| Titel: | Versuche über einige Beleuchtungsmaterialien; von Dr. Marx in Stuttgart. | 
| Fundstelle: | Band 166, Jahrgang 1862, Nr. LXXVII., S. 348 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        LXXVII.
                        Versuche über einige Beleuchtungsmaterialien; von
                           Dr. Marx in
                           Stuttgart.
                        Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, 1862, Nr.
                              45.
                        Marx, Versuche über einige Beleuchtungsmaterialien.
                        
                     
                        
                           In neuerer Zeit werden von Amerika bedeutende Quantitäten Erdöl in den Handel
                              gebracht, sowohl im rohen als im rectificirten Zustand, und wird das letztere
                              unmittelbar als Leuchtmaterial verkauft, nur war man in der Anwendung desselben
                              anfangs ängstlich, da von verschiedenen Seiten Brandfälle bekannt wurden, welche
                              durch Erdöl veranlaßt worden waren. Es dürfte deßhalb nicht uninteressant seyn,
                              Versuche, die in diesem Sinne im chemischen Laboratorium der kgl. polytechnischen
                              Schule zu Stuttgart gemacht worden sind, zu veröffentlichen.
                           Es wurde das rectificirte Erdöl, also Erdöl in dem Zustand, in welchem es als
                              Beleuchtungsmaterial verkauft wird, in Beziehung auf Entzündlichkeit mit den
                              flüchtigen Oelen, Photogen, Schieferöl und Terpenthinöl verglichen. Bei den
                              Versuchen wurden zunächst größere Mengen der einzelnen Oele in offene Schalen
                              gebracht und durch kurzes Berühren mit einem brennenden Span sie zu entzünden
                              gesucht. Bei der damaligen Lufttemperatur von 14° R. gelang dieß beim
                              Schieferöl, die übrigen Oele entzündeten sich bei dieser Temperatur nicht, sie
                              mußten erst erhitzt werden, und zwar das Terpenthinöl bis auf 42° R., wurde
                              es auf 46° R. erhitzt, so fieng dasselbe an zu brennen, wenn man sich dem Oel
                              mit dem brennenden Span bis auf einen Zoll Entfernung näherte; das Erdöl und das
                              Photogen verhielten sich bei diesen Versuchen fast ganz gleich, sie ließen sich mit
                              dem brennenden Span erst nach dem Erhitzen auf 50° R. entzünden, bei
                              54° R. auf einen Zoll Entfernung. Analog diesen Resultaten waren die der
                              freiwilligen Verdunstung. Es wurden nämlich gleiche Mengen der Oele in gleich großen
                              Glascylindern von 30 Millim. Höhe und 95 Millim. Durchmesser neben einander
                              aufgestellt, wobei nach 41 Stunden die Menge des verdunsteten Erdöls 4,4 Gramme, die
                              des Photogens 4,5 Grm. betrug, das Schieferöl hatte 32,2 Grm. von seinem Gewicht
                              verloren, das Terpenthinöl 13,4 Grm.
                           Aus diesen Versuchen geht hervor, daß das angewendete Schieferöl sich von den
                              versuchten Materialien am leichtesten entzünden läßt, und daß das rectificirte Erdöl
                              nicht feuergefährlicher ist, wie das schon seit längerer Zeit verwendete Photogen,
                              welche beide sich schwieriger entzünden lassen als Terpenthinöl. Die erwähnten häufigeren
                              Brandfälle werden wohl meist durch rohes Erdöl veranlaßt worden seyn.
                           Außer diesen Versuchen wurden noch photometrische Messungen mit verschiedenen
                              Leuchtmaterialien vorgenommen, bei deren Ausführung mir Hr. Naschold wesentlich beistand und deren Resultate ich in Folgendem
                              mittheile:
                           Zur Vergleichung der verschiedenen Leuchtstoffe diente als Einheit die Flamme einer
                              Stuttgarter Normalwachskerze, wie solche zu den photometrischen Gasuntersuchungen
                              hier angewendet wird. Von diesen Kerzen gehen vier aufs Pfund, das in Wirklichkeit
                              469 Grm. wog und 1 fl. 30 kr. kostet. Der Durchmesser der cylindrischen Kerze mißt
                              22 Millimeter. Die Kerze wurde, wie es hier bei den photometrischen
                              Gasuntersuchungen üblich ist, mit einer Flammenhöhe von 18 württembergischen Linien
                              oder 51,5 Millimetern gebrannt, dabei beträgt der stündliche Consum 7,75 Grm.
                           Die bei den Versuchen angewendeten Stearinkerzen waren aus der Fabrik von Münzing in Heilbronn; es wurden solche benützt, von denen
                              fünf, und solche, von denen vier im Pfundpacket sind. Das Nettogewicht des Pfunds
                              Fünfer war 481,5 Grm., das der Vierer 479,5 Grm. Die Länge des nahezu cylindrischen
                              Theiles der Fünfer-Kerze betrug 280 Millimeter, Conuslänge 18 Millimeter,
                              oberer Durchmesser der Kerze 20 Millimeter, unterer Durchmesser 22 Millimeter. Die
                              Länge der Vierer-Kerze ohne den Conus war gleich 321 Millimetern, Conuslänge
                              30 Millimeter, oberer Durchmesser der Kerze 21 Millimeter, unterer Durchmesser 23
                              Millimeter. Die Fünfer-Kerze brannte ziemlich constant mit einer Flammenhöhe
                              von 18 Linien bei einer stündlichen Consumtion von 9,95 Grm., die
                              Vierer-Kerze dagegen mit etwas niedrigerer Flamme (17 Linien) und consumirte
                              stündlich 9,5 Grm. Das Pfundpacket dieser Stearinkerzen kostet hier im Detail 39
                              kr.
                           Ferner wurden Paraffinkerzen verwendet, von welchen vier Kerzen im Halbpfundpacket
                              waren; dieselben wogen 247 Grm. und kosteten 54 kr. Länge einer Kerze ohne Conus 230
                              Millimeter, Conuslänge 18 Millim., oberer Durchmesser der Kerze 19 Millim., unterer
                              Durchmesser 20 Millim. Sie brannte mit einer Flammenhöhe von 18 Linien und
                              verbrauchte stündlich 7,2 Grm.
                           Das zur Anwendung gebrachte rectificirte Erdöl hatte ein specifisches Gewicht = 0,808
                              bei 14 1/2° R.; es wird hier die Maaß (1,837 Liter) zu 1 fl. verkauft und
                              diese wiegt 2,96 Pfund.
                           Das Photogen (sächsisches Braunkohlenöl) wurde etwas schwerer befunden wie das vorige, sein
                              specifisches Gewicht war nämlich 0,810; die Maaß desselben wog 2,97 Pfund und kostet
                              dieselbe hier 1 fl. 10 kr.
                           Das Schieferöl war von Reutlingen, hatte ein specifisches Gewicht = 0,817 bei 14
                              1/2° R. und wog 3,00 Pfd. per Maaß, welche im
                              Detail hier mit 1 fl. bezahlt wird.
                           Das Photogen und ebenso das Schieferöl wurden aus Lampen gebrannt, wie sie hier für
                              diese Oele verkauft werden; der platte Docht der Lampen war 11 Millimeter breit und
                              die Flamme verzehrte beim Brennen von Photogen stündlich 14,3 Grm.; beim Brennen von
                              Schieferöl 14,5 Grm. Das Erdöl wurde aus einer Erdöllampe von derselben Construction
                              wie die obigen Lampen gebrannt, nur waren die Luftzugöffnungen derselben etwas
                              größer. Die Dochtbreite war auch = 11 Millim. und die stündliche Consumtion an Erdöl
                              betrug 15,1 Grm.
                           Für das gewöhnliche Lampenöl (Rüböl) wurde eine Moderatorlampe angewendet, bei
                              welcher der mittlere Durchmesser des Dochtrings 17 Millim. betrug. Die Lampe
                              verzehrte stündlich 19,9 Grm. Das Pfund Rüböl zu 500 Grm. kostet im Detail 19
                              kr.
                           Das Leuchtgas, aus Fledermausbrennern von Speckstein gebrannt, wurde bei einem
                              stündlichen Consum von 4,5 Kubikfuß engl. bei einem Druck von 21 Millimeter
                              Wassersäule, unmittelbar unter dem Brenner während des Brennens gemessen, und bei
                              einem Druck von 8 Millimetern versucht. Tausend Kubikfuß engl. kosten 6 fl.
                           Aus diesen Angaben und aus den angestellten photometrischen Messungen läßt sich nun
                              folgende Tabelle zusammenstellen:
                           
                              
                                 
                                 Consum
                                    per Stundein Grm. undengl.
                                    Kubikfuß
                                 Diese kosten
                                    per StundeKreuzer
                                 Sie gebendabei eineLichtstärkein
                                    Kerzengleich
                                 Demnachkostet das Lichtvon einer Kerze
                                    per Stundein Kreuzern
                                 
                              
                                 Stuttgart. Normalwachskerze
                                       7,75
                                    Grm.
                                 1,48
                                 1,0
                                 1,48
                                 
                              
                                 Vierer-Stearinkerze
                                   9,5    
                                    „
                                 0,77
                                 0,9
                                 0,85
                                 
                              
                                 Fünfer-Stearinkerze
                                   9,95   „
                                 0,81
                                 1,0
                                 0,81
                                 
                              
                                 Paraffinkerze
                                   7,2    
                                    „
                                 1,57
                                 1,1
                                 1,42
                                 
                              
                                 amerikanisches Erdöl
                                 15,1     „
                                 0,61
                                 3,2
                                 0,19
                                 
                              
                                 Photogen
                                 14,3     „
                                 0,68
                                 3,0
                                 0,23
                                 
                              
                                 Schieferöl
                                 14,5     „
                                 0,58
                                 3,0
                                 0,19
                                 
                              
                                 Rüböl
                                 19,9     „
                                 0,76
                                 2,8
                                 0,27
                                 
                              
                                 Leuchtgas bei 21 Millim. Druck
                                         4,5
                                    Kubikf.
                                 1,62
                                    6
                                 0,27
                                 
                              
                                 Leuchtgas bei 8 Millim. Druck
                                   4,5    
                                    „
                                 1,62
                                  10
                                 0,16
                                 
                              
                           Deutlich ergibt sich hieraus, daß unter Berücksichtigung der erzielten Lichtmengen
                              das Leuchtgas, wenn es unter günstigen Bedingungen verbrennt, am billigsten ist, daß ihm aber
                              Erdöl und Schieferöl wenig nachstehen, man sogar mit diesen Materialien ein
                              billigeres Licht erzielt als mit Leuchtgas, wenn dasselbe unter einigermaßen
                              ungünstigen Verhältnissen verbrannt wird. Das Photogen kommt nach diesen Versuchen
                              schon um 21 Proc. theurer als Erdöl und Schieferöl und das Brennen von Rüböl sogar
                              um 42 Proc.
                           Es zeigen ferner diese Zahlen, daß das Brennen von Kerzen ziemlich theurer kommt als
                              das Brennen von Oelen und daß die Stearinkerzen unter den verwendeten Kerzen die
                              billigsten sind sowie daß die Paraffinkerzen selbst unter Berücksichtigung der
                              höheren Leuchtkraft des Paraffins nicht billiger zu stehen kommen als die
                              Wachskerzen.