| Titel: | Ueber die Production vegetabilischer Spinnstoffe in Ostindien. | 
| Fundstelle: | Band 162, Jahrgang 1861, Nr. XCI., S. 307 | 
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                        XCI.
                        Ueber die Production vegetabilischer Spinnstoffe
                           in Ostindien.
                        Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, 1861, Nr.
                              25.
                        Ueber die Production vegetabilischer Spinnstoffe in
                           Ostindien.
                        
                     
                        
                           In dem Journal of the Society of arts vom 11. Mai 1860
                              findet sich ein umfassender und höchst interessanter Bericht über die Spinnstoffe
                              liefernden Pflanzen von brittisch Indien von Dr. J.
                              Forbes Watson, A. M., Berichterstatter über indische
                              Producte, aus dem wir im Nachfolgenden einen gedrängten Auszug geben.
                           Die Pflanzen nach dem Grade ihrer Wichtigkeit zusammenstellend, beginnt Dr.
                              Watson mit dem
                           Flachs (Linum usitatissimum).
                              Derselbe wurde bis jetzt in Indien fast nur zum Zweck der Samenerzeugung cultivirt,
                              obwohl einzelne Versuche bereits gezeigt haben, daß auch eine treffliche Faser dort
                              gewonnen werden kann, da der indische Boden bei seinem ungewöhnlich reichen
                              Alkaligehalt sich besonders zur Flachscultur eignet. Für die Samenproduction wird
                              der Flachs viel weniger dicht gesäet, als dieß zum Zweck der Faserproduction
                              erforderlich ist; auch wird empfohlen, öfters wieder neuen Samen aus anderen
                              Gegenden zu beziehen. Die gewöhnlich durch den Proceß des Röstens vorbereitete
                              Trennung der Faser kann auch mit Hülfe von Maschinen ohne vorhergehende Thau- oder
                              Wasserröstung geschehen, jedoch fühlt sich ein solcher Flachs etwas rauher an, und
                              ist für feinere Fabrikate weniger geeignet, als der auf gewöhnliche Art behandelte.
                              Man kann aber diesem Mangel durch eine nachträgliche chemische Röstung begegnen,
                              wofür es verschiedene Verfahren gibt. Die Faserausbeute soll beim Flachs 14 bis 18
                              Proc. betragen.
                           Die Totalausfuhr von Leinsamen aus brittisch Indien betrug im Jahre 1859 232,621
                              Tonnen bei einem Werthe von 13 Pfd. St. 16 Sh. per
                              Tonne.
                           Rheea (indische Nesselarten), Boehmeria nivea, Boehmeria puya, Urtica heterophylla. Von den Fasern dieser theils einjährigen,
                              theils perennirenden Nesselarten, welche in Indien und China bereits cultivirt
                              werden, verspricht sich Dr.
                              Watson, daß sie in naher Zukunft einen dem Flachs wenig
                              untergeordneten Rang als Handelsartikel einnehmen werden. Wie der Flachs erschöpfen
                              übrigens diese Pflanzen den Boden bedeutend. Die Abscheidung der Faser geschieht zur
                              Zeit durch Handarbeit, welcher eine Behandlung mit alkalischen Lösungen folgt. Die
                              Faser ist von außerordentlicher Stärke und Hr. E. M. Trent glaubt, daß sie aus diesem Grunde selbst von größerer Wichtigkeit werden
                              dürfte als Flachs, wenn man Mittel finden werde, die Rohfaser besser und schneller
                              abzuscheiden. In Folge kleiner Erhabenheiten auf der Oberfläche der Faser fühlt sich
                              dieselbe etwas rauh an, macht sich aber gerade dadurch geeignet, als Mischung mit
                              Wolle versponnen zu werden.
                           Mudar. Galotropis
                                 gigantea. Dieß ist eine sehr häufige „Jungle“-Pflanze,
                              die eine zu den feinsten Geweben geeignete Faser von großer Stärke liefert, bis
                              jetzt aber noch nicht in den Handel gekommen ist, da ihre Abscheidung größere
                              Schwierigkeiten bietet, als dieß bei allen anderen Faserpflanzen der Fall ist. Sie
                              kann nur durch eine gewisse Manipulation mit der Hand und nicht durch Wasserröstung
                              geschehen. Die Samenhaare dieser Pflanze können wegen ihrer Weichheit zur Füllung
                              von Kissen benutzt werden, und wurden schon von Dr.
                              Voxburgh als Seidesurrogat empfohlen.
                           Bedolee sutta. Pederia
                                 foetida. Eine Pflanze Assams mit zarter, sehr starker Faser. Die in dem
                              aufgeschwemmten Lande in der Nähe der Flüsse wachsenden Pflanzen liefern das beste
                              Product. Sollte sich dasselbe zum Spinnen auf Maschinen eignen, so hätte es einen
                              Werth von 150 bis 200 Pfd. St.
                           Jute. Chorchorus
                                 capsularis. Chorchorus olitorius. Jute hat eine weit geringere Stärke als
                              Flachs, und läßt sich auch weniger leicht färben; dennoch ist diese Faser schon ein
                              wichtiger Handelsartikel geworden, so daß im Jahre 1856 bereits 269,000 Tonnen im
                              rohen und verarbeiteten Zustande aus brittisch Indien ausgeführt wurden, eine
                              Quantität, welche die ganze in diesem Jahre in Großbritannien verarbeitete Menge von
                              Flachs und Hanf übersteigt. Jute wird hauptsächlich in Bengalen cultivirt. Wenn die
                              Pflanze einige Zeit vor dem Reifen der Faser abgeschnitten wird, so erhält man die
                              zarte glänzende Waare, die im Handel vorgezogen wird; für die einheimische
                              Consumtion läßt man hingegen die Pflanze völlig reifen, um eine Faser von größerer
                              Stärke, aber weniger Glanz zu erhalten. Man wendet für Jute die Wasserröstung an,
                              und Dr.
                              Watson glaubt, die Anwendung von Maschinen zur
                              Abscheidung der Faser werde für diesen Artikel kaum von Vortheil seyn. Wegen seines
                              schönen Glanzes wird es in Dundee als Gemisch mit Flachs zu Handtüchern und Decken
                              verarbeitet. Der Preis von bestem Jute ist 18 Pfd. St. per Tonne.
                           Sida rhoinboidea. Proben von Fasern dieser in
                              Bengalen wohlbekannten Pflanze wurden in Dundee geprüft, und ihr Werth wurde zu 26
                              Pfd. St., also um 8 Pfd. St. höher als der des Jute angeschlagen.
                           
                           Palungor, Ambaree, auch indischer Hanf genannt, von Hibiscus cannabinus, ist in Indien sehr allgemein
                              cultivirt und die Cultur dieser Pflanze bietet keinerlei Schwierigkeiten dar; doch
                              waren die bis jetzt aus den englischen Markt gekommenen Fasern so schlecht
                              vorbereitet, daß sie dermalen viel weniger geschätzt sind, als sie es wirklich
                              verdienen. Im Handel nennt man diesen Artikel auch Bastard-Jute.
                           Gunja (gewöhnlicher Hanf). Cannabis sativa. Der gewöhnliche Hanf ist in Indien hauptsächlich wegen
                              der aus seinen Blättern ausschwitzenden harzigen Materie, welche sehr berauschende
                              Eigenschaften hat, cultivirt und im Allgemeinen nicht der Faser wegen. Er wächst in
                              Menge in dem nördlichen Punjab und am Himalaya in einer Höhe von 1500 bis 10000 Fuß,
                              und es scheint, daß er in Indien nur in den höher gelegenen Gegenden gut fortkommt.
                              Man findet oft 14 Fuß hohe Pflanzen in einer Höhe von 9000 Fuß. Die Faser von wildem
                              Hanf hat jedoch keinen Werth und bei der Cultur erfordert er eine sorgfältige
                              Düngung. Rücksichtlich der Stärke der Faser übertrifft der Himalayahanf den besten
                              russischen.
                           Sunn, Madras- oder Bombay-, auch brauner Hanf genannt. Crotalaria juncea. Die Faser ist schon seit langer Zeit
                              im Handel; ihre Qualität hängt viel von der Art der Cultur und des Climas ab, und
                              obgleich häufig etwas rauh im Anfühlen, eignet sie sich doch recht gut für
                              verschiedene Seilerarbeit, besonders wenn eine helle Farbe gewünscht wird. Sie wird
                              hauptsächlich in Irland verarbeitet, ihre Verwendung hat aber in den letzten 2
                              Jahren bedeutend abgenommen; seitdem der italienische Hanf im Preise bedeutend
                              gefallen ist, wird diesem der Vorzug gegeben. Der schlecht zubereitete Bombayhanf
                              hat weniger Dauerhaftigkeit gezeigt, als derjenige von Madras und Bengalen, und in
                              Folge dessen machen die renommirteren Schiffstaufabrikanten von dem Bombayhanf
                              keinen Gebrauch. Man bedient sich für diesen Artikel der Wasserröstung; um ihn aber
                              im Handel zu erhalten, müßte seine Zubereitung eine sorgfältigere seyn. Der Preis
                              von Sunnhanf war im Jahre 1859 17 bis 23 Pfd. St., der von Bombayhanf 16 bis 23 Pfd.
                              St.
                           Dhunehee. Sesbanea
                                 aculeata. Diese Pflanze liefert nach den Versuchen von Thomas Watson von Calcutta eine ausgezeichnete Faser für
                              Seilerarbeit, da dieselbe einer länger andauernden Einwirkung von Wasser und anderen
                              Agentien besser widerstehe, als alle anderen Fasern.
                           Sie soll sich beim Befeuchten bedeutend zusammenziehen.
                                 Geete. Marsdenia tenacissima. Eine in Folge
                              ihrer Stärke und wegen ihres Seidenglanzes sehr geschätzte Faser; ihre Abscheidung
                              wird von den Eingeborenen mittelst der Hand bewerkstelligt.
                           
                           Ananassa sativa. Die Ananas ist jetzt in Ostindien
                              vollkommen einheimisch geworden, und bedeckt große Landstrecken in verschiedenen
                              Richtungen. Sie liefert eine sehr schöne und kräftige Faser zum Spinnen, welche eben
                              so theilbar ist, wie die Flachsfaser; ihres Glanzes halber eignet sie sich besonders
                              für Kleidungsartikel, und findet hauptsächlich in Spanien ausgedehnte Verwendung zur
                              Darstellung leichter petzähnlicher Stoffe. Eine Probe dieser Faser wurde zu 50 Pfd.
                              Sterl. per Tonne angeschlagen.
                           Moorva. Sanseviera ceylonica. Diese Pflanze
                              findet sich an der Küste von Bengalen und China, auf Ceylon und Java, und liefert
                              eine Faser von großer Stärke, die nach Dr.
                              Boxburgh's Versuchen ein Gewicht von 316 Pfd. trug. Sie
                              eignet sich vortrefflich für die feineren Sorten von Zwirn, Schnüren etc., und hat
                              einen Werth von etwa 40 Pfd. Sterl. per Tonne. Unter dem
                              Mikroskop erscheinen diese Fasern undurchsichtiger als die der Ananas.
                           Agave americana, Agave vivipara. Die Fasern der
                              Agave finden Anwendung bei der Anfertigung von Stoffen in Nachahmung von Roßhaar. Es
                              wurden Proben vorgezeigt im Werthe von 18, 28 und 45 Pfd. St. per Tonne.
                           Jucca gloriosa und andere Species von Jucca
                              liefern Fasern von 2 bis 4 Fuß Länge; die kürzeren haben einen Werth von 24 bis 25
                              Pfd. St., die längeren von 34 bis 35 Pfd. St. per
                              Tonne.
                           Musa paradisiaca. Die Fasern dieser häufig ihrer
                              Früchte wegen cultivirten Pflanze haben weniger Stärke als diejenigen der bereits
                              angeführten Pflanzen. Die Ausbeute an Fasern beträgt nach annähernder Bestimmung 4
                              bis 6 Proc. Der Werth der vorgezeigten Proben wurde zu 22 Pfd. St. per Tonne angegeben; derselbe würde aber wahrscheinlich
                              ein höherer seyn, hätte man nicht bedeutende Vorräthe von Fasern einer anderen nicht
                              indischen Musa, nämlich der Musa textilis (Manillahanf),
                              welche letztere sich zu Anfertigung der stehenden Schiffstaue ihrer Leichtigkeit und
                              Stärke wegen vortrefflich eignet.
                           Die Musa paradisiaca ist hauptsächlich auf den
                              Philippinnen cultivirt; der Verbrauch dieses Gewächses war aber bis jetzt ein
                              beschränkter, während nach P. C. Simmond's Angaben die
                              Ausfuhr von Manillahanf sich auf 30,000 Tonnen des unverarbeiteten Products und auf
                              1500 Tonnen Taue ausgedehnt hat, und der Preis desselben sich auf 21 bis 30 Pfd. St.
                              stellt. Auch soll nach Simmond in den Philippinnen ein
                              starker Handel getrieben werden mit gröberen Fasersorten, die von einer Sagopalme
                              abstammen, und auf den Manillamärkten unter den Namen Sagaran, Glumaras und
                              Midrinaque bekannt seyen. Sie werden nach England, den Vereinigten Staaten und Spanien
                              ausgeführt, und namentlich die letztere Sorte werde seit einigen Jahren in immer
                              steigender Menge nach Europa gebracht, wo sie als Surrogat für Buckram und Crinoline
                              zum Steifen von Damenkleidern Verwendung finde.
                           New-Zealand-Flachs. Phormium tenax. Obgleich kein indisches Product, wird
                              dasselbe doch in Kürze erwähnt; dasselbe besteht aus einer Faser, welche wegen ihrer
                              Stärke zu Zeiten sehr gesucht war, und mit 17 bis 18 Pfd. St. für den rohen Artikel
                              und 25 Pfd. 10 Sh. bis 26 Pfd. für die zubereitete (dressed) Waare bezahlt wird.
                           Coir (Faser der Cocosnuß). Dieser Artikel wird in
                              bedeutender Quantität eingeführt und die Nachfrage darnach ist im Zunehmen, da der
                              Handel mit Matten sich immer mehr ausdehnt. Die im Jahre 1859 in Großbritannien
                              eingeführte Menge von Coir und Coirgarn betrug 4501 Tonnen im Werthe von 19 bis 46
                              Pfd. St. per Tonne. Die beste Qualität wird aus dem
                              Hafen von Cochin verschifft, doch hat die Nachfrage für Coirseile abgenommen, und es
                              dürfte sich dermalen bloß noch die Einfuhr der besseren Sorte von Coir rentiren. Für
                              die steiferen Sorten von Coir, die zu Bürsten, und diejenigen, die zu Matten dienen,
                              ist noch fortwährende Nachfrage; die von Colombo unter dem Namen bristles kürzlich angelangte Sorte wurde an
                              Bürstenmacher zu 60 Pfd. St. per Tonne verkauft, und
                              kann für gewisse Zwecke den theureren russischen Borsten substituirt werden.
                           Pandanus odoratissimus liefert zwei Sorten von
                              Fasern, wovon die eine aus der Wurzel, die andere aus den Blättern der Pflanze
                              erhalten wird. Erstere bestehen aus sehr steifen Fasern, die zu Scheuerbürsten
                              Verwendung finden können, die Blätter liefern längere, sehr zähe Fasern.
                           Ejow oder Gomuto. Arenga saccharifera. Dieser Artikel ist
                              unter dem Namen vegetabilische Borsten bekannt, und würde wahrscheinlich als
                              Surrogat für Roßhaar dienen können. Die Blätter dieses Baums sind 20 bis 25 Fuß
                              lang; jeder Baum erzeugt gegen sechs Blätter jährlich, und jedes Blatt liefert
                              ungefähr 3/4 Pfd. Fasern. Es sind nämlich die Blattscheiden von schwarzen Borsten
                              umgeben, welche den fraglichen Artikel liefern, und ohne Schaden für den Baum
                              entfernt werden können; sie sollen stärker und dauerhafter seyn als das Coir.
                           Chamaerops Ritchiana, in Sindh Pfees genannt, liefert Fasern, welche ebenfalls als
                              vegetabilisches Roßhaar Anwendung finden könnten, und sind denen ähnlich, welche von
                              Chamaerops humilis, der Zwergpalme von Algier,
                              erhalten werden.
                           Moong ist eine in Sindh häufig vorkommende
                              Grasart, welche die Eingeborenen zur Darstellung von Schleppseilen für ihre Boote
                              verwenden. Könnte diese
                              Faser in Kurrachee zu 15 Pfd. St. verschifft werden, so würde sie wahrscheinlich in
                              England schnellen Absatz finden. Sie nimmt die Färbung leicht an.