| Titel: | Ueber die zerstörenden Wirkungen des Mennigs auf den Kiel der eisernen Schiffe; von Jouvin. | 
| Fundstelle: | Band 162, Jahrgang 1861, Nr. CXVII., S. 429 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        CXVII.
                        Ueber die zerstörenden Wirkungen des Mennigs auf
                           den Kiel der eisernen Schiffe; von Jouvin.
                        Aus den Comptes rendus, März 1861, t. III p.
                              529.
                        Jouvin, über die zerstörenden Wirkungen des Mennigs auf den Kiel
                           der eisernen Schiffe.
                        
                     
                        
                           Die Benutzung des Mennigs zum Anstrich der Eisentheile hat in der Marine, seitdem die
                              Anwendung des Eisens zum Schiffbau so sehr an Ausdehnung gewonnen hat, eine sehr
                              bedeutende Verbreitung gefunden. Man setzt demselben häufig Quecksilberverbindungen
                              zu, um durch deren Giftigkeit das Ansetzen der Pflanzen und Thiere des Meeres an die
                              Schiffe zu verhindern. Bisher schrieb man dem Mennig in allen Fällen seiner
                              Anwendung eine conservirende Wirkung auf das Eisen zu.
                           Vor Kurzem fand ich in einem englischen Journal die Notiz von Hrn. Mercer
                              Polytechn. Journal Bd. CLVII S.
                                       153, daß der Mennig den schmiedeeisernen Kiel der Schiffe angreife. Ich habe
                              diese Mittheilung ganz übersehen, bis ich vor Kurzem das schöne Packetboot
                              „la Guienne“ in das Bassin
                              von Rochefort zur Reparatur seines vor einem Jahre mit Mennig angestrichenen Kieles
                              einlaufen sah. Dieses Schiff hat erst drei Reisen (nach Brasilien) gemacht, und ich
                              habe jetzt, vor seiner Reparatur, folgenden Zustand seines Kieles constatirt. Der
                              Theil des Kieles, welcher stets unter Wasser bleibt, ist fast ganz mit Knoten von
                              Eisenoxydhydrat bedeckt, welche unterbrochene parallele Linien bilden, und zwischen
                              1/2–1 Millimeter an ihren dünnsten, und 5–10 Millimeter an ihren
                              dicksten Stellen vorspringen. Jeder Knoten hat die Gestalt einer Keule, deren
                              dickster Theil stets nach dem Hintertheil des Schiffes gerichtet ist. Ueberall, wo
                              sich dieses Product befindet, ist der Anstrich ganz verschwunden. Hie und da kommen
                              noch einzelne Stellen von diesem vor, doch sind diese meistentheils blasig
                              aufgeworfen. Wenn man diese Blasen öffnet, so enthalten sie entweder nur Luft (?),
                              oder es flieht eine tintenartig schmeckende, und also ein Eisensalz gelöst haltende
                              Flüssigkeit heraus. Am Boden der Blasen erscheint dann das nackte Eisen, überzogen
                              mit glänzenden Krystallen von metallischem Blei. In jeder Blase haben wir also einen
                              kleinen, mikroskopischen Bleibaum in Form einer wirklichen Krystalldruse.
                           Die Substanz der Oxydknoten zeigt bei einer flüchtigen Untersuchung bemerklichen
                              Gehalt von stark sauer reagirendem Eisenchlorür. Dieses Salz findet sich auch in den
                              eben bezeichneten Blasen in Lösung.
                           
                           Es ist demnach der Mennig des Anstriches durch das Eisen des Kieles reducirt worden,
                              während zugleich eine Zersetzung der chlorwasserstoffsauren Salze des Meerwassers
                              die Bildung des Eisenchlorürs veranlaßte. Diese Zersetzung aber fand nur statt in
                              Folge einer ausgedehnten elektrochemischen Wirkung auf der großen Oberfläche des
                              ganzen Kieles. Der Mennig, statt das Eisen zu schützen, ist somit gerade die
                              Veranlassung zu seiner Zerstörung geworden. Der unter dem
                                 Wasserspiegel befindliche Anstrich hat sich ganz unversehrt erhalten.
                           Ich bin noch mit der Untersuchung der Concretion beschäftigt; es scheint aber schon
                              jetzt klar zu seyn, daß die Bleipräparate nicht weiterhin zu dem in Rede stehenden
                              Zweck verwendet werden dürfen.Ersatz derselben wurde der sogenannte Eisen-Mennig vorgeschlagen, welcher im
                                    Wesentlichen reines Eisenoxyd (Colcothar) ist; man s. polytechn. Journal
                                    Bd. CLVI S. 316.A. d. Red.
                              
                           
                        
                           Nachtrag.
                           Die Beobachtungen, welche ich an dem eisernen Kiel des Schiffes „la Guienne“ gemacht habe, werden in jeder
                              Beziehung durch diejenigen bestätigt, welche ich an dem Kiel des Packetbootes
                              „le Béarn“ zu machen
                              Gelegenheit hatte. Auf den ersten Blick zeigte sich zwischen beiden Kielen eine so
                              große Aehnlichkeit, daß man sie mit einander verwechseln könnte. Indessen findet man
                              doch folgende Verschiedenheiten.
                           Der ganze mit Mennig angestrichen gewesene Kiel des „Béarn“ hat eine matte rothe Farbe angenommen, indem
                              die ursprünglich grelle Farbe verblichen und wie verwaschen ist; sie sieht aus, als
                              wenn sie einen grünen Firniß erhalten hätte. Von diesem Grunde stechen die erhabenen
                              Concretionen von Eisenoxydhydrat ab, welche hier an Zahl und Stärke denen des ersten
                              Schiffes gleich kamen. Die Schicht von Eisenoxyden ist am stärksten auf den Kanten
                              und Schnitten des Bleches, obgleich die Reibung an diesen Stellen weit stärker
                              ist.
                           Blasen fand ich hier eben so viele, jedoch in etwas geringerer Größe wie bei der
                              „Guienne“. Sie zerfallen
                              auch hier in zwei Classen: 1) solche mit flüssigem, und 2) solche mit gasförmigem
                              Inhalt.
                           Die letzteren zeigen am Grunde einen Ueberzug von Bleikrystallen mit einem Anflug von
                              gelbem Eisenoxydhydrat. Unter der Loupe fand ich an der Haut der Blasen Krystallnadeln von Chlorblei,
                              in der Mitte von leichten Concretionen, welche dem Kerasin (Hornblei) der
                              Mineralogen täuschend ähnlich sehen. Diese Concretionen von Chlorblei habe ich
                              später auf dem Grunde der beiden Arten von Blasen wiedergefunden, wo sie auf dem
                              Eisen des Kieles in magnetisches Eisenoxyd gehüllt waren, von dessen dunkler Farbe
                              sie durch eine schwach grüngelbe Färbung abstechen.
                           Die in den Blasen enthaltene Flüssigkeit habe ich genauer untersucht. Sie reagirt
                              schwach sauer, ist von styptischem, tintenartigem, hinterher süßlichem, an
                              Bleilösungen erinnerndem Geschmack, den ich auch schon bei einer früheren
                              Untersuchung bemerkt, aber nicht weiter verfolgt hatte. Eine Analyse dieser
                              Flüssigkeit bewies sehr bald, daß sie nur aus Eisenchlorür und Chlorblei besteht,
                              welche hier vermutlich als Doppelsalz verbunden sind. Jedenfalls ist es klar, daß in
                              Gegenwart von Mennig die Eisenchlorürlösungen viel Chlorblei aufnehmen, wie dieß
                              auch vorauszusehen war.
                           Die Flüssigkeit überzieht sich an der Luft mit einer Oxydhaut, ohne den geringsten
                              Absatz von Chlorblei, der sich erst zeigt, wenn fast Alles verdunstet ist. Man
                              erkennt dann unter dem Mikroskop die schillernden Blättchen dieses Salzes mitten in
                              dem Eisenoxyd, in derselben Weise, wie man dieß in den trockenen Blasen sehen
                              kann.
                           In allen übrigen Punkten sind die Blasen denen, welche ich früher beobachtete,
                              vollkommen gleich.
                           Es sind nun folgende Versuche in großem Maaßstabe in den Werkstätten von La Ciotat angestellt worden. 1200 Quadratmeter Eisenblech
                              wurden zuerst mit Leinöl und Mennig angestrichen, dann mit demselben Anstrich unter
                              Zusatz von schwefelsaurem Quecksilberoxyd (7,5 Proc.) versehen und hierauf ins Meer
                              gelassen. Hierdurch war eine positiv elektrische Substanz gleich zugegeben worden,
                              und somit ein colossales elektrisches Element, zugleich Condensator, in ein mit Luft
                              gesättigtes Bad von Chloralkalien getaucht. Dieses Eisenblech machte drei Reifen
                              nach Brasilien, wobei es außer der Reibung im Wasser zahlreichen Abwechselungen der
                              Temperatur ausgesetzt war.
                           Als Resultate dieses Versuches liegen uns jetzt vor:
                           1) Concretionen von Eisenoxyden (vorzüglich von Eisenoxyd-Oxydul), zum Theil in
                              pulverförmigem Zustande, in großen Mengen;
                           2) Eisenchlorür;
                           3) Chlorblei;
                           4) metallisches Blei.
                           Die chemische Analyse hat – außer den Bestandtheilen des Anstriches –
                              bis jetzt zu keinen weiteren Substanzen geführt. Dieselbe ergab im Mittel von zehn
                              Versuchen folgende Zahlen:
                           
                           
                              
                                 
                                 Concretionen der
                                    „Guienne.“
                                 Concretionen des
                                    „Béarn.“
                                 
                              
                                 Eisenoxid
                                 72,45
                                 70,54
                                 
                              
                                 Eisenchlorür
                                   2,85
                                   2,86
                                 
                              
                                 Chlorblei in Lösung
                                   2,80
                                   2,52
                                 
                              
                                 Bleioxyd mit Chlorblei gemischt
                                   7,30
                                   4,95
                                 
                              
                                 Chloralkalien
                                   0,87
                                   1,42
                                 
                              
                                 organische Substanz
                                   3,73
                                   4,99
                                 
                              
                                 Wasser
                                 10,00
                                 12,72.
                                 
                              
                           Was ist nun aber aus dem schwefelsauren Quecksilber geworden? Bisher konnte ich keine
                              Spur davon auffinden. Ich behalte mir vor, später zu untersuchen, welche
                              Veränderungen dieses Salz durch die damit gemischten fetten Substanzen erleidet.
                              (Comptes rendus, Mai 1861, t. LII. 980.)