| Titel: | Untersuchungen über die mineralischen Brennmaterialien; von E. Fremy. | 
| Fundstelle: | Band 162, Jahrgang 1861, Nr. LX., S. 190 | 
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                        LX.
                        Untersuchungen über die mineralischen
                           Brennmaterialien; von E.
                              Fremy.
                        Aus den Comptes rendus, Januar 1861, t. LII p.
                              114.
                        Fremy's Untersuchungen über die mineralischen
                           Brennmaterialien.
                        
                     
                        
                           Meine Untersuchungen über die Gewebe der Pflanzen führten mich nothwendig zur
                              Bestimmung der chemischen Eigenschaften der mineralischen Brennstoffe und zur
                              Ermittelung der etwaigen Aehnlichkeiten ihrer Bestandtheile mit denjenigen der
                              unveränderten Pflanzentheile.
                           Ich nehme mit allen Geologen an, daß der Torf, die Braunkohle, die Steinkohle und der
                              Anthracit unter verschiedenen Umständen entstanden sind und verschiedenen Zeitaltern
                              angehören; ich habe daher versucht die verschiedenen Grade der Veränderung zu
                              verfolgen, welche die Pflanzenfaser in diesen Stoffen erlitten hat.
                           Die Untersuchung des Torfes hat nichts Neues ergeben: neben den nicht veränderten
                              elementaren Organen, welche man in so großer Menge in dem faserigen Torf antrifft,
                              fand ich je nach dem mehr oder weniger fortgeschrittenen Zersetzungsproceß
                              verschiedene Mengen jener braunen, neutralen oder sauren, stickstoffhaltigen oder
                              stickstofffreien Substanzen, welche wir mit dem allgemeinen Namen Ulminsubstanzen zu
                              bezeichnen pflegen. Die Gegenwart dieser schon von Payen
                              untersuchten Körper unterscheidet den Torf mit großer Schärfe von den unveränderten
                              Pflanzengeweben.
                           Die Untersuchung der Braunkohlen bot schon mehr Interesse dar. Dieselben
                              unterscheiden sich, je nachdem sie noch die Holzstructur zeigen oder nicht; erstere
                              sind die holzartigen, letztere die eigentlichen Braunkohlen, welche compact (dicht)
                              und nicht selten steinkohlenartig sind. Vom chemischen Standpunkte aus betrachtet,
                              können alle von mir untersuchten Braunkohlenarten in eine dieser beiden Classen
                              eingereiht werden.
                           
                           Obwohl die holzartige Braunkohle oft die Festigkeit und das äußere Ansehen des Holzes
                              besitzt, so hat doch die Holzfaser eine sehr bedeutende Modification erlitten, denn
                              sie läßt sich zu feinem Pulver zerstoßen und gibt an verdünnte Aetzkalilösung eine
                              beträchtliche Menge Ulminsäure ab.
                           Die beiden folgenden Reactionen sind für die holzartige Braunkohle, dem gewöhnlichen
                              Holze gegenüber, charakteristisch.
                           Die Salpetersäure löst in der Wärme vom Holze nur eine geringe Menge der Markstrahlen
                              auf und hinterläßt die Zellensubstanz in sehr reinem Zustande, so daß sie ohne
                              Färbung in concentrirter Schwefelsäure löslich ist und alle von Payen angegebenen Eigenschaften besitzt.
                           Die holzartige Braunkohle wird dagegen von Salpetersäure in der Wärme lebhaft
                              angegriffen und gänzlich in ein gelbes Harz umgewandelt, welches in Alkalien und in
                              einem Ueberschuß von Salpetersäure löslich ist.
                           Die unterchlorigsauren Alkalien wirken auf das Holz ähnlich wie Salpetersäure; sie
                              lösen schnell einen Theil der Fasern und der Markstrahlen auf, und hinterlassen die
                              reine Zellensubstanz. Die holzartige Braunkohle löst sich dagegen fast ganz in den
                              unterchlorigsauren Alkalien auf, und hinterläßt nur unwägbare Spuren von Fasern und
                              Markstrahlen ungelöst.
                           Hieraus ergibt sich, daß wenn die Holzfaser in den Zustand der holzartigen Braunkohle
                              übergegangen ist, sie zwar das äußere Ansehen des Holzes beibehält, aber in ihrer
                              Natur schon eine erhebliche Veränderung erlitten hat, in deren Folge sie neue nähere
                              Bestandtheile enthält, welche durch ihre vollkommene Löslichkeit in Salpetersäure
                              und in unterchlorigsauren Alkalien charakterisirt sind.
                           Betrachten wir hiernach die dichte Braunkohle, welche keine Holzstructur mehr
                              besitzt, und durch ihre Farbe und ihren Glanz sich in vielen Fällen der Steinkohle
                              sehr nähert.
                           Der Vergleich zwischen jenen zwei Braunkohlenarten und der Steinkohle ist auch für
                              den geologischen Standpunkt von Interesse. Wenn nämlich der Veränderungszustand der
                              mineralischen Brennstoffe in sicherer Beziehung zu dem Alter der dieselben führenden
                              Schichten steht, so muß es für die Geologie von großer Wichtigkeit seyn, ein
                              chemisches Kennzeichen zu erhalten, wornach das Alter einer Gebirgsart aus dem
                              Zustande des darin vorkommenden Brennstoffes zu erschließen wäre. Ich habe mich
                              deßhalb bemüht, eine Reihe chemischer Reactionen zu finden, wornach sich die
                              genannten Substanzen in eine Altersreihe ordnen ließen. Außer den von Cordier angegebenen Kennzeichen habe ich die Wirkung des
                              Aetzkalis, der
                              unterchlorigsauren Alkalien, der Schwefelsäure und der Salpetersäure in Betracht
                              gezogen.
                           Nach dem oben Angeführten ist eine Verwechselung der Holzfaser mit der holzartigen
                              Braunkohle unmöglich, da letztere in den unterchlorig-sauren Alkalien und in der
                              Salpetersäure löslich ist. Die dichte Braunkohle kann nur mit gewissen Varietäten
                              der Steinkohle verwechselt werden; die Art der Verbrennung, die Reaction der
                              Destillationsproducte auf Lackmus und die Farbe der gepulverten Substanz geben aber
                              wichtige Untersuchungsmerkmale, und die chemischen Reagentien geben noch größere
                              Sicherheit.
                           Läßt man nämlich eine concentrirte Kalilösung auf die dichte Braunkohle einwirken, so
                              färbt sich zuweilen die Flüssigkeit braun unter Auflösung von etwas Ulminsäure;
                              gewöhnlich aber findet gar keine Einwirkung statt und es stellt sich somit ein
                              Unterschied zwischen der holzartigen und der dichten Braunkohle heraus.
                           Ich habe stets gefunden, daß diejenigen Braunkohlen, welche der Einwirkung des
                              Aetzkalis widerstehen, in ihrer Lagerung sich den Steinkohlenschichten am meisten
                              nähern.
                           Die dichten, schwarzen und glänzenden Braunkohlen lösen sich vollkommen in
                              unterchlorigsauren Alkalien auf, werden von Salpetersäure sehr rasch angegriffen und
                              bilden darin das schon oben bezeichnete gelbe Harz.
                           Hiernach ist eine Verwechselung von Braunkohlen und Steinkohlen nicht möglich, da die
                              letzteren sich nicht in unterchlorigsauren Alkalien auflösen und von Salpetersäure
                              nicht angegriffen werden. Dieß gilt für alle Steinkohlen von den verschiedensten
                              Lagerungsverhältnissen, so daß, wenn ausnahmsweise eine Steinkohle von
                              unterchlorigsaurem Alkali schwach angegriffen werden sollte, man auf fremde
                              Beimischung schließen müßte, indem die Steinkohlengebirge in verschiedenem Grade
                              zersetzte Pflanzensubstanzen enthalten können.
                           Die Steinkohle und der Anthracit, welche der Einwirkung der Lösungen von ätzenden
                              Alkalien und von unterchlorigsauren Alkalien widerstehen, lösen sich vollkommen in
                              einem Gemisch von Salpetersäure und concentrirter Schwefelsäure auf; die Flüssigkeit
                              wird tief dunkelbraun und enthält eine durch Wasser vollkommen fällbare
                              Ulminverbindung.
                           Wenn man das Holzgewebe mehrere Tage hindurch einer Temperatur von 200° C.
                              aussetzt, so erleidet es eine allmähliche Veränderung und es entstehen Substanzen,
                              welche den in den Braunkohlen vorkommenden ähnlich sind: die ersten sind in den
                              Alkalien löslich und entsprechen der holzartigen Braunkohle; die späteren sind
                              unlöslich in Alkalien, lösen sich aber wie die dichte Braunkohle vollkommen in
                              unterchlorigsauren Alkalien auf.
                           
                           Aus vorstehenden neuen Thatsachen ergeben sich folgende Schlüsse:
                           1) Wenn man die mineralischen Brennstoffe mit den bezeichneten Reagentien behandelt,
                              so findet man, daß mit zunehmendem Alter die chemischen Charaktere der Gewebe nach
                              und nach verschwinden und daß die organische Substanz sich dem Graphit um so mehr
                              nähert, je älter sie ist. Eine Ausnahme hievon bilden jedoch die metamorphischen
                              Gesteine. Dieses Resultat stimmt mit dem Ergebnisse der Forschungen Regnault's überein.
                           2) Die erste Veränderungsstufe des Holzgewebes, welche der Torf darstellt, wird durch
                              die Gegenwart der Ulminsäure bezeichnet, sowie durch die Holzfasern und die Zellen
                              der Markstrahlen, welche mittelst Salpetersäure oder der unterchlorigsauren Alkalien
                              in sehr beträchtlicher Menge ausgezogen werden können.
                           3) Die zweite Stufe entspricht dem fossilen Holz, oder der holzartigen Braunkohle.
                              Diese ist zum Theil in Aetzkali löslich wie der Torf, aber ihre Veränderung ist
                              weiter vorgeschritten, denn sie löst sich fast gänzlich in Salpetersäure und in den
                              unterchlorigsauren Alkalien auf.
                           4) Die dritte Stufe bildet die dichte oder eigentliche Braunkohle: bei dieser zeigen
                              die Reagentien schon den Uebergang der organischen Substanz zur Steinkohle an, denn
                              die Alkalien wirken im Allgemeinen auf sie nicht ein, und dieses Brennmaterial ist
                              in Salpetersäure und in den unterchlorigsauren Alkalien vollkommen löslich.
                           5) Die vierte Stufe bildet die Steinkohle, welche in Alkalien und in
                              unterchlorigsauren Salzen unlöslich ist.
                           6) Die fünfte Stufe ist der Anthracit, welcher den genannten Reagentien widersteht
                              und nur sehr langsam von Salpetersäure angegriffen wird.
                           7) Die von den Geologen aufgestellte Classification der mineralischen Brennstoffe
                              wird also durch die chemischen Reactionen bestätigt.
                           Ohne Zweifel gibt es indessen noch Zwischenmodificationen der Pflanzensubstanz,
                              entsprechend den verschiedenen Abarten von Braunkohlen und Steinkohlen, welche die
                              Industrie schon längst kennt.
                           Ich behalte mir vor, weiterhin zu untersuchen, ob sich diese Unterarten mittelst der
                              chemischen Reactionen in derselben Art oder in den verschiedenen Schichten eines
                              Brennmaterials nachweisen lassen.