| Titel: | Ueber eine bemerkenswerthe Erscheinung beim Verschwinden des Elektromagnetismus im weichen Eisen; von Professor Dr. A. von Waltenhofen in Innsbruck. | 
| Autor: | Adalbert Waltenhofen [GND] | 
| Fundstelle: | Band 170, Jahrgang 1863, Nr. XCV., S. 345 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XCV.
                        Ueber eine bemerkenswerthe Erscheinung beim
                           Verschwinden des Elektromagnetismus im weichen Eisen; von Professor Dr. A. von Waltenhofen in Innsbruck.
                        von Waltenhofen, über eine Erscheinung beim Verschwinden d.
                           Elektromagnetism. im Eisen.
                        
                     
                        
                           Es ist eine allgemein bekannte Thatsache, daß ein eiserner Elektromagnet beim
                              Aufhören des magnetisirenden Stromes den magnetischen Zustand zwar größtentheils,
                              aber selbst beim weichsten Eisen nicht vollständig verliert, sondern mehr oder
                              weniger immer einen magnetischen Rückstand zeigt, welchen man den remanenten oder
                              permanenten Magnetismus nennt. Die Gesetzmäßigkeiten dieses magnetischen Rückstandes
                              sind noch sehr wenig erforscht, am allerwenigsten bei nicht armirten Magneten, von
                              welchen hier ausschließlich die Rede seyn soll, indem ich bei meinen Untersuchungen
                              dieses Gegenstandes nur cylindrische Eisenkerne ohne Vorlagen benützt habe.
                           Ich fand, daß der magnetische Rückstand bei gleicher Stromstärke noch von dem
                              Umstande abhängig ist, ob der magnetisirende Strom plötzlich
                                 unterbrochen wird, oder ob man denselben zuvor allmählich abnehmen läßt und erst dann ganz unterbricht. Im ersten Falle
                              fällt der magnetische Rückstand immer viel kleiner aus
                              als im zweiten. Manchmal habe ich nach plötzlicher Unterbrechung starker
                              magnetisirender Ströme sogar die höchst merkwürdige Erscheinung beobachtet, daß der
                              magnetische Rückstand negativ, das heißt im Vergleiche
                              mit dem verschwundenen Elektromagnetismus entgegengesetzt
                              war. Diese neue Beobachtung, welche ich übrigens nur an den weichsten Eisensorten gemacht habe, und deren Einzelheiten ich hier nicht
                              umständlich erörtern will, hat insofern ein großes physikalisches Interesse, weil
                              sie einen neuen einfachen und augenscheinlichen Beweis dafür liefert, daß die
                              Magnetisirung nicht auf der Scheidung magnetischer Flüssigkeiten beruhen kann,
                              sondern auf der Bewegung magnetischer Molecüle, wobei
                              sich zugleich ein gewisser Reibungswiderstand geltend
                              macht.
                           Das Umschlagen in den entgegengesetzten magnetischen Zustand läßt sich durch eine
                              Feder versinnlichen, deren Schwingung mit einiger Reibung gehemmt ist. Spannt man
                              diese Feder und läßt sie langsam wieder nach, so wird sie wegen der Reibung nicht
                              mehr ganz in ihre ursprüngliche Lage zurückkehren; spannt man sie aber und läßt sie
                              hierauf plötzlich los, so wird sie jedenfalls weiter gegen ihre ursprüngliche Lage
                              zurückgehen, oder wohl gar dieselbe überschreiten, wobei es dann auch oft geschehen
                              kann, daß sie, wegen
                              der Reibung, jenseits dieser überschrittenen ursprünglichen Lage stehen bleibt. Ganz
                              ähnlich verhält es sich mit der Bewegung der magnetischen Molecüle des Eisens bei
                              allmählichem Nachlassen oder plötzlicher Unterbrechung des magnetisirenden Stromes,
                              und so erklären sich denn auch die beschriebenen Erscheinungen, welche ich beim
                              allmählichen oder plötzlichen Verschwinden des Elektromagnetismus im weichen Eisen
                              beobachtet habe.
                           Innsbruck, am 4. November 1863.