| Titel: | Ueber Kuppelungen und Dichtungen von Wasserleitungsröhren; vom Oberingenieur Paulus. | 
| Fundstelle: | Band 166, Jahrgang 1862, Nr. IV., S. 16 | 
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                        IV.
                        Ueber Kuppelungen und Dichtungen von
                           Wasserleitungsröhren; vom Oberingenieur Paulus.
                        Aus dem Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens,
                              1862 S. 103.
                        Mit einer Abbildung.
                        Paulus, über Kuppelungen und Dichtungen von
                           Wasserleitungsröhren.
                        
                     
                        
                           Die zahlreichen Arten von Röhrendichtungen leiden mehr oder weniger an folgenden
                              Mängeln:
                           1) Das gleichmäßige Verdichten der an die Röhren angegossenen Muffe ist abhängig von
                              der Pünktlichkeit der Arbeiter bei dem Verstemmen des Dichtungsmaterials.
                           2) Die Dilatation der Röhrenleitungen wirkt störend auf die Dichtung der Muffe und
                              Flantschen ein. Sehr häufig, wie z.B. bei den Flantschendichtungen ist nur eine
                              Ausdehnung der Röhren möglich, während die Schraubenbolzen das Zusammenziehen der
                              Röhren hindern.
                           3) Die zufälligen Senkungen der Röhrenleitungen in Folge von Senkungen des Erdreiches oder
                              der Untermauerungen wirken störend auf die Dichtung der Muffe ein und verursachen
                              Brüche bei der Dichtung mittelst Flantschen.
                           4) Werden solche Kuppelungen gewählt, bei welchen die unter 1, 2, 3 aufgeführten
                              Mängel möglichst beseitigt sind, so wird der Preis der Röhrenleitungen bedeutend
                              vertheuert.
                           Diese und noch manche andere Uebelstände sind es, welche jeden Techniker vor dem
                              Beginne jeder größeren Ausführung von Röhrenleitungen immer und immer wieder
                              zwingen, die Wahl der Kuppelung und die Art der Dichtung der Röhrenleitungen in
                              genaue Erwägung zu ziehen.
                           Als es sich nun darum handelte, größere Wasserleitungen auf den Linien der k. k.
                              priv. südlichen Staatsbahn herzustellen, so wurden auch alle Arten von Kuppelungen
                              und Dichtungen einer wiederholten Prüfung unterworfen, und unter Anderem wurden
                              Proben mit einer Kuppelungs- und Dichtungsart, welche in England zur
                              Anwendung gekommen seyn soll, angestellt, welche nach einigen Versuchen mit der
                              zweckmäßigsten Form der Muffe so günstige Resultate lieferte, daß die Ausbildung und
                              Anwendung dieses Systems beschlossen wurde.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 166, S. 16
                              Dieses System besteht, wie der beistehende Holzschnitt zeigt, in der Anwendung
                                 von losen Muffen mit ringförmigen Vertiefungen im Inneren von einer gewissen
                                 Form, in welchen sich Dichtungsseile festpressen, wenn man dieselben an den
                                 Röhrenenden befestigt, durch die Oeffnungen der Muffe zieht und sodann die Muffe
                                 um die Röhren dreht.
                              
                           Dieses System hat folgende Vortheile:
                           1) Der Mangel einer gleichmäßigen Verstemmung der Dichtung an dem ganzen Umfange der
                              Röhren fällt weg, weil die Arbeiter die Muffe nur mit einem Instrumente von gewisser
                              Länge so lange, bis die Kraft nicht mehr ausreicht, drehen dürfen, um eine
                              gleichmäßige Pressung des Dichtungsmaterials an dem ganzen Umfange der Röhren zu
                              erzielen.
                           2) Die Dilatation der Röhrenleitung kann nicht, wie bei den meisten Dichtungen,
                              störend auf letztere einwirken, weil die Röhren keinen Ansatz haben und sich wie in
                              einer Stopfbüchse in der Dichtung nach beiden Richtungen verschieben können.
                           3) Die Senkungen der Röhrenleitungen verursachen keine undichten Stellen oder Brüche,
                              weil der nöthige Spielraum zwischen Muffen und Röhren für gewisse Grenzen gegeben
                              werden kann.
                           4) Die Kuppelungen und die Röhren sind als roher Guß zu beschaffen und zu verwenden, und es sind
                              keinerlei Appreturen oder die Anwendung von Schrauben und dergleichen nöthig.
                           Die Beschaffung ist also die billigste.
                           Mit der Anwendung dieses Systems wurde im Jahr 1860 begonnen, und es sind seither
                              25000 laufende Fuß Röhrenleitungen von 0,5 Fuß lichter Weite auf den verschiedenen
                              Stationen ausgeführt; ferner ist eine Druckröhre von demselben lichten Durchmesser
                              und von 6000 Fuß Länge bei einer Druckhöhe von 140 Fuß für das Wasserhebewerk des
                              Bahnhofes in Ofen ausgeführt und seit mehr als einem Jahre im ungestörten Betriebe,
                              und endlich ist eine Druckröhre von 10000 Fuß Länge, 0,6 Fuß lichter Weite und einer
                              Druckhöhe von 220 Fuß für das Wasserhebewerk des Südbahnhofes in Wien ausgeführt und
                              seit drei Monaten in ungestörtem Betriebe. Es dürfte besonders hervorzuheben seyn,
                              daß bei diesen sämmtlichen Leitungen, welche mitunter unter sehr schwierigen
                              Verhältnissen hergestellt werden mußten, nicht eine einzige Reparatur an den
                              Kuppelungen und Dichtungen nothwendig wurde, obgleich man mit Sicherheit darauf
                              rechnen muß, daß zahlreiche Senkungen auf den neuen Aufschüttungen der Bahnhöfe etc.
                              vorgekommen seyn müssen.
                           Der Preis des Legens dieser Röhren, excl. der Grab- und Maurerarbeit, aber
                              incl. sämmtlicher Handarbeit und der Beschaffung des Dichtungsmaterials und der
                              Werkzeuge, wechselte zwischen 1/5 und 1/4 Gulden österr. Währ. per laufenden Fuß. Der Preis der Röhren sammt Muffen
                              stellt sich loco Wien auf 6 3/10 Gulden österr. Währ.
                              per Zollcentner.
                           Ueber die Ausführung solcher Kuppelungen und Dichtungen sind im Folgenden einige
                              Andeutungen gegeben, welche ebenfalls, wie die obigen Angaben, unmittelbar aus der
                              Praxis gegriffen sind. Die Röhren und die Muffe müssen, wie man es von jeder soliden
                              Gießerei verlangen kann, gut rund gegossen und von Gußnäthen und Gußsand befreit
                              seyn. Die Löcher an den Enden der Röhren zum Befestigen der Dichtungsseile und die
                              Löcher in den Muffen, durch welche die Dichtungsseile gezogen werden, müssen
                              abgerundete Kanten haben. Die Differenz zwischen dem äußeren Durchmesser der Röhren
                              und dem inneren Muffdurchmesser soll nicht mehr als 0,015 Fuß betragen. Die
                              Entfernung der Röhren von einander ist nach dem Grade der Dilatation zu bestimmen,
                              welcher natürlich abhängig ist von dem Wechsel der Temperatur, welchem die
                              Röhrenleitungen ausgesetzt sind. Da sich jede einzelne Röhre für sich ausdehnen und
                              zusammenziehen kann, so kann diese Entfernung eine geringe seyn.
                           Die Dichtungsseile sind aus gut gereinigtem, langem Hanfe zu verfertigen und dürfen
                              nur wenig gedreht seyn. Diese Seile werden vor dem Gebrauche mit Steinkohlentheer
                              getränkt, wobei darauf zu sehen ist, daß nicht zu viel Theer an den Seilen hängen bleibt, weil
                              sonst bei der Verdichtung zu viel Theer verloren geht und in die Röhrenleitungen
                              läuft. Man streift deßhalb die Seile vor dem Gebrauche ab, indem man zwei Seile
                              zusammennimmt und durch ein Loch von der Größe der Löcher der Muffe zieht.
                           Die Seile sind ferner gegen die Nässe zu schützen, weil nasse Seile weniger Reibung,
                              als die rein getheerten besitzen, wodurch bei demselben Kraftaufwande der Arbeiter
                              ein zu festes Aufpressen der Dichtung auf die Röhren und hierdurch ein Springen der
                              Muffe hervorgebracht werden kann. Das Anzeichnen der Röhre mit der Schablone ist
                              genau vorzunehmen, weil dieses Anzeichnen den Zwischenraum der Röhren von einander,
                              welcher für die Dilatation gegeben werden soll, bestimmt. Die Zeichen, welche man
                              mittelst der Schablone auf die Röhren macht, bestimmen den Platz der Rohrschellen,
                              zwischen welchen die Muffe während des Drehens ziemlich passend geleitet werden. Die
                              Seile sind an den Röhren entweder mittelst Knoten oder durch Holzzapfen, welche man
                              in die Löcher der Röhre eintreibt, nachdem man das Seil eingesteckt hat, zu
                              befestigen. Es ist übrigens keine starke Befestigung nothwendig, weil sich nach zwei
                              oder drei Umdrehungen der Muffe, die Seile fest auf einander legen. Die Muffe werden
                              so lange gedreht, bis ein Mann an dem Schlüssel die Reibung nicht mehr überwinden
                              kann. Bei dem Drehen der Muffe ist hauptsächlich zu beachten, daß nicht ein Seil
                              reißt. Tritt dieser Fall aber wirklich ein, so ist der Muff wieder weg zu nehmen,
                              was leicht geschehen kann, indem man denselben erwärmt, wodurch der Theer und das
                              Seil verbrennt. Dieses Verbrennen der Seile kann auch eintreten, wenn man die
                              Dichtung durch übermäßige Kraftanwendung so stark preßt, daß in Folge der Reibung
                              eine sehr starke Erwärmung eintritt. Sind die Muffe hinlänglich oft gedreht, was
                              jeder Arbeiter in ganz kurzer Zeit beurtheilen kann, so werden die Enden der Seile,
                              welche aus den Löchern der Muffe etwa noch heraus hängen, kurz an diesen Löchern
                              abgeschnitten und in die letzteren kleine Holzpfropfen eingetrieben.
                           Der ringförmige Raum zwischen dem Rohre und dem Muffe kann außerdem noch mit
                              Theerseilen calfatert werden, wozu der Verstemmer dient. Nach Vollendung dieser
                              Arbeit kann der Graben, worin die Röhrenleitung liegt, sogleich zugeworfen werden.
                              Es hängt natürlich ganz von den Localverhältnissen ab, ob man für die
                              Röhrenleitungen gemauerte Gräben, oder nur solche mit Erdböschungen anwenden
                              will.
                           Es ist hervorzuheben, daß man bei dem beschriebenen Systeme der Kuppelung und
                              Dichtung auch Curven mit geraden Röhren legen kann. Mit Röhren von 7,5 Fuß Länge
                              wurden Curven bis zu 200 Fuß Radius ohne allen Anstand gelegt, und es war nur nöthig, daß man
                              die Enden der Röhren mit dem Meisel so viel bearbeitet, daß die Entfernung zweier
                              Röhren von einander annähernd gleich bleibt.
                           Es versteht sich von selbst, daß man statt des Theers auch andere conservirende
                              Ingredienzien anwenden kann, und bezüglich der Dauerhaftigkeit dieser Dichtung ist
                              zu beachten, daß dieselbe jedenfalls so groß ist, als bei den üblichen Dichtungen,
                              weil das eigentliche Dichthalten bei den gewöhnlichen Muffdichtungen auch nur von
                              der Dauerhaftigkeit der Dichtungsseile abhängt, welche man in die Muffe treibt und
                              etwa mittelst Blei dort festhält. Das Blei selbst hält in den wenigsten Fällen
                              dicht, weil bei einer kleinen Bewegung der gedichteten Röhren beim Zuwerfen und
                              Ausstampfen der Gräben und bei Senkungen der Unterlagen Zwischenräume zwischen den
                              Röhren und dem Bleie entstehen, welche, da die Elasticität bei dem Bleie beinahe
                              gänzlich mangelt, nicht selbstständig wieder ausgefüllt werden.
                           Was aber das Blei bei der gewöhnlichen Dichtung bezweckt, nämlich das Festhalten der
                              eigentlichen Dichtung, das wird bei der beschriebenen Dichtung durch die gußeisernen
                              Muffe selbst, also solider erreicht. Außerdem wird bei der beschriebenen Dichtung
                              ein so großer Druck auf das Dichtungsmaterial ausgeübt, daß der Hanf vollkommen mit
                              der conservirenden Masse imprägnirt und also besonders dauerhaft wird.