| Titel: | Verstärkung der Lichtwirkung durch Anwendung der Ameisensäure statt Essigsäure im Entwickelungsbad mit Pyrogallussäure; von H. Claudet. | 
| Fundstelle: | Band 166, Jahrgang 1862, Nr. XV., S. 65 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XV.
                        Verstärkung der Lichtwirkung durch Anwendung der
                           Ameisensäure statt Essigsäure im Entwickelungsbad mit Pyrogallussäure; von H. Claudet.
                        Aus den Comptes rendus, August 1862, t. LV p.
                              375.
                        Claudet, über die Anwendung der Ameisensäure in der
                           Photographie.
                        
                     
                        
                           In allen Handbüchern der Photographie empfiehlt man als Bedingung der
                              Empfindlichkeit, mit der größten Sorgfalt das Bad von salpetersaurem Silber fast
                              neutral zu erhalten, auf dem Punkte wo es nahe daran ist sauer zu werden. Wenn
                              nämlich das empfindlichmachende Bad alkalisch oder stark sauer ist, so veranlaßt das
                              Entwickelungsbad von Pyrogallussäure, welches Essigsäure enthält, die Reduction des
                              Silbersalzes langsamer als wenn das Bad von salpetersaurem Silber fast neutral und
                              geneigt ist sauer zu werden.
                           Von der Ameisensäure, welche ein so auffallendes Reductionsvermögen besitzt, wurde
                              öfters angegeben, daß sich ihre Wirkung bei den photographischen Verfahrungsarten
                              benutzen lasse; aber ich fand nirgends genaue Vorschriften für ihre Anwendung
                              mitgetheilt.
                           So lange ich bei den Versuchen mit dieser Säure mit einem neutralen Silberbade
                              operirte, welches eine wesentliche Bedingung zu seyn schien, um die Wirkung des
                              andere Säuren enthaltenden Entwickelungsbades rascher zu machen, fand ich gar keinen
                              Vortheil in ihrer Anwendung.
                           Ich wollte alsdann sehen, welche Wirkung sie zeigt, vorerst mit Beihülfe eines
                              alkalischen Bades, hernach mit derjenigen eines sauren Bades, und überzeugte mich
                              nach mehreren Versuchen, wobei ich die Verhältnisse fortwährend änderte, daß die
                              Ameisensäure eine höchst kräftige Wirkung ausübt, wenn die Platte durch ein
                              entschieden saures Bad empfindlich gemacht war.
                           Man erzielt den geeigneten Grad von Säuerlichkeit, wenn man drei Tropfen
                              concentrirter Salpetersäure einem halben Liter eines Bades zusetzt, welches 2,27
                              Grm. salpetersaures Silber auf 31 Grm. destillirtes Wasser enthält. Das
                              Entwickelungsbad wird in folgender Weise bereitet:
                           
                              
                                 
                                 Grm.
                                 
                              
                                 destillirtes Wasser
                                 200
                                 
                              
                                 Pyrogallussäure
                                     1,22
                                 
                              
                                 Ameisensäure
                                   26
                                 
                              
                                 Alkohol
                                   20
                                 
                              
                           Ich verwende das Collodium von Thomas in London, welches
                              Jodkalium und Jodcadmium enthält. Die Platte muß beiläufig 3 Minuten in dem
                              Silberbade bleiben, wenn dasselbe neu ist, und 5 bis 6 Minuten wenn es schon einige Zeit
                              gebraucht wurde. Das Maximum von Empfindlichkeit erhält man mit einem neuen Bad von
                              salpetersaurem Silber. Nachdem die Platte aus dem Bad gezogen wurde, muß man sie gut
                              abtropfen lassen, bis fast kein flüssiges salpetersaures Silber darauf zurückbleibt.
                              Man bemerkt, wenn das Entwickelungsbad auf die Platte gegossen wird, daß das Bild
                              unmittelbar mit sehr schönen Halbtönen zum Vorschein kommt und daß die Lichter sehr
                              lebhaft sind. Die Aufnahme ist bei 7 1/2 Meter Entfernung, wenn das Wetter schön ist
                              und man mit einer Voigtländer'schen Linse von 76
                              Millimeter Durchmesser und einem Focus von 19 Centimetern operirt, eine
                              augenblickliche.
                           Durch diese Anwendungsweise der Ameisensäure erhält man folgende Vortheile:
                           1) das Bild kommt so schnell wie mit Eisenvitriol zum Vorschein, aber kräftiger;
                           2) wenn die Aufnahme in der erforderlichen Zeit bewerkstelligt wurde, so braucht man
                              das Negativ nicht zu verstärken, wie man es allgemein thut, wenn man den
                              Eisenvitriol anwendet;
                           3) die Aufnahme erfordert nach diesem Verfahren nur den sechsten Theil der Zeit,
                              welche das gewöhnliche Verfahren mit einem neutralen Silberbad und einem
                              Entwickelungsbad aus Pyrogallussäure und Essigsäure erheischt.
                           Es ist einleuchtend, daß wenn das Bild augenblicklich unter den Glasrahmen der camera, worin man operirt und bei einer Entfernung von 7
                              1/2 Metern erzeugt werden kann, ein so rasches Verfahren von großem Nutzen seyn muß
                              um das Bild von sich bewegenden Gegenständen zu fixiren. Bis jetzt habe ich noch
                              nicht Zeit gefunden derartige Versuche anzustellen.
                           Ich kenne das Verfahren nicht, wornach die Herren Ferrier,
                                 Warnod, Wilson, England und Breese die schönen
                              augenblicklichen Ansichten darstellen, welche man auf der allgemeinen Londoner
                              Industrieausstellung bewundert, ich zweifle aber nicht daß die beschleunigende
                              Wirkung der Ameisensäure, wenn sie von diesen geschickten Photographen nicht bereits
                              benutzt wird, in ihren Händen noch außerordentlicherem Resultate hervorzubringen
                              vermag.