| Titel: | Ueber die Fabrication des Chlorkalks; von Dr. C. Schrader, Chemiker und Techniker in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 168, Jahrgang 1863, Nr. LXXIX., S. 269 | 
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                        LXXIX.
                        Ueber die Fabrication des Chlorkalks; von Dr.
                           C. Schrader, Chemiker
                           und Techniker in Berlin.
                        Aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd.
                              VI S. 581.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              IV.
                        Schrader, über die Fabrication des Chlorkalks.
                        
                     
                        
                           Der Chlorkalk, welcher zunächst als ein Ersatz für die Javelle'sche und Labarraque'sche
                              Bleichflüssigkeit in den Verkehr kam, enthielt bis zu Anfang der vierziger Jahre nie
                              über 20 bis 24 Proc. an bleichendem Chlor. Bei Herstellung eines solchen Präparats
                              waren wenig Schwierigkeiten zu beseitigen gewesen, da ein so beschaffener Chlorkalk
                              von relativ großer Beständigkeit ist. Ganz andere Erscheinungen wurden indessen an
                              diesem Präparate gemacht, als der Handel in demselben einen größeren Gehalt an
                              bleichendem Chlor bis zu den Grenzen von 33 bis 36 Proc. verlangte. Ein solcher
                              Chlorkalk zeigte eine sehr große Neigung sich zu zersetzen und in verhältnißmäßig
                              kurzer Zeit den bei weitem größten Theil seines Gehaltes an unterchloriger Säure
                              einzubüßen. Er geht hierbei in eine Masse über, welche neben chlorsaurem Kalk im
                              Wesentlichen aus
                              Chlorcalcium besteht. Es soll auch in früherer Zeit vielfach vorgekommen seyn, daß
                              die Zersetzung des Chlorkalks von einer sehr intensiven Sauerstoffentwickelung
                              begleitet war. In neuester Zeit ist eine derartige Erscheinung von Hofmann in London an einem Jahre lang in einem gut
                              verschlossenen Glasgefäß aufbewahrten Chlorkalk wahrgenommen worden. Es finden
                              solche explosionsartige Reactionen wohl darin eine Erklärung, daß das durch eine
                              allmähliche Zersetzung des Chlorkalks in Freiheit gesetzte und keinen Ausweg habende
                              Gas durch irgendwelche äußere Einflüsse (Temperaturerhöhung) ausgedehnt wird und so
                              die Explosion hervorruft. In der Praxis sind solche Reactionen auch nur dann
                              beobachtet worden, wenn äußerst fest verpackter Chlorkalk der Sonnenhitze ausgesetzt
                              wurde, und so dem in Freiheit sich findenden Gase der nöthige Raum fehlte. Durch
                              lange andauernde, in großem Maßstab ausgeführte Untersuchungen hat der Verfasser
                              festgestellt, daß der Chlorkalk sich stets in der angegebenen Weise zersetzt, d.h.
                              successive Sauerstoff verliert und schließlich in eine dem Wesen nach aus
                              Chlorcalcium bestehende Masse übergeht. Die Verhinderung einer raschen Zersetzung
                              des Chlorkalks ist durch nachstehende, bei der Fabrication einzuhaltende Umstände
                              vielfältig bewirkt worden.
                           1) Eine wesentliche Bedingung zur Erzielung eines guten Chlorkalkes ist ein reiner,
                              thon- und eisenfreier Kalk. Derselbe muß in möglichst frisch gebranntem
                              Zustande zur Verarbeitung gelangen und derart gelöscht werden, daß er einen
                              bestimmten Gehalt an Feuchtigkeit besitzt. Durch eine Reihe von Versuchen sind die
                              Grenzwerthe von 6 bis 12 Proc. als der geeignetste Feuchtigkeitsgehalt für einen zur
                              Darstellung von Chlorkalk zu verwendenden Kalt erkannt worden.
                           Zur Darstellung eines derartigen Kalkhydrats bedient man sich einer durchlöcherten
                              Schippe, Fig.
                                 7. Man bringt auf diese den gebrannten Kalk und hält die Schippe so
                              gefüllt in eine Wanne mit Wasser. Nach wenigen Minuten beginnt der Kalk sich zu
                              löschen; man läßt denselben so lange im Wasser, bis die Hauptreaction vorüber ist.
                              Man hebt die Schippe dann aus dem Wasser und läßt sie ablaufen. Der Kalk wird auf
                              eine Tenne geworfen; nachdem eine genügende Menge desselben beinahe staubtrocken
                              gelöscht ist, wird die ganze Menge mittelst einer Gießkanne angefeuchtet und
                              andauernd durchgeharkt. Man hat es so in der Hand, bei einiger Uebung dem Kalk den
                              gewünschten Feuchtigkeitsgrad zu geben. Nach dem Erkalten wird der so gewonnene Kalk
                              mittelst einer Mühle abgesiebt und ist zum Eintragen in die Kammer vorbereitet.
                           2) Von wesentlichem Einfluß für das weitere Gelingen der Operation sind die Art und
                              die Dimensionen des gesammten Apparates. Was zunächst die Entwickelungsapparate anbelangt, in denen
                              durch Braunstein und Salzsäure Chlor entwickelt wird, so wurden die ältesten, aus
                              bleiernen Blasen bestehenden Vorrichtungen sehr bald durch thönerne
                              Entwickelungsapparate und diese wieder durch solche aus Sandstein verdrängt. In
                              Gegenden, wo letzterer schwer zu beschaffen ist, findet man wohl noch, wie z.B. in
                              Frankreich, die erst genannten. Ihre Einrichtung und Construction ist vielseitig
                              beschrieben worden, und genügt ein Blick auf einen derartigen Apparat mit seinen
                              vielfachen Röhrenverbindungen und Verkittungen, um ihn da, wo es irgend zulässig
                              ist, durch die so einfachen in Sandstein ausgeführten Constructionen zu verdrängen.
                              Man findet dieselben jetzt im Wesentlichen in drei Modificationen in den
                              Chlorkalkfabriken vertreten.
                           Die Apparate bestehen zunächst aus einem Troge von Sandstein, Fig. 8 und 9, welcher aus einem
                              Stücke gearbeitet und dann, sowie alle aus Sandstein gearbeiteten, in der chemischen
                              Technik verwendeten Gegenstände, in Theer gekocht ist. Hierdurch werden selbst nicht
                              zu harte Sandsteine sehr fest und ganz undurchdringlich für Flüssigkeiten und
                              Säuren. An einer Seite dieser Tröge befindet sich eine Oeffnung a, welche durch einen Sandsteindeckel dicht zu
                              verschließen ist. Durch diese Oeffnung wird die resultirende Manganlauge nach
                              beendeter Operation abgelassen. Den Verschluß dieser Tröge bildet der
                              Sandsteindeckel b, b, in welchem sich das Mannloch c, sowie das Gasableitungsrohr d befindet.
                           Die weitere Construction der Apparate unterscheidet sich nun darin, daß man die
                              Chlormischung entweder dadurch erwärmt, daß, wie in Fig. 9 gezeigt ist, ein
                              Dampfrohr f direct in den Kasten geleitet wird, oder
                              dadurch, daß, wie in Fig. 10–13, die Tröge
                              mit einem Mantel m, m umgeben sind und so von außen
                              erwärmt werden. Diese Mäntel können, wie in Fig. 12 und 13, aus
                              Sandstein construirt oder, was weit billiger, aus Holz hergestellt werden. In diesem
                              Falle bedient man sich am besten runder Tröge, Fig. 10 und 11, um die
                              Dichtungen des Mantels leichter zu bewirken. Die Wahl für eine dieser Anordnungen
                              muß Hand in Hand gehen mit dem zur Verwendung stehenden Braunstein. Schließt
                              letzterer sich leicht durch Salzsäure auf und beeinträchtigt eine geringe Verdünnung
                              dieser die Lösung des Braunsteins wenig, so wird stets der in Fig. 8 und 9 angegebenen Methode,
                              durch directes Einleiten von Wasserdampf die Mischung zu erwärmen, der Vorzug zu
                              geben seyn. Dieses Verfahren ist in der Ausführung und Anlage mit den geringsten
                              Kosten verknüpft.
                           Was die weitere Einrichtung dieser Apparate betrifft, so wurde in früheren Zeiten der
                              Braunstein in den Trog eingebracht und später die Säure darauf gegeben. Die
                              mehrfachen Uebelstände, welche ein derartiges Verfahren hervorrief, wurden
                              Veranlassung, in die Tröge Sandsteinroste r, r zu legen,
                              und auf diese den Braunstein zu schütten. Die Form dieser Roste ist an einer
                              Durchschnittszeichnung derselben Fig. 14 ersichtlich. Man
                              hat hierdurch verschiedene Vortheile erreicht, unter anderen den, nach beendeter
                              Operation durch a. eine klare Manganlauge abziehen zu
                              können und auf den Rosten r, r den überschüssigen
                              Braunstein zurückzuhalten.
                           Um eine noch größere Einwirkungsfläche der Salzsäure auf den Braunstein darzubieten,
                              findet man auch in einigen großen Etablissements die in Fig. 12 angegebene
                              Vorrichtung. Es wird hier der Braunstein in runde thönerne, siebartig durchbrochene
                              Gefäße s, s gethan und diese, so angefüllt, in den Trog
                              eingehängt. Der Braunstein ist bei dieser Vorrichtung von allen Seiten der
                              Einwirkung der Salzsäure ausgesetzt; auch werden Verluste an demselben durch diese
                              Einrichtung verhütet.
                           Das Eingießen der Salzsäure in die Tröge kann ebenfalls auf verschiedene Weise
                              erzielt werden. Die vorzüglichsten Methoden sind folgende:
                           Man construirt den Deckel derart, daß man eine mittelst eines Sandsteinstöpsels
                              verschließbare Oeffnung t in demselben läßt. Durch diese
                              wird die Säure mittelst eines aus Blei gefertigten Gefäßes, Fig. 15, eingegeben. Der
                              Heber H desselben wird in die Oeffnung t gesteckt, das Gefäß selbst zwischen zwei kleine
                              Holzböcke gestellt und über diese der Ballon in das Bleigefäß gestülpt. In letzterem
                              befindet sich ein siebartig durchbrochener Boden z,
                              welcher verhindert, daß der Heber H durch einfallende
                              Verunreinigungen verstopft werde.
                           Eine zweite Methode ist aus Fig. 8 und 9 zu ersehen. Es sind hier
                              außerhalb des Gebäudes, in dem sich die Apparate befinden, Sandsteinkrippen der Art
                              angebracht, daß zu jedem Entwickelungstroge eine derartige Vorrichtung g gehört. Aus derselben führt ein Rohr in den
                              Entwickelungsapparat, welches in letzterem ein Knie hat und gegen 1 Fuß in denselben
                              hinein führt. Es wird so ein pneumatischer Verschluß erzielt und durch diese
                              Vorrichtung ist das sonst sehr umständliche und lange dauernde Eingießen von Säure
                              äußerst rasch und leicht zu bewerkstelligen.
                           Von den sonstigen Einrichtungen dieser Apparate ist noch das nach den Kammern
                              hinführende Chlorleitungsrohr zu beschreiben. Dasselbe kann entweder, wie in Fig. 8, in
                              einen auf dem Deckel des Apparates sich befindenden Sandsteinaufsatz eingelassen
                              werden oder direct in dem Deckel angebracht seyn, wie in Fig. 10 und 12 ersichtlich
                              ist. Die Leitung selbst macht man aus Thonröhren und verkittet sie mittelst eines
                              aus Oel und Kreide geschlagenen Kittes. Man leitet in diesen Röhren das Chlor nun der Art nach den
                              Kalkkammern, daß man es zunächst einen Tourille, Figur 8,
                              passiren läßt. Es ist nicht unzweckmäßig, diesen mit in Schwefelsäure getränkten
                              Kohks zu füllen, um so viel wie möglich das Gas zu trocknen. Zu diesem Behufe werden
                              auch möglichst lange Röhrenstrecken vorgezogen und man führt dieselben der Art, daß
                              sie unter einem Winkel in die Kammern münden. Dem in ihnen etwa noch condensirten
                              Wasser wird es hierdurch ermöglicht, nach den Tourilles
                              abzufließen.
                           Der dritte Theil des Apparates besteht aus den schon mehrfach erwähnten Kammern, in
                              denen das Kalkhydrat der Einwirkung des Chlors ausgesetzt wird. Dieselben sind je
                              nach dem in der Gegend vorhandenen Baumaterial entweder aus Sandstein, aus Schiefer
                              oder aus Backsteinen erbaut. Bleikammern, die auch vielseitig in Vorschlag gewesen,
                              haben sich insofern nicht bewährt, als sie bei einem sehr hohen Anlagecapital nicht
                              lange der Einwirkung des Chlors widerstehen. Der Boden dieser Kammern ist entweder
                              gedielt oder mit Backsteinen gepflastert. Die Kammern werden am besten mit
                              getheertem Holz der Art gedeckt, wie es in Fig. 8 angegeben ist. Man
                              legt über die Kammern Balken von 6 bis 8 Zoll, in Entfernung von etwa 4 Fuß,
                              schneidet in dieselben schwalbenschwanzartige Falze und zieht in diese 2zöllige
                              Bohlen, welche ebenfalls in einander genuthet und gefalzt sind, ein. Das ganze
                              Holzwerk ist in Theer gekocht worden und mit Theerkitt gedichtet. Eine solche
                              Construction widersteht ausgezeichnet jeder Einwirkung des Chlorgases und hält sehr
                              dicht. Der innere Raum wird in der Kammer am besten ganz frei gelassen und der Kalk
                              nur auf dem Boden der Kammer in einer halbzölligen Schicht ausgebreitet. 100 Pfund
                              Kalkhydrat gebrauchen hierzu 34 Quadratfuß Raum. Die früher üblichen Horden sind als
                              die Arbeit erschwerend beinahe durchgängig beseitigt worden. Ebenso ist ein Umharken
                              des Kalkes während der Operation als unnütz erkannt worden, und bleibt der Kalk
                              während der Dauer der Operation in angegebener Weise der Einwirkung des Chlors
                              ausgesetzt.
                           Nachdem im Vorstehenden eine detaillirte Beschreibung des Apparates gegeben ist,
                              wendet der Verfasser sich zu der Discussion über die Bedingungen, welche bei der
                              mittelst desselben auszuführenden Arbeit einzuhalten sind.
                           a) Dem Kalkhydrat muß allmählich in stets zunehmender
                              Menge Chlorgas zugeführt werden. Unterläßt man dieses, so tritt eine durch die
                              rasche Absorption hervorgerufene starke Temperaturerhöhung ein und gibt Veranlassung
                              zur Bildung von chlorsaurem Kalk.
                           b) Das Kalkhydrat darf nicht mit Chlor übersättigt
                              werden, widrigenfalls ein zu rasch sich zersetzender Chlorkalk erzielt wird, d.h. es müssen die Mengen
                              des angewendeten Kalkhydrats in einem bestimmten, durch die Praxis ermittelten
                              Verhältniß zur Menge des entwickelten Chlors stehen.
                           c) Mit dem zunehmenden Gehalt an Chlor nimmt die
                              Absorptionsfähigkeit des Kalkes der Art ab, daß nach beendeter und richtig
                              geleiteter Operation stets neben einem großen Ueberschuß von Chlor in den Kammern
                              (es müssen diese bei ihrer Oeffnung grünlich durch in ihnen vorhandenes Chlor
                              aussehen) noch freier Aetzkalk im fertigen Präparat vorhanden seyn muß.
                           d) Die Handhabe zur Leitung des Processes nach den
                              vorstehenden Angaben liegt nun in den oben beschriebenen
                              Chlorentwickelungs-Apparaten und in dem Anhaltspunkte, welchen man durch die
                              Analyse der in denselben sich findenden Säure jederzeit gewinnen kann.
                           Bei Beobachtung der genannten Punkte gelingt es, einen Chlorkalk zu fabriciren,
                              welcher bei einem Gehalte von 33 bis 35 Procent an bleichendem Chlor höchstens 3 bis
                              4 Procent an diesem im Laufe eines Jahres einbüßt, vorausgesetzt, daß er sorgfältig
                              verpackt und vor directer Sonnenhitze und Nässe geschützt aufbewahrt wird.
                           Zur Herstellung von 1 Centner Chlorkalk von 33 bis 35 Proc. an bleichendem Chlor
                              gebraucht man nach dieser Anordnung 3 1/2 bis 4 Ctr. Salzsäure von 21 bis 22°
                              Baumé und erzielt aus 1 Ctr. Kalkhydrat 1 1/2 Centner Chlorkalk.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
