unmöglich machen, da das Oxydul sehr stark färbende
                              Kraft besitzt.
                           Um nun zu verhüten, daß Glaubersalz in die Glasgalle übergeht. muß Kohle in
                              wenigstens genügender Menge zugesetzt werden. Den Ueberschuß an Kohle kann man
                              natürlich nicht durch gleichzeitigen Zusatz von Oxydationsmitteln entfernen, sondern
                              man bringt am besten arsenige Säure nach geschehener Schmelzung in den Glashafen,
                              indem man sie bis auf den Boden niederstößt, wobei auch das entweichende Arsen eine
                              innigere Vereinigung hervorbringt.
                           Wenn nun aber auch die Kohle entfernt werden kann, so würde doch schon der
                              Eisengehalt das Glas verderben, wenn es in dickeren Schichten verarbeitet und
                              farblos werden soll. In Belgien gebrauchen Glasfabriken zu Fensterglas direct rohes
                              Glaubersalz; andere Fabriken schmelzen das Glas zwei Mal und helfen bei der zweiten
                              Schmelzung den Mängeln der ersten ab. Letzteres Verfahren ist aber an Orten, wo das
                              Brennmaterial theuer ist, wie in Stolberg (bei Aachen), nicht anzuwenden.
                           Große Anforderungen stellt das Spiegelglas, welches in dicken Schichten sehr farblos
                              und dabei leichtflüssig seyn muß. Hier kann rohes Glaubersalz nicht angewendet
                              werden. Von seinem Eisengehalt befreites ist jedoch sehr gut zu gebrauchen, wie das
                              Aachener Etablissement der Spiegelmanufactur St. Gobain in Stolberg beweist, welches
                              sein Glas ohne Zusatz von Soda herstellt.
                           In dieser Fabrik wird alles Glaubersalz von seinem Eisengehalt befreit, indem man
                              denselben nach dem Lösen des Salzes mit Kalk fällt, die klare Lösung wieder
                              abdampft, und das Product trocknet. Der dazu in Gebrauch befindliche Apparat ist
                              folgender. Auf einem Gerüst stehen zwei Reihen eiserner Kasten von 4–5 Linien
                              dickem Eisenblech; die eine, dicht an die Umfassungsmauer des Arbeitsraumes gesetzt,
                              zählt fünf Stück und ist um vier Fuß höher angebracht, als die andere, welche neun
                              Kasten zählt. Bis auf eine, die äußerste der letztgenannten Reihe, welche 6' lang,
                              3' breit und 3' hoch ist, haben alle 4 1/2' Länge, 4' Breite und 3' Höhe. Ueber die
                              Kasten laufen eine Wasser- und eine Dampfleitung.
                           Die Kasten werden mit warmem Wasser entsprechend gefüllt und alsdann überschüssiges
                              Glaubersalz hinzugebracht, was auf einem in die Kasten hineingehängten Siebe
                              geschieht, damit keine ungelösten Stücke zurückbleiben. Man setzt das Lösen fort,
                              bis die Flüssigkeit 32° Baumé zeigt, worauf dann das Sieb mit dem
                              übrigen Glaubersalz herausgenommen wird. Auf diese Weise werden in jedem Kasten ungefähr 800
                              Pfd. gelost.
                           Der Lösung werden nun unter fortwährendem Erhitzen pro
                              Kasten zwei Eimer Kalkbrei, entsprechend ungefähr 25 Pfd. gebranntem Kalk,
                              zugesetzt; die nöthige Menge beurtheilt man annähernd nach der Reaction auf
                              Lackmuspapier. Es wird nun noch einige Zeit in der heiß erhaltenen Lösung umgerührt
                              und dann läßt man absetzen. Nach beiläufig 4 Stunden ist die über dem gewöhnlich
                              etwa 5 Zoll hohen, schmutzig braunen Bodensatze befindliche Flüssigkeit vollkommen
                              klar, was man durch ein eingetauchtes Barometerrohr erkennt, dessen obere Oeffnung
                              man beim Herausnehmen mit dem Daumen verschließt. Zum Ablassen der Flüssigkeit
                              dienen Bleiheber, und ferner ist vor jeder Kastenreihe eine hölzerne und mit Blei
                              gefütterte Rinne angebracht, mittelst deren man von allen Kasten die Lösung nach
                              einem Ziele dirigiren kann.
                           Zum Raffiniren des rohen Glaubersalzes dienen gewöhnlich 6 Kasten; eben so viele sind
                              zur Verarbeitung des dabei fallenden Schlammes in Gebrauch, worauf überhaupt viele
                              Aufmerksamkeit verwendet wird. Von 3–5 Kasten wird derselbe vereinigt und
                              gewöhnlich 4mal hinter einander mit heißem Wasser ausgelaugt, bis dieses nach dem
                              Aräometer keinen Gehalt mehr zeigt. Die erhaltene Lauge dient zum Auflösen des rohen
                              Glaubersalzes.
                           Die Abdampfpfannen, deren Zahl drei beträgt, und wovon jede mit einer Vorwärmpfanne
                              versehen ist, sind etwa 8' lang, 5' breit und 1 1/2' hoch. Die Lösung erhält man
                              stets im Sieden; die erhaltenen Kryställchen werden auf die gewöhnliche Weise
                              ausgesoggt und abtropfen gelassen.
                           Da die ganze Arbeit in allen Stadien nur bei Tage geschieht, so wird jede
                              Pfannenbeschickung vollständig abgedampft. Die entstandenen Krusten werden
                              abgemeißelt; natürlich zieht man vorher das Feuer aus. Nur bei sehr starkem Betrieb
                              arbeitet man auch Nachts und an Sonn- und Feiertagen. Vortheilhafter wäre
                              jedenfalls ein ununterbrochener Betrieb mit weniger Apparaten.
                           Eine Abdampfpfanne liefert bei jedesmaligem Abdampfen etwa 1000 Pfd. Glaubersalz. Mit
                              einer solchen Operation hört die Schicht des betreffenden Arbeiters auf.
                           Die Abdampfpfannen halten ungefähr vier bis fünf Monate.
                           Trockenöfen sind zwei vorhanden, wovon aber nur stets einer in Betrieb ist. Es sind
                              Flammöfen mit einer Arbeitsöffnung. Der Ofen wird täglich 6mal beschickt und liefert
                              jedesmal 500 Pfd., so daß also ein Ofen für drei Abdampfpfannen gerade
                              ausreicht.
                           Der Verlust beim Raffiniren beträgt durchschnittlich 7 Proc.
                           
                           Angeblich soll die ganze Einrichtung auf Münsterbusch 2700 Thaler gekostet haben;
                              dabei waren jedoch die Balken des Gerüstes, die Kasten u.s.w. durchgängig alt.
                           Der Kohlenverbrauch ist in 12 Stunden:
                           für jede Abdampfpfanne 5 Scheffel
                            „   den
                              Calcinirofen       4
                                   „
                           An den Kasten sind 3 Mann und am Calcinirofen 1 Mann beschäftigt mit 20 Sgr.
                              Tagelohn, an jeder Abdampfpfanne einer mit 18 Sgr.
                           Bei einer neuen Einrichtung würde man unter Voraussetzung eines ununterbrochenen
                              Ganges eine Abdampfpfanne und 6 bis 8 Kasten weniger nöthig haben um dieselbe
                              Production zu erzielen, und würden sich die Anlagekosten etwa folgendermaßen
                              herausstellen:
                           
                              
                                 Halle
                                 Thlr.
                                 500
                                 
                              
                                 Balkengerüst
                                 „
                                 60
                                 
                              
                                 8 Kasten von je 1200 Pfd.
                                  „
                                 768
                                 
                              
                                 2 Abdampfpfannen mit 2 Vorwärmpfannen vonje 1400
                                    Pfd.
                                  „
                                 448
                                 
                              
                                 Oefen und Erdarbeit zu diesen Pfannen
                                  „
                                 400
                                 
                              
                                 2 Trockenöfen à Thlr.
                                    200
                                  „
                                 400
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Thlr.
                                 2576
                                 
                              
                           Die Betriebskosten und Rentabilität berechneten sich alsdann für 24 Stunden:
                           
                              
                                 Tagelohn: 4 Mann an den Kasten à 20 Sgr.4 an den Pfannen à 18 Sgr.2 an den Trockenöfen à 20 Sgr.
                                 
                                    
                                    
                                     6 Thlr.
                                 12 Sgr.
                                 – Pf.
                                 
                              
                                 Kohlen: 28 Scheffel à 5 1/2 Sgr.
                                     5   „
                                   4   „
                                 –  „
                                 
                              
                                 Zinsen des
                                    Anlagecapitals, 5 Proc.
                                     –   „
                                 10   „
                                 9  „
                                 
                              
                                 Amortisation der Anlage unter
                                    Zugrundelegung  einer 5monatlichen Dauer der Pfannen und
                                    einer  5jährigen der übrigen Apparate
                                     3  
                                    „
                                 27   „
                                 –  „
                                 
                              
                                 Aufsichts- und Verwaltungskosten
                                     1   „
                                 20   „
                                 –  „
                                 
                              
                                 Werkzeuge und Reparatur
                                     2   „
                                  –    „
                                 –  „
                                 
                              
                                 Dampfheizung
                                     1   „
                                  –    „
                                 –  „
                                 
                              
                                 100 Pfd. Kalk
                                     –   „
                                   4   „
                                 –  „
                                 
                              
                                 3225 Pfd. Glaubersalz à Thlr. 2 1/2 per 100
                                    Pfund
                                   80   „
                                 18   „
                                 9  „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 101 Thlr.
                                   6 Sgr.
                                 6 Pf.
                                 
                              
                           Daraus erhielte man 3000 Pfd. raffinirtes Glaubersalz, welche 2488 Pfd. calcinirter,
                              90procentiger Soda entsprechen, wie sie zur Glasfabrication meistens benutzt und wie
                              sie von der chemischen Fabrik Waldmeisterhütte hier zu 6 Thlr. per 100 Pfd. geliefert wird. Da hiernach die 2488 Pfd. Soda 149 Thlr. 8
                              Sgr. 5 Pf. kosten, so wäre dieß eine Ersparniß von täglich 48 Thlr. 1 Sgr. 11 Pf.
                              oder pro 100 Pfd. raffinirtes Glaubersalz 1 Thlr.Tlr. 18 Sgr. 1 Pf., wobei jedoch die Mehrkosten der Fabrication mittelst
                              Glaubersalz gegenüber der mittelst Soda (durch die Nothwendigkeit von
                              Reductionskohle und Arsenik), nicht in Rechnung gebracht sind.
                           Auf der Aachener Spiegelmanufactur wird auch rohes Glaubersalz benutzt, wie ich
                              glaube zu dem schlechteren Glase, das zu Fabrikfenstern dient, ungeschliffen bleibt
                              und nur durchscheinend ist, wegen seiner Dicke. Es wird seit dem 1. Juni 1859 mit
                              Glaubersalz gearbeitet; bis zum 31. December desselben Jahres wurden jedoch von
                              726,604 Pfd. Glaubersalz nur 66,949 Pfd. roh verbraucht. Beispielsweise wurden
                              raffinirt:
                           
                              
                                 1860.
                                 Januar
                                 130276 Pfd.
                                 
                              
                                 
                                 Februar          
                                 84907 Pfd.
                                 
                              
                                 
                                 März
                                 126296 Pfd.
                                 
                              
                           Man kann sich hieraus einen Begriff von der Menge des fabricirten Glases machen; das
                              Verhältniß der Glassatzmischung ist nämlich:
                           
                              
                                 Glaubersalz
                                 100,0
                                 
                              
                                 Stolberger Kalkstein
                                 100,0
                                 
                              
                                 Sand
                                 260,0
                                 
                              
                                 (gepulverte Holz-) Kohle
                                 6,5
                                 
                              
                                 arsenige Säure
                                 1,0
                                 
                              
                           Es sind meistens zwei Schmelzöfen im Gange mit je 12 Glashäfen.
                           Angeblich soll das rohe Glaubersalz auf Münsterbusch durchschnittlich 0,096 Proc.
                              Eisen enthalten und durch das Raffiniren seinen Gehalt bis auf 0,006 Proc.
                              verlieren. Ich fand in verschiedenen Proben zwischen 0,120 und 0,320 Proc.
                              Eisen.
                           Den Kalkstein untersuchte ich in zwei Qualitäten von verschiedenen Quellen. Er war
                              fast chemisch reiner kohlensaurer Kalk.
                           Der Sand wird von Herzogenrath bei Aachen bezogen, wo er bergmännisch gewonnen wird.
                              Er ist ganz eisenfrei.
                           Das Spiegelglas selbst ergab bei der Analyse:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 72,31 Proc.
                                 
                              
                                 Kalk
                                 14,96    „
                                 
                              
                                 Natron
                                 11,42    „
                                 
                              
                                 Thonerde
                                   0,81    „
                                 
                              
                           Nach obigem Satz berechnet, müßte das Glas zusammengesetzt seyn aus:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 72,29 Proc.
                                 
                              
                                 Kalk
                                 15,57    „
                                 
                              
                                 Natron
                                 12,14    „
                                 
                              
                           
                           Das Verhältniß des Sauerstoffes der Kieselsäure zu dem der Basen ist also nahezu wie
                              5 zu 1.
                           Bei dieser Gelegenheit führe ich noch an, daß mir vor mehreren Jahren von einem
                              hiesigen Glasfabrikanten eine Probe Glassatz übergeben wurde, woraus man in einer
                              mir nicht genannten Fabrik weißes Hohlglas darstellte. Ich fand darin:
                           
                              
                                 Sand
                                 59,62
                                 
                              
                                 Kalkstein
                                 12,83
                                 
                              
                                 schwefelsaures Natron
                                 23,92
                                 
                              
                                 Kohle
                                   1,72
                                 
                              
                           Die Stolberger Hohlglas-Fabrikanten sind aber viel zu ängstlich, Glaubersalz
                              zur Darstellung des weißen Glases zu benutzen. Allerdings sind Versuche angestellt
                              worden, wenn blindes Probiren Versuch genannt werden kann. Da nun schlechte
                              Resultate erhalten wurden, und man überhaupt auch gewöhnt war, Glaubersalz nur zu
                              ordinärem Flaschenglas u. dgl. zu benutzen (wobei übrigens sehr oberflächlich
                              verfahren wird, und z.B. die Kohlen nach Gutdünken schaufelweise und als
                              Fettkohlengries zugesetzt werden), so scheint man von der Anwendung des
                              Glaubersalzes zur Hohlglasfabrication ganz Abstand genommen zu haben.