| Titel: | Ueber eine neue Methode der Darstellung und Nachchweisung der Alkaloïde; von L. v. Uslar und J. Erdmann. | 
| Fundstelle: | Band 162, Jahrgang 1861, Nr. LXVIII., S. 228 | 
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                        LXVIII.
                        Ueber eine neue Methode der Darstellung und
                           Nachchweisung der Alkaloïde; von L. v. Uslar und J. Erdmann.
                        Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, 1861, Bd. CXX S.
                              121.
                        v. Uslar über eine neue Methode der Darstellung und Nachweisung der
                           Alkaloïde.
                        
                     
                        
                           Die Abscheidung einer giftigen Pflanzenbase, wenn solche in kleiner Menge großen
                              Quantitäten von anderen organischen Massen beigemengt vorkommt, ist nach den bis
                              jetzt bekannten Methoden jedenfalls, eine zeitraubende und mühsame Arbeit. Es ist
                              uns gelungen, eine Methode aufzufinden, nach welcher sehr geringe Mengen sowohl von
                              einer festen wie auch von einer flüchtigen Pflanzenbase, als z.B. von Morphin,
                              Narcotin, Strychnin, Nicotin und Coniin, selbst dann noch mit einfachen Mitteln sehr
                              leicht und in kurzer Zeit abgeschieden werden können, wenn diese auch sehr großen
                              Mengen von anderen organischen Substanzen beigemengt sind.
                           Unser Verfahren gründet sich darauf, daß die freien Pflanzenbasen in reinem,
                              besonders heißem Amylalkohol (Siedepunkt 132° C.) sehr leicht löslich sind,
                              so daß dieser Lösung selbst durch große Quantitäten Wasser, besonders wenn dieses
                              alkalisch reagirt, nichts von dem Alkaloïd entzogen wird; während dagegen die
                              salzsauren Alkaloïde in Amylalkohol schwer löslich sind, und schon durch
                              einfaches Schütteln mit salzsäurehaltigem Wasser leicht und vollständig ersterem
                              wieder entzogen werden.
                           Indem man dieses Verhalten der Alkaloïde benutzt, verfährt man zu ihrer
                              Abscheidung folgendermaßen.
                           Die zu untersuchenden Massen werden, wenn nöthig mit Wasser bis zu dünnem Brei
                              versetzt und mit Salzsäure schwach angesäuert, 1 bis 2 Stunden lang bei 60 bis
                              80° C. digerirt. – Darauf colirt man durch ein mit Wasser
                              angefeuchtetes leinenes Seihetuch, zieht den Rückstand mit heißem mit Salzsäure
                              angesäuertem Wasser aus und versetzt die vereinigten Auszüge mit so viel Ammoniak,
                              daß von diesem ein geringer Ueberschuß vorhanden ist, worauf man sie zuerst auf
                              freiem Feuer concentrirt und schließlich auf dem Wasserbade bis zur Trockne bringt.
                              Den Rückstand zieht man drei bis viermal mit heißem Amylalkohol aus und filtrirt die
                              Auszüge sogleich durch mit Amylalkohol benetztes Filzpapier. – Das meist gelb
                              gefärbte Filtrat enthält neben dem Alkaloïd noch Fett- und Farbstoffe gelöst.
                              Um es von diesen letzteren zu befreien, bringt man dasselbe in ein cylindrisches
                              Gefäß, versetzt es mit Salzsäure angesäuertem und fast siedend heißem Wasser und
                              schüttelt damit kräftig durch. Das Alkaloïd wird dadurch dem Amylalkohol
                              entzogen und von dem sauren Wasser aufgenommen, während Fett- und Farbstoffe beim
                              Amylalkohol bleiben, welcher mit einer Kautschukpipette leicht abgenommen werden
                              kann. Eine Saugpipette ist wegen des schädlichen Einflusses des Amylalkohols auf die
                              Respirationsorgane nicht anwendbar. Durch wiederholtes Behandeln der sauren heißen
                              Flüssigkeit mit neuen Mengen von Amylalkohol gelingt es leicht, Fett- und Farbstoffe
                              zu entfernen, so daß man zuletzt eine farblose Flüssigkeit behält, in welcher das
                              Alkaloid an Salzsäure gebunden enthalten ist. Es ist rathsam, diese durch Eindampfen
                              etwas zu concentriren. Man versetzt sie alsdann mit Ammoniak in geringem Ueberschuß,
                              fügt dann heißen Amylalkohol hinzu und schüttelt tüchtig damit.
                           Nach vollständiger Sonderung der beiden Flüssigkeiten hebt man die obere, die Lösung
                              des Alkaloids in Amylalkohol, ab, zieht die zurückbleibende Flüssigkeit noch einmal
                              mit heißem Amylalkohol aus, und verjagt nun durch Erhitzen auf dem Wasserbade den
                              Amylalkohol vollständig, wo dann das Alkaloïd oft schon so rein zurückbleibt,
                              daß die Reactionen damit angestellt werden können. Für den Fall, daß es noch
                              gelblich und bräunlich gefärbt seyn sollte, nimmt man es noch einmal in verdünnter
                              Salzsäure auf, schüttelt diese Lösung mit Amylalkohol, entfernt denselben mit der
                              Pipette und schüttelt nach dem Uebersättigen mit Ammoniak abermals mit Amylalkohol,
                              hebt diesen ab, und verdunstet ihn auf dem Wasserbade. Nur selten wird man nöthig
                              haben, diese Reinigung bei dem jetzt zurückbleibenden Alkaloïd zu
                              wiederholen.
                           Wir haben eine Reihe von Versuchen, die wir kurz mittheilen wollen, nach unserer
                              Methode ausgeführt.
                           Versuche: Zwei bis drei Pfund Speisebrei, versetzt mit 0,064 Grm. salzsaurem Morphin,
                              ließen wir so lange (drei Tage) an einem warmen Orte stehen, bis deutliche Gährung
                              eingetreten war. Diese Untersuchung war in zwei Tagen beendigt. Das Morphin wurde
                              durch die bekannte Reaction mit Eisenchlorid mit aller Entschiedenheit
                              nachgewiesen.
                           Bei einem zweiten Versuch wurde eine noch größere Quantität Speisebrei, dem ein
                              großer Theil faules Fleisch beigemengt war, mit nur 0,054 Grm. salzsaurem Morphin
                              versetzt; dennoch wurde letzteres wie oben mit völliger Sicherheit nachgewiesen. Da
                              wir erkannten, daß wir fast die ganze angewandte Menge des Alkaloïds wieder
                              erhielten, so sind wir mit der Dosis noch weiter herunter gegangen und haben bei
                              einem Versuch 7 Milligrm. und bei einem anderen sogar nur 5 Milligrm. angewendet;
                              aber in beiden Fällen dasselbe durch deutliche Reactionen mit Eisenchlorid
                              nachgewiesen. Schließlich haben wir noch einmal einen Kalbsmagen mit 0,020 Grm. salzsaurem
                              Morphin versetzt und diesen 14 Tage lang an einem sonnigen Platz stehen lassen. Der
                              Magen war nicht nur vollständig in Fäulniß übergegangen, sondern es hatten sich auch
                              eine große Anzahl Würmer gebildet; trotzdem wurde das Morphin wie oben mit
                              Eisenchlorid entschieden nachgewiesen.
                           Ferner haben wir einen Tropfen Nicotin zu 1 1/2 Pfd. Speisebrei und Fleisch, dann
                              zwei Tropfen Coniin zu einer eben so großen Menge Speisen gebracht, und beide
                              Alkaloide wurden wieder abgeschieden und durch einige Reactionen, besonders aber
                              durch den höchst charakteristischen Geruch welcher beiden flüchtigen Basen
                              eigenthümlich ist, erkannt.
                           9 Milligrm. Strychnin wurden mit völliger Sicherheit nachgewiesen durch die Reaction
                              mit zweifach-chromsaurem Kali und Schwefelsäure, obgleich es einer sehr großen Menge
                              von Speisen beigemischt war.
                           8 Milligrm. Narcotin mit Speisen vermischt wurden fast vollständig wieder erhalten,
                              und besonders durch die bekannte Reaction mit Schwefelsäure und Salpetersäure
                              erkannt.
                           Schließlich haben wir noch ein Gemenge von 0,012 Grm. Morphin und 0,013 Narcotin
                              unter Fleisch und Gemüse gemischt. Erst nachdem dieses Gemenge vier Tage an einem
                              warmen Orte gestanden, wurde die Untersuchung begonnen. Nach der Abscheidung der
                              Alkaloïde wurden beide auf bekannte Weise mit Hülfe von Aether getrennt, und
                              dann jedes für sich durch die schon erwähnten Reactionen erkannt.
                           Nach diesen Versuchen, durch welche wir uns die Ueberzeugung verschafft haben, daß
                              unsere zur Abscheidung von Alkaloïden empfohlene Methode in allen den Fällen
                              zuverlässig ist, wenn die Alkaloïde todten organischen Massen beigemengt
                              wurden, werden wir unsere Untersuchungen in zwei Richtungen ausdehnen. Einmal wollen
                              wir feststellen, ob die Abscheidung der Alkaloïde auch in den Fällen noch
                              gelingt, wenn sie den lebenden Organismus passirt sind, und besonders ihre tödtende
                              Wirkung geäußert haben. Wir werden unsere Versuche mit den verschiedensten Dosen der
                              verschiedenen Alkaloïde an Thieren anstellen. Von den Resultaten, welche wir
                              dabei erzielen, hängt es besonders ab, ob wir unsere Methode den Gerichts-Chemikern
                              unbedingt empfehlen können. Zweitens sind wir auch schon damit beschäftigt, unsere
                              Methode für die Darstellung der Alkaloïde im Großen anzuwenden. Sie wird sich
                              vor allen übrigen bekannten Methoden besonders dadurch empfehlen, daß sie bei weitem
                              billiger und auch weniger umständlich seyn wird. Das wichtigste nothwendige
                              Material, der Amylalkohol, der an und für sich schon kein theurer Artikel ist, wird
                              bei gut geregeltem Betrieb zum größten Theil immer wieder gewonnen und läßt sich
                              durch einfache Destillation von Unreinigkeiten befreien. Ueber die Resultate dieser weiteren Versuche
                              werden wir seiner Zeit berichten.