| Titel: | Ueber die Zuckerextractionsmethoden für Colonial- und inländischen Zucker von Alvaro Reynoso einerseits und Perier und Possoz andererseits; Bericht von A. Payen. | 
| Fundstelle: | Band 170, Jahrgang 1863, Nr. XIX., S. 64 | 
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                        XIX.
                        Ueber die Zuckerextractionsmethoden für
                           Colonial- und inländischen Zucker von Alvaro Reynoso einerseits und Perier und Possoz andererseits; Bericht von
                           A. Payen.
                        Aus den Comptes rendus, t. LVII p. 78.
                        Payen, über die Zuckerextractionsmethoden von Reynoso, Possoz und
                           Perier.
                        
                     
                        
                           Die im Auftrage der (französischen) Akademie durch die aus den HHrn. Dumas, Pelouze und dem Berichterstatter bestehende
                              Commission geprüften Methoden beruhen einerseits auf der Anwendung der
                              schwefligsauren Salze, und andererseits auf der abwechselnden Einwirkung des Kalkes
                              und der Kohlensäure, mit oder ohne Hinzukommen von stärkeren Säuren.
                           Angesichts der vielfachen Versuche, welche schon seit längerer Zeit mit der Anwendung
                              der genannten Stoffe gemacht worden sind, sollte man fast glauben, daß nichts
                              wesentlich Neues mehr geboten werden könnte. Dennoch waren auf beiden angedeuteten
                              Wegen noch wesentliche Fortschritte zu machen, und man wird aus dem Folgenden
                              erkennen, daß nur die feinsten wissenschaftlichen Untersuchungen den
                              Fabrikoperationen zu folgen und dieselben zu erklären vermögen.
                           Nach den Angaben Reynoso's muß der schwefligsaure Kalk
                              stets mit einer solchen Menge Aetzkalk angewandt werden, daß die Säfte stark
                              alkalisch bleiben, und wird auch dieses Salz in mehreren Zuckersiedereien der Insel
                              Cuba mit bestem Erfolge angewandt. Es bedarf zur Vervollständigung dieser Angaben
                              Reynoso's nur noch einer Mittheilung von seiner Seite
                              über die Art, wie man die Incrustationen in den Verdampfpfannen, namentlich wenn
                              dazu geschlossene Apparate benutzt werden, vermeiden kann; im Uebrigen scheint die
                              Methode günstige Verhältnisse zu bieten.
                           
                           Die HHrn. Perier und Possoz
                              haben dagegen eine besondere Methode für die Behandlung des
                                 Zuckerrohrsaftes angegebenPolytechn. Journal Bd. CLXVII S.
                                       221., welche in der Anwendung des neutralen schwefligsauren Natrons besteht, und
                              jede Incrustation beim Verdampfen unter dem verminderten Druck von 0,5–0,9
                              Atmosphären vermeiden soll. In dieser Beziehung wurden von der Commission folgende
                              Versuche mit Otahaiti-Zuckerrohr, welches von Cuba gekommen war,
                              angestellt.
                           4500 Gramme Rohr gaben beim zweimaligen Walzenpressen 3270 Grm. Saft von einem spec.
                              Gewicht von 1078 (10,5° Baumé) bei 15° C.
                           Zu 1000 Grm. dieses Saftes wurden in der Kälte 2 Grm. Kalk zugesetzt und soviel
                              Kohlensäure durchgeleitet, bis die gelbliche Färbung verschwand; nach dem Aufkochen
                              und Filtriren wurde in die klare Flüssigkeit Kohlensäure geleitet und nach und nach
                              3 Grm. Kalk (mit dem zehnfachen Gewichte Wasser abgelöscht und vermischt, wie bei
                              allen diesen Versuchen) zugesetzt; sobald Kalkwasser einen Ueberschuß von
                              Kohlensäure anzeigte, wurde dieser durch Kochen entfernt und die Flüssigkeit
                              filtrirt. Nachdem auf diese Weise der Kalk entfernt war, wurden die kohlensauren
                              Alkalien fast gänzlich durch schweflige Säure (12 Kubikcentimeter einer Lösung von 3
                              Proc. Gehalt) zersetzt.
                           Der Saft wurde nun bis zur Zuckerprobe, d.h. bis zu einem Siedepunkt von 115°
                              C. eingedampft, und die Krystallisation durch Zufügung von 1 Grm. Zucker
                              eingeleitet. Das Kochen auf freiem Feuer ging leicht von statten, die klare und
                              wenig gefärbte Flüssigkeit ergab eine regelmäßige und sehr schön krystallisirte
                              Masse.
                           Man sieht, daß bei diesem Verfahren aller Kalk entfernt wird und daß es sich für die
                              Siedereien eignet, welche in geschlossenen Apparaten mit Luftleere kochen und alle
                              Incrustationen vermeiden müssen.
                           Die HHrn. Perier und Possoz
                              haben diese Methode noch dadurch vereinfacht, daß sie die Scheidung mit dem in den
                              Colonien selten hinreichend reinen Kalk umgehen; dieß wird durch Hinzunahme einer
                              Art Klärung vor der Verdampfung zum ursprünglichen Verfahren mit schwefligsaurem
                              Natron bewirkt.
                           Dieses ursprüngliche Verfahren, wie es für die kleinen Siedereien in den Colonien,
                              bei Anwendung von offenen Pfannen und freiem Feuer bestimmt ist, entspricht den
                              folgenden Versuchen, welchen die Commission beiwohnte: 1 Kilogr. des oben
                              bezeichneten Saftes erhielt in der Kälte 4 Decigramme wasserfreies, neutrales
                              schwefligsaures Natron; die Lösung wurde in der Siedehitze unter steter Entfernung des
                              Schaumes eingedampft; das Schäumen hörte bei einer Schwere von 18–20°
                              Baumé auf und der klar gewordene Saft blieb klar bis zur Probe; man erhielt
                              so einen gelblichen hellen Syrup, jedoch war er etwas dunkler als der vorige. Mit 1
                              Grm. Zucker gemischt, ergab er im Trockenschrank nach und nach eine regelmäßige,
                              obwohl etwas weniger schöne Krystallisation als der frühere Versuch.
                           Der Hauptvortheil dieses in den Colonien schon sehr verbreiteten Verfahrens besteht
                              in seiner leichten Anwendbarkeit in den nicht mit Vacuumapparaten arbeitenden
                              Siedereien.
                           Da aber in den größeren Fabriken bei geschlossenen Apparaten das Schäumen nicht
                              möglich ist, so muß der Saft vor dem Kochen geklärt werden. Dieß geschieht durch
                              Zusatz von solchen Stoffen, welche im Safte mit dessen fremden organischen
                              Bestandtheilen rasch unlösliche Verbindungen bilden. Dieses Ziel ist auf wohlfeile
                              Weise besonders durch einen gewöhnlichen kalkhaltigen Thon erreicht worden
                              (bestehend aus 68 kieselsaurer Thonerde, 30 kohlensaurem Kalk und 2 Magnesia,
                              Eisenoxyd und Sand). Von diesem Thon reichen 1–4 Thle. auf 2 Thle. neutrales
                              schwefligsaures Natron für 5000 Liter Saft hin, um nach kurzem Kochen eine
                              vollständige Klärung zu erhalten und die Säfte in den Apparaten bis zur Probe, ohne
                              Schäumen und ohne Kalk-Incrustation, verkochen zu können.
                           Die HHrn. Perier und Possoz
                              haben ferner vor der Commission Versuche mit einem neuerdings verbesserten Verfahren für Rübenzuckerfabrication ausgeführt. Die
                              charakteristischen Merkmale dieses Verfahrens bestehen nicht allein in der
                              bruchweisen Anwendung des Kalkhydrates und theilweisen Fällung desselben nach dem
                              zweiten, dann gänzlichen Fällung nach dem dritten Zusatz, sondern auch in einer noch
                              erhöhten Reinigung vermittelst einer theilweisen Saturation der gelösten
                              kohlensauren Alkalien (mit reiner schwefliger Säure oder
                              mit einem Gemisch von schwefliger und Schwefelsäure), wobei die Menge der anzuwendenden
                              Knochenkohle um 75 Procent vermindert wird.
                           Die in Gegenwart der Commission im Februar d. J. angestellten Versuche waren
                              folgende:
                           7 Kilogr. etwas alterirter Rüben (weiße Sorte mit grünen und rosenrothen Köpfen)
                              ergaben nach dem Reiben und Pressen 5250 Grm. Saft von 1040 spec. Gewicht. Bei
                              70° C. wurde derselbe mit 6 Tausendtheilen Kalk geschieden, indem bis zum
                              ersten Anfang des Kochens erhitzt wurde; die filtrirte Flüssigkeit ist klar, aber
                              von bräunlicher Bronzefarbe.
                           Zum Vergleich mit den übrigen Säften wurden von diesem geschiedenen Safte 1500 Grm. mit 1
                              Tausendtheil Kalk und dann mit überschüssiger Kohlensäure behandelt. Von der
                              gekochten und filtrirten Lösung wurden 1000 Grm. bis zu einem Siedepunkt von
                              115° C. verdampft, und der erhaltene braune, trübe und schleimige Syrup in
                              einem Glase mit 1 Grm. Zucker (zum Einleiten der Krystallisation) hingestellt.Bei einem Versuche mit 400 Grm. saturirtem filtrirtem Saft erkannte man, daß
                                    er im Liter das Aequivalent von 0,8 Grm. Kalk enthält, der unter diesen
                                    Verhältnissen nicht durch Kohlensäure fällbar ist, indem er durch fremde und
                                    gefärbte Stoffe in Lösung gehalten wird. Man wird in der Folge sehen, wie
                                    diese Verbindungen fast gänzlich durch hinreichenden Zusatz von Kalk und
                                    Kohlensäure gefällt werden können. Payen.
                              
                           2500 Grm. desselben Saftes, nach der Scheidung obiger 5250 Grm. genommen, wurde nun
                              mit 1 1/2 Tausendtheilen Kalk in kleinen Mengen in dem Maaße versetzt, als die
                              Saturation mit Kohlensäure voranschritt; es bleiben zuletzt noch 3 Tausendtheile
                              Kalk in Lösung. Dieß erkennt man daran, daß ein Gemisch von 3 Kubikcentimetern
                              titrirter Eisenchlorürlösung und 1 K. C. Saft eine Flüssigkeit liefert, die mit
                              einem Tropfen einer schwachen Lösung von rothem Blutlaugensalz einen grünen Flecken
                              gibt.
                           Man filtrirt nun den ganzen Saft, setzt nach und nach 4 Tausendtheile Kalk zu und
                              läßt zugleich hinreichend Kohlensäure einströmen, um diese im Ueberschuß in die
                              Lösung zu bringen, was man an dem Niederschlag, welchen Kalkwasser mit einer
                              filtrirten Probe gibt, sofort erkennt. Der Saft wird nun kurze Zeit aufgekocht und
                              enthält dann keine bestimmbaren Mengen Kalk mehr, da eine abfiltrirte Probe mit
                              kleesaurem Ammoniak nicht sofort einen Niederschlag gibt.
                           Der klare und mehr als auf gewöhnliche Weise von fremden organischen Stoffen befreite
                              Saft wurde nun vergleichsweise nach zweierlei Methoden behandelt: 1000 Grm., rasch
                              bis zum Siedepunkt von 115° C. verdampft, lieferten einen flüssigen Syrup von
                              viel hellerer Farbe als derjenige der ersten Operation; er wurde mit 1 Grm. Zucker
                              zum Krystallisiren hingestellt.
                           Die anderen 1000 Grm. wurden zu acht Zehnteln mit einer wässerigen Lösung schwefliger
                              Säure von 3 Proc. Gehalt neutralisirt, wovon 15 K. C. nothwendig waren um den
                              größten Theil der kohlensauren Alkalien in schwefligsaure Salze zu verwandeln. Die
                              Verdampfung, wie oben bewirkt, lieferte einen noch flüssigeren und weniger gefärbten
                              Syrup, der ebenso zurückgestellt wurde.
                           Alle drei krystallinischen Massen zeigten sich später ganz der Beschaffenheit der
                              Syrupe entsprechend, denn sie waren mehr und mehr krystallisirt und weniger
                              gefärbt.
                           
                           Man kann hieraus folgende Schlüsse ziehen:
                           1) Bei der ersten Operation, welche der gewöhnlichen Scheidung entspricht, wodurch
                              die stickstoffhaltigen und Pektinsubstanzen, welche durch Kalk fällbar sind,
                              ausgeschieden werden, und wobei eine unzureichende Menge Kalk und eine einfache
                              Saturation mit Kohlensäure eine unvollkommene Reinigung bewirkt, verbleibt im
                              Producte noch eine große Menge fremder organischer, gefärbter oder sich färbender
                              Substanzen, und zwar vermutlich in Verbindung mit den unter diesen Verhältnissen
                              nicht fällbaren 0,0008 Kalk.
                           2) Bei der zweiten Operation zeigte sich die nützliche Wirkung der beiden Kalkzusätze
                              und der ersten theilweisen, dann gänzlichen Fällung mittelst Kohlensäure, durch die
                              vollkommenere Entfernung der fremden gefärbten Substanzen und des Kalks, der in der
                              That nicht mehr durch Reagentien angezeigt wurde.
                           Wenn man bedenkt, daß der Niederschlag von kohlensaurem Kalk bei einem geringen
                              Kalküberschuß diese Stoffe mitreißt und sich bei fortschreitender Operation immer
                              weniger färbt, so muß man mit Chevreul annehmen, daß der
                              kohlensaure Kalk im Entstehungsmomente diese organischen Substanzen zu einer Art
                              Lack bindet; außerdem erleichtert die Alkalität der Lösung die Verbindung des
                              atmosphärischen Sauerstoffs mit gewissen organischen Substanzen und mithin die
                              Veränderung derselben; endlich können die allmählichen Kalk- und
                              Kohlensäure-Zusätze diese specielle Veränderung zum Theil verhindern.
                           Es ist klar, daß, nachdem die Flüssigkeit von den fremden Stoffen befreit ist, die
                              zuletzt zugesetzte Kalkmenge mit dem noch vorhandenen Kalkrückstand durch den
                              Ueberschuß an Kohlensäure gefällt wird, deren Wirkung nunmehr ungestört vor sich
                              gehen kann.
                           3) Bei der dritten Operation waren die günstigen Reactionen noch weiter ausgedehnt
                              worden, indem (nach vollständiger Entfernung des Kalkes) acht Zehntheile der
                              kohlensauren Alkalien durch die schweflige Säure neutralisirt wurden, um die
                              gewöhnlichen Wirkungen der Alkalität, nämlich die Bräunung in Folge der Gegenwart
                              von etwas Glykose (Krümmelzucker) und anderer leicht veränderlicher organischer
                              Stoffe dadurch zu vermeiden.
                           In der Praxis ist es leicht, die 8 Zehntheile der kohlensauren Alkalien zu
                              neutralisiren; man braucht nur z.B. von 10 Hektolitern Saft 8 Hektoliter vollständig
                              zu sättigen und dann die übrigen 2 Hektoliter zuzusetzen.
                           Die schwefligsauren Alkalien verwandeln sich durch die Entfärbung selbst, welche sie
                              bewirken, in schwefelsaure Salze; allein es könnten doch noch schwefligsaure Salze
                              zurückbleiben, und dem Zucker einen schlechten Geschmack ertheilen; die Erfinder
                              umgehen diesen Uebelstand dadurch, daß sie zur Saturation ein Gemisch von
                              Schwefelsäure und schwefliger Säure anwenden; es entstehen somit weniger
                              schwefligsaure Salze und der Uebelstand verschwindet (!).
                           Diese Saturation würde vielleicht ein neues Verfahren seyn, wenn man, der
                              Beschreibung der Erfinder entsprechend, dasselbe auf filtrirten Rübensaft nach einer
                              einfachen Saturation des Kalkes durch überschüssige Kohlensäure anwendete. Es würde
                              dadurch die Operation vereinfacht und die Anzahl der erforderlichen Geräthe
                              vermindert werden. Es wäre interessant, dieses Verfahren mit dem eben untersuchten
                              zu vergleichen.
                           In allen Fällen wird der gereinigte und neutralisirte Saft in den geschlossenen
                              Verdampfapparaten concentrirt (in welchen keine Incrustationen entstehen), bei
                              25–26° Baumé über Knochenkohle, wovon nur noch 1/4 erforderlich
                              ist, filtrirt, und endlich die Arbeit durch Kochen im Vacuum beendigt.
                           Die von den HHrn. Perier und Possoz eingeführten Verbesserungen sind keine Versuche mehr; sie sind von
                              mehr als 50 französischen Fabriken angenommen.
                           Die erhaltenen centrifugirten und mit Syrup und dann mit Dampf gedeckten Zucker sind
                              rein weiß, und gleichen den bisher nur mit doppelter Filtration über die vierfache
                              Kohlenmenge erhaltenen Producten. –
                           Der Bericht schließt mit dem Anliegen, daß die Akademie der wissenschaftlichen und
                              praktischen Richtung, welche die HHrn. Perier und Possoz mit Ausdauer verfolgen, ihren Beifall aussprechen
                              möge, welchem Antrage auch Folge gegeben wurde.