| Titel: | Ueber den Farbstoff des Sanddornes; von Dr. P. Bolley. | 
| Fundstelle: | Band 162, Jahrgang 1861, Nr. XLVIII., S. 144 | 
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                        XLVIII.
                        Ueber den Farbstoff des Sanddornes; von Dr.
                           P. Bolley.
                        Aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift, 1861,
                              Bd. VI S. 93.
                        Bolley, über den Farbstoff des Sanddornes.
                        
                     
                        
                           Ich wurde von meinem Collegen, Hrn. Prof. O. Heer, auf den
                              Farbenreichtum der Beeren des in der Schweiz, namentlich an den sandigen und
                              kiesigen Ufern der Gebirgswasser, häufig vorkommenden Sanddornes (Hypophaea rhamnoides) aufmerksam gemacht; durch die Güte
                              des Directors der Linthcolonie, Hrn. Tschudi, erhielt ich
                              eine zur genaueren Untersuchung ausreichende Menge der Beeren.
                           Es wurden 20 Pfund der frischen Beeren ausgepreßt. Der abfließende Saft war trüb
                              orangefarben und sehr sauer. Der Preßrückstand wurde mehrere Male mit heißem Wasser
                              ausgekocht und die Flüssigkeiten mit dem anfangs abgelaufenen Safte vereinigt. Nach
                              einiger Zeit schied sich in der erkalteten Masse ein orangegelber Niederschlag a aus. Die von demselben durch Filtration getrennte
                              Flüssigkeit b wurde mit Bleizuckerlösung versetzt. Der
                              entstandene weißliche, flockig-molkige Niederschlag wurde gesammelt, ausgewaschen,
                              in Wasser vertheilt, durch eingeleitetes Schwefelwasserstoffgas zersetzt, mit dem
                              entstandenen Schwefelblei zum Kochen erhitzt, von diesem abfiltrirt und zur
                              Syrupconsistenz eingedampft. Die erhaltene dickliche Masse bestand zum kleineren
                              Theil aus Kleesäure, zum größeren aus Aepfelsäure. Die Beeren scheinen sehr reich an
                              letzterer zu seyn. Der Niederschlag a, welcher sich von
                              selbst abgesetzt hatte, wurde getrocknet, und mit Aetheralkohol behandelt. Die
                              Lösung war stark orangebraun gefärbt; es wurde der Aetheralkohol abdestillirt; der
                              Rückstand, längere Zeit auf dem Dampfbade erhalten, blieb immer syrupartig. Er wurde
                              in Aetheralkohol gelöst und mit Thierkohle digerirt. Nach dem Filtriren wurde eine
                              nur blaßgelbliche Flüssigkeit erhalten, die eine strohgelbe ölartig fließende fette
                              Substanz zurückließ. Beim Stehen in einer Temperatur von etwa 2° –
                              5° C. schieden sich kleine Körnchen von fettiger Beschaffenheit aus.
                           In einem Reagircylinder erhitzt, entwickelte sich aus einer kleinen Menge dieses
                              Oeles ein deutlicher Acroleingeruch; das Oel war mit Natronlauge leicht zu verseifen.
                              Es wurde die Untersuchung dieser fettigen Substanz nicht weiter verfolgt. Sie hat
                              für die Abscheidung des Farbestoffs, der der Zweck der Untersuchung war, nur das
                              Interesse, daß die Erfahrung gemacht wurde, daß sie schwer gänzlich von dem
                              Farbstoff zu trennen ist. Deßhalb wurde die Abscheidung des Pigmentes aus der
                              Thierkohle aufgegeben, und dasselbe in Auszügen aufgesucht, die nicht so viel Fett
                              enthalten konnten.
                           Bei Wiedervornahme der Untersuchung würde ich – was ich, weil der Vorrath
                              aufgebraucht war, nicht constatiren kann – fürs Beste halten: nicht zu
                              pressen, damit die Samen nicht zerdrückt werden, sondern zuerst die Beeren mit
                              heißem Wasser auszukochen, um die Säure zu entfernen, den Rückstand gut zu trocknen
                              und mit Alkohol zu behandeln. Auf eine Eigenthümlichkeit dieses Fettes wurde ich
                              aufmerksam: die damit imprägnirten gelben Filterpapiere zeigten einen dem Palmöl
                              sehr ähnlichen veilchenartigen Geruch, und wie beim Palmöl wirkte das Licht
                              bleichend ein.
                           Der Preßrückstand enthielt noch die sehr farbstoffreichen Hülsen der Beeren. Er wurde
                              auf dem Dampfbade gut getrocknet dann mit heißem Alkohol ausgezogen und die Lösung
                              heiß filtrirt. Auch dieses Extract c setzte nach dem
                              Erkalten ein bräunlichgelbes Pulver d ab. Es zeigte
                              sich, daß dieser Niederschlag ebenfalls nicht unbeträchtlich fette Materie, außerdem
                              schleimige Substanzen enthielt. Der Farbstoff konnte daraus zwar rein, jedoch nur in
                              geringer Menge ausgeschieden werden. Die Hauptmasse des Farbstoffs aber war in der
                              alkoholischen Lösung (c) enthalten.
                           Diese alkoholische Lösung wurde mit Bleiessig versetzt; der Niederschlag wurde
                              gesammelt, ausgewaschen, in Wasser vertheilt mit Schwefelwasserstoff zerlegt, und
                              das Ganze erhitzt, und nach dem Wiedererkalten filtrirt. Der
                              Schwefelbleiniederschlag wurde mit Wasser ausgewaschen und getrocknet. Aus diesem
                              Niederschlag wurde der Farbstoff mit heißem Alkohol ausgezogen, und die Lösung zur
                              Trockne gebracht.
                           Der Rückstand war braunroth, spröde, und zeigte sonach wenig Spuren des Fettes.
                              Derselbe wurde mit absolutem Aether digerirt; der Aether färbte sich wenig, und nahm
                              überhaupt wenig daraus auf. In möglichst wenig Alkohol gelöst und zum Verdunsten
                              unter die Glocke der Luftpumpe gestellt, schieden sich zuerst schwefelgelbe Häutchen
                              aus, die gesammelt wurden, weil man beobachtete, daß die spätere Ausscheidungen
                              trüber, bräunlicher waren, und daß die Flüssigkeit eine flockige Masse ausschied.
                              Die ersten reinen gelben Ausscheidungen wurden in absolutem Alkohol gelöst. Die
                              Lösung wurde in zwei Hälften getheilt. Die eine derselben wurde mit Wasser versetzt
                              und der gelbliche voluminöse Niederschlag gesammelt. Die andere wurde zum Verdunsten
                              unter den Luftpumperecipienten gestellt und die ausgeschiedenen gelblichen Häute
                              beseitigt. In dem Niederschlag, der durch Wasserzusatz entstand, waren kleine
                              verworrene Krystallnadeln zu erkennen; die beim Verdunsten des Alkohols
                              ausgeschiedenen Häute zeigten besser ausgebildete Kryställchen.
                           Beide gelbe Ausscheidungen lieferten in alkoholischer Lösung mit Bleizuckerlösung
                              einen fast orangefarbenen Niederschlag. Sie wurden längere Zeit bei
                              100–110° C. getrocknet und der Elementaranalyse unterworfen. Es gab
                              der mit Wasser erzeugte Niederschlag I. folgende Resultate:
                           
                              
                                 a)
                                 0,2109
                                 Substanz
                                 0,4663
                                 Kohlensäure
                                 und
                                 0,070
                                 Wasser
                                 
                              
                                 b)
                                 0,3462
                                 „
                                 0,7602
                                 „
                                 „
                                 0,116
                                 „
                                 
                              
                           Der auskrystallisirte Theil II. folgende:
                           0,2915 Substanz 0,652 Kohlensäure und 0,092 Wasser.
                           Daraus berechnet sich:
                           
                              
                                  I.
                                 a)
                                 C = 60,246
                                 H = 3,651
                                 
                              
                                 
                                 b)
                                 C = 59,88
                                 H = 3,688
                                 
                              
                                 II.
                                 
                                 C = 60,99
                                 H = 3,464
                                 
                              
                           Die von Rigaud für das Quercetin angenommene Formel
                              C₂₄ H₉ O₁₁ verlangt:
                           C = 59,75 und H = 3,73
                           Es ist nicht der geringste Zweifel, daß der Farbstoff der
                                 Sanddornbeeren mit Quercetin identisch ist. Die Zusammensetzung, Krystallform,
                                 Löslichkeitsverhältnisse und Reactionen, bezeugen das übereinstimmend.
                           Ich bin während dieser Untersuchung nirgends auf die Spur des Quercitrin gestoßen. Das Vorkommen fertigen Quercitrins im Pflanzenreich
                              wäre hiemit im zweiten Falle constatirt. Es kann dieß in einem Pflanzentheil, in dem
                              so viel Säure angehäuft ist, weniger überraschen.
                           Ob die Sanddornbeeren ähnlich den Kreuzbeeren (jedenfalls nur nach Abstumpfung der
                              freien Säure) zu Zwecken der Färberei oder des Zeugdrucks tauglich seyn werden, muß
                              späteren Versuchen überlassen bleiben, zu solchen reichte mein Material nicht
                              aus.