| Titel: | Neue Erfahrungen über die Gefahren, welche durch gewisse Speisungswasser für Dampfkessel entstehen; von Dr. P. Bolley. | 
| Fundstelle: | Band 162, Jahrgang 1861, Nr. LIV., S. 164 | 
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                        LIV.
                        Neue Erfahrungen über die Gefahren, welche durch
                           gewisse Speisungswasser für Dampfkessel entstehen; von Dr. P. Bolley.Vom Verfasser aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift
                                 mitgetheilt.A. d. Red.
                           
                        Bolley, über die Gefahren, welche durch gewisse Speisungswasser für
                           Dampfkessel entstehen.
                        
                     
                        
                           Es hat sich wie eine Art Dogma in der chemisch-technischen Literatur die Meinung
                              festgesetzt, daß Wasser, welche neben kohlensaurem Kalk und Bittererde nicht auch
                              schwefelsaure Kalkerde als Abdampfungsrückstand abscheiden, die für
                              Dampfkesselspeisung geeigneteren seyen, weil auch geringere Mengen von Gyps dem
                              Rückstand die Eigenschaft einer steinartigen Cohärenz geben, während die kohlensaure
                              Kalk- und Bittererde sich als zarter Schlamm abscheiden. Daß aus dem sich an die
                              innere Kesselfläche ansetzenden „Kesselstein“ viele Uebelstände
                              erwachsen, ist bekannt, während man bei pulveriger Vertheilung der
                              Abdampfungsrückstände keine lästigen Folgen beobachtete. Auch laufen einige der angegebenen
                              Mittel zur Abhülfe nur darauf hinaus, die schwefelsaure Kalkerde in kohlensaure zu
                              verwandeln, d.h. anstatt des Steines eine schlammige Abscheidung zu erzeugen. Der
                              Zusatz von Soda zu den Speisungswassern hat keinen andern Sinn.
                           In Folge der veränderten Holz- und Steinkohlenpreise ist die Steinkohlenfeuerung für
                              Dampfkessel in der Schweiz seit einiger Zeit erst mehr in Aufnahme gekommen. Seitdem
                              dieß der Fall ist, wurden mehrere sehr unangenehme Störungen in den Functionen der
                              Dampfkessel beobachtet, von welchen man vorher nichts wußte. Aeltere und ganz neue
                              Kessel mit nach innen gelegtem Heizraum (Cornwall oder Fairbairn-Construction)
                              wurden an der Decke des Heizgewölbes nahe bei der Verbrennungsstelle der Kohlen rothglühend, während der Wasserstandszeiger das Niveau
                              mehrere Zolle über dem Heizgewölbe angab.
                           Die Kesselbleche verzogen sich, mußten herausgenommen und mit neuen ersetzt werden,
                              ohne daß damit abgeholfen werden konnte.
                           Der erste dieser Fälle, in welchem ich, wie im zweiten, von dem bekannten
                              Maschinenetablissement Escher-Wyß und Comp. zu Rache gezogen wurde, kam im
                              Canton Zürich vor. Das zur Speisung gebrauchte Nasser ist das des Jonabaches, am
                              Südabhang des Bachtel genommen. Es war solches von verschiedenen Stellen des Baches
                              geschöpft mir zur Untersuchung gegeben worden. Es enthielt
                           die Probe a im Liter 0,272 Grm.
                              festen Rückstand, darin 0,2226 kohlensauren Kalk;
                           die Probe b im Liter 0,2324 Grm.
                              festen Rückstand;
                           die Probe c im Liter 0,2426 Grm.
                              festen Rückstand, darin 0,2010 kohlensauren Kalk.
                           Organische Substanz war sehr wenig darin enthalten, es fehlten schwefelsaure Salze gänzlich, Kieselsäure,
                              Thonerde-, Bittererde- und alkalische Salze waren im Verhältniß zum kohlensauren
                              Kalk schwach vertreten. Das Wasser charakterisirte sich als ein reines aber ziemlich
                              hartes Wasser, dessen Härte sogenannte „temporäre“ Härte
                              ist.
                           Es war die Vermuthung ausgesprochen worden, der Uebelstand komme vielleicht daher,
                              daß eine oberhalb der Stelle, an welcher das Speisungswasser gefaßt wird, gelegene
                              Bleiche ihre Abwasser in den Bach laufen läßt. Es wurde eine Flasche der gebrauchten
                              Bleichflüssigkeit zur Untersuchung mit übergeben. Dieselbe enthielt Aetzkalk,
                              Chlorcalcium und wenig unzersetzten Chlorkalk in Lösung. Beim Mischen derselben mit
                              dem Bachwasser erfolgte starke milchige Trübung. Alles das ging nicht außer den
                              Grenzen des Erwarteten. In der Flasche aber war ferner obenauf eine Schichte fettiger Substanz enthalten, die nach dem Waschen mit Wasser, Lösen in Aether
                              und Wiederverdunsten des letztern ein dickliches Oel
                              zurückließ. Wie diese verhältnißmäßig große Menge fettiger Substanz in die
                              Bleichflüssigkeit kam, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.
                           In dem Kessel hatte sich eine große Menge weißgrauen Pulvers abgesetzt. Dasselbe
                              bestand im Wesentlichen aus kohlensaurem Kalk. Es waren aber bei sorgfältigem
                              Nachsuchen einige mechanische Beimengungen darin zu entdecken, nämlich schwarze
                              schuppige Theilchen, die aus Eisen, Eisenoxyd und anhängender organischer Materie,
                              die sich beim Erhitzen zu erkennen gab, bestanden, und rothe Körnchen, die sich als
                              Reste eines Mennige-Kittes
                              herausstellten. Das aus dem Wasser abgeschiedene Pulver hatte eine weitere
                              Eigenthümlichkeit: auf Wasser geworfen, schwamm es oben auf, es benetzte sich nicht, auch bei längerem Kochen blieb es an seiner Stelle
                              und trocken.
                           Ein Theil desselben wurde auf dem Wasserbade gut getrocknet, dann mit Aether
                              behandelt. Derselbe zog eine geringere Menge fettiger
                                 Substanz aus.
                           Es war hiemit mir klar geworden, was die Ursache der Erscheinung war. Die pulverige
                              Ausscheidung im Kessel bedeckte unmittelbar den Heizcanal, so daß dieser nicht mit
                              Wasser in Berührung war. Die Menge des Pulvers im Kessel war sehr groß, so daß wohl
                              mehrere Zolle hoch von demselben darin angehäuft seyn mußten.
                           Die fettige Substanz, die in das Wasser gekommen war,
                              reichte hin, die Theilchen des sich ausscheidenden kohlensauren Kalkes mit einer unbenetzbaren Schichte zu umgeben, und vermöge dieses
                              Mangels an Adhäsion denselben auf der Flüssigkeitsoberfläche zu erhalten. Das mit
                              Aether behandelte und wieder getrocknete Pulver sank leicht unter in Wasser, und das
                              frische war in Weingeist leicht benetzbar.
                           Es war in diesem Falle unentschieden geblieben, woher die fette Substanz kam.
                           Kurze Zeit nach dieser Untersuchung wurde mir ein zweiter Fall ganz ähnlicher Art
                              mitgetheilt. Derselbe ereignete sich an einem Kessel im Canton Thurgau. Ich
                              untersuchte das Speisungswasser. Der feste Rückstand desselben betrug im Liter und
                              im Mittel von zwei Versuchen 0,2417 Grm. worin sich 0,045 organische Substanz
                              befand, die Spuren von Stickstoff enthielt. Der Rückstand von 4–5 Liter des
                              Wassers wurde mit verdünnter Schwefelsäure in geringem Ueberschuß versetzt und der
                              Destillation unterworfen; es zeigte sich im Destillat sehr deutlicher Geruch nach
                              Buttersäure.
                           
                           Auch in diesem Kessel fand sich eine beträchtliche Menge weißlicher pulveriger
                              Substanz, die, so viel ich erkennen konnte, ohne jede mechanische Beimengung war.
                              Auch dieses Pulver war unbenetzbar in Wasser.
                           Ich kochte etwa 1/2 Pfd. desselben mit destillirtem Wasser, dem ich allmählich etwas
                              Lösung von kohlensaurem Natron zusetzte. Dadurch wurde das Pulver allmählich an den
                              Boden der Flüssigkeit geführt und eine alkalische Lösung erhalten, die die fettige
                              Substanz aufgenommen haben mußte. Nach dem Abfiltriren und starken Concentriren der
                              alkalischen Lösung wurde sie mit wenig Chlorwasserstoffsäure versetzt. Auch jetzt
                              trat der Geruch nach Buttersäure deutlich auf. Es waren
                              aber zugleich kleine Fetttröpfchen erkennbar, die beim
                              Verdünnen mit Wasser nicht verschwanden und nach dem Schütteln mit Aether und
                              Verdunsten sehr wenig beinahe geruchlose ölige Substanz
                              zurückließen.
                           Ich war anfangs der Meinung, als ich die Buttersäure in dem Wasser erkannt hatte,
                              diese komme in dem Wasser natürlich vor, da sie gegenwärtig in so vielen aus
                              Torfmooren hervorquellenden Wassern gefunden wird.
                           Nach Auffindung des nicht in Wasser löslichen Fettes hatte ich diese Meinung
                              aufgegeben und erfuhr nun auch von Hrn. Jackson, Director
                              in der Fabrik Escher-Wyß u. Comp., daß das Speisungswasser aus dem Condensationswasser einer mit Condensation arbeitenden Dampfmaschine
                              bestand und somit aus dem Condensationsraum fettige Theile mitgenommen haben konnte.
                              Das Wasser ließ jedoch kaum eine Trübung erkennen und alle die erhaltenen Resultate
                              führen zu einem nur sehr geringen Fettgehalte.
                           Für die Praxis ist die Abstammung der fettigen Bestandtheile ziemlich
                              gleichgültig.
                           Es waren nach meinem Rathe geringe Quantitäten Sodalösung zu dem Speisungswasser
                              hinzugesetzt worden und die mißliche Erscheinung war völlig unterblieben. Auch
                              zeigte sie sich nicht, als man, wie nach obiger Untersuchung angerathen worden war,
                              das Speisungswasser nicht mehr aus dem Condensationswasserbehälter nahm.
                           Ich halte diese Erfahrungen für höchst beachtenswerth. Daß Beobachtungen solcher
                              Fälle und Auffindung der Ursachen schon einmal mitgetheilt worden wären, habe ich
                              nirgends in Erfahrung bringen können. Obschon mehrere Bedingungen eintreten müssen,
                              um die Erscheinung hervorzubringen, ist es doch sehr wahrscheinlich, daß diese
                              häufig zusammen vorkommen. Es reduciren sich die Resultate auf folgende Sätze:
                           1) Bei Wassern, die nur kohlensaure
                              und nicht auch schwefelsaure Salze ausscheiden, können
                              sehr geringe Mengen von fettiger Substanz bewirken, daß die Ausscheidungen staubig trocken und nicht schlammig erfolgen. (Fetteinreibungen auf die Kesselwände könnten unter
                              diesen Umständen wohl nur schaden.)
                           2) Diese Form des festen Ausgeschiedenen kann Veranlassung zum
                              Glühendwerden der stärker erhitzten von dem Pulver unmittelbar bedeckten
                              Kesselflächentheile und secundär zu Explosionen, Deformirungen der Kessel u.s.w.
                              werden.
                           3) Kleine Mengen Sodalösung werden sich in solchen Fällen
                              ebenso wie bei gypshaltigen Wassern als Präservativ bewähren.
                           4) Die Erscheinung, so weit sie die Form der Ausscheidung
                              betrifft, ist wohl unabhängig vom Heizungsmaterial; zum Rothglühendwerden der
                              Kesselbleche steigert sie sich jedoch nach bisherigen Erfahrungen nur bei
                              Steinkohlenheizung, welche intensivere Erhitzung in der Nähe des Verbrennungsraumes
                              zu Stande bringt.