| Titel: | Ueber die durch das Ausblasen des salzhaltigen Wassers aus Marinekesseln verursachten Wärmeverluste; von Otto Dingler, Marine-Ingenieur. | 
| Autor: | Otto Dingler | 
| Fundstelle: | Band 161, Jahrgang 1861, Nr. XC., S. 326 | 
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                        XC.
                        Ueber die durch das Ausblasen des salzhaltigen
                           Wassers aus Marinekesseln verursachten Wärmeverluste; von Otto Dingler, Marine-Ingenieur.
                        Dingler, über die durch das Ausblasen des salzhaltigen Wassers aus
                           Marinekesseln verursachten Wärmeverluste.
                        
                     
                        
                           Im zweiten Junihefte des polytechn. Journals (Bd. CLX S. 421) befindet sich eine
                              Abhandlung von Th. Davison über
                              Oberflächen-Condensation, aus den Transactions of the
                                 Institution of Engineers of Scotland. Der Verfasser dieser Abhandlung kommt
                              hiebei natürlich auf die Nachtheile der Anwendung des Seewassers als Speisewasser zu
                              sprechen und entwirft die durch das Ausblasen des mit einem höheren Salzgehalte
                              beladenen Kesselwassers entstehenden Wärmeverluste einer Berechnung. Diese Rechnung ist aber
                              einestheils auf die irrige Voraussetzung gegründet, daß das Wasser im Kessel nie
                              mehr als den doppelten Salzgehalt des Seewassers haben dürfe; anderntheils sind in
                              der Rechnung selbst sowohl die Temperatur des Kochpunktes als auch die specifische
                              Wärme des Salzwassers vernachlässigt, und demnach ist das gefundene Resultat
                              unrichtig. Letzterer Punkt, nämlich die specifische Wärme der verschiedenen
                              Salzlösungen, ist übrigens in allen mir bekannten Werken über die Führung von
                              Marinemaschinen außer Acht gelassen, ausgenommen in dem Catéchisme des Admirals Paris, woselbst
                              er aber (Seite 316 der 2ten Auflage) auch nur einseitig und unrichtig in Rechnung
                              gebracht wird. Es dürfte jedoch nicht uninteressant seyn, die in Frage stehenden
                              Wärmeverluste durch Hinzuziehung aller Elemente einer möglichst genauen Berechnung
                              zu unterwerfen.
                           Der Salzgehalt offener Meere schwankt bekanntlich etwa zwischen 3,1 und 3,8 Proc.; im
                              rothen Meere beträgt er 4,3 Proc., im Mittelmeere 3,8 Proc., im Canale 3,5 Proc., im
                              nördlichen Eismeere 2,85 Proc., im schwarzen Meere 2,1 Proc. und in der Ostsee 0,66
                              Proc. Auf dem verhältnißmäßig weniger salzhaltigen nördlichen Theile des
                              atlantischen Oceans, welchen der Verfasser genannter Abhandlung speciell erwähnt,
                              läßt sich annehmen, daß auf 100 Theile reinen Wassers 1/32 dieses Gewichtes oder
                              3,125 Theile Salz kommen. Vollständig gesättigt ist die Lösung bei einem Gehalte von
                              12/32 oder 37,500 Theilen Salz auf 100 Theile Wasser. Die Temperaturen der
                              Siedepunkte bei atmosphärischem Drucke sind, wie bekannt, genau bestimmt für alle
                              Lösungen von 1/32, 2/32 ... bis 12/32 Salzgehalt.
                           Ueber die specifische Wärme dieser verschiedenen Lösungen bestehen jedoch keine
                              Bestimmungen, ausgenommen daß sie nach Rudberg
                              Poggendorff's Annalen Bd. XXXV S. 474. für die concentrirte Lösung 0,85 beträgt. Man wird jedoch sicherlich der
                              Wahrheit sehr nahe kommen durch die Annahme, daß die specifische Wärme im genauen
                              Verhältnisse zum Salzgehalte stehe, und kann dieselbe demnach für alle Lösungen
                              zwischen 0 und 12/32 Salzgehalt durch einfache Interpolation zwischen 1 und 0,85
                              bestimmen. Diese Bestimmungen sind in folgender Tabelle enthalten:
                           
                           
                              
                                 Salzgehalt in 100 Theilen Wasser.
                                 Temperatur desSiedepunktes d. Lösungbei
                                    atmosphär. Drucke.
                                 Specifische Wärmeder Lösung.
                                 
                              
                                     0    reines
                                    Wasser
                                  100° Celsius
                                 1,0000
                                 
                              
                                   1/32 oder   3,125 Thle. Salz
                                    (Seewasser)
                                               100,7
                                 0,9875
                                 
                              
                                   2/32    „    
                                    6,250        „
                                               101,3
                                 0,9750
                                 
                              
                                   3/32    „    
                                    9,375        „
                                               102,0
                                 0,9625
                                 
                              
                                   4/32    „  
                                    12,500        „
                                               102,6
                                 0,9500
                                 
                              
                                   5/32    „  
                                    15,625        „
                                               103,3
                                 0,9375
                                 
                              
                                   6/32    „  
                                    18,750        „
                                               104,0
                                 0,9250
                                 
                              
                                   7/32    „  
                                    21,875        „
                                               104,6
                                 0,9125
                                 
                              
                                   8/32    „  
                                    25,000        „
                                               105,2
                                 0,9000
                                 
                              
                                   9/32    „  
                                    28,125        „
                                               105,8
                                 0,8875
                                 
                              
                                 10/32    „  
                                    31,250        „
                                               106,5
                                 0,8750
                                 
                              
                                 11/32    „  
                                    34,375        „
                                               107,2
                                 0,8625
                                 
                              
                                 12/32    „  
                                    37,500        „  (concentr.
                                    Lös.)
                                               108
                                 0,8500
                                 
                              
                           Mit Zugrundelegung dieser Ziffern und unter der Voraussetzung, daß der Salzgehalt des
                              Kesselwassers der doppelte des Seewassers sey, läßt sich nun der durch das Ausblasen
                              der Hälfte des Speisewassers entstehende Wärmeverlust für eine Dampfspannung von 20
                              Pfund oder 2,40 Atmosphären folgendermaßen berechnen:
                           Zur Erzeugung von 1 Pfund Dampf sind 1 + 2/32 = 1,0625 Pfd. Kesselwasser nöthig und
                              auch dieselbe Quantität muß ausgeblasen werden. Reines Wasser siedet unter einem
                              Drucke von 2,40 Atmosphären bei 127º und folglich Salzwasser mit 2/32
                              Salzgehalt bei 128,3º. Da ferner die specifische Wärme dieser Lösung 0,9750
                              beträgt, so braucht man, um 1,0625 Pfd. derselben von 0º auf 128,3º zu
                              erheben,
                           1,0625 × 128,3 × 0,9750 = 132,90 W. E., oder
                              132,90 – 127 = 5,90 Wärmeeinheiten mehr, als nöthig sind um 1 Pfd. reines
                              Wasser bei 2,40 Atmosphären Druck zum Sieden zu bringen. Es sind folglich auch zur
                              Bildung von einem Pfunde Dampf 650 + 5,9 = 655,9 Wärmeeinheiten nöthig. Da aber die
                              Temperatur des Speisewassers 44º beträgt bei einem Salzgehalte von 1/32, so
                              sind hierin 1,03125 × 44 × 0,9875 = 44,80 W. E. enthalten, und es
                              ergibt sich demnach endlich die im Dampfe enthaltene Wärmemenge = 655,90 –
                              44,80 = 611,10 W. E. und die verlorene Wärmemenge im ausgeblasenen Wasser = 132,90
                              – 44,80 = 88,10 W. E. Der Wärmeverlust beträgt also 88,10/611,10 = 14,40
                              Proc., oder noch 0,70 Proc. mehr als in jener Abhandlung angegeben.
                           Die Voraussetzung jedoch, auf welcher diese Berechnung beruht, daß nämlich das
                              Kesselwasser nicht mehr als den doppelten Salzgehalt des Seewassers haben dürfe, ist
                              unrichtig, und wenn auch leider in der That der Wärmeverlust oft bis auf 13 und 14
                              Proc. steigen mag, so geschieht dieß lediglich dadurch, daß das Ausblasen nicht nach
                              rationeller, auf den Angaben des Salinometers beruhender Methode, sondern nur
                              „by rule of thumb“
                              vorgenommen wird, nach einem am Clyde gebräuchlichen Ausdrucke. Der Salzgehalt des
                              Kesselwassers kann bei guter Führung des Kessels stets auf der Höhe von 3/32 und
                              selbst 4/32 erhalten werden, ohne daß man gefährliche Niederschläge zu fürchten bat;
                              bei schwer zu reinigenden Röhrenkesseln muß man natürlich vorsichtiger seyn, als bei
                              Kesseln mit rechteckigen Zugcanälen oder bei Lamb und Summer's Kesseln mit flachen, senkrechten Heizzügen.
                           Um einen Sättigungsgrad von 3/32 zu unterhalten, muß 1/3 und bei einem
                              Sättigungsgrade von 4/32 natürlich 1/4 des Speisewassers beständig ausgeblasen
                              werden, und die Wärmeverluste lassen sich für diese Fälle ganz wie oben berechnen.
                              Folgende für die Kesselspannungen von 2 u. 3 Atmosphären berechnete Tabelle gibt
                              eine genaue Anschauung der Verluste bei den verschiedenen Sättigungsgraden. Der
                              Druck von 3 Atmosphären ist der höchste, in Marinekesseln welche mit Seewasser
                              gespeist werden, noch mit Sicherheit anwendbare.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 161, S. 330
                              Spannung im Kessel; Atmosphären;
                                 Salzmenge auf 100 Thle. Wasser; Specifische Wärme; Anzahl der Theile des
                                 verdampften; ausgeblasenen Wassers; Temperatur des Siedepunktes im Kessel;
                                 Wärmemengen zur Dampfbildung; zur Erhitzung des ausgeblasenen Wassers;
                                 Verlust
                              
                           
                           Man ersieht hieraus, daß mit der Zunahme des Salzgehaltes im Kessel die durch das
                              Ausblasen entstehenden Wärmeverluste sehr rasch abnehmen.
                           In den westindischen Gewässern enthält das Meerwasser 3,8 Proc. Salz, oder es kommen
                              auf 100 Theile reinen Wassers 3,95 Theile Salz. Will man daselbst das Kesselwasser
                              auf einem Sättigungsgrade von 2/32 erhalten, so müssen auf je 6,250 – 3,950 =
                              2,300 Theile verdampften Wassers 3,950 Theile abgeblasen werden, welche erstere
                              1405,05 und letztere 347,16 Wärmeeinheiten enthalten bei einem Drucke von 2,40
                              Atmosphären. Der Verlust beträgt also 24,13 Proc. Im rothen Meere, welches auf 100
                              Theile Wasser 4,5 Theile Salz enthält, würde er unter gleichen Verhältnissen 36,90
                              Proc. betragen. Da aber der Salzgehalt im Kessel stets höher gehalten werden kann
                              und in Wirklichkeit auch höher gehalten wird als 3/32, so reduciren sich auch die
                              Wärmeverluste in ähnlichem Verhältnisse, wie es obige Tabelle zeigt.
                           Für die westindischen Gewässer z.B., denen das Mittelmeer an Salzgehalt gleich steht,
                              beträgt nämlich bei einer Kesselspannung von 2 Atmosphären für einen Sättigungsgrad
                              von 3/32 der Verlust 10,8 Proc. und bei einem Sättigungsgrade von 4/32 reducirt er
                              sich auf 6,5 Proc. Für eine Spannung von 3 Atmosphären betragen die Verluste
                              respective 11,7 und 7,6 Proc.
                           Bei diesen Berechnungen ist natürlich vorausgesetzt, daß das Ausblasen continuirlich
                              geschehe. Bei bloß zeitweiligem, in bestimmten Zwischenräumen wiederholtem Ausblasen
                              steigt während einer jeden Periode der Salzgehalt des Kesselwassers von dem
                              angenommenen Minimum bis zum Maximum, weßhalb für das verdampfte Wasser bloß ein
                              mittlerer Sättigungsgrad anzunehmen wäre, während das ausgeblasene sich stets im
                              höchsten befindet, und es ergeben sich deßhalb hierbei geringere Wärmeverluste. Für
                              die einer sehr vorsichtigen Führung bedürftigen Röhrenkessel ist jedoch das
                              continuirliche Ausblasen die bei weitem sicherere Methode, da die gute Erhaltung der
                              Kessel jedenfalls die erste Bedingung ist.
                           In bin jedoch weit entfernt durch den Nachweis, daß der Verfasser genannter
                              Abhandlung die durch das Ausblasen entstehenden Wärmeverluste überschätzt, den Werth
                              der Oberflächen-Condensatoren schmälern zu wollen, sondern hoffe ernstlich,
                              daß durch die allgemeine, erfolgreiche Anwendung derselben alles was wir jetzt über
                              die Speisung der Marinekessel mit Seewasser wissen, für das Studium der
                              Dampfschifffahrt bald nur noch von historischem Interesse seyn werde.
                           Wien, 16. August 1861.