| Titel: | Elektrolyse des flüssigen Roheisens; von August Winkler. | 
| Autor: | August Winkler | 
| Fundstelle: | Band 161, Jahrgang 1861, Nr. LXXXV., S. 305 | 
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                        LXXXV.
                        Elektrolyse des flüssigen Roheisens; von August
                              Winkler.
                        Winkler, über Elektrolyse des flüssigen Roheisens.
                        
                     
                        
                           Der in der Ueberschrift bezeichnete Versuch ist nicht ausgeführt worden; das
                              Experiment kann nur dann entscheidende Resultate geben, wenn es mit größeren Mengen
                              von flüssigem und mit Kohlenstoff gesättigtem Eisen, z.B. mit dem Eisen im Herde
                              eines Hoh- oder Cupolofens, und mit entsprechend starken elektrischen
                              Batterien ausgeführt werden kann. Der Grund nun, daß ich es dennoch wage die
                              nachfolgenden Zeilen der Oeffentlichkeit zu übergeben, obgleich dieselben keine
                              Beschreibung von ausgeführten Versuchen, sondern nur Speculationen über einen erst
                              zu unternehmenden Versuch enthalten, ist der, daß ich, wie bereit auch zur
                              Ausführung des Versuches, doch eines Hoh- oder Cupolofens ermangele, ohne
                              welches Hilfsmittel keine Aussicht auf ein entscheidendes Resultat ist. Da nun aber
                              dem Versuche positive Resultate durchaus nicht schon im Voraus abgesprochen werden
                              können, und da solche Resultate für Theorie und Praxis von hohem Interesse seyn
                              werden, so beabsichtige ich auf diese Frage aufmerksam zu machen, damit sie
                              vielleicht unter günstigen Verhältnissen eine Entscheidung erhalte.
                           Der Versuch kann nur dann positive Resultate geben, wenn das flüssige Roheisen
                              überhaupt Elektrolyse erleidet. Wie weit man dieß zu
                              erwarten berechtigt ist, soll im Folgenden gezeigt werden. Erfahrungsgemäß erleiden alle diejenigen
                              Körper Elektrolyse, deren Molecüle aus die Elektricität wenigstens zum Theil nicht leitenden Elementen zusammengesetzt sind. Es sind
                              Elektrolyten alle Verbindungen von Metallen mit Metalloiden; einige davon, welche im
                              flüssigen Zustande Nichtleiter sind, werden im gasförmigen Zustande zerlegt; ebenso
                              verhalten sich alle nur aus Metalloiden bestehenden nichtleitenden Körper. Dagegen
                              werden nicht durch den Strom zerlegt: alle Verbindungen der Metalle unter sich, die
                              Legirungen. Dieser allgemeinen Erfahrung gemäß kann man also Elektrolyse des
                              flüssigen Roheisens erwarten, wenn der mit dem Eisen chemisch verbundene Kohlenstoff
                              sich als Nichtleiter der Elektricität, gleich Schwefel, Chlor, überhaupt gleich den
                              ähnlichen Metalloiden verhält. Dieß vorherzusagen, ist aber gerade beim Kohlenstoff
                              unmöglich, weil er bekanntlich in Bezug auf elektrische Leitungsfähigkeit im freien
                              Zustande ein zweifaches Verhalten zeigt; als gewöhnliche Kohle und Graphit ist er
                              ein guter Leiter, als Diamant ein Nichtleiter. Der mit dem Eisen chemisch verbundene
                              Kohlenstoff braucht aber keiner dieser Modificationen anzugehören, und kann demnach
                              das flüssige Roheisen ebensowohl gleich einer Legirung ohne, als gleich einer Metalloidverbindung vermittelst Elektrolyse leiten. Wollte man hiergegen einwenden, daß ja
                              gerade aus dem Roheisen sich Graphit ausscheidet, und daß daher auch der mit dem
                              Eisen verbundene Kohlenstoff in dieser Modification vorhanden seyn wird, so ist
                              dieser Einwand deßwegen unzulässig, weil keineswegs ausgemacht ist, daß sich der
                              Kohlenstoff aus dem Eisen als Graphit ausscheidet, indem der freie Kohlenstoff bei
                              der Temperatur des flüssigen Eisens sich stets in Graphit umwandelt. Das variable
                              Leitungsvermögen des Kohlenstoffs kann nicht eine Function der unveränderlichen
                              Atome, sondern nur eine Function der aus gleichen Atomen zusammengesetzten
                              verschiedenen Molecüle des Kohlenstoffs seyn. In chemische Verbindung mit dem Eisen
                              treten aber nicht die Molecüle, sondern die Atome des Kohlenstoffs, und für das
                              neugebildete Molecül CFe⁴ bleibt es durchaus unbestimmt, ob es die Fähigkeit
                              besitzt die elektrische Kraft gleich einem Elektrolyten in chemische Zersetzung,
                              oder gleich einem Leiter in Wärme und Licht umzuwandeln.
                           Von besonderer Wichtigkeit für die Aussichten des Experiments ist die Entdeckung des
                              Hrn. Professor Buff, daß auch solche Körper, die im
                              festen Zustande den Strom ziemlich gut leiten, doch im flüssigen Zustande von
                              demselben gleich einem beliebigen andern Elektrolyten zerlegt werden. Die Körper,
                              welche Hr. Buff untersucht hat, sind: Chlorblei,
                              Kupferchlorür, und einige andere. Alle von Hrn. Buff
                              untersuchten Körper leiten um so besser, je höher ihre Temperatur ist, und
                              geschmolzen besser als
                              im festen Zustande. Wie sich die Leitungsfähigkeit des Roheisens mit der Temperatur
                              ändert, besonders wenn die Temperatur bis zum Schmelzpunkt des Kohlenstoffeisens
                              steigt, ist nicht bekannt.
                           Ich komme jetzt auf den Punkt, dessen technische Wichtigkeit mich hauptsächlich zu
                              dieser Mittheilung bewogen hat. Das Roheisen ist gewöhnlich kein reines
                              Kohlenstoffeisen, sondern enthält neben Kohlenstoff hauptsächlich noch Silicium,
                              Schwefel, Phosphor und vielleicht Stickstoff. Von den drei ersten dieser Metalloide
                              ist anzunehmen, daß sie einen Theil des Kohlenstoffes ersetzen, vom Stickstoff, daß
                              er zugleich mit Kohlenstoff und Eisen verbunden ist. Der Strom wird demnach neben
                              Kohlenstoff auch Silicium, Phosphor und Schwefel ausscheiden, in dem der
                              elektrolytischen Leitungsfähigkeit und quantitativen Menge des Schwefel-,
                              Phosphor- und Siliciumeisens entsprechenden Maaße. Die
                                 Elektrolyse des Roheisens im Herde eines Hohofens kann daher möglicherweise eine
                                 brauchbare Reinigungsmethode des Roheisens von den für die Stahlfabrication so
                                 schädlichen Beimengungen des Schwefels und Phosphors werden. Als positive
                              Elektrode hätte man ein reines Eisen- oder Manganerz anzuwenden, durch
                              welches Phosphor und Silicium oxydirt und als Schlacke abgeschieden werden, während
                              Schwefel und Kohle als schweflige Säure und Kohlenoxyd entweichen; als negative
                              Elektrode gereinigte Kohle, durch welche das Eisen immer auf Kohlenstoff gesättigt
                              erhalten wird. Wenn man den sich ausscheidenden Kohlenstoff und Silicium nicht
                              oxydiren will, so wird man selbstverständlich auch die positive Elektrode von Kohle
                              machen.
                           Berlin, den 14. August 1861.