| Titel: | Skizzen aus der allgemeinen Londoner Industrie-Ausstellung im Jahre 1862; von Max Eyth. | 
| Autor: | Max Eyth [GND] | 
| Fundstelle: | Band 166, Jahrgang 1862, Nr. I., S. 1 | 
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                        I.
                        Skizzen aus der allgemeinen Londoner
                           Industrie-Ausstellung im Jahre 1862; von Max Eyth.
                        (Fortsetzung von Bd. CLXV S. 411.)
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              I.
                        Eyth, Skizzen aus der Londoner Ausstellung.
                        
                     
                        
                           Französische Locomobilen.
                           Maschinen, welche nach dem Clayton-Shuttleworth'schen System den Cylinder in der Rauchkammer
                              haben, finden wir im französischen Departement nicht. Hingegen sind Maschinen mit
                              Cylinder in Dampfkammern sowohl als Rauchkammer, von zwei Fabriken ausgestellt,
                              – eine Combination, die ohne Zweifel eine sehr glückliche genannt werden
                              dürfte, wenn die Art der Anordnung etwas praktischer gewählt wäre.
                           
                              Barbier et Daubrée, Clermont-Ferrand.
                              Die Kessel dieser Fabrik (Fig. 1–4) bestehen
                                 aus einem Cylinder, in welchem ein Feuerrohr vom Roste aus das Feuer in die
                                 erste Rauchkammer führt, in der es umkehrt und durch Siederöhren zurückläuft.
                                 Die zweite Rauchkammer, hoch und weit über dem Kessel aufgebaut, enthält das
                                 Gußstück, welches Cylinder sowohl als Dom vorstellt, indem ein weiter Dampfraum
                                 um den Cylinder durch einen Stutzen mit dem Dampfraum des Kessels in Verbindung
                                 steht. Die Anordnung hat jedenfalls die Folge, daß nur sehr trockener und nahezu
                                 überhitzter Dampf im Cylinder arbeitet, und wäre sehr empfehlenswerth, wenn
                                 nicht Cylinder und Schieberkasten beinahe unzugänglich wären. In Betreff des
                                 Kohlenverbrauchs muß die Maschine günstige Resultate liefern, und wir können uns
                                 kaum erklären, wie sie bei der Agricultur-Ausstellung zu Paris im Jahr
                                 1860 nach den Versuchen der Commission 6 Pfund per
                                 Stunde und Pferdekraft verbrannt haben soll, wenn nicht ziemlich geringe Kohlen
                                 angewendet wurden.
                              Im Uebrigen ist die Maschine eine der leichtesten im französischen Departement.
                                 Ein am Gußstück des Cylinders angeschraubter gußeiserner Bock bildet die beiden
                                 Lineale und trägt zugleich den gewöhnlichen Kugelregulator – eine Construction,
                                 welche die relative Lage des Kolbens und Gleitstückes in bestmöglichster Weise
                                 sichert. Die Lagerböcke mit ihren angegossenen geraden Lagern sind unter sich
                                 getrennt. Die Kurbelstange ist natürlich gespalten und mit offenen Köpfen
                                 versehen. Die Speisepumpe ist in horizontaler Lage an dem Cylindergußstück
                                 festgeschraubt und durch ein Excenter, gegenüber dem Schieberexcenter, bewegt.
                                 Die Welle ist in der gewöhnlichen französischen Form, die zum mindesten nicht
                                 schön ist, abgebrochen und trägt zwei Schwungräder.
                              
                           
                              
                                 J. Cumming à
                                    Orléans.
                                 
                              Was Kessel und Lage des Cylinders anbelangt, ist die von dieser Fabrik
                                 ausgestellte Locomobile der vorangegangenen durchaus ähnlich. Die Geradführung
                                 ist in der gewöhnlichen englischen Weise durch vier Lineale gebildet, welche am
                                 Cylinderdeckel einerseits, an einem kleinen Ständer andererseits angeschraubt
                                 sind. Dieser Ständer ist zugleich die gegen die Welle hin liegende Speisepumpe,
                                 indem der Kolben derselben durch eine nach unten gehende Verlängerung des
                                 Gleitstückes geführt ist. Die Lager sitzen auf einem gemeinschaftlichen Bock,
                                 der auf einem Ansatz den direct über der Welle stehenden Regulator trägt. Dieser
                                 wird durch conische Rädchen direct in Bewegung gesetzt, anstatt des sonst
                                 unvermeidlichen Riemens.
                              Schließlich bleibt uns noch eine interessante Kesselconstruction zu erwähnen, mit
                                 welcher neuerdings mehr und mehr und durchaus ermuthigende Versuche gemacht
                                 werden, und die auf einen solchen Kessel gebaute Locomobile von
                              
                           
                              Malo, BellevilleetComp.
                              In einem viereckigen Blechkasten (Fig. 5–7) von 70
                                 Centimeter Breite, 1 Meter Länge und circa 2 Meter
                                 Höhe, welcher doppelte 3 Centimeter von einander entfernte Wände hat, liegt
                                 unten, den ganzen Querschnitt des Kessels einnehmend, der Rost. 36 Centim. über
                                 demselben liegen gußeiserne Querbarren, welche ein System schmiedeeiserner
                                 Röhren tragen, die hinten hufeisenförmig abgebogen und vorn mit angeschweißten
                                 Muffen versehen sind. Die erste Reihe von 5 Röhren ist durch ein gemeinsames
                                 schmiedeeisernes Rohr mit 5 Stutzen verbunden, wie auch, nach oben gezählt, die
                                 6te Schichte. Die 2te, 3te, 4te und 5te Reihe von Muffen sind so verbunden, daß
                                 immer nur die über einander liegenden Röhren durch ein gemeinschaftliches, 2
                                 Stutze enthaltendes Querstück communiciren. Diese Querstücke enthalten 2 runde
                                 Deckelchen, welche je durch eine Schraube dicht angezogen sind und durch welche
                                 somit jedes Rohr einzeln bequem gereinigt werden kann. Von dem Verbindungsrohr
                                 der obersten Schichte führt ein Stutz und ein gebogenes Rohr außerhalb des Kastens in den auf
                                 demselben liegenden Dampfbehälter, der aus Schmiedeeisen und cylindrisch ist und
                                 durch dessen Mitte der Kamin nach oben führt. Von demselben geht ein Rohr zur
                                 Maschine und ein zweites zu einem ziemlich großen, vertical an der Außenseite
                                 des ganzen Apparates stehenden gußeisernen Rohr, welches unten einerseits mit
                                 dem untersten Röhrensystem, andererseits mit dem Wasserstandsglas in Verbindung
                                 ist. In diese Röhre, und zwar in den mit Dampf gefüllten Theil, wird das
                                 Speisewasser gepumpt. Nur die drei untersten Reihen des Röhrensystems sind mit
                                 Wasser gefüllt.
                              Der Vortheil, welcher in diesem und allen ähnlichen Dampfkesseln liegt, ist eine
                                 möglichst geringe Menge Wasser dem Feuer auszusetzen und so eine rasche
                                 Verdampfung zu erzielen. Wie wir sehen, ist zugleich ein sehr großer Theil der
                                 Heizfläche für das Ueberhitzen des Dampfes verwendet, was beides auf eine
                                 günstige und rasche Dampfentwickelung wesentlichen Einfluß hat. Der Fabrikant
                                 gibt die Zeit in der man Dampf von 7 Atmosphären erhält, zu 35 Minuten an und
                                 glaubt mit 2 1/2–3 Pfd. Kohlen per Stunde und
                                 Pferdekraft arbeiten zu können. Er nennt seinen Kessel unexplodirbar, indem das
                                 Springen einer Röhre bei den geringen Mengen von Wasser und Dampf, die der
                                 Apparat enthält, nicht viel Unheil anrichten kann. Wie lange freilich die
                                 überhitzten Röhren Dienste leisten, kann nur durch längere Erfahrung
                                 festgestellt werden.
                              Die Maschine ist von verticalem System mit stehendem Cylinder, und auf einer
                                 gemeinschaftlichen Grundplatte an der Rückwand des Kessels angeschraubt. Sie ist
                                 hübsch gearbeitet, und abgesehen von etlichen schwer zu erklärenden
                                 constructiven Mißgriffen, eine der besten und hübschesten französischen
                                 Locomobilmaschinen. Die Welle liegt in den an der Fundamentplatte angegossenen
                                 schiefen Lagern und treibt den Regulator mit einem Riemen. Die Drosselklappe, in
                                 das Dampfeinströmungsrohr eingeschaltet, sitzt etliche Meter vom Schieberkasten
                                 entfernt. Eben so merkwürdig ist die Entfernung der Ventilsitze von der neben
                                 dem Cylinder stehenden Speisepumpe. Sonst sind die zwei Lineale der
                                 Geradführung, sowie die kurze, gespaltene Kolbenstange mit offenen Köpfen, ganz
                                 nach dem gewöhnlichen französischen Muster.
                              Leider sind wir im Augenblick nicht im Stande, eine ähnliche, die Preise der
                                 ausgestellten französischen Locomobilen enthaltende Tabelle zu geben, wie es uns
                                 die Kataloge im englischen Departement möglich machten. Es liegt darin ein
                                 charakterisirender Unterschied des englischen und französischen
                                 Geschäftsbetriebes, aus dem wir auf eine eigentlich fabrikmäßige Entwickelung
                                 des französischen Locomobilenbaues vorderhand kaum schließen dürfen. In
                                 England, wo die Maschinen zu Hunderten verkauft werden, hat sowohl in
                                 technischer als commercieller Beziehung die lächerliche Geheimnißkrämerei nahezu
                                 aufgehört, hinter der sich vor 20 und 30 Jahren die einfachsten mechanischen
                                 Processe verbargen. Die freie, ungebundene Concurrenz einerseits, und die
                                 strenge Handhabung der englischen Patentgesetze andererseits, konnten beide nur
                                 fördernd auf die commercielle Entwickelung wirken. In Frankreich und noch mehr
                                 in Deutschland fehlen noch beide Bedingungen. Daher die Vorsicht mit der alles
                                 gezeigt wird, die Preistabellen mit leeren Preiscolumnen.
                              Mit Malo, Belleville und Comp. schließt die Reihe der französischen Locomobilen, und wir gehen
                                 zu dem industriellen Nachbarlande Frankreichs über, welches auch dießmal wieder
                                 eine rühmliche Stelle in der Weltausstellung einnimmt.
                              
                           
                        
                           Belgische Locomobilen.
                           Leider vermissen wir auch hier einige der ersten Fabriken, die sich mehr nebenbei mit
                              Locomobilenbau befassen, insbesondere darunter die Société Cockerill in Seraing, deren eigenthümliche, fast
                              ganz aus Schmiedeeisen bestehende Maschinchen an Leichtigkeit die leichtesten
                              englischen Locomobilen übertreffen dürften.
                           So finden wir denn nur 2 Maschinen, von welchen die eine aus Cail's Zweigfabrik in Brüssel hervorgieng. Sie hat 2 Pferdekräfte und ist
                              in constructiver Beziehung der bereits besprochenen Maschine derselben Fabrik im
                              französischen Departement vollständig ähnlich. Die zweite ist eine transportable
                              Maschine mit horizontalem Kessel, von
                           
                              Houget à Vervier.
                              Der Kessel (Fig.
                                    8) ist ein einfacher cylindrischer Außenkessel, der eine cylindrische
                                 Feuerbüchse und 16 Röhren enthält. Derselbe hat für die 6pferdige, auf seinem
                                 Rücken liegende Maschine 9 Quadratmeter Heizfläche, was, wie man sieht, ziemlich
                                 wenig ist. Er arbeitet dabei mit der Maximalspannung von 6 Atmosphären.
                                 Feuerbüchse und Röhrensystem sind mit dem äußeren Kessel wie in dem Boidell-Balk'schen Patentkessel mit Schrauben
                                 verbunden, so daß die Röhren herausgenommen werden können. Ein eigentlicher
                                 Dampfdom fehlt.
                              Die Maschine sitzt nun auf einem gemeinsamen gußeisernen Gestell von etwas
                                 schwerem, aber für eine nur transportable Maschine hübschem Bau. Der Theil
                                 dieses Gestells, direct unter dem Cylinder, ist mit Dampf gefüllt, wie auch der
                                 den Cylinder theilweise umgebende Mantel, welche beide den Dampfdom vertreten
                                 (Fig.
                                    9). Ein Gußstück mit dem Cylinder bildend, liegt über demselben ein
                                 halbrund gewölbter Raum, in welchen der Abdampf tritt und durch den, in einem
                                 Schlangenrohr, das Speisewasser gepumpt wird, ehe es in den Kessel tritt.
                                 – Der seitlich zu öffnende Schieberkasten enthält nur einen gewöhnlichen
                                 Muschelschieber. Die Schieberstange wird nach außen durch die Speisepumpe
                                 geführt, die hinten und vorn eine Stopfbüchse hat, so daß Schieber und
                                 Speisepumpe durch ein Excenter bewegt werden – eine Construction, bei der
                                 mir die zwei Stopfbüchsen der Speisepumpe unangenehm sind. Die Geradführung
                                 besteht aus den gewöhnlichen zwei breiten Linealen und einem Gleitstück aus
                                 Gußstahl (Fig.
                                    10). Die Lineale sind am Cylinderdeckel einerseits, anderseits an
                                 einem gußeisernen Ständer befestigt, der zugleich als Regulatorbock dient (Fig. 11).
                                 Die Kolbenstange ist gespalten, die Kurbel ausgestoßen und die Welle mit zwei
                                 Schwungrädern von kleinem, schwerem Kaliber versehen. Wir sehen nicht ein, warum
                                 man sich auf dem Continent von diesen schweren, massig aussehenden Schwungrädern
                                 nicht trennen kann. In Betreff der Fundamentplatte muß erwähnt werden, daß sie
                                 nur an einem Punkte förmlich festgeschraubt ist, und die entgegengesetzten
                                 Schrauben durch Schlitze gehen, welche das Verschieben des Kessels ermöglichen.
                                 Die Wellenlager (Fig. 12) sind auf
                                 derselben aufgeschraubt und haben senkrecht mit verkeilten Schrauben aufgesetzte
                                 Deckel und diagonal geschnittene Lagerschalen, von denen die obere durch eine
                                 Stellschraube angezogen werden kann.
                              Die Maschine arbeitet mit 124 Umdrehungen – eine Anzahl, die, wie wir
                                 wissen, von englischen Locomobilen von 6 Pferdekräften gewöhnlich übertroffen
                                 wird, aber in dem belgischen Katalog als sehr hoch, gewissermaßen
                                 entschuldigend, angeführt ist. Sie treibt in der Ausstellung einen Theil einer
                                 Spinnerei.
                              Das Wichtigste ist jedoch bei der ganzen Maschine die Kraftübertragung, die durch
                                 einen Kettenriemen erzielt wird, der über zwei mit
                                 conischen Rinnen versehene Scheiben lauft und trotz der größten Schlaffheit die
                                 Kraft in ausgezeichneter Weise fortpflanzt. Die Construction ist Patent eines
                                 Hrn. Clissold. Die Gelenke der Kette bestehen aus
                                 Eisen und Leder, wobei immer ein Gelenk aus einem gewöhnlichen Blechstück das
                                 zwei Stahlzapfen trägt, das andere aus zwei Lederstücken und einem dieselben
                                 umfassenden schmiedeeisernen Bande besteht, die seitlich nach der Form der Rinne
                                 conisch abgeschnitten sind. Diese Kettenriemen finden bereits mannichfache
                                 Anwendung, besonders wo durch eigenthümliche Verhältnisse ein sich ändernder
                                 Abstand der Wellenmittel einen sehr schlaffen Riemen nöthig macht. Wir werden
                                 hierauf zurückkommen, indem sie namentlich das Neueste, was in diesem Jahre im
                                 Gebiete des Dampfpflügens geleistet wurde, ins Leben riefen.
                              
                           
                        
                           
                           Deutsche Locomobilen.
                           Wir haben nur an einem einzigen Exemplare Gelegenheit, den Stand des Locomobilenbaues
                              in unserem Vaterlande zu beurtheilen, denn die Locomobile im österreichischen
                              Departement ist in jeder Beziehung englischen Ursprungs. – Diese Locomobile
                              übertrifft jedoch, wenn wir nur die Maschine berücksichtigen, in solider
                              Construction und namentlich an Gewicht sicherlich Alles, was England, Frankreich,
                              Belgien und Amerika in diesem Zweige ausgestellt haben.
                           Der Kessel dieser Maschine, welche die Cölner
                                 Maschinenbau-Actiengesellschaft ausstellte, ist den gewöhnlichen
                              englischen Locomobilkesseln mit viereckiger Feuerbüchse und einem horizontalen
                              Siederöhrensystem durchaus ähnlich. Ueber der Feuerbüchse sitzt ein kleiner
                              gußeiserner Dom mit zwei Ansätzen, von denen der eine die Sicherheitsventile, der
                              andere das Absperrventil trägt (Fig. 15). Von demselben
                              führt ein Dampfrohr im Bogen dem Schieberkasten den Dampf zu.
                           Wir fanden bei den englischen Locomobilen die Maschinentheile direct auf dem Kessel
                              aufgenietet oder angeschraubt, und ohne weitere directe Verbindung unter sich; im
                              französischen Departement fanden wir die gemeinschaftliche, das Gewicht des Ganzen
                              bedeutend vermehrende Fundamentplatte auf den Kessel geschraubt oder genietet; bei
                              der deutschen Locomobile endlich ist für die Maschine ein rahmenförmiges
                              Fundamentgestell nicht auf den Kessel, sondern auf 8 am Kessel angenietete
                              gußeiserne Träger aufgeschraubt.
                           Die Maschine ist zweicylindrig. Die beiden Cylinder bilden ein gemeinsames Gußstück
                              mit zwischenliegendem, gemeinschaftlichem Schieberkasten. Die Geradführung besteht
                              wie bei Breval's Maschinen aus einer Stopfbüchse, durch
                              welche die verlängerte Kolbenstange tritt. Die Kurbelstange ist natürlich gespalten.
                              Der Zapfen am Kreuzkopfende dreht sich anstatt in der Kurbelstange, in dem mit
                              Messingschalen und einem Keil versehenen Kopf der Kolbenstange. Am anderen Ende hat
                              dieselbe einen mit einem Bügel geschlossenen Kopf. Die beiden Kurbeln sind
                              ausgestoßen und die Lager besonders auf den Fundamentrahmen aufgeschraubt. Die Art,
                              wie die Maschine zum Rück- und Vorwärtssteuern eingerichtet ist, ist
                              eigenthümlich. Ein Excenter faßt das obere Ende einer Coulisse, deren Form ein
                              Kreissegment ist, das vom Ende des Schieberstangenkopfes aus beschrieben wird. Diese
                              Coulisse (Fig.
                                 17) dreht sich um zwei in ihrer Mitte angeschweißte seitliche Zapfen und
                              führt das bewegliche Ende der Stange, welche sie mit der Schieberstange in
                              Verbindung bringt. Diese Stange wird durch einen Hebel gehoben oder gesenkt, und auf diese
                              Weise der Hub des Muschelschiebers verstellt. Die Coulissen mit ihren concaven
                              Rinnen, in welchen das kleine Gleitstück für die Schieberstange läuft, sind ein
                              ziemlich theures Stück Arbeit; größer aber ist der Nachtheil, welcher durch die fast
                              immer nach oben oder unten ziehende Verbindungsstange zwischen Schieberstange und
                              Coulisse auf die Stopfbüchse ausgeübt wird.
                           Die Preise dieser Locomobilen sind für
                           
                              
                                 6
                                 8
                                 10
                                 12
                                 15
                                 18
                                 Pferdekräfte
                                 
                              
                                 1350
                                 1450
                                 1700
                                 1800
                                 1950
                                 2150
                                 Thaler.
                                 
                              
                           Natürlich läßt sich nach diesem einzigen Exemplare über den Locomobilenbau
                              Deutschlands nichts sagen, als daß er sich erst seine Bahn zu brechen hat. Das
                              eigentliche Feld der Locomobile wird für die nächsten 20 Jahre das
                              landwirthschaftliche Gebiet bleiben, und Leichtigkeit ist dabei eine vielleicht
                              wichtigere Bedingung, als eine Solidität welche der Maschine eine 20jährige Dauer zu
                              garantiren scheint. Eine Locomobile für landwirthschaftliche Zwecke hat, wie wir
                              sehen, Deutschland nicht ausgestellt.
                           
                        
                           Amerikanische Locomobilen.
                           Uebersehen von Tausenden, welche die große Ausstellung nach allen Richtungen
                              durchstreifen, finden wir in dem unscheinbarsten Theil des Gebäudes, in der
                              südöstlichen Ecke, einen kleinen Raum, der einem der größten Länder der Welt
                              zugewiesen wurde. Die Vereinigten Staaten waren wegen des dortigen Bürgerkrieges
                              selbstverständlich nicht im Stande, vor der alten Welt dießmal ihre eigenthümliche
                              geistige und materielle Productionskraft zu entfalten. Das Wenige, was sie
                              ausstellten, ist jedoch charakteristisch genug, um uns augenblicklich zu zeigen, daß
                              wir uns in einer andern Welt des menschlichen Schaffens befinden.
                           Amerika ist die zweite Heimath der Locomobile, die erste vielleicht des technischen
                              Landbaues. Es hat keine eigentliche Locomobile ausgestellt. Was wir hieher rechnen
                              können, ist nur eine eigenthümlich construirte und schön ausgeführte Dampf-Feuerspritze von Wellington Lee in
                              New-York, von der wir in Fig. 18 und 19 eine Skizze
                              geben.
                           Das Ganze ist, abgesehen vom gußeisernen Cylinder, durchaus von Schmiedeeisen, Stahl
                              und Messing ausgeführt. Der Kessel, von verticalem System, ist für eine rasche
                              Dampferzeugung wie geschaffen, und soll in 10 Minuten Dampf von 7 Atmosphären
                              Spannung geben. Er besteht im Wesentlichen aus einem cylindrischen Dampfraum, in
                              dessen unteren Boden eine Reihe verticaler Röhren eingeschraubt sind. Der äußere
                              Röhrenkranz steht unter sich unten durch einen ringförmigen Wulst in Verbindung.
                              Sämmtliche Röhren, welche in diesem Wulste eingelassen sind, stehen so enge beisammen,
                              daß sie eine förmliche cylindrische Wand bilden, in deren Innerem der Rost und eine
                              Anzahl weiterer Wasserröhren liegt, die aber kürzer und von größerem Durchmesser
                              sind. In jeder dieser kürzeren Röhren führt ein Siederohr empor, welches das Feuer
                              durch den Dampfraum in die über demselben liegende Rauchkammer führt. Nur diese
                              Röhren sind vollständig mit Wasser gefüllt, so daß eine außerordentlich geringe
                              Masse Wasser mit der dem directen Feuer ausgesetzten Heizfläche in Berührung ist.
                              Die hiedurch erzielte heftige Verdampfung hat den weiteren Vortheil, daß sich in den
                              Röhren kein Kesselstein absetzen kann, sondern derselbe namentlich in den unteren
                              Wulst, in welchen gespeist wird, herabsinkt, wo er durchaus unschädlich ist.
                              Gespeist wird der Kessel durch einen Giffard'schen
                              Apparat, welcher an der Seite des Kessels angebracht ist und mit dem Windkessel der
                              Feuerspritze in Verbindung steht.
                           Vom Dampfraum aus führt ein Messingrohr zum Cylinder. Derselbe ist auf einer
                              schmiedeeisernen Fundamentplatte aufgeschraubt, die selbst mit einigen Nieten am
                              Kessel befestigt ist. Die Kolbenstange ist in dem flachen Kopf einer
                              schmiedeeisernen Traverse befestigt, welche durch vier schmiedeeiserne Lineale
                              geführt wird. Diese Traverse endet in zwei Zapfen, an welchen die beiden
                              Kurbelstangen zugleich angreifen. Dieselben fassen die in drei leichte Schwungräder
                              eingekeilten Kurbelzapfen. Die Schwungräder stecken auf einer Welle, welche zugleich
                              die Achse einer Rotationspumpe bildet.
                           Diese Pumpe, in messingenem Gehäuse, sitzt hinter dem Cylinder. Sie hat eine mit
                              einem Sieb versehene Saugöffnung und zwei mit Schiebern versehene Druckstutzen.
                              Direct über dem Druckrohr sitzt ein kupferner Windkessel, von dessen unterem Theile
                              ein dünnes Röhrchen nach dem Giffard'schen Speiseapparat
                              abzweigt, welcher an der Seite des Kessels angeschraubt ist.
                           Das Radwerk, durchaus von Schmiedeeisen, ist in Anordnung und Ausführung splendid.
                              Die Achse der Hinterräder bildet einen großen Ring, in welchem der Kessel hängt. Das
                              Ende der Fundamentplatte ruht auf der Achse der Vorderräder, und kann gehoben und
                              gesenkt werden.
                           Die geregelte Dampfspannung ist 7 Atmosphären; die Anzahl der Umdrehungen der
                              Maschine und somit der Pumpe ist 260–300.
                           Natürlich setzt die Anwendung der Maschine eine Wasserleitung voraus, welche das
                              Saugen der Pumpe ziemlich unnöthig macht. In Städten, die mit solchen versehen sind,
                              mag der Apparat einen unschätzbaren Werth haben. Die Spritze wurde leider nicht mit
                              den übrigen Feuerlöschapparaten der Ausstellung probirt; wir sind deßhalb nicht im
                              Stande, genaue Resultate
                              über ihre Leistungsfähigkeit mitzutheilen, hoffen aber diese später nachtragen zu
                              können. Sie soll mit Leichtigkeit 10' tief saugen.
                           Was constructive Verhältnisse betrifft, so ist sie in jeder Beziehung schöner als die
                              nachträglich in die Ausstellung gebrachte Dampfspritze von Merryweather, welche probirt, aber durch das Brechen verschiedener Theile
                              alsbald untüchtig wurde.
                           Hiemit wären wir am Schlusse dieses etwas langen Capitels über Locomobilen angelangt.
                              Der Grund, weßhalb wir dem Gegenstande so viel Raum widmeten, ist, weil wir von der
                              tiefgreifenden Bedeutung des Locomobilenbaues, besonders für Deutschland, fest
                              überzeugt sind und daher wünschen, die Aufmerksamkeit der einen oder anderen der
                              deutschen Maschinenfabriken auf einen Gegenstand zu lenken, welcher in Deutschland
                              überhaupt und besonders im Osten von Deutschland für die nächsten Jahre eine
                              glänzende Zukunft haben muß.
                           Die Ende Juni d. J. zu Battersea abgehaltene Ausstellung der Royal Agricultural Society of England konnte uns hierin nur bestärken.
                              Gegen 100 Locomobilen von allen Größen und Formen, fest und beweglich, zeigten dort
                              noch mehr als in der Ausstellung in Kensington, welch einer ungeheuren Ausdehnung
                              dieser Zweig der Industrie fähig ist und die zahlreichen Fremden, welche aus allen
                              Theilen der Welt zusammen strömten, bewiesen klar genug, was der Landwirthschaft
                              aller Länder im Augenblicke noth thut.
                           
                              
                                 (Die Fortsetzung folgt im nächsten Heft.)
                                 
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
